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Frauen nie und nimmer in einem Männergesangverein

28.05.05 (Hockenheim)

Wie die Damenriege durch Beharrungsvermögen und künstlerische Klasse zum festen Bestandteil der Liedertafel geworden ist

Frauen in einem Männergesangverein? Nie und nimmer! Und wenn überhaupt, dann höchstens im Kirchenchor – oder an der Kuchenausgabe beim Vereinsfest. So wirkt es wie ein Paukenschlag, als 1980 während der Mitgliederversammlung des seit 1874 existierenden Hockenheimer Männergesangverein Liedertafel der damalige Dirigent Bernhard Riffel dem bis dato reinen Männerchor die Gründung eines Frauenchores vorschlägt. „Nie im Leben“ so die erste Reaktion einiger altgedienter Sangesrecken. Doch nach langer, zum Teil heftig geführter Diskussion stimmt tatsächlich eine Mehrheit einem Probejahr zu – aber nur unter der Voraussetzung, dass eine Fusion oder gemeinsames Singen mit dem Männerchor ausgeschlossen ist.
Bereits am 12. Mai 1980 findet im „Stadtpark“ die erste Probe statt. Der Andrang sangeslustiger Frauen ist der sichtbare Beweis dafür, dass Dirigent Riffel die Zeichen der Zeit voll erkannt hat. Die 48 Frauen und Mädchen beginnen mit der Probearbeit. Im August ist bereits der erste öffentliche Auftritt „der Frauen“, wie sie noch immer etwas abwertend von manchem Sangesfreund genannt werden. Aber „die“ geben den Spöttern keinen Anlass zur Häme, wie der Chronist damals in der Hockenheimer Tageszeitung schrieb: „…der rauschende Applaus zeugte für das bereits erreichte hohe Niveau der Damen.“
Zum Winterball 1981 präsentieren sich bereits 60 Sängerinnen dem Publikum. Die hohe musikalische Qualität der Liedvorträge überzeugt inzwischen auch die hartnäckigsten Kritiker. Der Frauenchor wird nach nur zwölf Monaten als selbständiger Bestandteil des Vereins akzeptiert. Erstmals werden vier Beisitzerinnen in den Gesamtvorstand gewählt, die Sängerinnen entscheiden sich für Angela Haas als Sprecherin des Frauenchors.
In der Folgezeit werden mit großen Anstrengungen sinnvolle Rahmenbedingungen für die Zukunft geschaffen. Mit den Erfahrungswerten von Dirigent Bernhard Riffel und dem zielstrebigen Wirken von Angela Haas entsteht ein tragfähiges Fundament, welches bis heute richtungsweisend nachwirkt.
Nach einem Jahr des Bestehens stellt sich der Frauenchor in Ingenheim/Pfalz einem ersten Sangesvergleich und kann beim Volkslieder-Ehrensingen unter sieben teilnehmenden Chören bereits den dritten Platz belegen. Das erste Punktwertungssingen beschert den Liedertafel-Frauen in Dielheim den 1. Klassenpreis und zugleich die Tagesbestleistung. Von jetzt an geht es Schlag auf Schlag: Die intensiven Probearbeiten zahlen sich aus, immer öfter erringen die Sängerinnen Klassenpreise oder erste Preise. In der Folgezeit verstärken viele neue Sängerinnen die Gemeinschaft, der Frauenchor ist bereits nach wenigen Jahren in der Sängerszene zu einem Qualitätsbegriff geworden. Und auch das große „aber“ der ersten Versammlung ist längst ad acta gelegt: Gemeinsames Singen der Chöre ist bereits 1984 bei besonderen Anlässen eine Selbstverständlichkeit.
Nach sechs Jahren Pionierarbeit gibt Angela Haas das Amt der Frauenchor-Sprecherin an Rita Muth weiter. Als Hans Achtstätter 1989 von Alfred Kühnle die Vereinsführung der Liedertafel übernimmt, zeigt sich, dass der Frauenchor Schritt für Schritt in das Vereinsgefüge integriert wurde. Nach zehn Jahren gehören dem Frauenchor 109 Sängerinnen an, er ist zu einem Vorzeigechor gereift.
Nach 16 Jahren beendet Chorleiter Bernhard Riffel 1991 seine Dirigententätigkeit bei der Liedertafel, Nachfolger wird Walter Muth. Die Jahreshauptversammlung 1993 bringt einen Führungswechsel, Gerhard Kuhn wird neuer Liedertafel-Vorsitzender, die Frauenchor-Sprecherin Rita Muth tritt nach sieben Amtsjahren zurück. Nachfolgerin wird Ria Keller, die zusätzlich als stellvertretende Vorsitzende der Liedertafel Verantwortung übernimmt.
Im Juni 1996 wird Otto Lamadé als musikalischer Leiter für Frauen- und Männerchor verpflichtet. Sicheres Urteilsvermögen für Machbares, breites Wissen in Sachen Musik, virtuoses Klavierspiel, absolutes Gehör und persönliche Ausgewogenheit sind sein Rüstzeug für harmonisches und erfolgreiches Miteinander.
Mit Karl Laier gewinnt die Liedertafel 1997 einen dynamischen ersten Vorsitzenden, der sich wie seine Vorgänger engagiert für „seine Frauen“ einsetzt. Beim großen Vereinsjubiläum im Jahre 1999 sind Frauen- und Männerchor längst zu einer großen Liedertafel-Familie zusammengewachsen.
Nach wie vor demonstriert der Frauenchor beeindruckend sein Können. Bei Sängerfesten werden Klassen- und Dirigentenpreise sowie Tagesbestleistungen errungen. Einen der größten Erfolge seit Bestehen des Frauenchors erringen die Sängerinnen im Mai 2001 in der Sangeshochburg Lindenholzhausen. Beim nationalen Chorwettbewerb wird gegen hochkarätige Konkurrenz aus dem gesamten Bundesgebiet der 1. Klassenpreis in der großen Frauenchorklasse, der Dirigentenpreis und die Tagesbestleistung aller Frauen- und Gemischten Chöre ersungen. Beim Chorwettbewerb des Badischen Sängerbunds wird dem Frauenchor zudem der Titel „Meisterchor im Badischen Sängerbund“ verliehen. Damit gehört der Liedertafel-Frauenchor zu den Spitzenchören im Badischen.
Vereinsintern gilt nach 25 Jahren längst der Grundsatz „Gemeinsamkeit ist unsere Stärke“. Der einst belächelte Frauenchor ist zum unverzichtbaren Bestandteil der Liedertafel geworden. Über 90 Sängerinnen zwischen 16 und 85 Jahren gehören ihm heute an; er charakterisiert sich selbst so: Jung an Jahren des Bestehens, modern im Umsetzen der musikalischen Szene, jedoch traditionsbewusst in der Pflege der überlieferten Musikliteratur.
Diese Balance von Kinder-, Frauen- und Männerchor ist der Liedertafel gelungen. Der Frauenchor hat den anfangs starken Widerständen getrotzt und sich neben dem Männerchor langsam aber stetig zum anerkannten Partnerchor entwickelt, der sich damit auch zu recht als Pionier der Frauenchöre in Hockenheim bezeichnen darf.

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