Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Holzdiebstahl wurde zum Volkssport

13.04.88 (Handel & Handwerk, Landschaft & Orte, Landwirtschaft & Forsten)

Aus dem Jahr 1837 ist eine Mitteilung des Großherzoglich badischen Forstamtes in Schwetzingen erhalten, in der über „einfallende Rotten“ berichtet wird, die „in Schaaren Gehölz in die Dörfer der Hardt“ gebracht hatten, um es dort zu verkaufen. Worin lagen aber die Ursachen, daß sich der Forstfrevel zu einem Massenphänomen entwickelte?
Es herrschte Armut unter der Bevölkerung, die gerade im 19. Jahrhundert auch im Bereich der ehemaligen Kurpfalz ständig zunahm. Damit stieg auch die Nachfrage nach Holz sprungartig an. Es war nicht nur das wichtigste Baumaterial und der wichtigste Rohstoff für viele Handwerker und Gewerbetreibende, sondern auch der fast ausschließliche Energieträger der damaligen Zeit. Wer genug Geld hatte, der konnte sich sein Holz bei den Förstern, der Gemeinde oder bei privaten Holzhändlern kaufen. Wer nicht über das nötige Geld verfügte, ging nicht selten leer aus. Zwar war es den Gemeinden im Bereich der
Schwetzinger Hardt und der Lußhardt möglich, aus ihren Waldbeständen eine kostenlose Holzabgabe zu organisieren, doch es kam nur selten dazu.
Die Einkünfte aus dem Holzverkauf waren eine wichtige Einnahmequelle. Fiel diese aus, mußten die Gemeindeabgaben erhöht werden. Für die arme Bevölkerung blieb also fast gar nichts anderes übrig, als sich in den Wäldern „zu bedienen“. In der Strafverfolgung führte dies nicht selten zu der seltsamen Situation, daß die Ärmsten der Armen sich extra festnehmen ließen, um wegen Forstfrevel bestraft zu werden. In einem polizeilichen Rechenschaftsbericht des Hockenheimer Wachtmeisters von 1825 ist zu lesen, daß die Verurteilten „in den Gefängnissen bessere Kost als zu Hause“ vorfanden. Um die abschreckende Wirkung wiederherzustellen, wurden Wiederholungstäter seit 1830 „auf Wasser und Brod“ gesetzt, teilweise mußten sogar die Haftkosten ersetzt werden. Dies führte zu einem Teufelskreis: Der vom Staat geschröpfte Verurteilte mußte mangels anderen Einkünften erneut straffällig werden. Er „frevelte sich arm“, notierte 1835 der Amtsrichter Conrad in Schwetzingen.
Neben den wirklich Armen gab es aber auch „Gewerbsfrevler“, die den immer weiter steigenden Bedarf an Holz zu decken versuchten. Oft geschah dies sogar mit der Rückendeckung der Ortshonoratioren. Hatten die Förster einen begründeten Verdacht, durften sie zusammen mit dem örtlichen Polizisten eine Hausdurchsuchung durchführen. Zwingend vorgeschrieben aber war die Anwesenheit des Bürgermeisters oder wenigstens zwei Gemeinderäten. Aus Reilingen und Sandhausen ist überliefert, daß diese häufig „unpäßlich“ gewesen seien. Und dies hatte nur einen Grund: Das Holz der „Gewerbsfrevler“ war billiger als das des Staatsforstes.
Erst mit dem Verwenden von Kohle zu Heizzwecken und dem Umstellen der Bauwirtschaft auf Ziegelsteine oder anderes Baumaterial ging der Forstfrevel in der Schwetzinger Hardt zurück.
Die Förster hatten in ihren Revieren aber noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen, dem Streufrevel. Darunter verstand man die Entnahme von Laub, Nadeln und Zweigen aus dem Wald. Da hierzu meist ein Rechen benutzt wurde, wurde auch die fruchtbare Humusschicht des Waldbodens oft mit abgetragen. Die Landwirtschaft benötigte die Streu als Dünger, an dem es trotz geänderter Ackerbaumethoden mangelte. Die neue Ganzjahres Stallhaltung und die hohe Nachfrage hatten den Viehbestand
ansteigen lassen. Um die tierischen Exkremente zu binden, wurde zunehmend auch in den Hardtwalddörfern die im Vergleich zum Stroh billigere Waldstreu verwendet.
Von den Auswirkungen der Streunutzung auf den Hardtwald berichtete bereits 1823 der Schwetzinger Forstmeister. Er beklagte in einem Schreiben an die vorgesetzte Behörde in Karlsruhe das „monotone Bild“ der Wälder im Amtsbezirk durch den Rückgang der Laubhölzer. „Immer kürzer und lichter werden die Kiefernbestände, immer spärlicher sogar die Haide; zuletzt nur noch einzelne, verkrüppelte Kiefernbüsche auf mit Hungermoos überzogenem Boden; Wald kann diese öde Steppe nicht mehr
genannt werden!“
Obwohl die Übernutzung des Streus langfristig zu einem Rückgang der Holzerträge und vermehrten Schädlingsbefall führte, wurde die Streunutzung teilweise erst nach dem zweiten Weltkrieg endgültig beendet.

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