Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Räder und Rösser

10.10.13 (Geschichte allg.)

Die Geschichte des Reisens
Als vor vielen tausend Jahren die Menschen durch Hungersnot, Raubtierüberfälle und Natur­katastrophen gezwungen wurden, ihre Aufent­haltsorte zu wechseln, lernten sie im Umher­wandern immer wieder etwas Besseres kennen. Da und dort fanden sie Quellen mit klarem Wasser, entdeckten schattige Wälder und frucht­bare Äcker und wärmere Landstriche. Auf diese Weise begann der Verkehr. Man lernte Nach­barstämme kennen, fing an, mit ihnen zu tau­schen und zu handeln. Erst waren es zufällige Entdeckungen, später begann man, genau zu suchen.
Auf dem Lande benutzte man dabei Naturwege und Wildpfade, die durch Wege-Markierungen kenntlich gemacht wurden – das waren Stangen, Steinhaufen, Steinmänner, Be­sen an niedrigen Übergängen im Wasser, Baum­stümpfe im Schnee oder Strohwische im Eise. Längs der Flüsse und Seen entstanden durch häufiges Begehen Wege. Die natürlichen Ein­schnitte auf Kammhöhen in den Bergen – die wir Pässe nennen – wurden geschickt aus­genutzt. Besonders beliebt war die Benutzung von Wasserwegen. Der Verkehr auf ihnen, mit Hilfe des Ruders, des Floßes und des Einbaumes, sicherte gegen wilde Tiere, schützte vor unbe­kannten und vielleicht feindlichen Nachbarn, bot Trinkwasser und schnelle Fluchtmöglich­keiten und vor allen Dingen leichteren Trans­port größerer Lasten.
Die Bewegung von Menschen und Dingen von einem Ort zum anderen, sowie die durch Wort, Schrift, Bild und Zeichen ermöglichte gegenseitige Verständigung trugen zur Ent­wicklung des Verkehrslebens rasch bei. Je bes­ser sich die Beziehungen der Menschen zuein­ander entwickelten, um so vollkommener wur­den Wege und Verkehrsmittel verbessert. Denn der Verkehr wurde durch die Kenntnis von der Fortbewegung gefördert. Das Rad war zuerst eine dicke Scheibe, vom harten Baumstamm ab­gesägt, es ist schon recht alt – vor vier Jahr­tausenden gab es bereits Räder mit Speichen. Aus Rollen und Schleifen ist das Rad des Wagens entstanden — und zum Wagen gehör­ten Pferde oder Ochsen als Gespann. Es wurden von Jahrhundert zu Jahrhundert bessere und größere Wagen gebaut.
Aber für die Wagen brauchte man Straßen, also Wege ohne Gestein, Gestrüpp und Uneben­heiten. Man räumte die Pfade auf, verbreiterte und glättete sie, damit die einfachen Fahrzeuge darüberfahren konnten, ohne Schaden zu lei­den. Vor allem die alten Römer waren Meister des Straßenbaus. Die Straßen Roms waren etwas anderes als die chinesischen Wüstenpfade oder die Karawanenwege des Nillandes. Die Ver­bindung zu Lande zwischen der Hauptstadt Rom und den Hauptstädten in Kleinasien, Syrien und Ägypten – und später die Reise­strecken bis nach Aachen, Flandern und Schott­land – waren breite, festgebaute Straßen, die sogar die heutige Beanspruchung noch aus­halten könnten!
Ein berühmter englischer Stra­ßenforscher erklärte einmal: „Der Weg von der Antonius-Mauer in Schottland bis nach Rom und von dort weiter bis Jerusalem ist 4080 römische Meilen lang. Es ist eine einzige Ver­bindungskette. Die Straßen waren durch Meilen­steine gekennzeichnet; sie liefen meist in schnurgerader Linie von einer Stadt zur ande­ren, ohne Rücksicht auf Naturhindernisse oder Privateigentum. Berge wurden durchbohrt und kühne Bögen über die breitesten Ströme gebaut. Dies alles vor mehr als 2000 Jahren! Der mitt­lere Teil der Straße war leicht erhöht, er be­stand aus dicken Schichten von Kies, Sand und Kitt und war mit Sandstein oder, wie in der Nähe Roms, mit Granit gepflastert.
Der Bau dieser Straßen war so gut, daß ihre Festigkeit über 16 Jahrhunderte lang nicht gelitten hat. Sie verbanden die entferntesten Provinzen durch schnellen Verkehr – ihr Hauptzweck aber war die Erleichterung des Marsches der Legionen. Der Vorteil, Eil-Nachrichten zu erhalten und Be­fehle schnell zu übermitteln, veranlaßte die Kaiser, regelmäßige Posten – „Stationen“ –zu errichten. In Entfernung von wenigen Mei­len wurden Häuser gebaut, in jedem standen rund 40 Pferde. Dort wechselten die Kuriere ihre Tiere aus und konnten auf diese Weise täglich große Strecken zurücklegen.“
Im Jahre 125 vor Christi hat Sempronius Grachus den Fortschritt im Straßenbau eingelei­tet und die Kunstbauten – Tunnel, Brücken und erhöhte Wege – eingeführt. Im Laufe verhält­nismäßig kurzer Zeit entstand ein Netz guter Straßen mit einer Länge von 160 000 bis 190 000 Kilometern. Ein nicht geringer Teil der wichtig­sten Straßen war gepflastert. Wir können erst ermessen, was das für die damalige Zeit bedeu­tete, wenn man weiß, daß 1679 die Hauptstraße von Berlin und 1737 die erste Landstraße in Schwaben gepflastert worden sind!
Übrigens verstanden die Römer mit aller Be­quemlichkeit und großem Luxus zu reisen. Die Reichen besaßen großartig eingerichtete Schlaf-, Spiel- und Toilette-Wagen, die man mit den heutigen Salonwagen regierender Herrscher ver­gleichen kann. Aber auch die reichen Handels­herren und die kleineren Kaufleute entbehrten auf langen Reisen so gut wie nichts. Eine der alten römischen Heerstraßen wurde im Mittel­alter eine bedeutungsvolle Kaufmannsstraße und erhielt den Ehrennamen „Via Regalis“, Königliche Straße. Sie führte von Metz nach Mainz und war Lothringens „Schlagader des Handels“. Leider litt sie später, wie alle befahr­baren Straßen, unter der Habgier der Burgher­ren, die als Wegelagerer die vorüberziehenden Warentransporte überfielen und plünderten und damit den Ruf der Straßen als „Fallen der hoch­mögenden Ritter, welche ärger seyn als ge­meine Brandschatzer“ untergruben.
Der gesamte Verkehr erlebte einen mächtigen Aufschwung durch die Kreuzzüge, die zum Anlaß der ersten großzügig vorbereiteten Ent­deckungsfahrten wurden. Durch die Kreuzzüge wurden Könige und Kaiser, Reiche und Arme in Bewegung gesetzt, und während ihres Verlaufes sind nicht weniger als 6 Millionen Europäer, die Waffen und das Kreuz ergreifend, in den Orient gewandert. Sie veranlaßten die Stiftung neuer Reiche, alte Reiche wurden durch sie zertrüm­mert, aber auch Handelswege, selbst Sitten und Gebräuche mancher Teile der Welt wurden ge­ändert. Sie gaben unserem Kontinent für den Rest des Mittelalters beinahe ein neues Ge­sicht. Zwischen dem Sturze Roms und dem An­bruch der Neuzeit gibt es kein Ereignis in der europäischen Geschichte, das von gleicher Wich­tigkeit gewesen wäre, wie der Auszug der christlichen Streiter ins Morgenland, der im Jahre 1059 begann und bis 1365 in immer neuen Unternehmungen fortgesetzt wurde.
Dank der zunehmenden Kenntnis von Ver­kehrswegen und Schiffahrtsstraßen nahm die „Reiselust“ der Kaufherren zu. Die Europäer trieben schon vor den Kreuzzügen Handel mit dem Morgenlande und bezogen bereits zur Zeit Karls des Großen über Ägypten in kleinen Mengen Pfeffer, Muskatnüsse und andere kost­bare ostindische Waren. Als nun, als Folge der Kreuzzüge, jährlich Tausende von Europäern in den Orient gelangten, gewöhnten sie sich be­merkenswert schnell an die Handelsmöglich­keiten mit dem Morgenlande. Dabei muß man drei Erzeugnisse nennen, die bedeutende Um­wälzungen im Weltverkehr – aber auch in Haus, Küche und Kleidung der Europäer – hervorriefen: Zucker, Seide und Baumwolle.
Die Araber hatten die ganze alte Welt von Marokko bis Indien durchstreift und beschrie­ben. Die Skandinavier erforschten den Norden. Und bald darauf waren die Portugiesen weit über die bis dahin bekannten Teile der Meere vorgedrungen. Bald begann eine ununterbro­chene Reihe von Entdeckungsfahrten. Amerigo Vespucci machte sich um die Erforschung der Meere verdient und gelangte zu der Ehre, daß der neue Erdteil auf seinen Namen getauft wurde. Der Portugiese Magalhaes vollbrachte die erste Seereise um die Welt und fand den Weg um die Südspitze Südamerikas. Ferdinand Cortez eroberte Mexiko, das Land der Azteken. Pizarro bemächtigte sich des Landes Peru und öffnete das Tor zum Goldland der Inkas, wäh­rend deutsche Handelsherren – die Welser aus Augsburg – durch ihre Feldhauptleute Alfinger und Federmann Venezuela erobern ließen, das sie bis 1614 in Besitz halten konnten.
Neben den großen Reisen auf allen Welt­meeren verbesserte sich auch die Verkehrslage im Kleinen. Wegen der Handelsbedeutung und wegen der Gefahren, mit denen eine Reise verbunden war, bestanden für die Reisenden im Mittelalter Ausnahmerechte: sie durften ihre Nahrung ungestraft vom Felde und aus den Gärten nehmen, ebenso das Holz, das sie zum Ausbessern eines beschädigten Wagens nötig hatten. Nach dem Burgundischen Gesetz hatten die Gesandten fremder Völker sogar das Recht, unterwegs ein Schwein oder einen Hammel von den Bauern zu fordern. Es galt als selbstver­ständlich, den Reisenden in jeder Weise behilf­lich zu sein!
Als im Mittelalter der briefliche Verkehr der Kaufleute, Magistrate, Fürsten und kirchlichen Behörden unter- und miteinander stärkeren Um­fang annahm und sich über weite Reisestrecken ausdehnte, wurde auch der Nachrichtenverkehr ausgebaut. Das war keineswegs leicht. Die Zustellung der Briefe, Urkunden, Wechsel und Bargelder war nicht ganz ungefährlich und deshalb teuer. Da die kräftigen Metzger meist unangefochten mit ihren Wagen über Land zogen, um Vieh und Gewürze zu kaufen, ver­fiel man darauf, mit ihnen Vereinbarungen zu treffen, daß sie die Postgüter bis zum nächsten größeren Ort mitnahmen.
Die Landfahrzeuge hatten sich zu brauch­baren Verkehrsmitteln entwickelt. Von der „Roßbahre“ – einer Sänfte, die zwischen zwei Pferden schaukelte – war es ein kurzer Weg bis zum zweispännigen, wie ein Faß rund ge­bautem „Tonnenwagen“, der von einem Reiter geführt wurde. Bald folgte die überdachte Kut­sche mit dem Kutschbock, zu der sich der Lan­dauer gesellte, dessen Dach aus Segeltuch oder Leder in der Mitte geteilt war und nach zwei Seiten geöffnet werden konnte. Eleganter war die Berline, die hinten Sitze für zwei Diener aufwies. Die Diligence, eine Art Postkutsche, aus drei Abteilen bestehend, mit einer Gepäck­stellage auf dem Dach, war bereits ein schnelles Gefährt für lange Strecken. Darauf folgte die geräumige Mailcoach, eine geschlossene Kabine auf starken Rädern. Auf dem Dach gab es Bänke für vier Personen und Raum für viel Gepäck.
Der Landverkehr verbesserte sich unglaub­lich schnell. Die Fluß-Schiffahrt hinkte hinten­drein. Noch im 18. Jahrhundert waren Flöße der wichtigste Bestandteil des Wasserverkehrs. Flöße von 350 m Länge und fast 30 m Breite waren 1750 auf dem Rhein nicht selten. Viele wurden in Mannheim oder Mainz zusammen­gesetzt, wo das Holz aus den süddeutschen Wäldern herbeigeflößt wurde. Es gab Güter-Flöße mit 12 Hütten darauf und 400 bis 500 Ruderknechten, die bis zu den niederländischen Häfen reisten. Manche der riesigen Flöße hat­ten Metzger, Suppenköche und Bäcker an Bord, außerdem Dutzende von Rindern und Schafen, Fässer voll Bier und Wein, und zentnerweise Dörrfleisch, Hartbrot, Käse und Hülsenfrüchte. Vornehme Reisende genossen auf diesen schwimmenden Inseln jede denkbare Bequem­lichkeit. Manche der Deckaufbauten waren mit Teppichen, Betten, Ruhesofas und Ledertapeten ausgestattet, also auch nach unseren Begriffen recht behaglich.
Viele Wege und Umwege legten die Ver­kehrsmittel zurück – es war eine Jahrtausende währende Entwicklung vom ersten Lasttier und der ersten Hängematte aus Schilf bis zum Stromlinien-Zug, dem Überland-Omnibus, den Ozeanriesen und den 200-Personen-Übersee­Flugzeugen.
von Peter Omm

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