Kurpfalz Regional Archiv

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Stafettenläufer rasten mit Eis von den Alpen bis nach Rom

09.06.99 (Geschichte allg., Speisen & Getränke)

Ein Blick in die Speiseeis-Geschichte
„Ein Sommer ohne Eis ist wie Weihnachten ohne Christollen“, pflegte Altbundeskanzler Helmut Kohl immer zu sagen, wenn er nach dem Besuch des Gottesdienstes im Speyerer Dom sich ein leckeres Eis in der Waffeltüte leistete. Ein Blick in die Geschichte des Speiseeises zeigt, daß bereits vor 5.000 Jahren viele Chinesen davon träumten. Denn nur wenige von ihnen bekamen mitten im Sommer kühle Köstlichkeiten, die aus Milch, Fruchtsäften, Gewürzen und gefrorenem Wasser zubereitet wurden.
Um 930 vor Christus informierte sich König Salomon durch Geschichtsschreiber von diesen Tafelfreuden und labte sich fortan an Schneewasser mit Honig und Früchten. Auch die alten Griechen genossen bereits lange vor den Menschen im nördlichen Europa ein kühles Eis. Der Arzt und Lehrer Hippokrates von Kos empfahl um 300 v. Chr. schon Speiseeis für die Krankenbehandlung, „da es die Säfte belebe und das Wohlbefinden hebe“. Angaben über die Art der Zubereitung fehlen leider. Vermutlich wird es sich aber um Natureis gehandelt haben.
Gefrorenes Wasser (oder auch Schnee von gestern) war auch die Grundlage einer Leckerei, die sich der römische Kaiser Nero gelegentlich leistete. Es wurde ihm mit Honig und Früchten vermischt gereicht und soll vorzüglich gemundet haben. Indes, dieses Vergnügen war auf ein kaiserliches Portemonaie zugeschnitten, denn das Natureis mußte durch Stafettenläufer von den Alpengletschern zur römischen Residenz getragen werden. Rund 400 Kilometer – und das Eis durfte nicht schmelzen.
Im rauhen Norden und in den Gebieten mit gemäßigtem Klima, wo damals die Germanen hausten, lieferten strenge Winter das Eis gewissermaßen „frei Haus“. Es ist nicht bekannt, ob und in welchem Ausmaß die Germanen dieses Angebot aufgegriffen haben. Sicher ist nur, daß sie sich im Winter von ihren Bärenfellen erhoben, um auf den Flüssen nach Eisschollen zu angeln. Sie zerlegten diese in handliche Stücke und stapelten sie in kühlen Grotten und Kellern. So hatten auch die Germanen schon die Möglichkeit, an warmen Sommertagen ihren Met „on the rocks“ zu trinken.
Wann zum erstenmal Speiseeis künstlich gefroren wurde, weiß man nicht. Es muß um die Zeit herum gewesen sein, als das Gefrieren mit Hilfe von Roheis und Salz „erfunden“ wurde. Den genauen Zeitpunkt weiß man hier ebenfalls nicht genau. Die Quellen deuten auf das Jahr 1530 und mit Sicherheit auf Italien hin. Die Gemeinde Cantania auf Sizilien besteht darauf, Geburtsstätte des Speiseeises zu sein.
„Mehr zum Scherz, denn zum Nutzen“ zeigten damals fahrende Künstler auf italienischen Jahrmärkten ein physikalisches Phänomen: Wenn ein mit Fruchtsaft gefüllter Behälter zu lange im kühlenden Salpeterwasser stand, bildeten sich am Rand fruchtige Eiskristalle, die oft als „Zauberei“ bestaunt wurden. Im Laufe der Zeit gelang es den Köchen und Konditoren, aus dieser Masse ein geschmeidiges Speiseeis zu machen.
Immerhin scheint sicher, daß das erste „moderne“ Speiseeis in der Dogenrepublik Venedig probiert wurde – rund hundert Jahre bevor der Kavalier Jacopo de Seingalt, genannt Casanova, durch seine tollkühne Flucht (1756) aus den Bleikammern dieser Stadt von sich reden machte.
Eine weitere Hochburg der Speiseeisbereitung wurde das von den Fürsten Medici beherrschte Florenz. Im Jahre 1533 heiratete eine Tochter dieses Fürstenhauses, Katharina von Medici – den weltlichen Genüssen gegenüber sehr aufgeschlossenen – König Heinrich den II. von Frankreich. Mit ihr zog eine Anzahl hervorragender toskanischer Köche gen Paris, im Gepäck köstliche Speiseeisrezepte. Der florentinische Bäckermeister Cultelli richtete in Paris einen Laden ein, in dem er Speiseeis in großen Mengen verkaufte.
Ins rauhe Haus holte sich König Karl I. von England (1625-1649) einen Spezial-Eiskonditor aus Paris, den er zwar fürstlich entlohnte, jedoch den Verrat des Eisrezeptes drohte er mit der Todesstrafe zu ahnden. Um  1680 schlossen sich bereits 250 Pariser Eiskonditoreien zu einer neuen Innung zusammen, und die französische Finanzverwaltung trug sich sogar mit dem Gedanken, das Speiseeis zu versteuern.
Im 17. Jahrhundert gelangte dann das Speiseeis endlich auch nach Deutschland. Ein namhafter Kanzelprediger seiner Zeit wetterte in der Heidelberger Heilig-Geist-Kirche gegen diese „Schleckerei“ und wies sie als „geckenhaft“ zurück. Auch am kurpfälzischen Hof  begegnete man der Mode des Eisessens mit gebotenem Mißtrauen.
So ist aus dem Jahre 1759 eine Notiz der kurfürstlichen „Hofschreiberey“ erhalten. Dort ist zu lesen, daß während der herrlichen Sommertage „zu Sultzingen“ (Schwetzingen) „Hochwohlgeboren“ zum Nachtisch Speiseeis reichen ließ. Aber eine „Gräfin d’Odenheym“ trübte dieses Vergnügen, „indem sie das Gefrorene, das man uns von der Tafel sendete, weggoß, weil es ihr unmöglich vorkam, daß der Magen ein wahrhaftes Eis, wenn es auch gezuckert sei, vertragen könnte“.
1794 gelangte die „kalte Kunst“ der Speiseeisherstellung in die Neue Welt nach New York. Den Amerikanern blieb es auch vorbehalten, der handwerklichen Speiseeisbereitung Industrieformat zu geben: Es war eine amerikanische Hausfrau, die eine durch Handkurbel angetriebene Eismaschine erfand. 1851 gründete in Baltimore Jacob Fussel die erste Speiseeisfabrik der Welt. Rund 20 Jahre später kam dann auch  in Deutschland industriell gefertigte Eiskrem auf den Markt. (og)

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