Kurpfalz Regional Archiv

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Als der Aderlaß Allheilsmittel war

23.11.95 (Medizin & Hygiene)

Die kalte Jahreszeit ist in den ewigen Wechsel der Jahreszeiten
ebenso eingebunden wie die alljährliche Grippewelle oder andere
„verschnupfte“ Zeiten. Die Wartezimmer der Ärzte sind übervoll,
und jeder Patient kennt die Atmosphäre moderner Praxen und
Kliniken aus eigenen Erfahrungen. Wie muß man sich aber nun die
ärztliche Versorgung der Kurpfälzer zu Zeiten eines Carl Theodors
vorstellen? Wie war es um die ärztliche Versorgung und die
Hygiene des 18. Jahrhunderts bestellt?

Zunächst muß man wissen, daß die Medizin zur damaligen Zeit erst
zur Naturwissenschaft reifte und gerade dabei war, die
metaphysischen Grundlagen der Antike von der
Experimentalphysiologie ablösen zu lassen. Von besonderer
Bedeutung in dieser Zeit war für die Bevölkerung die Entwicklung
der Pockenschutzimpfung. Bekannt waren auch schon die Zeichen
einer Angina pectoris oder einer Herzmuskelentzündung. Syphilis
wurde als eine Art Volksseuche behandelt und den Hodenkrebs
brachte man mit dem Beruf des Schornsteinfegers in Verbindung.

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung lag je nach Geldbeutel
der Patienten und Art der Krankheit in den Händen von Ärzten,
Badern, Apothekern, Barbieren, Feldscherern und allerlei anderen
Scharlatanen sowie selbsternannten Wunderärzten.

Seit 1680 versuchten verschiedene Wissenschaftler eine
Frischwasserversorgung für Mannheim zu entwickeln. Dies war
besonders schwierig, denn die Stadt an Rhein und Neckar war auf
ehemals morastigem Untergrund errichtet worden. Nach ausgiebigen
Studien alter Untersuchungen wollte der Ingenieur Traitteur auf
eigene Kosten mit Unterstützung der kurfürstlichen Schatulle eine
Frischwasserleitung von Leimen und Rohrbach nach Mannheim
verlegen lassen. Er versprach sich und dem Kurfürsten große
Gewinne, aber die kurfürstliche Bürokratie und die Kriegswirren
der damaligen Zeit vereitelten das Vorhaben.

Der Heidelberger Wissenschaftler Franz Anton Mai (1742  1814)
machte sich durch die Verbreitung allgemeinhygienischer
Grundlagen überall einen Namen. Er beriet die kurfürstliche
Regierung in gesundheitspolitischen Fragen und stellte einen
Katalog von Vorsichtsmaßnahmen und Therapiemöglichkeiten bei Ruhr
auf. Bereits 1730 hatte der regierende Kurfürst seiner
Residenzstadt Mannheim ein erstes Spital gestiftet. Die Patienten
wurden von Jesuiten und Kapuzinern betreut. Wegen der hohen
Sterblichkeit stellte man 1762 einen Arzt ein und die Berufung
eines gelernten Apothekers wurde zur Pflicht gemacht.

Finanzieren mußte sich das Spital mit Hilfe der
Spielkartenstempelsteuer, weshalb praktischerweise der
Krankeneinrichtung eine Kartendruckerei angeschlossen wurde.
Hinzu kam zudem eine Militärtuchfabrik und eine
Waisenerziehungsanstalt der Jesuiten.

Zur gleichen Zeit wurde das „Consilium medicum“ der Kurpfalz ins
Leben gerufen, eine Vorläufereinrichtung der heutigen
Gesundheitsämter. Dort taten sechs Geheimräte
(Verwaltungsbeamten) und vier Ärzte ihren Dienst. Ihre Aufgabe
war es, die Mitglieder der Regierung zu beraten und der
Kurpfuscherei in der Kurpfalz ein Ende zu setzen. Aber wie in
jenen Tagen üblich, beschränkte sich die Einrichtung mehr auf das
höfische Leben und verkam mit den Jahren zu einem
Honoratiorenverein.

1754 wurde im Garnisonslazarett im Quadrat F 6 von Prinz
Friedrich von PfalzZweibrücken ein „Collegium
anatomicumchirurgicum electorale palatinum militare““, also eine
anatomischchirurgische Ausbildungsstätte für Feldscherer
(Sanitäter) und Wundärzte, gestiftet. Wegen der Überlastung des
BorromäusSpitals der Jesuiten erlaubte Kurfürst Carl Theodor
1773 die Gründung eines katholischen Bürgerhospitals. Bereits
seit 1739 unterhielt die deutschreformierte Gemeinde ein Armen
und Krankenhaus, die Lutheraner errichteten 1770 ebenfalls ein
Krankenhaus.

Die ambulante Versorgung der armen Bevölkerung in der
Residenzstadt wurde unter anderem durch einen
Wohltätigkeitsverein unterstützt. Die Bevölkerung der vielen
kurpfälzischen Dörfer verspürten jedoch nichts von dieser
Entwicklung. Allein Schwetzingen kam zunächst in den Genuß von
öffentlichen Ambulanzstellen, vor allem dann, wenn der Hofstaat
während des Sommers im Schloß weilte. Andere Städte und Dörfer
hatten dann Glück mit der medizinischen Versorgung, wenn sich
Klöster oder Ordensgemeinschaften darum kümmerten.

Mannheim selbst war bereits 1766 in sechs Bezirke aufgeteilt
worden, wo ein Arzt sowie mehrere Wundärzte die Bevölkerung
kostenlos versorgten. Der Kurfürst bezahlte die Arzneien aus
seiner Privatschatulle und wies die Hofapotheke an, für einen
entsprechenden Vorrat an „Medicin“ zu sorgen. Im BorromäusSpital
wurde zweimal wöchentlich eine Poliklinik eingerichtet und die
jüdische Gemeinde wurde verpflichtet, die bedürftigen
Gemeindemitglieder ebenfalls kostenlos zu behandeln. 1766 wurde
auf Befehl des Kurfürsten zudem eine Hebammenschule gegründet
nachdem Carl Theodors einziger legitimer Sohn im Kindesalter
nach schwerer Geburt verstorben war. Der Schule wurde ein
„Wöchnerinnen-Asyl“ mit zwölf Betten angeschlossen.

Das größte Problem der damaligen Zeit aber war die Hygiene. In
einer Zeit, in der es gerade bei Hofe besonders schick war, sich
zu parfümieren statt zu waschen, wurde die hygienische Aufklärung
zu einer Herausforderung für die Medizin.

Heute kann man als größte und wichtigste Errungenschaft der
vergangenen Jahrhunderte vor allem die sich entwickelnde Hygiene
sehen, denn auf ihr basierend konnte eine fortschrittliche
Medizin auch in der Kurpfalz entwickelt werden.

Quelle: unbekannt

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