Ein New Yorker Kaufhauskönig aus der Pfalz
21.01.98 (Handel & Handwerk, Personalia)
Der Untergang der Titanic in der Nacht vom 14. auf 15. April 1912 ging als eine der schlimmsten Katastrophen der zivilen Schiffahrt in die Geschichte ein. Auf seiner Jungfernreise vom englischen Southhampton nach New York rammte der 50 Millionen Mark teure Luxusliner einen Eisberg und riß bei seinem Untergang am 15. April 1912 um 2.20 Uhr rund 1.600 Menschen mit in die Tiefe. 700 Passagiere konnten von den zu Hilfe geeilten Schiffen „Carpatia“, „Prinz Adalbert“ und „Friedrich Wilhelm“ gerettet werden.
Was aber macht den Untergang der Titanic auch interessant für die regionale Geschichte der Kurpfalz? Grund dafür ist das auf dem Schiff ums Leben gekommene Milliardärsehepaar Isidor und Ida Straus aus New York. Gebürtig waren beide aber in der linksrheinischen Pfalz: Isidor Straus stammte aus Otterberg, seine Frau Ida wurde in Worms geboren. Isidor wurde am 6. Februar 1845 in Otterberg bei Kaiserslautern als Sohn des jüdischen Handelsmannes Lazarus Straus und dessen Ehefrau Sara geboren. Die Eltern von Lazarus waren zwischen 1800 und 1803 von Niederkirchen nach Otterberg gezogen, wo sie 1808 den Familiennamen Straus annahmen. Zuvor hatten sie den Familiennamen Löser getragen.
Folgt man den alten Unterlagen und Dokumenten, müssen sich Lazarus und sein Bruder Emmanuel sowie sein Vetter Moritz aktiv an der Revolution von 1848 beteiligt haben. In Folge dieser Ereignisse wanderten die Verwandte bis 1850 nach Amerika aus und boten Lazarus an, ebenfalls in die Neue Welt nachzukommen. Streitereien in der pfälzischen Verwandtschaft waren schließlich ausschlaggebend, daß auch Lazarus im Mai 1852 die Pfalz verließ. Zwei Jahre später ließ er schließlich seine Frau mit den vier Kindern Isidor, Nathan, Hermine und Oskar Salomon nachkommen.
Zunächst siedelte sich Lazarus Straus in Talboton in Georgia an. Als Hausierer, in den USA ein geachteter Beruf, war er unterwegs und erwarb sich in den Jahren einen guten Ruf als fairer und ehrlicher Handelsmann. Isidor besuchte in der Zeit von 1856 bis 1861 tagsüber die Highschool, abends mußte er mit elterlichen Geschäft mitarbeiten. Sein Vater hatte sich in der Zwischenzeit mit einem Partner niedergelassen und betrieb ein Handelsgeschäft. Isidor selbst strebte eine militärische Karriere an. Als ihm aber Kameraden der Georgia Military Academie einen Streich spielte war der junge Mann derart erbost, daß er die Militärakademie verließ. Er beschloß, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, und Kaufmann zu
werden.
Seine erste Anstellung fand Isidor Straus als Sekretär bei einem leitenden Agenten einer Handelsgesellschaft, die Schiffe kaufen sollte, um die Blockade der Häfen der Südstaaten zu brechen. Um Waren aus England kaufen zu können, wurde mit einer abenteuerlichen Fahrt die Blockade gebrochen und über New York erreichte man nach Wochen England. Unterdessen hatte sich die ProStimmung für England wieder geändert und die Handelsdelegation reiste in die USA zurück. Isidor wurde empfohlen, die Großeltern in Otterberg aufzusuchen und dort die Entwicklung abzuwarten. Der junge Mann blieb einige Monate in seiner pfälzischen Heimat. Dort langweilte er sich aber so sehr, daß er zurück nach London ging, um bei seinem ebenfalls aus Otterberg stammenden Onkel Jacob in dessen Geschäft zu arbeiten.
Geschäftsreisen führen Isidor immer wieder in die USA und quer durch ganz Europa. Erst nach Ende des amerikanischen Bürgerkrieges kehrte er zu seinen Eltern zurück, deren Haus in Columbus während des Krieges zerstört worden war. Der mittlerweile 57jährige Lazarus fing noch einmal von vorne an und eröffnete in New York einen Geschirrgroßhandel. Nach einer schwierigen Anfangsphase entwickelte sich das Geschäft gut und Isidor investierte seinen in England erzielten Gewinn von 10.000 Golddollar in den Kauf eines Geschäftshauses in New York. 1869 wurde von ihm dort die Niederlassung der Firma Helbing & Straus (ein Bruder seines Vaters) aus San Francisco übernommen.
Isidors Bruder Nathan, der auch am Geschäft beteiligt war, nahm Verbindung zum größten amerikanischen Kaufhaus R.H. Macy auf. Nach dem Tod des Besitzers wurden sie dort Teilhaber. Bereits seit 1882 engagierte sich Isidor auch politisch und wurde schließlich 1894 für die Demokraten ins Repräsentantenhaus gewählt. Auch wirtschaftlich blieb er auf der Straße des Erfolges. Seine Beteiligung am Warenhausunternehmen Abraham & Straus in New York machte sich bezahlt, denn um die Jahrhundertwende galt Isidor Straus bereits als fünfzigfacher Millionär.
1871 hatte Isidor seine Frau Ida Blün geheiratet, deren Eltern aus Worms kommend in die USA eingewandert waren. Am 6. Januar 1912 trat das Ehepaar eine mehrmonatige Europareise an, die sie zunächst über Gibraltar, Cap Martin, Cannes und Paris nach London brachte. Die Geburtsorte Otterberg und Worms besuchten die beiden jedoch nicht. In
Southhampton bestiegen sie die Titanic, um an der Jungfernreise teilzunehmen, für die ein zigfaches der Passagen hätte verkauft werden können.
Ein letztes Lebenszeichen ging am 14. April 1912 an Sohn Jesse. Die glücklichen Eltern kabelten an ihn: „Fine voyage, fine ship, feeling fine, what news“ (Schöne Reise, schönes Schiff, fühlen uns wohl, gibts was Neues). Wenige Stunden später hat die Schiffskatastrophe ein erfolgreiches Leben ausgelöscht. Die Leiche von Isidor Straus wurde gefunden, die seiner Frau blieb für immer verschwunden. Bestattet wurde er auf dem Beth El-Cemetery auf Long Island, 1928 in das Familienmausoleum auf dem Woodlawn-Friedhof umgebettet. Am Trauergottesdienst in der Carnegie Hall am 12. Mai 1912 nahmen über 6.000 Menschen teil, Tausende standen währenddessen draußen im Regen. 1915 wurde in Erinnerung an das Unternehmerehepaar der „Straus Park“ eingeweiht, der noch heute an das schillernde und eerfolgreiche Wirken
des Isidor Straus aus Otterberg in der Pfalz erinnert.