Kurpfalz Regional Archiv

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Frauen um Mozart

01.02.06 (Personalia)

Neue Forschungsergebnisse zeigen bisher unbekannte Seiten des Musikgenies
Üblicherweise liest es sich, auch auf offiziellen Webseiten zum Mozartjahr, in etwa so: „Das Leben von Anna Maria Mozart (geb. Pertl, 1720 – 1778) war geprägt von Pflichterfüllung, Güte und taktvoller Zurückhaltung. Stets lenkte sie unauffällig das Geschick ihrer Familie. ‚Deine liebe seel: Mutter‘, schrieb Leopold Mozart am 20. Juli 1778 nach dem Tode seiner Frau seinem Sohn nach Paris, ‚war von Kindheit an bekannt und aller Orten geliebt, dann sie war mit allen freundlich und beleidigte keinen Menschen.‘ “ Dass diese Frau immerhin sieben Kinder zur Welt brachte, von denen nur zwei überlebten, scheint nicht der Rede wert zu sein – ebenso wenig, wenn es um Constanze Mozart geht oder auch um ihren Mann, dessen Leben der Tod von Kindern offenbar nicht berühren sollte.
Was Mozarts Schwester betrifft, klingt die offizielle Lesart so: „Mit der Heirat Maria Anna (Nannerl) Mozarts am 23. August 1784 wurde es ruhig im Haus am Hannibalplatz. Sie zog mit ihrem Gatten, dem hochfürstlichen Rat und Gerichtspfleger Johann Baptist Berchtold zu Sonnenburg (1736-1801), nach St. Gilgen in das Geburtshaus ihrer Mutter. Ihr Sohn Leopold, der am 27. Juli 1785 im Tanzmeisterhaus das Licht der Welt erblickte, wurde von Leopold Mozart während seiner zwei letzten Lebensjahre betreut. Mozart verband mit seiner ‚carissima sorella‘ ein inniges Verhältnis. Nannerl, selbst eine hochbegabte Pianistin, war ihrem Bruder stets Ansporn und verzichtete auf eine eigene künstlerische Laufbahn. Nach dem Tode ihrer Mutter kümmerte sie sich aufopfernd um die Familie.“
Dass eine „hochbegabte Pianistin gerne mehr aus ihrem Leben gemacht hätte, als am Ende als blinde Witwe Klavierstunden zu geben, um sich über Wasser zu halten, scheint sich niemand vorstellen zu können. Auch Constanze Mozart (1762 – 1842), geborene Weber, wird in Mozart-Biografien gerne verkannt, als lieblos, untreu und faul dargestellt. Briefe zeigen aber, dass Wolfgang und Constanze durchaus eine gute Beziehung führten. Zuerst war Wolfgang bei einem Besuch in Mannheim, wo die Webers lebten, bevor sie nach Wien übersiedelten, von Constanzes Schwester Aloysia, einer Sängerin angetan. In Wien wohnte Mozart eine Zeitlang bei den Webers, musste sich aber wegen des Geredes der Leute eine andere Bleibe suchen. 1782 heirateten er und Constanze, zum Mißfallen seines Vaters Leopold, der den Sohn bereits weitertrieb, als dieser zarte Bande zu Aloysia geknüpft hatte.
Sie ist nicht häßlich, aber auch nichts weniger schön, ihre ganze Schönheit besteht aus zwei kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachstum. Sie hat keinen Witz, aber gesunden Menschenverstand genug um ihre Pflichten als Frau und Mutter erfüllen zu können, so beschrieb Wolfgang die Braut in einem Brief an den Vater. Ehe bedeutete für viele Frauen permanente Schwangerschaft, auch für Constanze, die innerhalb von acht Jahren sechs Kinder zur Welt brachte, von denen aber nur zwei die Säuglingszeit überlebten und erwachsen wurden. Auch als Wolfgang 1791 starb, war Constanze geschwächt und zur Kur, statt bei ihm zu sein, was wohl auch bei männlichen Repräsentanten der Musikwelt später gegen die Ehefrau sprach. Dies mangels eigener Erfahrung, was es bedeutet, ständig schwanger zu sein, auch immer bedroht vom damals häufigen Tod im Kindbett – ganz zu schweigen von der psychischen Belastung durch die hohe Säuglingssterblichkeit. In dieser Welt oblag es den Männern, für das Einkommen der Familien zu sorgen, sodass Frauen im schlimmsten Fall als Witwen mittellos waren.
Über Mozarts Todesursache wird auch heute noch spekuliert; manches spricht für die Geschlechtskrankheit Lues, an der manch ein Mann auch in seinem Umfeld starb – bzw. an der üblichen Behandlung mit Quecksilber -, die freilich in Totenscheinen nie angegeben wurde. Constanze erging es nicht viel besser als anderen Frauen, da ihr Ehemann zwar nicht arm war, seinen guten Verdienst jedoch stets mit vollen Händen wieder ausgab. Sie stand mit zwei Söhnen da, der eine sieben Jahre, der andere sechs Monate alt; beide hatten nie viel von ihrem Vater gehabt, versuchten aber später, ihm nachzueifern, auch von der Mutter dazu angetrieben. Sie verkaufte dennoch die letzten Werke Wolfgangs nicht sofort, sondern erst nach einigen Jahren. Die Musikwissenschafterin Melanie Unseld sagt in einem Interview zu ihrem Buch „Mozarts Frauen“: „An Constanze Mozart ließen die Biographen oft kein gutes Haar. Zum Beispiel warf man ihr Verschwendungssucht wegen ihrer häufigen Kuren vor. Tatsächlich aber hatte sie sechs Schwangerschaften in rascher Folge zu verkraften – das war damals immer ein Kampf auf Leben und Tod. Vier Kinder mußten die Mozarts bald wieder beerdigen.
Außerdem hatte Constanze Mozart offenbar ein chronisches Fußleiden. Wenn wir uns dies alles klarmachen, dann verstehen wir besser, daß sie keine eingebildete Kranke war.“ Eines der Kinder wurde übrigens verloren, als es in Pflege gegeben wurde, während Constanze und Wolfgang zu Leopold nach Salzburg reisten. Wolfgang empfahl, das Kind mit Gersten- und Haferschleim statt mit Muttermilch zu füttern, „wie meine Schwester und ich“. Constanze setzte dann durch, dass die Kinder von einer Amme gestillt wurden. Die Mozarts konnten vieles delegieren, doch musste dies natürlich jemand organisieren, eben jemand, die „ihre Pflichten als Frau und Mutter“ erfüllt. Mozart war ein Grossverdiener mit Jahreseinkünften von 10.000 Gulden, umgerechnet 125.000 Euro. Allein für ein Engagement als Pianist erhielt er 1.000 Gulden, während seine Magd im Monat nur einen Gulden bekam. Mozart unterhielt große Wohnungen mit viel Personal und dürfte von Spielleidenschaft besessen gewesen sein. Das Wertvollste an seiner Verlassenschaft war aufwändige Kleidung, weniger die Musikinstrumente und Bücher, die er besass.
Constanze wurde von Kaiser Leopold II. unterstützt, der ihr eine Pension und den Gewinn aus einem Benefizkonzert zusprach. So konnte sie Verbindlichkeiten begleichen und ihre Familie einige Zeit lang unterhalten. Auch das gerne kolportierte „Armenbegräbnis“ fand nicht statt, da es sich um eine nach den Reformen Joseph II. übliche Bestattung ohne Pomp handelte. Ein Leichenzug mit Begleitung bis zum Grab war damals noch nicht Brauch, sodass der Sarg nicht von Freunden und Verwandten begleitet wurde. Mozarts Leiche wurde in Sankt Stephan eingesegnet, was zu jener Zeit die Begräbnisfeierlichkeiten abschloss. Das Grab hätte namentlich bezeichnet werden können, doch ist dies unterblieben. Jahre später bastelte ein Friedhofswärter aus übrig gebliebenen Steinen und Figuren ein Grabmal Mozarts. Ein angeblicher Schädel Mozarts kann übrigens erst jetzt genetisch untersucht werden, da vielleicht Mozarts Nichte exhumiert wurde. Bisher versuchte man, Überreste von Mozarts Vater zu identifizieren.
Im Herbst 2004 wurden im Mozart-Familiengrab in Salzburg, wo sechs Personen bestattet sein sollten, die Überreste von neun Personen gefunden, unter anderem einer jungen Frau unter 20, bei der es sich um Jeanette handeln könnte, die Tochter von Nannerl Mozart. Da die mitochondrische DNA nur von Müttern auf Kinder vererbt wird, trägt Jeanette das Erbgut ihrer Großmutter, der Mutter von Wolfgang. Möglich ist ein Nachweis auch über Nannerls Überreste, die jedoch auf einem anderen Friedhof liegen. Constanzes Leben war jedenfalls auch lange nach Mozarts Tod noch von ihm bestimmt. Zwar heiratete sie 1809 Georg Nikolaus Nissen, einen dänischen Legationssekretären und Diplomaten, mit dem sie 1810 nach Kopenhagen zog. Später bereisten sie Deutschland und Italien und ließen sich 1824 in Salzburg nieder. Hier oder bereits früher begann Nissen mit Constanze an einer der ersten Mozart-Biografien zu arbeiten. Er starb aber, bevor er dies vollenden konnte, sodass Constanze das Werk dann herausbrachte. Constanze widmete sich weiterhin der Bewahrung von Mozarts Erbe und war auch Gründungsmitglied des Mozarteums in Salzburg.
Im Schatten des Vaters standen auch die Söhne: Franz Xaver Wolfgang Mozart (1791 – 1844) war Komponist und Klaviervirtuose, konnte jedoch an den Vater nie heranreichen, wenngleich es auch heute CDs von seinen Werken gibt. Sein Rufname war Wolfgang, doch erschien er in Dokumenten und Werkausgaben stets als „W.A.Mozart Sohn“ oder „filis“ bzw. „figlio“; es fragt sich wohl, welchen Raum er hatte, er selbst zu sein. Früh bekam er Kompositions- und Instrumentalunterricht, gab später Adelsfamilien Musikunterricht und war schließlich als Pädagoge und Komponist tätig, ging auch auf Konzertreise durch Europa. Er heiratete nie, war jedoch Geliebter der verheirateten Adeligen Josephine Baroni-Cavalcabò in Lemberg. Dort unterrichtete er unter anderem die Komponistin Julie Baroni-Cavalcabò, verh. Weber von Webenau.später verh. de Britto [1813-1887]). Auch der Mozart-Sohn verbrachte die letzten Lebensjahre in Wien, starb jedoch bei einer Kur in Karlsbad.
Carl Thomas Mozart (1784-1858) sollte ebenfalls in die Fußstapfen des Vaters treten und wurde nach dessen Tod in die Obhut eines Prager Professors gegeben, der sich um seine Erziehung kümmerte und ihm auch Klavierunterricht erteilte. Mit 14 ging Carl nach Livorno und begann eine Lehre in einem Handelshaus, wollte später einen Handel mit Klavieren aufziehen, erkannte dann aber, dass Kaufmann nicht das Richtige für ihn ist. 1805 zog er nach Mailand, um Musik zu studieren, was er zwei Jahre lang mit großen Fortschritten tat, um dann das Studium aufzugeben und Beamter zu werden. Nebenbei wollte er das Erbe seines Vaters pflegen, indem er das Mozarteum finanziell unterstützte und Noten und Bücher aus dem Nachlass Mozarts stiftete.
Analog zur Frage, ob in Sachen Literatur Shakespeare eine Schwester hatte, können wir auch in der Musikgeschichte vermuten, was wäre, wenn Frauen ihre Talente ebenso hätten ausleben können wie Männer. Mozart hatte eine Schwester, die wie er als talentiertes Kind Furore machte. Maria Anna Walburga Ignatia Mozart (1751-1829) spielte im Alter von elf Jahren schwierige Sonaten und Klavierkonzerte, wurde jedoch von Vater Leopold nicht mehr auf Reisen mitgenommen, als sie ins „heiratsfähige Alter“ kam. Davor tourte sie dreieinhalb Jahre durch Europa, von 9. Juni 1763 bis 28. November 1766 mit folgenden Stationen: München, Augsburg, Ludwigsburg, Schwetzingen, Heidelberg, Mainz, Frankfurt am Main, Koblenz, Köln, Aachen, Brüssel, Paris, Versailles, London, Dover, Belgien, Den Haag, Amsterdam, Utrecht, Mecheln, erneut Paris, Dijon, Lyon, Genf, Lausanne, Bern, Zürich, Donaueschingen, Ulm und München. Die Kinder traten in Akademien auf oder musizierten bei Hofe.
Für Nannerl endete die Karriere damit, sie trat allenfalls halböffentlich auf und wurde mit ihren Kompositionsversuchen vom Vater ignoriert, der hingegen stolz war auf die Werke des Sohnes. Nach dem Tod der Mutter, als Nannerl 27 war, das „Übliche“ für unverheiratete Töchter: sie mußte dem Vater den Haushalt führen, hätte gerne den Direktor der Salzburger Pagerie, Franz d’Ippold, einen Erzieher für adelige Knaben, geheiratet. Doch Leopold suchte ihr einen verwitweten Reichsfreiherrn mit fünf Kindern aus, mit dem sie 1784 nach St. Gilgen zog.  Nannerl gebar drei Kinder und hielt sich über die Musikwelt im belebteren Salzburg durch Briefe an den Vater auf dem Laufenden und korrspondierte natürlich mit ihrem Bruder. Leopold hielt seine Tochter für eine der geschicktesten Klavierspielerinnen Europas und hätte ihren Ruhm festigen können, sodass sie als erste Pianistin von Rang in die Geschichte eingehen hätte können.
Immerhin begann er mit ihrem Unterricht, als sie sieben Jahre alt war, wobei wir angesichts seines Ehrgeizes auch sagen können, dass er Nannerl und Wolfgang drillte. Dennoch ging er früh unterschiedliche Wege in der Förderung von Sohn und Tochter. So erhielt Nannerl kaum Kompositionsunterricht und lernte auch nicht Geigen- und Orgelspiel, das zum Handwerkszeug eines Berufsmusikers gehörte. Mit 16 war Nannerl nicht nur heiratsfähig, sondern auch kein „Wunderkind“ mehr, sodass sie fortan nicht mehr vorzeigbar war. Auch Jahrzehnte später hatten es Frauen schwer, eigenständig als Musikerinnen wahrgenommen zu werden, wie das Beispiel der Pianistin Fanny Mendelssohn-Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, zeigt: einige ihrer Kompositionen erschienen unter dem Namen des Bruders.
Nannerl mußte dann zuhause bleiben, während Vater und Sohn in Italien waren. Auf ihre Klagen reagierte Leopold, indem er ihr einen Reiseführer empfahl, sodass sie im Zimmer reisen könne. Sie gab Klavierunterricht, was war zur Haushaltskasse beitrug, womit sie sich aber nicht selbst hätte erhalten können. Wolfgang riet seiner Schwester zum Ungehorsam, als Leopold den von Nannerl gewünschten Ehekandidaten Franz d’Ippold ablehnte, und schlug ihr vor, mit d’Ippold nach Wien zu kommen: Du würdest hier geld genug verdienen zum beyspiell in privat akademien spiellen und mit lectionen man würde dich recht darum bitten und gut bezahlen. Nannerl hatte jedoch nicht die Kraft, sich aufzulehnen, sondern erkrankte wohl psychosomatisch, was der Bruder aber durchschaute: Glaube mir, liebste Schwester, im allem Ernste, daß die beste Kur für dich ein Mann wäre.
Stattdessen wurde Nannerl mit einem zweimal verwitweten älteren Mann mit fünf Kindern verheiratet und zog ihren Worten nach in die Einöde. In etwa 120 Briefen an den Vater stellte sie das Ehefiasko dar, überwarf sich in jener Zeit aber auch mit ihrem Bruder, da sie Partei gegen Constanze ergriff. Nannerl bekam drei eigene Kinder, wobei der Vater das älteste Kind gegen ihren Willen zu sich holte und sie bei ihrem Mann keinen Rückhalt hatte, das es ihm gleichgültig war. Gleich nach dem Tod Berchtold von Sonnenburgs 1801 kehrte Nannerl nach Salzburg zurück. Allerdings standen sie Zeiten nicht gut für Musik, unter anderem wegen der napoleonischen Kriege und des Verlusts der Eigenständigkeit und damit der Bedeutung der Stadt.
Das erwachende Interesse an Wolfgang führte aber dazu, dass Nannerl als Zeitzeugin gefragt war und bei der Herausgaber einiger Werke mithalf. Zu einem Besuch von Franz Xaver Mozart schrieb sie: In meinem siebzigsten Lebensjahr genoß ich noch die unaussprechliche Freude, den Sohn meines unvergeßlichen Bruders zu sehen, und ihn ganz nach dem Geschmack seines Vaters spielen zu hören. Welch süßes Zurückerinnern war das! Am Ende ihres Lebens erblindete sie und gab auch weiterhin Klavierunterricht. Im Jahr ihres Todes 1829 wurde sie von dem englischen Ehepaar Mary und Vincent Novello (A Mozart Pilgrimage – Eine Wallfahrt zu Mozart) besucht.Schließlich verfügte sie, nicht in im väterlichen Grab, sondern anderswo bestattet zu werden.
Melanie Unseld meint hinsichtlich der Spurensuche nach Mozart-Frauen: „Viele wichtige Quellen im Hinblick auf die Frauen um Mozart sind allerdings nicht mehr vorhanden. Zum Beispiel war es in der Familie Mozart üblich, die Briefe der Männer aufzubewahren. Die Briefe von Mozarts Mutter und seiner Schwester Nannerl hingegen sind vielfach verschollen. Das heißt, wer die Biographien der Frauen im Umfeld dieses Komponisten schreiben will, hat es oft mit Lücken zu tun, die nicht mehr zu füllen sind. Mit diesen Lücken müssen wir lernen umzugehen, wir dürfen sie nicht mit Spekulationen zukleistern. Auf der anderen Seite ist Mozart einfach ein sehr guter Ausgangspunkt, weil sein Leben so umfassend dokumentiert ist.“ Die Autorin kam übrigens schon lange vor dem Schreiben auf die Idee zu einer „Sammelbiografie“ dieser Frauen: „Mir fiel beim Lesen der Mozart-Biographien auf, daß die Frauen um ihn herum meistens sehr schlecht wegkommen.
Zahlreiche Biographen meinten, ihren ‚Helden‘ Mozart besser ins Rampenlicht rücken zu können, indem sie den Frauen einen schlechten Charakter andichteten, Unmusikalität vorwarfen oder sie schlicht nicht erwähnten. Diesen seltsamen Licht- und Schattenverhältnissen rund um Mozart wollte ich auf die Spur kommen und die Lichtregie verändern.“ Beeindruckend sei bei Mozart gewesen, dass er Kunst nach dem Talent und nicht nach dem Geschlecht beurteilte: „Während seiner Wiener Zeit pflegte er besonders regen Kontakt zu der damals bekannten Komponistin Marianne Martines. Er besuchte sie häufig, wenn sie ihre musikalischen Akademien veranstaltete, sie spielten vierhändig Klavier und tauschten Kompositionen aus. Ähnlich intensiv war der Kontakt zu den Wiener Musikerinnen Marianne Kirchgessner, Maria Theresia Paradis und Regina Strinasacchi.“
Zu Marianne Martines (1744-1812) findet frau vor allem Werkverzeichnisse und Hinweise auf heutige Aufführungen, doch die anderen Frauen haben durchaus Spuren im Web hinterlassen. Maria Theresia Paradis (1759-1824) war eine blinde Pianistin, Komponistin und Sängerin, die dank eines Stipendiums von Maria Theresia, ihrer Taufpatin, unter anderem bei Salieri studieren konnte. Joseph II. strich 1780 strich diese bis dahin jährliche Unterstützung, sodass Paradis per Tournee Geld verdienen mußte. So kam sie nach Salzburg, wo sie Mozart wiedertraf, den sie bei Anton Mesmer in Wien kennengelernt hatte, wo sie vergeblich Heilung suchte. Mozart komponierte für sie ein Klavierkonzert, und sie reiste weiter in die Schweiz, nach Paris, London, Brüssel und Prag. Die Auftritte von Paradis bestanden aus selbstkomponierten wienerischen Liedern, auch Singspielen, Trios, Sonaten. Wieder in Wien gab sie kaum Konzerte, sondern widmete sich dem Komponieren. 1808 gründete sie eine „Musikalische Bildungsanstalt für Frauen“, die bald mit ihren Veranstaltungen populär wurde. Die Geigerin Regina Strinasacchi brach Tabus, indem sie es wagte, mit diesem „männlichen“ Instrument öffentlich aufzutrete
Mozart und Strinasacchi traten ohne vorherige Probe vor Joseph II mit einer für sie komponierten Violin-Klaviersonate auf. Die Geigerin wurde in einem Konservatorium in Venedig ausgebildet und reiste als 15jährige unter anderem nach Wien. Mozart erwähnte sie in einem Brief: Šhier haben wir nun die berühmteŠStrinasacchi, eine sehr gute Violinspielerin. Sie hat sehr viel Geschmack und Empfindung in ihrem Spiele. Ich schreibe eben an einer Sonate, welche wir Donnerstag im Theater bei ihrer Akademie zusammen spielen werdenŠ Marianne Kirchgeßner (1769-1808) war die erfolgreichste und bedeutendste Virtuosin auf einem damals neuen Instrument, der Glasharmonika. Das in Deutschland geborene Mädchen erblindete mit vier nach einer Pockenerkrankung und zeigte früh Talent im Klavierspiel. Der Domkapitular von Speyer ermöglichte ihr eine Ausbildung auf der Glasharmonika und ließ ihr auch ein Instrument bauen.
Ihre erste Konzertreise führte sie 1791 nach Wien, wo sie am Hof auftrat und Mozart für sie ein Quinett für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello sowie das Solo-Adagio in C komponierte. Kirchgeßner reiste auch nach Leipzig, Dresden, Polen, Berlin, Hamburg und London. Gerade in England machte sie Furore und regte viele Komponisten zu Werken speziell für die Glasharmonika an. Vieles davon wird aber verlorengegangen sein, da es nicht aufgezeichnet, sondern ihr per Klavier übermittelt wurde. Kirchgeßner blieb drei Jahre in London, besuchte dann Kopenhagen, die baltischen Länder und St.Petersburg, bis sie sich auf einem Gut in der Nähe von Leipzig niederliess. 1808 führte die letzte Reise in die Schweiz, wo sie sich nach einem Postkutschenunfall ein Brustfieber zuzog, an dem sie dann starb. Ihr ständiger Begleiter versprach ihr, nach ihrem Tod eine Biografie zu verfassen, hielt sich aber nicht daran, sodass wenig von ihr überliefert ist.
Einiges mehr wissen wir über „das Bäsle“, Mozarts Cousine Maria Anna Thekla Mozart (1758-1841), die den berühmten Verwandten 1763 kennenlernte. Damals war die Salzburger Mozart-Familie auf Konzertreise und besuchte auch die Augsburger Verwandten. Wolfgang begegnete Maria Anna erst 1777 wieder und schrieb seinem Vater begeistert von der nun 19jährigen Verwandten. Für den Vater hatte das Mädchen aber zuviel Umgang mit geistlichen Herren, was den Sohn empört, der antwortet, das „Bäsle“ sei „nichts weniger als ein Pfaffenschnitzel“. Wolfgang, der von seiner Mutter begleitet wurde, reiste dann weiter nach Mannheim, wo er Aloysia Weber begegnete und mit „Bäsle“ per Brief in Verbindung blieb. Später sahen sie sich in München und Maria Anna besuchte ihn in Salzburg, wobei sie wohl auf eine engere Beziehung hoffte.
Aufsehen erregte die Cousine, als sie ein 1784 unehelich Maria Josepha zur Welt brachte, dessen Vater ein adeliger Domherr war. Damals mußten ledige Mütter Strafe zahlen, was auch für Maria Anna vermerkt ist: „wegen fleischlicher Vermischung“ mußte sie 72 Gulden berappen. Freilich hatte Maria Anna es besser als viele andere Frauen in ihrer Lage, da ihre Eltern sie nicht verstießen und sie auch der Domherr Freiherr von Reibeld nicht hängenliess. Ihre Tochter heiratete später einen Postwagenexpeditor und bekam ein Kind, das bald starb. Das Ehepaar nahm schließlich Maria Anna zu sich. Vergleichen wir das über Nannerl Bekannte mit den biografischen Daten zum „Bäsle“, so war diese „unbedeutende“ Frau wohl glücklicher, da sie offenbar nie den Drang hatte, die engen Grenzen zu überschreiten, die damals Frauen gesetzt wurden …

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