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Wo Ella einst fast hängen blieb

30.09.99 (Musik, Kunst & Kultur)

Nicht jeder kommt rein: „Es kommt auf den Menschen an, nicht nur darauf, ob er den Eintritt bezahlen kann, oder auf sein Aussehen“, sagt Timy, der eigentlich Bernd Fraats heißt, und seit 1978 im „Cave 54“, Deutschlands ältestem Studenten-Jazzclub in der Heidelberger Altstadt, arbeitet. Wie ein Torwächter sitzt er, mittlerweile als Geschäftsführer, hinter einer Luke. Wer betrunken oder randalierend erscheint, hat keine Chance. Und auch bei einer Ingrid Steeger blieb er unerbittlich, weil sei keinen Eintritt bezahlen wollte.
Es lebt noch immer etwas von jener ursprünglichen Clubatmosphäre, die das „Cave“ auch am Ende des 20. Jahrhunderts wohltuend abhebt von den grellen Großdiscos mit ihrem von dröhnender Techno und RaveMusik erzeugten ekstatischen
Gemeinschaftsrausch.
1954 gründeten Heidelberger Studenten den „Verein zur Förderung studentischer Geselligkeit“, der noch bis heute Träger des „Cave“ ist. In Deutschland herrschte Adenauer, eine eher steifverklemmte, konservative Gesellschaft blickte mißtrauisch auf alles, was über den Atlantik kam. Jazz  wie auch der Rock’n Roll  war aber nicht nur eine Protestmusik, er galt und gilt zumindest in Deutschland auch als eine intellektuelle Variante der Unterhaltungsmusik.
Einen Verein gründeten die Studenten aus steuer- und konzessionsrechtlichen Gründen, die auch noch für die heutigen
geschäftsführenden Vorstandsmitglieder ihre Vorteile mit sich bringen. Man versuchte aber auch eine Alternative zu den bestehenden studentischen Veranstaltungen und Vereinigungen zu bieten: Statt „Burschenherrlichkeit“ zu feiern, las man Camus, Sartre und Jaspers, rauchte Gitanes und Gauloises  und hörte eben Jazz. Daß sich der Club fast schon zu einem Wahrzeichen der an solchen nicht armen Stadt entwickelte, verdankt er nicht zuletzt den Amerikanern.
Im Rahmen der Truppenbetreuung erschienen in den Kasernen Heidelbergs die Größen des Nachkriegsjazz. Und nach jedem Auftritt vor den amerikanischen GIs ging es noch einmal zu einer „Jam-Session“ in die Altstadt. Spontanes Improvisieren also vor den interessierten und nach amerikanischer Lebensart dürstenden deutschen Studenten. Und so kamen sie alle in die Krämergasse: Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, die damals ob ihrer Leibesfülle mit der zu schmalen Wendeltreppe im „Cave“ zu kämpfen hatte und fast hängen blieb, Dizzy Gillespie, der Vater des Bebop, Oscar Peterson, Lionel Hampton oder auch Joan Baez.
Das „Cave“ war aber auch so etwas wie eine Wiege eines eigenständigen deutschen Jazz, indem es vielen Musikern mit als Sprungbrett für eine internationale Karriere diente: Fritz Hartschuh, Wolfgang Lauth, Joe Hackbarth, Fritz Münzer – fast alle deutschen Spitzenjazzer hatten am Anfang ihrer Laufbahn auch Auftritte im Heidelberger Gewölbe. Natürlich zog so viel Musikerprominenz auch andere Stars und Sternchen an: Frank Zappa war hier ebenso Gast wie Carlos Santana, Udo Lindenberg oder Django Edwards. Timy erzählt vom einzigen Abend, an dem er wegen Unpäßlichkeit seinen Bardienst quittieren mußte. Schuld daran war ein gewisser Konstantin Wecker, von Beruf bayerischer Liedermacher, der neben anderen Genußmitteln wohl auch ziemlich viel Alkohol verträgt …
Das Publikum ist bunt gemischt, vom Arbeitslosen, der dann auch schon mal keinen Eintritt zahlen muß, über den Studenten bis hin zum Kaufmann und Professor. Man muß sich als Dreißigjähriger nicht so völlig deplaziert vorkommen wie in einer Disco, wo man mit 25 Jahren die Altershöchstgrenze längst zu überschritten haben scheint. Die meisten „Caver“ halten dem Club die Treue, wie Gustav, der noch mit 70 kam, um an der Theke sein Bier zu trinken.
Auch musikalisch ist ein Abend im „Cave“ voller Abwechslungen. Gespielt werden vor allem die Rock und Jazzklassiker: die Stones, Deep Purple, The Doors, The Who  Musik, die man sonst kaum noch auflegt. Das Publikum sucht die eher familiäre Atmosphäre. Man kennt sich untereinander, kennt vor allem das Personal, dem man auch sein ganzes Herz über die verflossene Freundin oder die verhauene Klausur ausschütten kann.
Aber Vorsicht: es empfiehlt sich, nicht vor Mitternacht zu kommen (geöffnet täglich von 22 bis 3 Uhr, dienstags und sonntags ab 21.30 Uhr Livemusik). Erst dann wird der Schuppen richtig voll und man versteht, warum das „Cave“ fast schon einen legendären Ruf hat.Es ist ein Stück Heidelberger Kultur, weit lebendiger als Schloß und Alte Brücke um diese Zeit zusammen.

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