Kurpfalz Regional Archiv

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Auf der Burg Wersau wurde auch Uni-Geschichte geschrieben

21.06.11 (Reilingen)

Vor 625 Jahren wurde am 24. Juni 1386 auf der Burg Wersau bei Reilingen die päpstliche Urkunde zur Gründung der Universität Heidelberg überreicht
Genua, 23. Oktober 1385: Der römische Papst Urban VI. steckt in Schwierigkeiten. Die Kirche ist seit sieben Jahren in zwei sich feindlich gegenüberstehende Parteien gespaltet. In Rom regiert Urban VI., Clemens VII. als Gegenpapst im französischen Avignon. Papst Urban er zudem den mehrjährigen Kampf um das Königreich Neapel verloren, seine eigenen Kardinäle machen ihm Ärger, auf die Loyalität seiner fürstlichen Familienangehörigen kann er sich auch nicht gerade blind verlassen. Was der Heilige Vater jetzt aber noch dringender braucht als Gottes Segen ist Geld!Da kommt ihm die Eingabe von Kurfürst Ruprecht I., dem Pfalzgrafen bei Rhein, gerade recht. Der hat sich nämlich eine eigene Universität wie in Prag und Wien in den Kopf gesetzt, erhofft sich davon Ruhm und Anerkennung.
Als Standort hat er seine Residenzstadt Heidelberg mit ihren knapp 4000 Einwohnern ausgesucht. Dort gibt es um diese Zeit zwar noch mehr Ochsen als qualifiziertes Lehrpersonal, doch das juckt den römischen Papst in Genua nur wenig. Für eine Gründungsurkunde ließen sich auf die Schnelle und ohne große Mühe 100 Silbergroschen als Steuer aus Heidelberg kassieren – das Doppelte der Summe, die sein Vorgänger Urban V. 30 Jahre zuvor aus Wien bekommen hatte.
Gedacht, getan: Urban VI. erlässt in Genua die Gründungsbulle für die Universität Heidelberg mit den vier Fakultäten Jurisprudenz, Medizin, Freie Künste und Theologie.
Er übergibt zwei Mönchen diese in der Tat wertvolle Bulle, die sich mit einem kleinen Begleittross auf den Weg nach Heidelberg machen. Ob des strengen Winters müssen sie die Reise immer wieder unterbrechen, und können erst im Frühjahr 1386 die Alpen gefahrlos überqueren. Im April erreichen sie endlich den Königshof in Brusel (Bruchsal), von wo sie einen Boten nach Heidelberg schicken, um ihr Kommen anzukündigen – und den vereinbarten Botenlohn einzufordern, da ihnen zwischenzeitlich das Reisegeld ausgegangen ist. Doch am Neckar ist man in der kurfürstlichen Verwaltung nicht gewillt, auch noch den Botenlohn zu bezahlen, die Forderungen des Papstes sind ja hoch genug. Ohne Botenlohn keine päpstliche Bulle, lassen die Mönche ausrichten: „Bis hierher – und nicht weiter!“
Anfang Juni kommt ein Bote aus Heidelberg und teilt den päpstlichen Gesandten mit, dass der Kurfürst nun doch bereit sei, den Botenlohn zu bezahlen, und ihnen reuevoll entgegenreiten würde. Als gemeinsamer Treffpunkt wird auf halbem Weg die Burg Wersau bei  Reilingen festgelegt. Dort treffen dann ein paar Tage später auch beide Delegationen ein, um die Übergabe der Gründungsurkunde einer Universität in Heidelberg zu vollziehen …
Was nun auf der Burg Wersau geschieht, ist bis heute nicht bekannt. Trotz intensiven Nachforschungen – über Wochen wurden Akten, Dokumente und andere Unterlagen in den Archiven gesichtet, viele Bücher und Darstellungen gewälzt – weiß man weder bei den „Freunden Reilinger Geschichte“, noch in der Universität Heidelberg selbst mehr über diesen Gründungsakt. Bekannt ist nur, dass am 18. Oktober 1386 der Lehrbetrieb an den zunächst drei Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Philosophie beginnt. Zwei Jahre später folgt die Medizin. Erster Rektor der Hochschule ist der Niederländer Marsilius von Inghen, die ersten Professoren kommen aus Paris und Prag.
Überhaupt ging die Universität Heidelberg mit der eigenen Geschichte recht bescheiden um. Noch vor ein paar Jahren dachte am Neckar niemand daran, dass die Übergabe der päpstlichen Genehmigungsurkunde woanders als in der kurpfälzischen Residenzstadt stattgefunden haben könnte. Erst die umfangreichen Recherchen für das Festbuch zur 700-Jahr-Feier der Gemeinde Reilingen im Jahre 1986 machte die historische Tatsache bewusst, was sich im Jahre 1386 auf der Wersau abspielte. Aber selbst 25 Jahre später ist nur wenigen Studenten, Professoren und Universitätsmitarbeitern so richtig bewusst, was einst auf der Burg Wersau geschah – oder wo diese gar liegt.
Dank der Aktivitäten des Arbeitskreises Burg Wersau der „Freunde Reilinger Geschichte“ wird sich dies nun ändern, denn am morgigen Samstag, 25. Juni, werden die „Wersauer“ die Gemeinde Reilingen offiziell beim großen Universitätsfest in der Heidelberger Altstadt vertreten. An zentraler Stelle auf dem Uniplatz wird man nicht nur an die Burg Wersau und das 725-jährige Reilinger Gemeindejubiläum erinnern, sondern auch dafür Sorge tragen, dass zukünftig jeder in Heidelberg weiß, was sich vor 625 Jahren am Johannistag auf der Burg Wersau zutrug: Die Übergabe der päpstlichen Genehmigung zu Gründung einer Universität in der Neckarstadt.

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