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Das neue Jahr mit Hörnerklang begegrüßt

27.12.92 (Brauchtum & Tradition, Landschaft & Orte)

Mit den Dilsberger Nachtwächtern durch die Silvesternacht
Die Sturmlaternen stehen blank geputzt auf dem holprigen Straßenpflaster, die selbst in der Dunkelheit blitzenden Hellebarden lehnen griffbereit an der Wand des Torturmes. Zwölf Nachtwächter richten noch ihre Hüte und bürsten die langen Umhänge glatt. Es ist Silvester, der letzte Tag im Jahr. Seit vielen Jahren schon erinnert man sich am 31. Dezember an die alte Tradition der Nachtwächter, die früher hoch oben auf dem Dilsberg ihren Dienst versahen. Heute begrüßen die Dilsberger Nachtwächter das neue Jahr.

Das Wetter spielt dabei keine Rolle. Egal, ob es nun regnet oder schneit, ziehen die Zwölf mit ihren Sturmlaternen und Hellebarden vom Kommandantenhaus zum Stadthaus. Nach dem letzten Glockenschlag und unter dem Geläute der Bürgerglocke aus dem 18. Jahrhundert setzt alljährlich der Dorfwaibel als Zugführer das historische Horn an die Lippen, um mit zwölf urigen Tönen kundzutun, dass das alte Jahr die Herrschaft der Zeit an das neue mit seinen Hoffnungen und Wünschen abtritt. Kaum ist der letzte Hornton verhallt, stimmen die Nachtwächter das überlieferte Lied „Hört ihr Leut“ an und wünschen „den Armen wie den Reichen in der Kurpfalz allzumal ein glückseliges neues Jahr“.
Aber nicht immer spielten die als bauernschlau und hartnäckig bekannten Dilsberger an Silvester Nachtwächter. Blickt man einmal in die lange Geschichte des Ortes hoch oben auf dem Bergkegel über dem Neckartal bei Neckargemünd, wird einem schnell bewusst, dass es früher einmal um die ehrenamtlichen Nachtwachen einen jahrzehntelangen Konflikt zwischen Bürgern und Ämtern gab. So musste 1860 das Großherzoglich Badische Bezirksamt Eberbach den Dilsberger Gemeinderat darüber belehren, dass „Frauen dürfen selbstverständlich nicht zur Nachtwache herangezogen werden“. Die Nachtwache müsse stets mit drei Bürgern aufziehen, wobei immer zwei auf Patrouille zu gehen hätten und der dritte in der Wachstube verweilen müsse.
Auch das Heidelberger Bezirksamt zeigte 1870 nach einem Ortstermin kein Erbarmen mit den Dilsbergern. „Wegen der exponierten Hügellage der Bergfeste, die 1208 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde und im 15. Jahrhundert als Zufluchtsort und Jagdsitz der Heidelberger Kurfürsten zu einer der mächtigsten Festungen im Neckartal ausgebaut wurde und so selbst den Belagerungen des Feldherrn Tilly im Dreißigjährigen Krieg widerstand, kommt eine Aufhebung nicht in Frage“, ist noch heute im danach verfassten Besuchsprotokoll zu lesen. Auch eine Bürgerinitiative hatte 1874 keinen Erfolg. In seiner Antwort auf das Begehren schrieb das Bezirksamt: „…, daß wir die Nachtwache in Dilsberg hauptsächlich um dessentwillen für nöthig halten, damit bei einer ausbrechenden Feuersgefahr sofort Hülfe zur Hand sei, da bei dem Mangel an Wasser es doppelt nöthig ist, daß rechtzeitig Hülfe in solchen Fällen vorhanden sei.“
Aber vier Jahre später hatten sich die Dilsberger einmal mehr durchgesetzt. „In stets widerruflicher Weise wird gestattet, die Nachtwache unter der Auflage aufzuheben, dass ersatzweise der Polizeidiener gegen eine besonders zu vereinbarende Vergütung bis Mitternacht stundenweise patrouillieren und dazu der Gemeinderat die Ortsstraßen in ausreichender Zahl mit Laternen zu versehen habe“, war im Schreiben aus Heidelberg an den Dilsberger Gemeinderat zu lesen. Als das Badische Bezirksamt Heidelberg 1930 anfragte, ob „dort noch Nachtwächter gehalten würden“, ließ man aus dem Dilsberger Rathaus formlos mitteilen, dass bereits 1878 die Aufhebung der Nachtwache vom Bezirksamt gebilligt worden sei.
Heute aber erinnert man sich in Dilsberg wieder gerne der alten Tradition und lädt Einheimische und Fremde dazu ein, auf diese beschauliche Weise ins neue Jahr zu wechseln.

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