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Das Tanzen als ein Ausdruck besonderer Lebensfreude

08.04.05 (Hockenheim)

Tanzpädagogin aus London studiert mit Hockenheimer Tanzgruppe „I Danzatori Palatini“ historische Tanzformationen ein

Tanzen ist weit mehr ist als nur Bewegung und Musik. Geschichte, Theater, Kunst, Architektur, Mode, Literatur und das soziale Umfeld einer jeden Epoche werden für Momente wieder lebendig und schlagen somit einen nachvollziehbaren Bogen in die Vergangenheit. Geschichte wird erlebbar, ebenso wie die gesellschaftlichen Ausdrucksformen. Bereits 1979 erkannte man an der Volkshochschule Hockenheim diese Vielfalt und führte als erste VHS in Baden-Württemberg einen Kurs für historische Tänze durch. Der Wunsch, neben der Freude am Tanzen sich auch noch intensiver mit der begleitenden Kulturgeschichte zu beschäftigen, führte wenig später zur Gründung der Gruppe „I Danzatori Palatini”.
Dank des Engagements der am Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium tätigen Sportpädagogin Anna-Maria Avenius nahm die Formation eine rasante Entwicklung und gilt heute als eines der angesehensten Formationen für historische Tänze in ganz Baden-Württemberg und weit darüber hinaus. Grund für die Bekanntheit sind nicht nur die stets schillernden und farbenträchtigen Roben aus dem Barock, Rokoko oder Biedermeier, sondern vielmehr die Tatsache, dass stets Tänze nach alten Vorlagen und Schrittfolgen in originaler Choreographie aufgeführt werden.
Diese historische Dokumentation überzeugte Tanzwissenschaftler und Tanzmeister ebenso wie die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Seit einigen Jahren gehören nämlich die Tänzerinnen und Tänzer von „I Danzatori Palatini“ zu den Gruppen, die Schlossfeste in Bruchsal und Rastatt mitgestalten. Und die Landesregierung erinnert sich ebenfalls immer wieder an die Hockenheimer Gruppe, wenn Empfänge oder andere besondere Anlässe eines besonderen Augenblicks bedürfen.
Das in den letzten 25 Jahren erarbeitete Repertoire beinhaltet heute zahlreiche Tänze unterschiedlicher Gesellschaftsschichten aus dem 15. bis einschließlich 19. Jahrhundert. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Hoftänzen der Renaissance, des Barock und Rokokos.
Unter der Anleitung von Anni Avenius, die in der Zwischenzeit europaweit einen guten Ruf als Expertin für historische Tänze genießt, werden die Tänze auf der Grundlage historischen Quellenmaterials und unter Einbeziehung alter Zeitdokumente einstudiert. Besonders wichtig für die tänzerische Entwicklung der Gruppe sind aber die langjährigen Kontakte zu der wohl bedeutendsten Tanzpädagogin in Europa, Madeleine Inglehearn von der Royal School of Music in London.
Seit 15 Jahren kommt diese Tanzmeisterin inzwischen regelmäßig in die Rennstadt, um den Tänzerinnen und Tänzern in der Ausarbeitung historischer Tänze und der Verfeinerung von Schrittfolgen weiterzuhelfen.
So herrschte einmal mehr eine Woche lang eine emsiges Treiben im zum Tanzsaal umfunktionierten Musiksaal des Gauß-Gymnasiums. Die verschiedenen Gruppen von „I Danzatori Palatini“, aber auch die Tanzschüler der Nachwuchsgruppe nutzten die Anwesenheit der englischen Tanzmeisterin, um sich intensiv und konzentriert auf die kommenden Auftritte für die gerade beginnende Saison in den herrschaftlichen Schlössern und Gärten vorzubereiten. Schritt für Schritt, Drehung für Drehung näherte man sich dabei den Originaltänzen des höfischen Lebens zur Zeit des Barocks in der badischen Residenz des Türkenlouis zu Rastatt.
Dank der intensiven Forschungsarbeiten von Madeleine Inglehearn als Tanzwissenschaftlerin konnten sogar anhand von Originalpartituren die zum Teil recht schwierigen und bisher unbekannten Schrittfolgen einstudiert werden. Und dass dies sogar nach der Musik des badischen Hofkomponisten Fischer möglich war, gab den Übungs- und Trainingseinheiten eine ganz besondere Dynamik.
Interessant waren aber auch die ständigen Diskussionen und Erörterungen der Tänze und der dazu passenden Musik. „Nur wenn man weiß, wie zur Musik getanzt wird, kann man diese auch besser verstehen“, betonte die Tanzmeisterin aus London immer wieder. So gebe die Musik zwar die Schrittrhythmik vor, aber erst durch die tänzerische Darstellungsform werde das Gehörte auch interpretiert.
Es sei gerade diese Herausforderung, die sie immer wieder gerne nach Hockenheim kommen lässt, erklärte Madeleine Inglehearn in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Mit den Tänzerinnen und Tänzern der Gruppe „I Danzatori Palatini“ habe sie eine Formation gefunden, mit der es möglich sei, auch schwierige Tänze im Original einzustudieren. „Dies ist bei weitem nicht überall so möglich wie in Hockenheim“, galt das Lob der Vorsitzenden der European Association of Dance Historiance, einer europäischen Vereinigung für Tanzgeschichte und Tanzforschung, ihren Seminarteilnehmern in der Rennstadt. Für sie sei Hockenheim zudem eine idealer Standort, um auch Orte wie Mannheim, Heidelberg, Schwetzingen oder Speyer besuchen zu können. Und wenn alles so klappt wie sie es sich erhofft, dann könnte wohl mit „I Danzatori Palatini“ ein besonders ehrgeiziges Projekt in die Tat umgesetzt werden, an dem Madeleine Inglehearn schon seit einigen Jahren arbeitet – Musik und Szenen aus der Barockzeit in einer der schönsten Barockanlagen Europas aufzuführen, nämlich im Schwetzinger Schloss.

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