Kurpfalz Regional Archiv

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* Eine Wirtschaftswunder-Revue ohne Wunder – aber …

03.11.07 (Hockenheim)

… viel Musik und gute Laune / Nur knapp 200 Zuschauer in der Hockenheimer Stadthalle / Musikalischer Zeitreise fehlte der nötige Schwung
Zeitreisen sind unmöglich, behauptet zumindest die Wissenschaft allen Fantasien zum Trotz. Und dennoch wagten rund 200 Menschen in der Hockenheimer Stadthalle am Freitagabend den Versuch, gemeinsam zurück in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders der 50-er und 60-er Jahre zu reisen. Als eine Art Zeitbeschleuniger und Raumtransporter bot sich eine Schlagerrevue scheinbar geradezu optimal dafür an, die Aufgaben einer „Zeitmaschine“ zu übernehmen. Wie weit aber gerade auf diesem sensiblen Gebiet Traum und Wirklichkeit auseinander liegen können, wurde während der über zweistündigen musikalischen Reise sehr schnell deutlich. Die als Zeit- und Reisebegleiter eingesetzten Künstlerinnen und Künstler gaben sich zwar alle Mühe, mit unverwechselbaren Melodien und Tanzeinlagen das Flair der bundesdeutschen Nachkriegszeit ihren Gästen wieder lebendig werden zu lassen – nur fehlte irgendwie der berühmte Funken, um auch die Ladung für die Zeitreise wirklich zu zünden. Die Crew aus vier hübschen Mädels und drei smarten Jungs hatte sich nicht nur die 45 bekanntesten und wohl auch beliebtesten Schlager der damaligen Zeit ausgesucht, auch Petticoat, Röhrenhosen, Vespa und Nierentisch passten wunderbar zusammen, um die bundesrepublikanische Teenagerjahre auf der Bühne und im Saal wieder lebendig werden zu lassen. Für die jüngeren Besucher der Wirtschaftswunder-Revue, also die Um-50-Jährigen, so auch immer wieder eine vergnügliche Erinnerung an die eigenen Geburtsjahre. Da wurde das eine oder andere Lied schon mal leise mitgesummt, hie und da auch mal laut mitgeklatscht. Während diese Zuhörer so einer längst verklärten Zeit huldigten, wurde die große Mehrheit im Saal aber eher an die eigenen, scheinbar unguten Erfahrungen ihrer Jugendzeit erinnert. Dies änderte sich aber schlagartig in den wenigen Augenblicken, als die Musiker der Kapelle Count Zibi es auch wirklich krachen ließen und guter Rock ’n‘ Roll die Stadthalle bis unters Dach zum Erbeben brachte. Da waren sie plötzlich wieder da, die Erfahrungen mit der amerikanischen Besatzungsmacht, die Rebellion gegen die scheinbar heile Welt der Wiederaufbaugesellschaft, der Protest gegen Langeweile, beengte Wohnverhältnisse und öffentliche Ordnung.
Leider konnte man die für die 50-er und 60-er Jahre typischen Rock ’n‘ Roll-Stücke an einer Hand ablesen – was vielleicht doch ein bisschen zu wenig war. So plätscherte die musikalische Zeitreise zwar munter vor sich hin, riss aber niemanden so richtig mit oder brachte – wie in der Vorankündigung versprochen – die Zuhörer gar zum Toben. Ob das nun an den typisch Hockenheimer Verhältnissen lag (geringer Zuschauerzuspruch für eine eigentlich attraktive Veranstaltung), an der Liedauswahl oder gar an der Art der Präsentation – dem „Raumschiff der Träume und Erinnerungen“ fehlte die nötige Schubkraft, um auch wirklich an die Zeitmaschine andocken zu können. Und dass am Ende der Revue gar ein Loch in einem Eimer zu einem der Höhepunkte des Abends werden sollte, hatten die vielen anderen Schlager, Lieder und Songs nicht verdient. So endete die Zeitreise, wie von der Wissenschaft bereits vorhergesagt, wenig spektakulär – aber mit anerkennend-dankbarem Applaus für die Protagonisten, es trotz (oder gerade wegen) ihrer jungen Jahre geradezu liebevoll und verspielt versucht zu haben, die 50-er und 60-er Jahre wieder auferstehen zu lassen. Der Besuch der Revue „Musik liegt in der Luft“ war aber keine verlorene oder gar nutzlose Zeit, sondern wieder mal ein echtes fernsehfreies Abendvergnügen mit einem Hauch von Nostalgie. Und das ist heutzutage schließlich auch schon was wert …  (og)

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