Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Im Jagdrevier der Nibelungen

11.02.89 (Landschaft & Orte, Landwirtschaft & Forsten)

Am Abend bei einem Glas guten Weins auf der Burg Hirschhorn
wußten wir: „Der Odenwald hat es in sich, weit mehr als
erwartet.“ Ein langer Besichtigungstag lag hinter uns, angefüllt
mit Burgen, Schlössern, Rathäusern, Kirchen und Geschichtszahlen.
Und das alles in einer sanftgewellten Mittelsgebirgslandschaft
mit ausgedehnten Mischwäldern zwischen Rhein, Main und Neckar 
ehedem, wie die Sage es erzählt, das Jagdrevier der Nibelungen.
Im sinkenden Licht blickten wir hinunter ins Neckartal und auf
die Dächer des mauerumgürteten Städtchens Hirschhorn.

In Darmstadt, dem „Tor zum Odenwald und zur Bergstraße“, hatten
wir am frühen Morgen unsere zweitägige Autoreise angetreten. Über
die B 26 führte sie zunächst nach GroßUmstadt, der „Odenwälder
Weininsel“, wo es ein RenaissanceRathaus, eine spätgotische
Pfarrkirche und Adelshöfe zu besichtigen galt. Auf der
Ferienstraße AlpenOstsee, der B 45, vorbei an der trutzigen
Feste Otzberg und durch Höchst mit schönen Fachwerkbauten
gelangten wir zur Burg Breuberg, die mit ihren mächtigen
Wehranlagen das Mümlingtal beherrscht.

Bad König, das einzige Heilbad des Odenwaldes, zählt wahrlich
nicht zu den großen und mondänen seiner Zunft. Es ist vielmehr
ein kleiner, hübscher und (noch) beschaulicher Kurort mit
Fachwerkhäusern, dem Alten und Neuen Schloß und einer
Friedhofskapelle aus dem 11. Jahrhundert. Für seine Gäste hält es
ein modernes Kurzentrum mit Thermalbewegungsbad, einen Kurpark
und ein breites Aktivitätenangebot bereit.

Historie gebündelt gab es in Michelstadt, das 741 als
„Michlinstat“
erstmals urkundlich erwähnt wurde. Einhard, der
Berater und Biograph Karls des Großen, erhielt 814 die
Michelstadt von dessen Sohn Ludwig dem Frommen zum Geschenk. Im
Ortsteil Steinbach hinterließ Einhard mit der gleichnamigen
Basilika eines der seltenen noch erhaltenen Beispiele der
karolingischen Baukunst.

In Michelstadt wird Geschichte gleichsam lebendig: In der
Stadtkirche aus dem 15. Jahrhundert mit wertvollen Grabmälern, in
der Kellerei mit dem Odenwald und SpielzeugMuseum, in
zahlreichen Fachwerkhäusern und in der turmbewehrten Stadtmauer.
Sein unverwechselbares Wahrzeichen freilich ist das mit offener
Ständerhalle und Erkertürmchen höchst originelle und malerische
FachwerkRathaus aus dem Jahre 1484. Versteht sich, daß wir zum
Wasserschloß Fürstenau hinausfuhren und ebenfalls zum barocken
Jagdschloß Eulbach mit Englischem Garten, Wisentgehege und Resten
von Römerkastellen des nahen Limes. Und wer Zeit dazu hat: eine
LimesWanderung lohnt allemal.

Im benachbarten Erbach war der Besuch des Deutschen
Elfenbeinmuseums mit mehr als 1.000 Exponaten aus aller Welt
unerläßlich. Sehr eindrucksvoll der weite Schloßplatz mit der
imposanten Barockfront der Residenz der Grafen zu ErbachErbach,
mit dem Rathaus aus dem 16. und der Pfarrkirche aus dem 17.
Jahrhundert. Franz I. (1754 bis 1823), der die Elfenbeinkunst
nach Erbach brachte, füllte sein Schloß mit reichen Sammlungen
antiker Kunstgegenstände, mittelalterlicher Waffen, kapitaler
Hirschgeweihe und afrikanischen Jagdtrophäen.

Am Galgenberg von Beerfelden kommt man nicht vorbei  wenn nicht
des „dreischläfrigen“ Galgens von 1597, so doch des gerühmten
Fernblicks über die rund 600 Meter hohen Kuppen des Odenwalds
wegen. Im Ort betrachteten wir den ZwölfRöhrenBrunnen, die
Fassung der Mümlingquelle, und ein wenig außerhalb den über
einhundert Jahre alten HimbächelEisenbahnviadukt, um dann
Hirschhorn im Neckartal zuzustreben.

Nach einer Nacht im RenaissanceGemäuer mit neuzeitlichem
Komfort, machten wir uns auf den Rückweg über WaldMichelbach
nach Grasellenbach, an dessen Siegfriedbrunnen (den übrigens auch
andere Orte für sich reklamieren) der grimmige Hagen von Tronje
den jungen Helden mit dem Speer niedergestreckt haben soll.

Ein Stück auf der Siegfriedstraße, die Lorsch mit dem bayerischen
Amorbach verbindet, und wir erreichten den Heilklimatischen
Kurort Lindenfels, hoch auf einem Bergrücken, gekrönt von
wuchtigen Burgmauern mit freiem Blick über Berg und Tal. Die
Nibelungenstraße entführte uns sodann in die erdgeschichtliche
Frühzeit, zum Felsenmeer bei Reichenbach. Nach kurzer Fahrt über
OberRamstadt kündigte sich Darmstadt, die einstige Residenz der
Landgrafen und späteren Großherzöge von HessenDarmstadt, und die
Endstation unserer 210 Kilometer langen OdenwaldRundreise, mit
seinem JugendstilWahrzeichen an  mit dem Hochzeitsturm auf der
Mathildenhöhe.

Aus: RNZ, 11.2.1989, Heinz Bischoff

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