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Mißbrauchsfälle auch am Hockenheimer Gauss-Gymnasium

10.03.10 (Hockenheim)

Übergriffe, sexuelle Belästigungen und schwere körperliche Züchtigungen zumindest für die Jahre 1968 bis 1974 belegt / Betroffene Schüler erinnern sich
Hockenheim.- Ob nun das Kloster Ettal, die Regensburger Domspatzen oder Schulen in kirchlicher als auch privater Trägerschaft, sie alle füllen derzeit die Schlagzeilen. Die Rede ist von Brutalität und sexuellen Übergriffen gegenüber Schülerinnen und Schüler, die aber meist schon viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte zurückliegen, aber heute erst der Öffentlichkeit bekanntgemacht, oder zum ersten Mal auch ernst genommen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass inzwischen Mißbrauchsfälle, homosexuelle Handlungen, Pädophilie und körperliche Züchtigungen in einen Topf geworfen werden. Genauer betrachtet, sind die beschriebenen Zustände aber nicht nur an kirchlichen Einrichtungen vorgekommen, sondern – zumindest in den Jahren 1968 bis 1974 – auch direkt vor unserer Haustür, nämlich im damals noch jungen Carl-Friedrich-Gauss-Gymnasium in Hockenheim. Ähnlich wie bei den bereits geschilderten und inzwischen meist verjährten bundesweiten Fälle kam es auch am hiesigen Bildungsinstitut in diesen Jahren immer wieder zu Übergriffen, sexuellen Belästigungen und schweren körperlichen Züchtigungen. Viele Schülerinnen und Schüler dieser Jahre werden sich noch mit einem gewissen Schauer an den damaligen Priester Herbert M. erinnern, von dem heute noch bei Klassentreffen als dem „Prügelkaplan“ gesprochen wird. Unschöne Szenen kommen in Erinnerung, wenn man sich an so manche katholische Religionsstunde erinnert. Vor allem auf zwei, drei Schüler hatte es der Priester immer wieder abgesehen. Meist waren es solche, die sich – wie in diesen Nach-68-er-Zeiten üblich – kritisch mit seinem Unterricht auseinandersetzten – oder einfach gar nichts taten. Was in diesen Situationen passierte, hat noch mancher der damaligen Gaussianer deutlich vor Augen: Ein wie irrsinnig ins Gesicht und auf den ganzen Kopf prügelnder Mann, der die damals zwölf- bis vierzehnjährigen Buben geradezu durch das Klassenzimmer trieb. Seine beliebtesten Opfer waren dabei der Hockenheimer Karl H. und der aus Ketsch stammende Lother B., aber auch andere können von kräftigen Ohrfeigen berichten. Da es damals aber eine andere Zeit war, machte es wenig Sinn, sich zu Hause bei den Eltern zu beschweren, denn oft kam von dort die Antwort: „Du wist es schon verdient haben!“ Ähnlich zu ging es auch beim damaligen Erdkunde- und Englischlehrer H., der auch eine „schnelle Hand“ führte. Gefürchtet war aber auch der damalige Direktor des Gauss-Gymnasiums, Alfons Keppler. So lauerte er jeden Morgen den zu spät kommenden Schülern auf, um sie dann an den Haaren oder Koteletten hochreißend nach dem Grund des Zuspätkommens „befragte“. Auch hier hatte Protest oder Widerspruch wenig Erfolg, sodass auch diese Art von Übergriffe meist verschwiegen wurden.
In Erinnerung geblieben sind aber auch die „flinken Hände“ des Mathematik- und Physiklehrers Helmut K. vor allem bei Klassenausflügen. Die damals recht knappe Minimode der Mädchen übte da scheinbar gewisse Verlockungen aus.
Am Übelsten und Unerträglichsten war aber das Verhalten des Latein- und Sportlehrers W., der alle Buben dazu zwang, ohne Unterhosen in der kurzen Sporthose zum Unterricht zu erscheinen – aus Gründen der Hygiene, wie er es nannte. Seine Kontrollgriffe in die Hosen waren, so ein damaliger Schüler noch heute, „ekelhaft“. Und wer seine Unterhose angelassen oder vielleicht eine Badehose übergezogen hatte, musste sie vor den Augen des Lehrers ausziehen.
Bei einem Blick zurück könnten noch weitere Vorkommnisse aufgezählt werden. Zugleich beweisen sie aber auch, dass es noch viele andere Bildungseinrichtungen „mit besonderen Vorkommnissen“ gibt als bisher bekannt. Und wie bei den meisten bisher veröffentlichten Mißbrauchsfälle liegen auch diese viele Jahre zurück. Vielleicht ein Synonym für die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit, wo die Prügelstrafe selbst in Familien noch Alltag war. Nach mehr als 40 Jahren ist es aber endlich an der Zeit, auch an die Verhältnisse an Schulen wie dem Hockenheimer Carl-Friedirch-Gauss-Gymnasium zu erinnern.

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