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Nur ein hastiger Blick auf Speyer

17.09.12 (Allgemein, Landschaft & Orte, Musik, Kunst & Kultur)

sp1844_turnerWilliam Turners letzte Deutschlandreise 1844
Zwischen 1817 und 1844 ist William Turner, fasziniert von den Städten und Landschaften, wiederholt nach oder durch Deutschland gereist. Von 1839 bis 1844 besuchte er Deutschland jedes Jahr, nahm meist die Strecke von Köln bis Mannheim den Rhein entlang, um dann in Heidelberg Station zu machen. Dann setzte er häufig seinen Weg in die Schweiz fort. Er hielt seine Eindrücke in Hunderten von Zeichnungen und Aquarellen – meist am Ort verfertigt – fest, doch von Speyer ist nur eine einzige Skizze in einem der über dreihundert Skizzenbücher Turners zu finden.
Anfang August 1844 brach Turner von London aus auf eine zwei Monate währende Reise nach Deutschland und in die Schweiz auf. Es sollte seine letzte Rheinreise sein. Den Rheinabschnitt zwischen Köln und Mannheim legte er in mehreren Etappen zurück, manchmal zu Fuß, meist aber mit den seit 1827 verkehrenden Dampfschiffen. Vom 24. bis zum 27. August weilte Turner dann in Heidelberg. Er wohnte wie auch schon zuvor bei einem seiner früheren Aufenthalte im Palais Prince Carl am Kornmarkt. Von Heidelberg schuf Turner, wie bei allen seinen Rheinreisen, eine Reihe bemerkenswerter Aquarelle.
Vom unteren Neckartal fand eine Vielzahl vortrefflicher Zeichnungen Eingang in ein eigenes Skizzenbuch. Ende August reiste Turner in die Schweiz, wo er mehrere Skizzenbücher mit Ansichten von Luzern, Meiringen, Grindelwald, Thun und dem Thuner See füllte. In seinem für die Rückreise von Luzern nach Heidelberg bestimmten Sketchbook „Spires and Heidelberg“ hat Turner dann auf ganz eigene Weise eine Skizze von Speyer, die einzige in seinem ganzen Werk, untergebracht.
Turner hat, um Platz zu sparen, hin und wieder zwei oder mehrere Skizzen, die von verschiedenen Orten stammen, auf einem Blatt angefertigt. Es mag nun für Speyer nicht sehr schmeichelhaft sein, aber in seiner Sparsamkeit hat Turner ein Blatt, das Kirche und Gebäude einer Schweizer Stadt (Olten?) zeigt, einfach umgekehrt und an dem nun oberen Rand, wo durch das etwa 3-4 cm in das Blatt zurückgesetzte Seeufer noch etwas Platz bis zum Falz war, hastig mit ein paar Strichen die Silhouette der Stadt Speyer skizziert. Dafür hat er aber mit kräftigem, durchlaufenden Strich Spires an den Rand seiner Zeichnung geschrieben.
Turner hat seine Skizzenbücher nicht selbst mit Titeln versehen, sondern der für die Anordnung und Inventarisierung des Turnernachlasses autorisierte A. J. Finberg. Er hat viele der Skizzen nicht deuten sowie örtlich und zeitlich nicht einordnen können. Dagegen haben die bekannten Ansichten von Heidelberg und die deutliche Beschriftung von Speyer Finberg dazu veranlasst, dieses Skizzenbuch Spires and Heidelberg zu nennen.
Die Zeichnung gewährt aus großer Entfernung einen freien Blick auf die Silhouette Speyers aus dem Süden/Südosten. Daher kann man wohl davon ausgehen, dass Turner vom Rheinbogen her und vom Schiff aus diese Skizze verfertigt hat. Trotz der fahrigen Skizzierweise ist zu erkennen, dass sich der Dom hier mit dem kleinen barocken Westwerk präsentiert, welches zehn Jahre später (1854) abgerissen wurde, um Platz für den Bau des neuen und heutigen Westwerks von Baumeister Hübsch zu machen.
Die westlich vom Dom auszumachenden Gebäude geben Speyer nur sehr ungenau wieder. Man sieht zwei einzeln stehende Türme – einer mit einer gerundeten Haube und angedeuteter Spitze, der andere etwas weiter westlich schlank und hoch aufragend. Man könnte meinen, Turner habe hier die gut 50 Jahre später erbaute Gedächtniskirche antizipiert. Zwischen beiden Türmen erhebt sich ein mit spitzen Giebeln versehenes Gebäude. Das für Speyers Silhouette und Stadtbild charakteristische Altpörtel ist nicht abgebildet. Dafür hat er mit einigen Kringeln rechts und links und in den Lücken zwischen den Gebäuden die Skizze kohärent gemacht.
Während Turner die Speyer-Skizze rein flächig und ohne räumliche Tiefe gestaltet, zeichnet sich die Ansicht der Stadt Olten (?) auf dem weitaus breiteren Teil des Blattes durch beachtliche räumliche Tiefe aus.
Gründe für Turners mangelndes Interesse an Speyer und seinem Dom liegen wohl in seinem Zugriff auf die Malkunst. Wie viele seiner Zeitgenossen suchte er in seinen Sujets das „Erhabene“ zu fassen, das eindruckheischend über das rein Reale hinausweist. Ehrfurcht und Schrecken ausdrückende Naturansichten, wie hoch aufragende Berge, Gipfel mit Burgen, Schluchten, Wasserfälle, tosendes Wetter und Wasser, in Berge eingezwängte Bäche und Seen – all das hat er wohl in Speyer nicht gefunden und ist weiter gereist.
 
Karl Erhard Schuhmacher, Pfälzer Heimat 2/2012
Die Ausführungen stützen sich auf die Informationen von Cecilia Powell „Turner in Germany“

Tate Gallery Publications, London 1995
 

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