Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

  • Museen + Ausstellugen

    … in Bearbeitung

  • Kategorien

  • Tagesarchiv

    Dezember 2024
    M D M D F S S
     1
    2345678
    9101112131415
    16171819202122
    23242526272829
    3031  
  • Monatsarchive

  • Admin

Partnerschaftsgedanken in die Bevölkerungen hineintragen

19.06.06 (Reilingen)

Gemeindepartnerschaft nicht immer bewusst / Öffentlichkeitsarbeit bedarf in Jargeau der Verbesserung / Nationale Feierstunde von Vergangenheit geprägt / Dennoch: In Jargeau viele echte Freunde gefunden
Reilingen/Jargeau.-
Wer aber am vergangenen Wochenende anlässlich des Partnerschaftstreffens aus Reilingen in Jargeau weilte, traf ebensowenig den „typischen“ Franzosen mit der Baskenmütze auf dem Kopf, der Gitanne im linken Mundwinkel, einem Glas Rotwein in der rechten Hand und dazu noch einem Baguette unter den linken Arm wie der deutsche Besucher unbedingt an einer Lederhose zu erkennen war. Im Europa von heute scheinen die Grenzen längst so fließend zu sein, dass es (fast) keine Unterschiede mehr zu geben scheint – aber eben nur fast.So gehört das Baguette unter dem Arm (oder zumindest modisch im Rucksack getragen) noch immer zum Straßenbild einer französischen Kleinstadt wie Jargeau – genauso wie die vielen einladenden Straßencafés. Ein Eindruck, der beim täglichen Bummel durch die kleine, aber ausgesprochen hübsche und an Läden reiche Fußgängerzone von Jargeau immer wieder bestätigt wurde. Wer wollte, konnte sich hier auch mit den besonderen Spezialitäten der Loire-Landschaft eindecken. Hatte man um die Andouille de Jargeau (eine weithin bekannte Wurstspezialität aus verschiedenen Innereien) vielleicht noch einen Bogen machte, wurde beim Loirewein, zumindest aber in den üppigen Feinbäckereien schon gerne mal zugegriffen.
Beim Bummel durch die teilweise noch mittelalterlich geprägte Altstadt wurde aber auch immer wieder registriert, dass es bei den Häusern nicht so auf die äußere Fassade anzukommen scheint. „Eine schöne Wohnung und gutes Essen sind uns viel wichtiger“, machten die Jargeauianer ihren Gästen aus der Kurpfalz immer wieder deutlich.
Wer das Gespräch mit Einwohnern der Partnergemeinde suchte, wurde sehr oft von fragenden Blicken überrascht: „Reilingen?“ Auch der Hinweis auf die Ortseingangschilder half meist nicht weiter. Der Grund war denn auch überraschend schnell gefunden: Die Jumelage findet in Jargeau nicht in der ganzen Gemeinde statt, sondern lediglich im Partnerschaftsverein. Diesen Eindruck bestätigte auch dessen Vorsitzende Francoise Oberson, die einräumte, dass man alle Aktivitäten nur als Teil der eigenen Vereinsarbeit sehe. Und wer nicht Mitglied im Cercle Jargeau-Reilingen sei, habe auch wenig Kenntnis von der „offiziellen“ Gemeindepartnerschaft. Anders als in Reilingen sei man den Schritt in die Öffentlichkeit oder in die Medien bisher noch nicht gegangen. Was dies bedeutet, konnten die Reilinger am vergangenen Wochenende selbst erleben. So waren auf den offiziellen Veranstaltungsplakaten der Gemeindeverwaltung zwar die verschiedensten Veranstaltungen zu finden, jedoch kein einziger Hinweis auf das Jumelagetreffen oder gar auf das über einstündige Platzkonzert des eigens aus der Spargelgemeinde angereisten Musikvereins „Harmonie“. Unkenntnis auch in der Tourist-Information, wo die Mitarbeiter weder von dem Treffen, noch von einer Komitee-Sitzung im eigenen (!) Haus wussten. Da die Reilinger das Platzkonzert in der offenen Markthalle für einen Informationsstand und kulinarische Spezialitäten aus der Spargelgemeinde nutzten (wir berichteten), hatten viele Jargeauianer erstmals die Gelegenheit, wenigstens auf diese Weise ihre langjährige deutsche Partnergemeinde kennenzulernen. Und da das Interesse von Seiten der Bevölkerung überaus groß war, fanden es die verantwortlichen Mitglieder des Partnerschaftskomitees „vielleicht doch wichtig“, mit mehr Öffentlichkeitsarbeit auf die Gemeindepartnerschaft mit Reilingen hinzuweisen.
Wie wichtig dies für eine normale Beziehung zwischen beiden Völkern ist, machte am Sonntag eine Feierstunde zum 18. Juni 1940, dem Gedenktag der „Londoner Rede“ von General de Gaulles (in ihr forderte der spätere Staatspräsident und Mitbegründer der deutsch-französischen Freundschaft zum gemeinsamen Kampf aller Franzosen gegen die Deutschen auf), deutlich. Die deutschen Zuschauer störten sich dabei weniger an der militärischen Zeremonie und dem traditionsbewusst-nationalen Auftreten der ordensbehängten „alten Kämpfer“, wohl aber am Inhalt der öffentlich vorgetragenen Rede. Auch Jargeaus Bürgermeister Thierry Brunet und der regionale Abgeordnete Jean-Louis Bernard räumten in einem Gespräch mit französischen und deutschen Medienvertretern ein, dass es mehr als 60 Jahre nach Kriegsende – „und in Anwesenheit vieler deutscher Freunde“ – doch besser gewesen wäre, mehr an die Opfer des Krieges und des Nazi-Regimes zu erinnern, als noch einmal den, wenn auch historischen Kampf gegen die Deutschen zu propagieren und überdeutlich herauszustellen.
Spätestens am Ende der Gedenkfeier wurde den umstehenden Deutschen und Franzosen einmal mehr Wichtigkeit von Gemeindepartnerschaften und regelmäßigen Begegnungen der Menschen bewusst. Und dass deren Bedeutung und Notwendigkeit auch nach vielen Jahren immer wieder in die gesamte Bevölkerung auf beiden Seiten des Rheins hineingetragen werden muss.
Dennoch wurde den vielen Besucher aus der Spargelgemeinde spätestens bei der überaus herzlichen und tränenreichen Verabschiedung wieder klar, in Jargeau echte Freunde gefunden zu haben. Und dies ganz im Sinne der Völkerverständigung, denn Jargeau und Reilingen zu entdecken, heißt auch Frankreich und Deutschland besser kennenzulernen.

Kommentare sind geschlossen.

 
error: Bitte nehmen Sie mit uns Kontakt auf: post@heimat-kurpfalz.de