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Ein Präsident aus Heidelberg

20.06.96 (Geschichte allg., Personalia)

Friedrich Ebert als pragmatischer Reformer ein Präsident aller Deutschen
Wir schreiben das Jahr 1871: Ist ist noch nicht so lange her, dass im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles der preußische König  Wilhelm I. zum Kaiser des Deutschen Reiches von Fürst Bismarck, dem späteren Reichskanzler ausgerufen wurde. Nur wenige Tage später, am 4. Februar 1871, wurde in Heidelberg im Hause der Familie Ebert ein Knabe geboren, der auf den Namen Friedrich getauft wurde. Die Zeitungen in der Stadt am Neckar berichteten an diesem Tag wieder einmal ausführlich von den Auswirkungen des deutsch-französischen Krieges. Auf der Lokalseite beschäftigte man sich intensiv mit dem gefährlichen Eisgang auf dem zugefrorenen Neckar, der die Alte Brücke so langsam bedrohte.

Die Glocke von der Heiliggeistkirche schlug gerade zur Mittagszeit, als Friedrich Ebert als siebtes von neun Kindern des Schneiders Karl Ebert und dessen Ehefrau Katharina geboren wurde. Knapp 50 Jahre später sollte er als bekannter Sozialdemokrat an die Stelle des deutschen Kaisers treten, als ihn die Nationalversammlung am 11. Februar 1919, die zu dieser Zeit in Weimar tagte, zum ersten deutschen Reichspräsidenten wählte. Der Heidelberger Friedrich Ebert war damit das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte. Er war zudem der erste Mann, der aus der Arbeiterschaft bis an die Spitze des Reiches aufsteigen sollte.
Der junge Ebert wuchs in sehr beengten Wohnverhältnissen in der Heidelberger Altstadt auf. Die kleine Drei-Zimmer-Wohnung in der Pfaffengasse war zugleich die Werkstatt des Vaters und umfasste noch nicht einmal 50 Quadratmeter. Hier durchlebte Ebert eine für Handwerksfamilien damals typische Kindheit und Jugend.
Nach dem Besuch der Volksschule in der Sandgasse erlernte er, wohl angeregt durch die Lohnkutscherei Seppich in der Nachbarschaft, das Sattlerhandwerk. Sein Lehrbetrieb war die Lederwarenhandlung Schmitt in der Hauptstraße. Am Ende seiner Lehrzeit hielt ihn nichts mehr in seiner Vaterstadt und so ging er 1888, einer alten Tradition folgend, als Geselle auf Wanderschaft. Immer weiter nach Norden wandernd, kam er auch nach Bremen, wo seine Wanderzeit 1891 zu Ende ging. Friedrich Ebert ließ sich in der Hansestadt nieder und heiratete im Mai 1894 die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Fabrikarbeiterin Louise Rump. Schon ein halbes Jahr später kam bereits das erste Kind zur Welt. „Ein kleiner Umstürzler ist angelangt“, annoncierte Ebert schelmisch in der Bremer Zeitung die Geburt des ersten von fünf Kindern. Damit spielte er auf die im ganzen Kaiserreich herrschenden Furcht vor der Sozialdemokratie an, die als „Reichsfeind und Umsturzpartei“ ausgegrenzt und gebrandmarkt wurde.
Friedrich Ebert kam sehr früh, vor allem auch gestärkt von seiner Frau Louise, die als Gewerkschafterin aktiv war, zur Sozialdemokratie. In Bremen galt Ebert nicht als Umstürzler oder Revolutionär. In 14 Jahren hatte er den Ruf eines pragmatischen Reformers erworben und war damit zu einem der führenden Politiker der SPD aufgestiegen. Er wollte sozialen Fortschritt und politische Emanzipation der Arbeiterbewegung schrittweise erstreiten. Die tagtägliche Konfrontation mit der noch immer herrschenden Not der Arbeiterschaft prägte den jungen Mann. Zunächst als Gastwirt, später dann als hauptamtlicher Arbeitersekretär kümmerte er sich um die soziale Entwicklung und brachte seine Erfahrungen auch als Abgeordneter in die Bürgerschaft von Bremen mit ein.
Als Kenner der Sozialpolitik und „Anwalt der kleinen Leute“ wurde sein Namen über die Grenzen der Hansestadt an der Weser hinaus bekannt. Auf dem SPD-Parteitag in Jena wurde Friedrich Ebert 1905 dann auch folgerichtig in den zentralen Parteivorstand gewählt. 1913, als die Nachwahlen für den verstorbenen August Bebel in Jena anstanden, wurde Ebert als dessen Nachfolger zu einem der beiden SPD-Vorsitzenden gewählt. Nach seinem Einzug als Abgeordneter in den Reichstag (1912) wurde er, vor allem während der Kriegsjahre, zu einem über die eigene Partei hinaus geachteten Politiker im deutschen Kaiserreich.
Im Zeichen der militärischen Niederlage und einer sich rasch über Deutschland ausbreitenden revolutionären Aktionswelle übergab der letzte kaiserliche Reichskanzler, Prinz Max von Baden, Ebert am 9. November 1918 die Regierungsgeschäfte. Reichskanzler blieb er nur für einen Tag, aber auch in dem tags darauf gebildeten Rat der Volksbeauftragten stand er an der Spitze dieser revolutionären Übergangsregierung. Eine Räterepublik lehnte Ebert von Anfang an ab. Sein oberstes Ziel war die Wahl einer Nationalversammlung als Grundlage einer neuen demokratischen Republik. In ihr sollten alle Bevölkerungsschichten eine Möglichkeit zur Mitgestaltung haben.
Unter seiner Führung wurden die Fundamente einer parlamentarischen Demokratie gelegt. Das Frauenwahlrecht wurde eingeführt, der achtstündige Arbeitstag verkündet.  Es gelang zudem, das drohende Chaos am Ende des Ersten Weltkrieges abzuwenden. Die Einheit des Reiches konnte erhalten werden, das tief in Feindesland stehende Heer wurde friedlich zurückgeführt. Die Kriegswirtschaft wurde auf Friedenswirtschaft umgestellt.
Die Wahlen zur Nationalversammlung fanden dann am 19. Januar 1919 statt. Friedrich Ebert, dessen Wahlspruch zeitlebens „Sozialismus ist Arbeit“ lautete, wurde von den Abgeordneten mit 277 von 379 Stimmen zum ersten Reichspräsidenten gewählt. In seinem überparteilichen Amt sah er die beste Möglichkeit, ein Bündnis von Arbeiterschaft und Bürgertum zu bilden. Er versprach, sein Amt als ein Präsident aller Deutschen zu führen, als ein „Beauftragter des ganzen deutschen Volkes, nicht Vormann einer einzigen Partei“. Seine Amtszeit wurde vom der Nationalversammlung folgenden Reichstag 1922 bis zum Juni 1925 verlängert.
Während der ganzen Zeit widerstand der, der als Staatsoberhaupt wie kein anderer Politiker die Weimarer Republik verkörperte, einer beispiellosen Hetzkampagne der Republikgegner ausgesetzt. Weite Teile der Gesellschaft trauerten dem kaiserlichen Pomp nach und beschimpfte Friedrich Ebert wegen seiner Beteiligung an den großen Streiks im Januar 1918 als „Landesverräter“. Gleich kübelweise wurden die Verleumdungen über ihm und seiner Familie ausgekippt. In Magdeburg fand sich dann auch ein Richter der im Dezember 1924 den unhaltbaren Unterstellungen juristisch zustimmte. Der Prozess hatte aber auch gesundheitliche Auswirkungen: Ebert verschleppte eine Blinddarmreizung, die zu spät operiert werden sollte.
Der aus Heidelberg stammende Reichspräsident starb am 28. Februar 1925 im Berliner Westsanatorium an diesen Folgen. Entsprechend seinem Wunsch fand er die letzte Ruhestätte in Heidelberg, wo er am 5. März auf dem Bergfriedhof beigesetzt wurde.
 

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