Kurpfalz Regional Archiv

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"Goldener Hirsch" und "Rodensteiner" – zwei historisch miteinander verbundene Wirtshäuser

17.02.11 (Forschung & Archäologie, Landschaft & Orte)

Vortrag von Rudi Höhl am 16. Februar 2011 im Stadtarchiv Speyer
Mit meinem heutigen Vortrag möchte ich sie in die Vergangenheit und heutige Zeit zweier Speyerer Gasthäuser führen, die zwar räumlich getrennt an verschiedenen Standorten stehen, aber geschichtlich verbunden sind. Beide Objekte wurden in zahlreichen Publikationen der älteren und jüngeren Stadtgeschichte von verschiedenen Autoren als Teil ihrer Ausführungen benannt. Ein Zusammenhang ihrer Entstehung ist auffällig, worüber ich heute berichten möchte. Es sind dies das Haus Maximilianstraße 90 a und Schustergasse 7. Maximilianstraße 90 a ist der heute noch bestehende „Goldene Hirsch“ und an der Schustergasse 7 das ehemalige Gasthaus „Zum Rodensteiner“. Die verwobene Geschichte der zwei Objekte bringt ein Pendeln im Geschichtsablauf mit sich.
Beginnen möchte ich mit dem Haus an der Schustergasse 7. Auf einer Federzeichnung von Johannes Ruland um 1800 erkennt man den damaligen „Goldenen Hirschen“ und die Braustätte „Zum Goldenen Stern“. Zu dieser Zeit war der Inhaber des „Goldenen Hirschen“ die Familie Plappert. Geht man nun in die frühere Zeit zurück, so wird dieses Haus schon 1349 als Herberge „Zum Goldenen Hirschen“ genannt. 1526 und 1529 zu den bemerkenswerten Reichstagen in Speyer wird der „Goldene Hirschen“ als Herberge und Unterstand für Pferde der Reichstagsbesucher genannt. Einer der bekannten französischen Heerführer, Marschall Turenne, bezog im „Goldenen Hirschen“1644 Quartier, als er Speyer und Philipsburg erobert hatte. Erst 1650, zwei Jahre nach dem Frieden von Münster und Osnabrück, zogen die Truppen von Marschall Turenne wieder ab.
Die schon genannte Familie Plappert, als Besitzer des Hirschen, begann schon um 1660 mit dem Bierbrauen “. Aber das aufstrebende Braugewerbe fand mit der Vernichtung von Speyer 1689 ein jähes Ende. Die Plapperts emigrierten nach Goslar und kehrten zum Wiederaufbau der Stadt um 1766 zurück. Vorher hatten die Grundstücke drei Besitzer. Aus den 3 – 4 kleineren Häusern wurde ein für die damalige Zeit repräsentativer Bau mit zentraler Einfahrt errichtet. Von dem rechten der drei kleinen Häuser wurde die Hausecke mit einbezogen, so dass die Figur des St. Jost oder St. Jodokus erhalten blieb.
Über mehrere Generationen gab es nun die Plappertsche Bierbrauerei im „Goldenen Hirsch“. Ob nun eine harte Konkurrenz oder ein freundschaftliches Nebeneinander mit dem Brauhaus „Zum Goldenen Stern“ bestand, war nicht feststellbar. Das Zeichen der Braukunst im Mittelalter war der sechszackige Stern, er war das Symbol für Wasser; Malz; Hopfen; Luft, Feuer und Erde. Auch steht er als Zeichen für die Ausgabe von Haustrunk. Der Stern ziert noch heute eine Vielzahl von Gasthausschildern. Bei diesem Brauerstern findet man noch die Initialen des Brauhausgründers „W“ und „A“ für Wilhelm Adam. 1815 kam noch einmal ein hoher Gast in den „Goldenen Hirsch“, denn neun Tage nach der Schlacht von Waterloo war der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III, am 27. Juni für eine Nacht hier abgestiegen. So ist zu entnehmen, dass auch Gästezimmer vorhanden waren.
Die Brauerei der Plapperts bestand über vier Generationen bis 1833. Die Letzte aus der Familie der Plapperts, Sibilla Plappert, nun Witwe, versorgte noch viele Jahre neben der Brauerei den Poststall für die Bereitstellung von Pferden, bis der erzielte Gewinn zu gering zum Aufwand war als Folge der neuen bayerischen Poststraßenrouten, die zum Teil an Speyer vorbeiführten.1833 verkaufte sie das Anwesen samt Inventar an den von Germersheim zugezogenen Bierbrauer Johannes Moos um 8 000 Gulden. Er und seine Söhne brachten der Brauerei neuen Schwung.1848 trafen sich in den Gasträumen der Mooschen Brauerei die ersten Speyerer Demokraten im Kreis um Friedrich Kolb und Jakob Moos, dem Bruder des Wirtes, der später städtischer Rechts- und Stadtrat wurde. In den 1860er Jahren lag die Brauerei immerhin an 6. Stelle von 15 Speyerer Brauereien.
Die Linie der Familie Moos hatte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ca. 20 männliche Nachkommen, die außer den Bierbrauern eine ganze Reihe anderer Berufe ergriffen und zum Teil nach Amerika und England auswanderten. Einer der zahlreichen Mooschen Söhne, Heinrich Moos, zog ein paar Straßen weiter, in die Karlsgasse und gründete dort eine neue Brauerei „Zum Stern“ (im Unterschied zu den andern Moos war er der Sternemoos). Die Gastwirtschaft am Königsplatz wurde eigenartiger Weise nicht mehr unter dem Namen „Goldener Hirsch“ geführt, sie hieß dann nur noch Restauration „Zum Café Moos“.
Eine harte Konkurrenz für die an der Schustergasse gelegenen Brauerei hatte sich im Rücken in der Grasgasse etabliert, nämlich die „Brauerei zur Sonne“, die mit neuer Ausrüstung der Mooschen Brauerei das Wasser abgrub und sie zum Erliegen brachte.
Hier möchte ich einen Schnitt machen und zu dem zweiten Objekt, dem Haus Maximilianstrasse 90a, kommen. Vor dem großen Stadtbrand von 1689 waren in diesem am Markt stehenden Haus Geschäftsleute, Spezereihändler und Krämer feststellbar. Nach dem Wiederaufbau um 1700 war dieses Haus lange von Buchbindern mit ihren Geschäften bewohnt. Unter anderem von Franz Kohl, Mathias Weingärtner und zuletzt von Georg Schnaudigel (der Schnaudigelweg in Speyer ist nach dem berühmten Augenarzt Otto Franz August Schnaudigel benannt). Inzwischen war das Haus im Besitz von Heinrich Stange aus Landau.1890 kaufte der Ruppertsberger Winzer Valentin Acker das Anwesen Maximilianstraße 90. Valentin Acker hatte aus seiner Ehe (die Frau starb im Alter von 27 Jahren) 3 Kinder. Um seinen Besitz nicht mit der zweiten Frau und deren Kindern teilen zu müssen verkaufte er seinen beträchtlichen Besitz in Ruppertsberg und erstand u. a. das Haus Maximilianstraße 90 in Speyer und setzte seinen 25 jährigen Sohn, Johannes Acker, als Wirt in die nun eingerichtete Wirtschaft ein.
Inzwischen hat die Stadt die Hausadressen in der Maximilianstraße neu geordnet. Das bisher nur als „Die Alte Münz“ genannte Gebäude, in der die Post untergebracht war, erhielt nun die Nr. 90 und das Haus Ecke Salzgasse die 90a. Eine weitere Person muss hier genannt werden, nämlich Georg Wambsganz. Die Familie Wambsganz bewohnte das Haus Wormserstraße 36. 1875 ist dort ein Jakob Wambsganz als Bäcker genannt, 1881 ein Georg Wambsganz ebenfalls Bäcker. 1886 wurde Georg Wambsganz als Privatmann bezeichnet und 1888 hatte er den Beruf des Wirtes „Im Schwanen“ ergriffen und wechselte Anfang 1890 als Wirt in das „Café Moos“.
Nicht lange hielt es ihn im “Café Moos“ und als sich vorgenannter Johann (Jean) Acker ins elsässische Weißenburg und weiter nach dem lothringischen Avricourt zurückzog, wechselte Georg Wambsganz schon im Frühjahr 1890 nach 5 Monaten die Lokalität und übernahm am alten Markt als Wirt die frei gewordene Wirtschaft. Da er wusste, dass das Café Moos früher „Zum Goldenen Hirsch“ hieß, gab er der Wirtschaft am Marktplatz vor der Alten Münze den alten Namen. Jean Acker in Avricourt starb 1892 mit 46 Jahren. Seine Witwe verkaufte 1897 den „Goldenen Hirsch“. Die Mieterin war zu dieser Zeit die aufstrebende Brauerei „Zur Sonne“ und setzte die Zapfwirte ein, sofern sie eine Konzession von der Stadt bekamen. Durch Verkauf und Versteigerung wechselte der „Goldene Hirsch“ zwischen 1897 und 1904, also in 7 Jahren, neun Mal den Besitzer bzw. den Wirt, bis 1904 Valentin Hornbach den „Goldenen Hirsch“ kaufte und für rund 80 Jahre im Familienbesitz blieb.
Zurück zum „Café Moos“ am Königsplatz. Nachdem der letzte Bierbrauer im Haus Schustergasse 7 gestorben war, führte die Witwe des Bierbrauers die Gastwirtschaft in ihrer damaligen Form auch unter wechselnden Wirten weiter. Der Bierlieferant war das Speyerer Brauhaus der Gebrüder Schultz. Auch in diesem Etablissement wechselten die Wirte recht häufig, in sechs Jahren sieben Wirte. So suchte der Bierlieferant, das Speyerer Brauhaus, zum 1. Juli 1902 tüchtige Wirtsleute für das „Café Moos“. Der wichtigste Wirt war sicher Christian Seidel, der Anfang Juni 1902 das „Café Moos“ übernommen hatte. Ende September/Anfang Oktober 1902, die Eröffnung der Speyerer Spätjahrsmesse auf dem Königsplatz warf ihre Schatten voraus und um dem Speyerer Publikum noch etwas Besonderes bieten zu können, wurde nach einer kurzen Renovierung die Gaststätte neu unter dem Namen „Zum Rodensteiner“ wieder eröffnet.
Wie kam nur der Name Rodensteiner zustande: Wer die Idee zur Namensgebung hatte, war nicht feststellbar. Sicher war es das Zusammentreffen von verschiedenen Faktoren. Groß war in der Zeit um 1900 die Begeisterung für Viktor von Scheffel und seine vaterländischen Schriften und Gedichte, z. B. über den rastlosen „Ritter von Rodenstein“. Vielleicht lässt sich daraus und den trinkfesten Ritter, der seine Burg seinem großen Durst opferte, eine Verbindung zur Namensgebung herstellen. Aber ob er wirklich so schrecklich war, ist fraglich. Im hohen Alter von 85 Jahren unternahm er eine Wallfahrt nach Rom und starb dort im Jahre 1500. Beerdigt wurde er auf dem Campo Santo Teutonico. Anregung gab möglicherweise auch die Heidelberger Gaststätte „Zum Rodensteiner“ und seinem Wirt, der auch für sein Lokal anlässlich der Heidelberger Schlossbeleuchtung und dem Stiftungsfest, einer studentischen Verbindung, in der Speyerer Zeitung inserierte. Es ist bestimmt Zufall, dass dort, wo der Heidelberger Rodensteiner stand, in früherer Zeit der Heidelberger„Goldene Hirsch“ seine Gäste bewirtete.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zeit um 1902 waren alles Andere als rosig. Zum Beispiel gab es ein zu geringes Angebot an Fleisch, auch wurde u. a. von den Bäckern Kartoffelbrot angeboten. Selbst die Brauereien hatten wirtschaftliche Schwierigkeiten. So musste das Speyerer Brauhaus 1901 eine Hypothek in Höhe von 200 000 Mark und 1902 eine von 900 000 Markzeichnen. Das führte schließlich 1908 zur Fusion mit der Sonnenbrauerei, die geschäftlich auch nicht auf Rosen gebettet war. Außerdem waren die Bayerische Brauerei (vormals Heinrich Schwartz) und die Storchenbrauerei zu große Konkurrenz. Die beiden Gaststätten bestanden noch lange, der „Goldene Hirsch“ vor der alten Münz bis heute, obwohl Weiterbestand oder Umwandlung immer möglich sind. Der „Rodensteiner“ wurde als Gaststätte 1978 geschlossen. Die letzte Besitzerin aus der Mooschen Linie, Gerda Moos verheiratete Seeber, verkaufte das Haus Schustergasse 7 und 7a.
Man hatte zwei Adressen geschaffen, links das Wohnhaus und rechts die Wirtschaft. Für die neuen Besitzer wäre eine gründliche Sanierung der Gaststätte nötig gewesen. Nach Aufgabe und Verkauf wandelte der neue Besitzer 1980 das Haus in ein Bürogebäude um und verhalf ihm mit der Torbogenöffnung wieder zu der Ansicht von 1800.

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