Kurpfalz Regional Archiv

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Schindelmacher wurden brotlos

09.03.86 (Arbeit & Soziales, Handel & Handwerk)

Die Verwendung von künstlichem Baumaterial wie Backsteinen und Ziegeln wurde durch das römische Heer in Germanien eingeführt. Zwei Jahrtausende überdauerte das römische Ziegelmaterial, ohne seine Eigenschaften wie Festigkeit und Haltbarkeit zu verlieren. In Truppenziegeleien in der Nähe von Tonlagern wurden die zur Errichtung zahlreicher Bauten benötigten Mauersteine und Ziegel hergestellt. Ein Teil der für den Heeresbedarf hergestellten Ziegel war mit dem Stempel der betreffenden Legion versehen. Die Vorzüge des Baumaterials aus gebranntem Ton lernten auch die Germanen kennen.
Die älteste und weit verbreitete Bauart blieb jedoch bis in das späte Mittelalter der Lehmsteinbau. Da das schwierige Brennen entfiel, war das Herstellen von Steinen aus Lehm einfach. Vor dem Einstampfen und Trocknen in hölzernen Formen wurde der Ton mit kurz geschnittenem Stroh vermischt, um die Festigkeit zu erhöhen. Bauten aus ungebrann
tem Lehm überdauerten die Zeit und sind heute noch in manchem Dorf der Kurpfalz zu bewundern.
Das Material zur Herstellung von Ziegeln und Backsteinen ist meist in der Rheinniederung vorzufinden, da der Ton häufig in Form von Wasserabsetzungen und Anschwemmungen verbreitet ist. Der Rhein, der erst durch die Vertiefung und durch die Begradigung seines Laufes in der Mitte des 19. Jahrhunderts daran gehindert wurde, wertvolle Ackererde in der Niederung anzuschwemmen und zu entreißen, war die Ursache für das Vorfinden von Tonlagern vor allem in der Gemarkung Hockenheim. Baumaterial wie Ziegel und Backsteine war stets vonnöten, vor allem nach den Kriegswirren um die Kurpfalz und später um die Festung Philippsburg.
Wie seit altersher wurden in der letzten Handziegelei auf der Gemarkung Hockenheim mit nur manuellen Arbeitsgängen wie Graben des Tones, Aufbereitung, Formen und Brennen Ziegel hergestellt. Die Kleinziegelei (sie stand in der Nähe der heutigen Autobahnbrücke über den Rhein) bestand aus zwei Trockenschuppen, einer Tonmühle, einem primitiven Brennofen, der im Aufbau einem Kohlenmeiler ähnelte, einer Holzhalde und einem angrenzenden kleinen Wohnhaus aus gebranntem Ziegelmaterial.
Der in den Erdlöchern mit langen, schmalen Spaten in Stufen steil abgestochene Lehm wurde zur Mischung und Aufbereitung in die Tonmühle geworfen. Diese, einer Teigmaschine ähnelde, Tonmühle wurde durch ein sich im Kreis bewegendes Pferd, das an einem Querbalken angebunden war, solange in Bewegung gesetzt, bis die im Lehm enthaltenen Knollen zerrieben und der Lehm durch Zuschüttung von Wasser die zum Formen notwendige Feuchtigkeit erhielt. Jahre später wurde die Tonmühle außer Betrieb gesetzt, und der Lehm in kleinen Gruben durch Hacken und Kneten, in der wärmeren Jahreszeit mit bloßen Füßen, vermischt. Danach wurde der gleichmäßig durchfeuchtete Ton auf schmalen Formtischen in hölzerne Ziegel oder Backsteinformen hineingeworfen, angedrückt und abgestrichen. Dieser Handstrich gab der Kleinziegelei den Namen Handstrichziegelei.
Nach dem Formen wurden die Ziegel oder Backsteine auf Brettchen im Trockenschuppen ausgelegt. Das Brennen der Ziegel wurde in einem einfachen Feldbrandofen vorgenommen, der seitlich mit Backsteinen gemauert, sich nach oben zuspitzte und mit einer Lehmschicht abgedeckt war. Meist wurde der Ofen mit dem aus dem Bibliswald stammenden
Holz angefeuert und die Glut mit Kohle erhöht. Blickt man in alte Unterlagen und Akten, kann man feststellen, daß allein der Holzverbrauch der Ziegelei dafür sorgte, daß mit der Zeit der Baumbestand immer lichter wurde. Diese besonders dem Köhler nicht unbekannte Arbeit am Feldofen erforderte vom Ziegler eine große Erfahrung, um die im Feldbrand hergestellten Ziegel gütemäßig nicht noch mehr zu mindern.
Die einzige damals geformte und gebrannte Ziegelart war der einfache und billige „Biberschwanz“, der hie und da noch auf alten Scheunendächern zu sehen ist. Aus dem Mittelalter hat sich diese Ziegelart in die Neuzeit gerettet. Der Falzziegel löste in jüngerer Zeit den Biberschwanz ab, machte die Schindelmacher brotlos. Die Schindeln, dünne Holzblättchen, wurden zur Eindeckung eines Biberschwanzdaches dringend benötigt. Unter den Fugen der Biberschwänze wurden die Schindeln eingesteckt, um ein Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern.
Doch ganz ging die Tradition der Ziegelherstellung auf Hockenheimer Gemarkung nicht verloren. Aus der Handziegelei entstand dann in der Zeit der Industrialisierung eine Ziegelhütte, die man noch heute als Teil eines Industrieunternehmens am Rhein zwischen der Speyerer Rheinbrücke und Ketsch wiederfindet.
Autor: og

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