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Stück für Stück verschwinden liebe Erinnerungen

25.03.07 (Hockenheim)

Lutherhaus-Umbau hat begonnen / Viele freiwillige Helfer entkernen derzeit das evangelische Gemeindehaus / Flohmarkt mit vielen lieben Erinnerungsstücke / Weitere Helfer willkommen
Ein lautes Poltern erschüttert das Lutherhaus, eine Staubwolke im Treppenhaus lässt Böses ahnen. „Ist was passiert“, ruft die Kirchengemeinderatsvorsitzende Friedel Christ besorgt nach Oben. Kurzes Schweigen – dann ertönt die kräftige Stimme von Kurt Engelberth: „Ne, awwer die Ziehharmonika is endlich raus!“ Aufatmen unten in den ehemaligen Räumen der Sozialstation, Freude oben im bisherigen Saal des evangelischen Gemeindehauses in der Oberen Hauptstraße. Mit dem Ausbau der wuchtigen Schiebetür ist für heute ein wichtiger Arbeitsabschnitt in den Vorarbeiten zum bevorstehenden Lutherhaus-Umbau getan. Die Helfer haben auf dem großen Gerüst Platz genommen, um bei einer Tasse voll heißen Kaffee zu verschnaufen und neue Kraft zu schöpfen. Die Arbeit ist anstrengend, das Entkernen des Gebäudes ist schwieriger als sich zunächst so mancher gedacht hat. Und die Zahl der Helfer ist, verglichen an der Zahl der evangelischen Christen in der Rennstadt, eher bescheiden. Eigentlich sind wieder mal die gekommen, die eigentlich immer helfen, wenn Not am Mann ist. Aber die Helfer lassen sich davon nicht abschrecken, die Stimmung ist an diesem verregneten Samstagmorgen gut. Gelassen arbeitet man Hand in Hand, unterstützt sich bei schwierigen Arbeiten – oder hat ein fast kindliches Vergnügen, die abmontierten Wand- oder Türteile aus dem Fenster im ersten Stock hinunter in den großen Müllcontainer zu werfen.
Dass es dabei immer wieder gewaltig poltert stört oben im Saal niemanden. Während Hermann Bletzer in aller Ruhe den Schutt im ehemaligen Bühnenbereich zusammenkehrt, zucken die Frauen im Erdgeschoss bei jedem Schlag immer wieder zusammen. Man ist halt weit weg vom „Schuss“. Seit dem frühen Morgen haben sie all das Geschirr aus der Küche ausgeräumt und im Gang der bisherigen Sozialstation zu einem gewaltigen Berg von Teller, Platten und Schüsseln aufgebaut. Das weiße Porzellan mit dem klassischen Goldrand wartet ebenso auf möglichst viele Flohmarktbesucher, wie die vielen anderen Fundstücke aus den Lutherhausräumen zwischen Dachboden und Keller. Es sind echte Raritäten darunter, die natürlich begehrt ihre Käufer finden. Vor allem die Suppenschüsseln, die einst bei keinem festlichen Mittagessen fehlen durften, werden gern genommen. Stück für Stück verschwindet von den großen Tischen, aber der Geschirrberg scheint einfach nicht kleiner zu werden. Auch wenn sich der Andrang von Kaufinteressierten zunächst in Grenzen hält, freuen sich Friedel Christ und die anderen Helferinnen über jedes verkaufte Stück. Auch wenn viele Erinnerungen mit den einzelnen Stücke verbunden sind, weiß man doch, dass jeder Verkauf ein paar Euro mehr in der Spendenkasse im originalgetreuen Lutherhaus-Modell klingeln lässt. Dies ist so gelungen, dass einer der Flohmarktbesucher als besonderes Fundstück es schon einpacken wollte.
Ein Ehepaar aus Oftersheim, das schon befürchtet hatte, zu spät zu kommen, freut sich über die noch vorhandene Auswahl alter Bilder. Die romantische Alpenlandschaft und die knallbunten 70-er Jahre-Collagen interessieren sie wenig, aber ein altes Schutzengelbild und ein in die Jahre gekommener Bilderrahmen dürfen es schon sein. Eine Mutter sortiert mit ihren beiden Kindern die vielen Körbe, die nicht nur dekorativ auch heute noch sinnvoll genutzt werden können. „Als Brotkorb oder für das Besteck geradezu ideal“, stellt die Hockenheimerin fest. Die beiden Oftersheimer haben inzwischen den Raum mit den Tischen und Stühle entdeckt – und bekommen bei diesem Anblick glänzende Augen. Der große Tisch aus der ehemaligen Nähschule passe optimal in das neu erbaute Haus, freut sich die junge Frau, „noch haben wir Platz“. Und auch die drei alten Stühle werden zur Seite gestellt. Außerdem noch der kleine Tisch, an dem Kinder so schön basteln können.
Während draußen vor dem Lutherhaus das logistische Meisterstück gelingt, den gewaltigen Tisch und die anderen Utensilien im Auto unterzubringen (was die Umstehenden zunächst bezweifelt und mit vielen guten Ratschläge kommentiert hatten), finden drinnen auch die wuchtigen Klapptische mit ihren gedrechselten Beinen ihre Liebhaber.
Stück für Stück verschwinden so Erinnerungen aus dem Lutherhaus, um in einer neuen Umgebung weiterzuleben. „Gerade weil diese Dinge eine ganz besondere Seele haben, sind wir nach Hockenheim gekommen“, freuen sich die Oftersheimer über ihre Schnäppchen bei einer Tasse Kaffee mit einem Stück hausgebackenem Kuchen. Die kleine Cafeteria ist schon am Morgen gut besucht, der Kuchen ist lecker, der Kaffee duftet. Viele Besucher lassen sich noch Kuchen für nach Hause einpacken.
Inzwischen scheint man sich auch im Erdgeschoss an das Poltern gewöhnt zu haben. Aber als plötzlich ein großer Traktor vorfährt, schaut man doch schon mal nach, was sich jetzt wieder tut. Eigentlich nichts besonderes, denn er hilft dort weiter, wo inzwischen die menschliche Kraft versagt: die elend schweren Heizkörper werden in den Schrottcontainer verladen.
Für alle Umstehenden ein deutliches Signal, dass der Umbau des Lutherhauses nun endgültig begonnen hat.
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Das Entkernen der Räume geht mit einem weiteren Arbeitseinsatz am kommenden Samstag, 31. März, weiter. Freiwillige Helferinnen und Helfer sind erforderlich und herzlich willkommen. Und auch der Flohmarkt öffnet ab 10 Uhr wieder seine Pforten, ebenso lädt die Umbau-Caféteria zu Kaffee und Kuchen ein.

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