Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Aus dem Pflügersgrund wuchs die Neckarstadt

27.05.97 (Landschaft & Orte, Musik, Kunst & Kultur, Städte & Gemeinden)

Bis ins 17. Jahrhundert reicht die Geschichte des „Stadttheils jenseits des Neckars“, der einst aus Gärten erwuchs und im 19. Jahrhundert zu einem blühenden Gemeinwesen erwachte. Während sich damals reiche und gut betuchte Bürger im Grünen vor den Toren der Stadt vergnügten, kämpfen heute er sozial schwächer gestellte Menschen um das Ansehen und die Lobby ihres Wohnquartiers.Erst Grüngürtel, dann Arbeitervorort und schließlich „Musebrotviertel“. Heute ein Mannheimer Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit und einem Ausländeranteil von rund 30 Prozent. Die Neckarstädter „Neggerschleimer“, wie sie genannt werden, sind trotz allem bis heute stolz auf ihre eigene Geschichte, „do driwwe iwwer de Brick“. Einst waren die Bewohner über dem Neckar sogar die feinen Leute der Quadratestadt, die sich im Allmend Distrikt „Pflügersgrund“ ihre Gartenparadiese schufen. Ihrem Drängen nach einem eigenen Stück Grund und Boden, auf dem man sich am Wochenende erholen und sein eigenes
Gemüse anbauen konnte, gab Kurfürst Karl Ludwig schließlich am 4. Januar 1697 nach. Eigentlich wollte die Stadt das Gelände zunächst nur verpachten. Da aber schon damals Ebbe in der kommunalen Kasse herrschte, die Stadt also dringend Geld für den Bau einer Brücke über den Neckar brauchte, wurden die Grundstücke nach und nach verkauft.
Zwischen dem „Riedfeld“ und dem „Ochsenpferch“ entstand eine kleine Quadratestadt mit einer Hauptachse, in die die Querstraßen mündeten. Architektonisch wohlgestaltete Gartenhäuser, reizende Villen im italienischen Stil, schmückten die exakt bepflanzten Parzellen, auf denen es schon bald hoch herging. Man feierte bis spät in die Nacht, machte Musik und tanzte. Und auch das Hochwasser, das manchmal die Lauben überschwemmte, konnte die Lebensfreude der Städter nicht bremsen. In weiser Voraussicht hatte der Magistrat bereits 1767 davor gewarnt, daß hier „nichts Gutes gestiftet werde“.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich aus den einstigen Gärten ein richtiger Freizeitpark mit zahlreichen Heckenwirtschaften und
Ausflugslokalen. Am 27. März 1812 verkündete beispielsweise der Bürger und Wirt Hermann Kühner: „Der Kühnersche Lustgarten eröffnet sich mit dem zweiten Osterfeiertage, bei ungünstiger Witterung aber wird wie gewöhnlich die Belustigung im großen Hirschelsaal dahier gegeben werden“.
Die Bevölkerung wuchs sprunghaft: 1860 noch 260 Bewohner waren es 1871 bereits 2.200. Da immer mehr Menschen aus dem Umland in der sich rasant entwickelnden Industriemetropole Arbeit und Wohnraum suchten, beschloß der Mannheimer Gemeinderat am 31. Oktober 1871 die Anlage eines neuen Stadtteils am rechten Neckarufer mit zunächst einem Meßplatz und sieben Bauquadraten. Die Genehmigung durch den Bürgerausschuß erfolgte im Februar und April 1872. Ein Geviertmeter (Quadratmeter) Bauland kostete damals etwa 16 Mark.
Erst um die Jahrhundertwende mit dem wachsenden wirtschaftlichen Aufschwung begann dann die Wohnbebauung der Neckarstadt Ost, dem sogenannten „Musebrotviertel“. Auf den ehemaligen Fluren Lange Rötter, Herzogenried, Wohlgelegen und Weißer Sand siedelten sich vor allem die etwas reicheren Beamten  und Angestelltenfamilien an. Sie brüsteten sich damit, daß sie sich trotz des Hausbaus noch immer Marmelade (Mus) aufs Brot streichen konnten.

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