Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Streit um Mühlenstandort

24.05.97 (Arbeit & Soziales, Handel & Handwerk, Landschaft & Orte)

Technischer Fortschritt und Veränderungen in der Volkswirtschaft haben seit Mitte des vorigen Jahrhunderts so manchen Handwerkszweig aussterben lassen. Besonders betroffen ist das Müllerhandwerk  und verschwunden sind auch die vielen Mühlen, die es in der westlichen Kurpfalz links des Rheines gegeben hat. Die Zahlen sind eindrucksvoll: 1861 gab es in der
Pfalz noch 730 Getreidemühlen mit 1.751 Mahlgängen. Auf 10.000 Einwohner kamen 29 Wassermühlen. Dazugerechnet sind die Öl, Säge, Papier, Schleif, Pulver, Loh und Hammermühlen, Hanfreiben und andere von der Wasserkraft getriebene Einrichtungen. Bilanz heute: kein einziger dieser Betriebe ist in Einrichtung und Funktion erhalten geblieben. Nur die Namen und zuweilen die Gebäude einiger Mühlen an pfälzischen Bächen halten die Erinnerung wach.
Erhalten geblieben ist lediglich die ehemals Armbrustsche Mühle in St. Julian am Glan im Landkreis Kusel. Die Mühle steht als Einzelsiedlung auf der rechten Glanseite zwischen Gumbsweiler und Hachenbach (heute Glanbrücken) und ist mit einer Brücke mit dem Dorf St. Julian verbunden. Einige hundert Meter oberhalb des Gebäudes zweigte ursprünglich der jetzt verschwundene Mühlteich vom Glan ab, wo ein Wehr das Wasser staute und Richtung Mühle lenkte. Zwar sind die sogenannten Wasserbauten nicht mehr vorhanden, ein Mühlrad hat man jedoch auf einem alten, dicken, hölzernen Wellbaum (Achse) wieder installiert.
Der Standort der Mühle brachte früher Verwirrung und Streit. Der Glan bildete in der Zeit der Feudalherrschaften die Landesgrenze zwischen dem Herzogtum Zweibrücken und der Rheingrafschaft Grumbach. Die Mühle, an und für sich zur Gemeinde und Gemarkung St. Julian gehörend, stand vom Ort aus gesehen im Ausland. Der Landesherr des Gebietes rechts des Glans aus Zweibrücken verlangte die üblichen Pacht und Wasserrechtsabgaben. Der Rheingraf aber ging leer aus. Man kann sich vorstellen, daß es da öfter Streit gab.
Wer den ersten Raum mit der historischen Ölmühle betritt, ist überrascht und fasziniert von den wuchtigen, waagrecht oder senkrecht laufenden Kamm und Stockrädern, dem kunstvollen, ganz aus Holz gefertigten Getriebe. Es gilt als ein Meisterwerk des Mühlenbaues in der Pfalz. Da ist die Ölpresse mit dem dicken Wellbaum, an dem die Noppen angebracht
sind, did die schweren Stempel heben und fallen lassen. Stempel, die die ebenfalls hölzernen Preß und Losschlagkeile im Preßraum treiben. Dieser wiederum ist aus einem einzigen dicken Baumstamm herausgearbeitet. Erhalten ist auch der von einem senkrecht laufenden Stockrad und dem waagrechten großen Königsrad angetriebene Kollergang: zwei aufrecht
laufende, schwere Mahlsteine in einem flachen Trog mit Steinunterlage, umgeben von einer Holzzarge. Hier wurden Ölsaaten  meist Raps, im Westrich Kohl genannt  fein gemahlen, bevor sie, abgefüllt in Säckchen aus starkem Tuch, in Holz oder Ledermappen der Presse mit den Stempeln eingeführt wurden. Von dem klopfenden Geräusch der Stempel kommt
übrigens auch der Ausdruck „Öl schlagen“.
Im zweiten Raum ist ein Mahlgang für Getreide und ein besonderer Schälgang für Spelz (Dinkel) untergebracht. Beide wurden über eine Kammradkombination durch ein sogenanntes Vorgelege ebenfalls vom Wasserrad angetrieben. Die Technik des Mahlgangs mit dem Bodenstein und dem Läufer ist bei uns seit der Römerzeit bekannt. Das Besondere in der Museumsmühle St. Julian ist der Schäl oder Gerbgang. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in den gebirgigen
Gegenden der Pfalz und sonstwo in Deutschland kaum Kulturweizen, dafür meist Spelz (Dinkel) angepflanzt, der auch mit mageren Böden und rauherem Klima Vorlieb nimmt. Schon Hildegard von Bingen befaßte sich mit  der „spelta“ (lateinische Bezeichnung für Spelz) sehr eingehend und bezeichnete sie als „die beste, wahrhaft herzerfreuende Brotfrucht“. Aus dem gelblichweißen Mehl wurden außer Brot auch Kuchen, Dampf und Schneckennudeln gebacken, Nudeln, Grieß, Graupen und ähnliches zubereitet.
Spelz hatte allerdings im Vergleich zu Roggen und Weizen einen Nachteil: Beim Windmühlen nach dem Dreschen lösten sich die Schalen (Spelze) nicht von den Körnern. Um dies zu erreichen, war in der Mühle ein zusätzlicher Arbeitsgang erforderlich. In seinen Grundbestandteilen ist ein Schälgang einem gewöhnlichen Mahlgang für Getreide ähnlich. Bodenstein und Läufer sind aus weißem Sandstein. Sie sind weicher als die sonst verwendeten „Franzosen“ oder Kunststeine. Der Bodenstein ist wesentlich dicker als beim Getreidemahlgang, nicht geschärft, das heißt, nicht mit eingeschlagenen Rillen versehen. Der Läufer ist höher gestellt als bei der Mehlbereitung. Die Körner sollen ja nicht zerquetscht, sondern durch
Reiben aneinander von der Schale befreit werden. Ein exzenter wirft das fertige Schälgut in eine hölzerne Schüttelrinne. Die wiederum besorgt die Masse in ein Gebläse. Diese Windmühle, die in St. Julian noch vorhanden ist, schleudert Körner und Spreu in eine vierkantige Holzröhre, die ein Stück weit unten offen ist. Hier fallen die Körner herab in den „Kernekasten“ und können in einem normalen Mahlgang zu Mehl verarbeitet werden. Die Spelze werden vom starken Windzug in die
abgetrennte Spreukammer geblasen.
Der Schälgang zusammen mit der Stempelpresse der Ölmühle und dem Kunstwerk des hölzernen Getriebes und des Wasserrads bieten Reize, denen sich der Besucher nicht entziehen kann. Zudem wird in der Museumsmühle von St. Julian ein Handwerk demonstriert, das im Leben unserer Vorfahren in Dorf und Stadt eine gvroße Rolle spielte.
Aus: Die Rheinpfalz, Friedrich W. Weber, 24.5.1997

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