Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Sankt Wendelin und die Bruderschaft von Reilingen

12.12.98 (Brauchtum & Tradition, Geschichten & Erzählungen, Glaube & Religion)

Der Heilige Wendelin zählt zu den ersten Missionaren im Frankenreich des sechsten Jahrhunderts. Er lebte zur Zeit des Trierer Bischofs Magnerich (um 570) als Mönch oder Einsiedler in den Vogesen. Spuren oder gar sichere Quellen über seine Tätigkeit in unserem Raum gibt es nicht. Glaubt man alten Überlieferungen, soll der Missionar um 617 gestorben
sein. Sein Grab befindet sich seit dem elften Jahrhundert im saarländischen Sankt Wendel.
Der Mönch Wendelin  sein Name bedeutet im Alhochdeutschen „Wanderer oder Pilger“  wurde schnell zu einem bedeutenden Kapellen und Wallfahrtsheiligen. Vor allem im alemannischfränkischen Raum stieg er zum Volksheiligen auf und galt sehr früh als Patron der Landleute sowie für Flur und Vieh. Deswegen wird Wendelin stets dargestellt als Hirte
mit Stab und Tasche. Ein Gemälde im erzbischöflichen Museum von Utrecht zeigt ihn vor einer Klause sitzend umgeben von Lämmer, Rinder und Schweinen, im Hintergrund die Türme von Tholey oder Sankt Wendel. Grund für diese Darstellung ist die aus dem 14. Jahrhundert stammende legendäre Vita, die Wendelin zu einem iroschottischen Königssohn und Abt von Tholey machte.
Standesgemäß erzogen, verließ er seine Heimat im ärmlichen Pilgerkleid, um die heiligen Stätten in Rom aufzusuchen. Auf seinem Weg zurück kam er auch durch die Vogesen, wo er in der Stille der Wälder eine Klause gründete. Als Schweine und Kuhhirt verdiente er sich sein täglich Brot. Als er eines Tages kein Wasser mehr für die Tiere fand, stieß er, so die
Legende, voll Gottvertrauen mit dem Stab in die Erde, wo sich plötzlich eine Quelle auftat. Noch heute trägt diese Stelle den Namen Wendelinsbrunnen und wird von Menschen fleißig besucht, da das Wasser Krankheiten von Mensch und Tier abwenden soll.
Jahre später lebte Wendelin dann als Einsiedlerbruder des Klosters Tholey. Da er viel von Tieren verstand, kamen die Bauern zu ihm, wenn sie wegen ihres Viehs in Nöten waren oder Viehseuchen drohten. Bereits zu Lebzeiten wurde er ob seiner Wundertaten als Heiliger verehrt. Die Mönche des Kloster Tholey wählten ihn schließlich zum Abt, ein Amt, das
er noch 20 Jahre innehatte.
Nach seinem Tod wurde Wendelin in seiner alten Klause begraben, die schnell zu einem Pilgerziel wurde. Die Kapelle wurde durch fromme Schenkungen erweitert, um sie herum entstanden Pilgerhäuser. Immer mehr Menschen siedelten sich an, sodaß der Ort im 14. Jahrhundert mit den Stadtrechten und dem Namen Sankt Wendel ausgestattet wurde.
Längst galt Wendelin auch in der Kurpfalz als Schutzheiliger. Wie in vielen Orten entstand auch in Reilingen eine Bruderschaft zum Heiligen Wendelin. Die am 10. Juni 1451 gegründete Bruderschaft zählte zu den bedeutendsten ihrer Art. Wieder einmal wurde die besondere Stellung des kleinen Dorfes an der Kraich in der Nähe der Burg Wersau besonders
hervorgehoben, wie ein Kirchenbucheintrag von diesem Tag bezeugt. Auffallend ist nämlich, daß einzig allein in der Reilinger Bruderschaft das gesamte kurfürstliche Herrscherhaus aufgeführt wurde: „Hiernach volgen Bruder und Schwester, so sich in die löbliche Bruderschaft sant Wendels zu Reutlingen (Reilingen) verbrudert haben … des durchlauchtigsten, hochgeborenen fürsten und herrn, herrn pfaltzgraven Philippen, pfaltzgraven bey Reyn samt Margret, Philipps Gemahlin …“.
Aufgeführt sind weiter Pfalzgraf Ludwig und seine Frau Sybilla sowie die Pfalzgräfinnen Elisabeth, Markgräfin von Baden, Amalia, Herzogin in Bayern, und Helena, Herzogin zu Meckelberg. Es folgen dann die Namen der Pfarrer „zu Lossen (Lußheim), hockenheym, Rutlingen (Reilingen) und Ketsch“. Unter den insgesamt 40 Namen der Mitglieder der Bruderschaft sind abschließend auch sechs Familien aus Hockenheim, drei aus Reilingen, drei aus Lußheim und je eine aus
Insultheim und Bruchsal aufgeführt.
Dieser Eintrag ist auch der letzte in den Reilinger Kirchenbücher. Aus anderen Quellen ist nur noch zu erfahren, daß „Jost messerschmiydt, pferrer zu hockenheym“ für die Wendelinsbruderschaft „ein ied monat eine heiligmess in der Capellen zu Wersau“ zu lesen hatte. Diese Gottesdienste galten in der kurfürstlichen Familie als Pflich und Pilgertermin und mußten von wenigstem einem Familienmitglied wahrgenommen werden. Später schien man dies nicht mehr so ernst zu nehmen, denn ein späterer Vermerk berichtet, daß der „Keller zu Wersawe an herrenstatt“ an den Gottesdiensten teilnahm.
Wie lange nun diese Bruderschaft bestand, welche Aufgaben und Ziele sie hatte, liegt im Dunkel der Geschichte verborgen und bedarf noch einer gründlichen Aufarbeitung.                         og

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