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Mord am Hockenheimer Forsthüter Auer

03.11.96 (Geschichten & Erzählungen, Recht & Ordnung)

Wenn von Wilderergeschichten die Rede ist, taucht fast immer das
bekannte Bild des gamsbarttragenden Wildschützen auf, der seinem
romantisch verklärten Treiben vor dem Alpenpanorama nachgeht.
Doch auch in der Schwetzinger Hardt war die Wilderei einmal zu
Hause. Nicht als exotische Randerscheinung, sondern als immer
wiederkehrende Tatsache, die recht häufig Jagdhüter, Förster und
die Polizei beschäftigte.
In einem alten Gerichtsprotokoll ist noch heute zu lesen: „Am
Radbuckel wurde am 7. August 1871 morgens vier Uhr der
Hockenheimer Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, in der
Erfüllung seines Berufes durch Mörderhand erschossen.“ Beifügt
ist dieser amtlichen Feststellung eine Notiz des
großherzoglichbadischen Landgendarmen Heinrich Neuner: „Wir
haben heute die traurige Aufgabe einen Mord festzustellen, der im
Wald zwischen Hockenheim und Schwetzingen verübt wurde. Der
Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, von Hockenheim, wurde
gestern Nachmittag halb 2 Uhr in der Abtheilung „Radbuckel“ todt
auf dem Gesichte liegend aufgefunden. Neben ihm lag ein brauner
Filzhut und ein Gewehrhahn mit einem Schaftfutter von der Waffe
des Thäters. Auer hatte einen Schuß in die Herzgegend und einen
Schlag auf den Hinterkopf erhalten“.
Auer war seit 1858 in den Diensten der Gemeinde Hockenheim und
erhielt ein Jahresgehalt von 300 Gulden. In der Heidelberger
Straße bewohnte er mit seiner Frau Margaretha und seinen Kindern
Martha und Martin ein bescheidenes Häuschen. Zudem betrieb er
nebenher noch eine kleine Landwirtschaft für den täglichen
Bedarf. Nach dem dem Tod begann für die Familie eine schwierige
Zeit, denn eine Hinterbliebenenrente gab es damals noch nicht.
Aus Anlaß der Ermordung des beliebten Forsthüters wurde im
Kirchenbuch der evangelischen Kirche folgender Eintrag vermerkt:
„Auer war ein pflichtgetreuer Bediensteter, Mann und Vater, wie
es nur wenige giebt, und zeichnete sich während seines Lebens
durch seine Rechtlichkeit und sein solides Wesen aus. Mit
rastlosem Fleiße und einem seltenen Muthe suchte er seine Pflicht
zu erfüllen“.
Forst und Wildfrevel war zur damaligen Zeit ein weit
verbreitetes Delikt. Das Großherzogliche MinisterialForstbureau
formulierte drastisch: „In ganzen Norden Badens ist hiernach der
Forstfrevel in jeder Beziehung weitaus am frequentesten. Dies
erklärt sich teils durch die verhältnismäßig größere Anzahl von
mit Nahrungssorgen schwer belasteten Familien, vorzugsweise aber
durch die den Mannheimer Proletariern nicht selten eigene Scheu
vor anstrengender Arbeit bei teilweiser Entsittlichung der
niedersten Volksklasse“.
Die Nachricht über den Mord verbreitete sich wie ein Lauffeuer
durch das Dorf. Ganze Volksscharen pilgerten hinaus in den Wald.
Die Landpolizei arbeitete fieberhaft an dem Fall und alle
Ermittlungen konzentrierten sich auf den am Tatort aufgefunden
Hut. Um den Mordfall aufzuklären und die Wilderei um Hockenheim
einzudämmen, setzte der Gemeinderat eine Prämie aus: „100 M. dem
Finder des Gewehres, womit der Forsthüter Auer ermordet wurde; 50
M. dem, der im hiesigen Walde oder Felde einen Wilderer, mit
einem Jagdgewehre versehen, mit Erfolg zu rechtskräftigen
Bestrafung anzeigt; 20 M. dem, der einen Wilddieb dahier auf dem
Stellen von Schlingen betrifft und zur Strafe bringt“.
Die Fahndungsarbeit der Polizei hatte tatsächlich Erfolg. Knapp
drei Wochen später stand in der Zeitung folgende Meldung: „Der
verheiratete Taglöhner Daniel Kreiner aus Walldorf, der schon am

  1. August nebst einigen Anderen verhaftet wurde, hat sich als
    Eigenthümer des bei dem ermordeten Waldhüter Auer gefundenen
    Hutes herausgestellt. Daß man nicht gleich den Kreiner, obwohl
    verdächtig, als Eigenthümer des Hutes bezeichnen konnte, hat
    seinen Grund wohl darin, daß er denselben nur zum Wildern trug,
    also mit seinem Gewehr im Walde vielleicht versteckt hatte; sonst
    trug er denselben nicht.“
    Den Mord an Waldhüter Auer nahm das Schwetzinger Bezirksamt zum
    Anlaß, die Einstellung eines zweiten Forsthüters in Hockenheim zu
    fordern, um so der Wilderei und dem Waldfrevel besser begegnen zu
    können. Diese Forderung wurde vom Hockenheimer Gemeinderat strikt
    abgelehnt. In seiner Sitzung am 14. September 1871 monierte er
    die finanzielle Belastung: „… erachten es aber auch als
    besondere Pflicht, bei den jährlich sich mindernden Einnahmen die
    jährlich sich mehrenden Ausgaben auf das Nothwendigste zu
    reduzieren, um so die meistens aus unbemittelteren Leuten
    bestehende hiesige Gemeinde vor Gemeindeumlagen zu schützen und
    dadurch den Wohlstand zu heben und beschließen einstimmig auf die
    Besetzung einer zweiten Waldhüterstelle nicht eingehen zu
    dürfen“.
    Das Wildern schien damals in weiten Bevölkerungskreisen als
    Kavaliersdelikt betrachtet worden zu sein. So konnte die Ehefrau
    des Wilderers Daniel Kreiner lange vor dem Mord an Auer ihren
    Bekannten unbekümmert erzählen, daß ihr Mann gerade weg sei, um
    nach den Schlingen zu sehen, die er gestellt habe und daß er beim
    Wildern als einen Hut trage.
    Im Oktober 1871 kam es zur Verhandlung vor dem Badischen
    Schwurgericht in Mannheim. Über den Indizienprozeß gegen den 37
    Jahre alten Taglöhner Daniel Kreiner wegen feigen Todschlags,
    Schlingenstellens und Berufsbeleidigung wurde in der „Mannheimer
    Zeitung“ ausführlich berichtet. Der Prozeß mit über 60 Zeugen war
    auf drei Tage terminiert, Kreiner wurde durch den Rechtsanwalt
    Rosenberger verteidigt.
    Der Tathergang wurde rekonstruiert: „Am Morgen des 7. August
    abhin, früh um 4 Uhr, begab sich der Forst und Jagdhüter Stephan
    Auer von Hockenheim, ohne Flinte, nur mit einem Stocke versehen
    und mit seiner Dienstmütze bekleidet, in die Abteilung Radbuckel
    des Hockenheimer Waldes, um Streufrevlern aufzupassen. Um 6 Uhr
    des Morgens wollte er seiner ausgesprochenen Absicht nach auf
    seinem Rückweg in der Waldabtheilung Eichelgärthen das Aufladen
    von Holz überwachen und dann um 8 Uhr wieder zu Hause sein. Am
    Nachmittag des folgenden Tages wurde er todt aufgefunden mit
    durchschossender Brust und eingeschlagenem Schädel. Bei der
    Leiche lag ein alter rothbrauner Filzhut und ein starker
    Gewehrhahn, sowie zwei Knöpfe und der durchschossene Rock des
    todten Mannes. Das ärztliche Gutachten ging dahin, daß der in das
    Herz eingedrungene Schrothschuß, der absolut tödtlich gewesen,
    von fremder Hand absichtlich und nicht etwa in Folge zufälligen
    Losgehens des Gewehres während einer etwa stattgehabten Rauferei
    zugefügt worden sei, daß dann Auer sofort in die Knie gesunken
    und, bereits mit dem Tod kämpfend, von dem Angreifer durch rasch
    aufeinander folgende, mit furchtbarer Gewalt geführte Hiebe mit
    einem Gewehrkolben vollends getödtet worden sei. Als
    muthmaßliche Täter wurden mehrere Walldörfer Einwohner, die als
    unverbesserliche Wilderer bekannt sind, verhaftet, jedoch bald
    wieder freigelassen mit Ausnahme des heutigen Angeklagten. Gegen
    diesen, eine außerordentlich häufig schon wegen Forst und
    Jagdfrevels bestrafte, als unverbesserlicher Wilderer bekannte
    und gefürchtete Persönlichkeit, häuften sich die Beweismomente,
    daß er den Auer um’s Leben gebracht habe, in einer Weise, daß
    dessen Verweisung vor’s Mannheimer Schwurgericht erfolgte, obwohl
    er selbst seine Schuld beharrlich läugnete“.
    Mehrere Indizien sprachen für die Schuld von Kreiner: So war er
    zur Tatzeit unweit vom Tatort im Wald gesehen worden. Außerdem
    gehörten ihm der Gewehrhahn und der Hut. Dazu hieß es in der
    Berichterstattung: „Darnach erscheint der Anklage die Vermuthung
    gerechtfertigt, daß der Waldhüter beim Zusammentreffen mit
    Kreiner diesem den Hut entrissen habe, um ein Beweismittel gegen
    ihn zu haben, und dann von jenem getödtet worden sei.“
    Obwohl Kreiner weiter beharrlich leugnete, verdichteten sich die
    Beweise.
    Nach drei Verhandlungstagen und abschließender Beratung lautete
    das Urteil der Geschworenen auf „schuldig“ mit Ausschluß
    mildernder Umstände. Kreiner wurde zu 15 Jahren Zuchthaus und auf
    Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf weitere zehn Jahre
    verurteilt. Einige Tage nach der Verurteilung gestand Kreiner im
    Zuchthaus in Bruchsal seine Schuld ein. Er sollte die
    Schwetzinger Hardt, in die es ihn immer wieder getrieben hatte,
    nicht wiedersehen. Im Herbst 1883 starb der Wilderer Daniel
    Kreiner in der Zelle 163 des Bruchsaler Zuchthauses an den Folgen
    einer nicht ausgeheilten Diphtherie. (og)

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