Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Der weinselige Domnapf

17.01.14 (Brauchtum & Tradition, Kirchen & Klöster, Landschaft & Orte)

Symbol des Rechts – Weinbrunnen fürs Volk
Seit 1314 ist der Napf bekannt. Es wird vermutet, dass er im eventuell einst vorhandenen Vorhof eines früheren Speyerer Domes als Wasserspeicher/Brunnen gestanden hat oder in der selben Funktion im Kreuzgang, der an der Südseite des Domes existierte, seinen Platz hatte. In einer Schrift heißt es, dass die Geistlichkeit n solchen Schalen wohl ihre Wäsche gewaschen hat…
Unser Domnapf war Jahrhunderte lang dort, wo er steht – vor dem Dom. Aberer stand schon hinter der Kathedrale und er war mal im Hof des heutigen Finanzamtes. Zwei Funktionen hatte der Napf in alten Zeiten: er war Grenzmal und Weinschale. Er war das markanteste Zeichen der Trennung von Kirchenbezirk und Bürgerstadt, beziehungsweise Freier Reichsstadt. Domseitig galt das Recht des Fürstbischofs, des Fürstbistums Speyer und des Domkapitels, stadtseitig das Recht der Bürgerschaft, des Stadtrates.
Missetäter konnten sich – zumindest vorübergehend – einer drohenden Strafe durch die städtischen Richter und ihrer Festnahme in der Stadt entziehen, wenn sie es schafften, in den Dombezirk zu fliehen oder in den Napf zu klettern, denn der Napf war bischöflich. Raufbolde, Lästerer, Diebe, Randalierer, Betrüger und wer sonst noch gegen Recht und Gesetz verstoßen hatte, rannten deswegen in den Dombezirk, weil das bischöfliche Strafrecht nicht so streng war, wie die städtische Rechtsordnung. Missetäter, die jedoch im Stadtgebiet geschnappt wurden, mussten für bestimmte Vergehen am Domnapf ihrer Strafe entgegensehen: Ausstechen eines Auges, Abschneiden der Zunge, Brennen mit dem städtischen Eisen („Münster“ – Wappen der Stadt, das den Dom zeigt) auf der Stirn oder auf der Schulter, Auspeitschen, im Sommer zwei Stunden, im Winter eine Stunde am Pranger stehen.
Für besondere Schandtaten, wie Ehebruch, mussten die Verurteilten fast unbekleidet einen schweren „Stein der Schande“ in gebückter Haltung vom Domnapf bis zum Altpörtel tragen. Unterwegs durfte das Volk diese Deliquenten beschimpfen, auslachen, bespucken, auf sie zeigen, sich über sie lustig machen und sie mit Dreck, sogar mit Kot, bewerfen. Für jedes Absetzen des Steins wurde ein Bußgeld verlangt.
Die Französische Revolution machte dieser Art der Rechtsprechung den Garaus. Aber die weinselige Tradition konnte die Revolution nicht ausmerzen, auch wenn  der erste nachrevolutionäre Weinausschank aus dem Domnapf erst 1871 stattgefunden hat. In alten Schriften ist bereits von dem Brauch die Rede, dass ein neuer Speyerer Bischof nach seinem feierlich Einritt in die Stadt an das versammelte Volk Wein aus dem Napf ausschänken ließ – das war stets eine kostenlose Gabe!
Doch „fer umme“ gibt’s den Pfälzer Tropfen seit langem nicht mehr. Als der Napf erstmals wieder 1871 gefüllt wurde (anlässlich der Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges), mussten die Weintrinker einen Obolus zugunsten der Armen und der Schulkinder zahlen. Und so wird das bis heute gehandhabt. Jeder Weintrinker muss einen Betrag bezahlen – dafür wird das Glas gefüllt, das  Erinnerungsglas ist im Preis enthalten, der Erlös aus dem Fest wird bestimmten Zwecken gespendet.
Als Reinhard von Helmstadt Speyerer Bischof wurde
Eines Tages legte Raban von Helmstadt, Erzbischof von Trier, sein Bischofsamt in Speyer zu Gunsten seines Neffens, Reinhard von Helmstadt, nieder. Der feierliche Einzug Reinhards in Speyer wurde auf den 20. April 1439 festgelegt. Zuvor ließ Reinhard sich in Städten und Burgen im Fürstbistum Speyer huldigen. In seinem Auftrag nahm sein Verwandter, Raban der Jüngere, die Huldigungen in den Dörfern entgegen.
Am Tag des Einzugs in Speyer hörte Reinhard früh morgens in der Burgkapelle in Undenheim (Philippsbuirg) die heilige Messe. Dann ritt er mit fünfzig Freunden und Amtmännern nach Rheinhausen. Dort wartete er in einem Wirtshaus auf weitere edle Herren, die ihm das Geleit nach Speyer zugesagt hatten. Die Pferde der Reiterschar wurden mit einer Fähre über Rhein ans Speyerer Ufer gebracht, während die Herrschaften erst mal frühstückten.
Nun trafen württembergische Reiter ein, gefolgt vom mächtigen Pfalzgraf Herzog Otto von Bayern. Fast vierhundert Pferde schaffte die Fähre nun über den Strom, an dem sich die gewaltige Speyerer Kathedrale erhebt. Bald hieß es, zum feierlichen Einzug in Speyer aufzubrechen.
Mit einem großen Schiff setzten die Herrschaften über den Rhein. Als alle Männer wieder in den Sätteln saßen, ritt Bischof Reinhard zwischen Herzog Otto und Markgraf Jakob von Baden allen anderen voraus, der Stadt entgegen. Aus dem Amt Kestenburg stießen fünfzig Reiter dazu. Bei der Kapelle St. Markus hielt die Schar an. Dort ließen die Vogler des Markgrafen ihre Falken auffliegen. Den Herren gefiel das Schauspiel am Himmel, sie spendeten reichlich Applaus.
Mittlerweile fand sich Graf Hesso von Leiningen, der bischöfliche Erbkämmerer, mit seinem Tross ein. Schließlich erschienen fünfig Reiter der Freien Reichsstadt Worms und fünfzig Reiter der Freien Reichsstadt Speyer, diese setzten sich vor den Bischof und führten das Heer nun an. Kurz vor der Stadt wurde das Banner des Bischof aufgerollt und von Raban dem Jüngeren getragen.
In der Gilgenvorstadt nahmen fast alle Reiter Quartier – es mögen etwa 600 gewesen sein, denn gemäß des Protokolls durften nur fünfzig mit in dien Stadt. Vor dem Altpörtel, dem größten Turm der Stadtmauern, dem Haupttor der Stadt Speyer, empfing der Zweite Bürgermeister, Jost Freispach, mit etlichen Ratsherren hoch zu Ross den neuen Bischof. Reinhard von Helmstadt gelobte laut, die Freiheiten der Stadt Speyer zu wahren und zog unter dem Jubel der Bürger auf der großen Straße dem Kaiserdom entgegen.
An der „Münze“, dem Gesellschaftshaus der Patrizier, Münzer, Hausgenossen und Adligen der Stadt, hieß der Erste Bürgermeister, Engel Rinkenberg, mit den anderen Ratsherren Bischof Reinhard willkommen. Dieser stieg vom Pferd um in der „Münze“ das bischöfliche Gewand anzuziehen. Nach alter Sitte konnten die Umstehenden das Pferd, das Schwert, die Sporen und den Mantel des Bischofs erhaschen.
Ein Diener des Herzogs von Bayern war schneller als sein Herr und riss das Pferd an sich. Das Schwert konnte der Erzpriester ergattern, die Sporen steckte ein Unterpriester ein und den Mantel schnappte sich ein Trompeter vor allen anderen weg. Aber, Reinhard erhielt sein Pferd, das Schwert, die Sporen und den Mantel, ebenfalls gemäß des Brauchtums, gegen ein angemessenes Lösegeld wieder zurück.
Mit einem bunten Hut auf dem Kopf schritt Reinhard zwischen Otto von Bayern und Jakob von Baden zum Dom. Die beiden Bürgermeister hielten das Ende des bischöflichen Chorrocks. Am Domnapf endete das weltliche Geleit. Dort standen die Geistlichen des Domes, aller Klöster, Stifte und Kirchen in der Stadt mit den Äbten und Ordensleuten von Limburg, Odenheim und Klingenmünster. Unter einem Baldachin wurde Reinhard in den Dom geleitet.
Kaum hatte Reinhard das hohe Domportal durchschritten, wurde der Napf mit einem Fuder Wein gefüllt. Die Leute drängten wild herbei, um die freie Gabe zu genießen. In der Chronik der Freien Reichsstadt Speyer steht zu lesen, dass so mancher samt seiner Kleidung in den Napf hineingestoßen wurde und etliche betrunken nach Hause geschleppt wurden.
Nach der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, begab sich  Reinhard in die Pfalz neben dem Dom zum Festmahl. Mit dem Bischof schmausten die Geistlichen, die Bürgermeister, die Ratsherren, vornehme Bürger der Stadt, Äbte, Mönche, Ritter und und und…
Die Diener trugen Rindfleisch und Hühner, Ferkel und Wildschweine, Hechte und Lachse auf. Es gab Kalbsbraten und Krebse, reichlich Obst und Gemüse. Schließlich servierte man süße Speisen, wie Kuchen und feines Gebäck. Das Mahl reichte für etwa tausend geladene Gäste.
Ludwig von Helmstadt, der anno 1478 Bischof von Speyer wurde, hatte am Abend des Tages seiner Amtsübernahme sogar jeder Zunft ein Fass Wein und einen Hammel am Spieß gespendet. Das führte aber auch dazu, dass in einigen Zunftstuben ziemlich gezecht und gebechert wurde, so dass es hier und dort ein „großes Geschell und Geschrei“ gegeben hat.
Schlag Mitternacht gingen derartige glanzvolle Feste zu Ende und bei Sonnenaufgang holte das Alltagsgeschäft mit all seinen Mühen die Menschen wieder ein. Auge raus und Zunge ab!
Zwar wurden zum Tod verurteilte Leute außerhalb der Stadtmauern hingerichtet, manche „arme Sünder“, Verbrecher, Aufrührer, Putschisten, Möder… hatte man hin und wieder in den Städten geköpft, verbrannt… Anno 1356 war für Berthold von Rohrbach in Speyer Schluss mit seinen öffentlichen Reden über seine eigenen religiösen Vorstellungen. Überall, wo er gegen die Lehren der Kirche gepredigt hatte, wurde er gewarnt. So meinte Rohrbach beispielsweise, dass man keine Priester brauche. Schließlich wurde er in Speyer verhaftet, der
weltlichen Macht übergeben und auf dem Scheiterhaufen verbannt. Ob auf dem Rabenstein oder auf dem ehemaligen Marktplatz vor dem Dom ist nicht bekannt.
Im 14. Jahrhundert wurde einem Gotteslästerer am Domnapf die Zunge abgeschnitten. Im selben Zeitraum bekam ein Verurteilter am Napf ein Auge ausgestochen. Die um 1525 gegründete Bewegung der Wiedertäufer – „Abtrünnige der Lutherischen Lehre“ – fand im ganzen Reich und in der Schweiz viele Anhänger. Die Wiedertäufer lehnten die Kindertaufe ab und ließen sich als Erwachsene von ihren geistlichen Führern erneut – also wieder – taufen. So wurden eines Tages zwei Wiedertäufer in Speyer durch das Schwert gerichtet und weil der dritte im Bunde erst 15 Jahre alte war, wurde die Strafe gemildert: Er wurde am Napf mit dem „Münster“ gebranntmarkt.
Etliche Deliquenten wurden bei nacktem Oberkörper drei Mal rund um den Napf gepeitscht und unter Peitschen- oder Rutenschlägen vor die Statdmauer getrieben, verbannt, aus der städtischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Zog ein Fürst, ein Herzog, ein Kaiser, Bischof oder König in Speyer ein, so konnte dieser die Verbannten durch den Stadtrat begnadigen lassen.
Ein folgenschwerer Kuss
Anno 1284 heiratete König Rudolf I. von Habsburg (+ Speyer, 1291, Grab im Speyerer Dom) zum zweiten Mal. Die Braut, Isabella von Burgund, war 14 Jahre jung, der König war 66. Isabella, die auch Elisabeth oder Agnes genannt wurde, begleitete den König unermütlich auf seinen Reisen. So fand sich Isabella eines Tages in Speyer ein, um die Ankunft ihres Gemahls zu verkünden. Am Domnapf wartete der Bischof, Freiherr Friedrich von Bolanden, samt der Geistlichkeit auf die Königin. Kaum war Isabella vorgefahren, reichte der Bischof ihr die Hand um ihr in galanter Weise vom Wagen zu helfen.
So, wie es Brauch war, umarmten sich die beiden zur Begrüßung. Doch der Bischof küsste Isabella statt auf die Wangen – auf den Mund! So was! Da erzürnte die junge Dame: das dürfe nur ihr Mann und sonst keiner! Als Rudolf in Speyer sein Quartier bezogen hatte, beschwerte sich Isabella bei ihm über den Kuss des Bischofs und forderte, dass der Bischof gerügt wird. Rudolf reagierte auf seine witzige Art und ließ dem Kirchenmann ausrichten: Wenn er schöne Frauen küssen möchte, soll er sich doch eigene zulegen!

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