Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Für ein paar Pfennige nach Speyer

06.09.98 (Geschichte allg., Straßen, Fähren & Verkehr)

SchiffbrückeErinnerungen an die Bahnlinie Talhaus-Altlußheim-Speyer / Eine Schiffsbrücke über den Rhein
Seiner ursprünglichen Funktion weitestgehend beraubt und etwas einsam steht inmitten von Feldern am Rande der B 39-Kreuzung zur Rheinbrücke bei Speyer am Lußhof der Altlußheimer Lokomotivschuppen. Das Gehöft gehörte einst, wie auch die Wagenremise, zu der längst vergessenen Bahnlinie zwischen der Rheintalbahn, Hockenheim-Talhaus, Altlußheim-Lußhof und Speyer (einem Teilstücke der Gesamtnebenbahn Heidelberg-Schwetzingen-Speyer. Während der Streckenabschnitt zwischen der alten Universitätsstadt und Schwetzingen noch bis 1967 von der Bundesbahn betrieben wurde, so war der Strecke zwischen Talhaus und der Domstadt ein ungleich kürzeres Dasein vergönnt.

Der Lußhof war zu Lebzeiten der Strecke die erste Station auf badischem Boden. Neben dem Lokschuppen legen heute nur noch ein Bahnwärterhäuschen und die ehemalige Station „Talhaus“ im gleichnamigen Hockenheimer Industriegebiet Zeugnis von der Existenz der Bahnstrecke ab. Ein Stichgleis in das Gewerbegebiet, nur etwa zwei Kilometer lang und von der Rheintalbahn abzweigend ist das letzte Relikt der vergessenen Nebenbahn. Der Schienenstrang, ohnehin nur für den Güterverkehr genutzt, endet heute direkt an der Talhausstraße, die nach Ketsch führt. An der Station „Talhaus“ selbst ist, zumindest eisenbahnerisch gesehen, der Zug längst abgefahren.
Die Anfänge der Nebenbahn
Es war beileibe nicht so einfach, wie es heute wohl zu erwarten ist, wenn eine Neubaustrecke geplant wird. Bei der Bahnlinie Talhaus-Speyer spielte nicht nur die Tatsache, dass es eben „vun hiwwe nach driwwe“ ging, eine tragende Rolle, vielmehr geriet der Bau einer länderverbindenden Strecke (Baden und die Pfalz waren damals noch eigenständige Staaten) zu einem wahren Politikum.
Ende der 1860er Jahre stand der Bau der Rheintalbahn an, die die beiden Zentren der Macht in Baden, Karlsruhe und Mannheim, miteinander verbinden sollte. Einigkeit herrschte freilich schnell bei den Direktionen der Fächer- und der Quadratestadt, nicht aber hingegen in Heidelberg, wo sich die Verantwortlichen bereits im eisenbahnerischen Abseits wähnten. Zusammen mit der westlich gelegenen Nachbarstadt Schwetzingen konnte man, salopp formuliert, recht gut und auch zur Vorderpfalz bestanden freundschaftliche Bande. Also beantragten die Verantwortlichen in Heidelberg in Karlsruhe die Konzession zum Bau einer eigenen Nebenbahn von Heidelberg in die Domstadt. Erst nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 jedoch konnte der notwendige badisch-bayerische Staatsvertrag unterzeichnet und der Weg zum Bau der Linie am 23. November 1871 geebnet werden.
Bereits der erste Satz der ausgearbeiteten Vereinbarung beider Staaten sah den Einsatz einer Schiffbrücke vor, da sich eine solche Brücke bereits im mittelbadischen Maxau bestens bewährt hatte. Die Konzession für die Strecke wurde für 80 Jahre, beginnend mit dem 3. April 1872, erteilt. Den Pfalzbahnen oblag die Nutzungshoheit dieses ausgeklügelten Bauwerks, auch für den Lokomotivdienst zeichneten die Pfälzer in der Anfangsphase verantwortlich. Allerdings trat bereits 1879 eine Übereinkunft in Kraft, wonach Baden den Zugförderdienst übernehmen sollte.
Drei Lokomotiven als Basis
Da Baden für diese Strecke selbst keine eigenen Lokomotiven besaß, erklärte sich die Pfalzbahn als Partner bereit, zwei Fahrzeuge an die Großherzoglichen Badischen Staatsbahnen zu übereignen. 1883 kaufte Baden noch eine dritte Lok, ebenfalls vom bayerischen Typ 204/I zu, so dass drei Lokomotiven den Rheintransit bestritten. Dieses Modell hat sich wohl, nachträglich betrachtet, gut bewährt, denn immerhin hielten die Bahnoberen bis 1926 an der Drei-Lok-Lösung fest. Erst am 30. Juni 1926 wurden die „Speyerer Loks“ ausgemustert und durch neue Fahrzeuge vom Typ D-VI der Bayerischen Staatsbahnen ersetzt. Auch diese Fahrzeuge verfügten über höchstens 19,6 Tonnen Dienstgewicht, der maximale Achsdruck durfte 15 Tonnen nicht überschreiten, da sich eine Schiffbrücke als naturgemäß labiler erwies als eine fest installierte Brücke.
Die Bahn hatte Vorfahrt
Der Brückendienst für Bahn und Fuhrwerke einerseits und der Dampfschifffahrt andererseits war klar geregelt: Vorrang hatte in jedem Fall die Bahn. Größere Zugpausen wurden dazu genutzt, die Durchlaßjoche auszufahren und den Schiffen die Durchfahrt zu gewähren. Zuvor allerdings mussten die Schiffer ihre Durchfahrtwünsche bei der Brückenleitung anmelden.
Selbstredend war ein solch mobiles, komplexes Verkehrsbauwerk nicht eben leicht zu bedienen: An die 30 Mann wurden alleine für einen reibungslos ablaufenden Brückenberieb abgestellt. Bei Hochwasser jedoch waren auch diese Spezialisten machtlos, und bei dickem Packeis wie im strengen Winter 1928 zeigte die Natur, wer „Herr im Haus“ war. Ab einem Wasserstand von 7,20 Meter am Maxauer Pegel lief nichts mehr. Bei 8,20 Meter Pegelstand wurde, um Schäden zu vermeiden, die gesamte Brücke eingefahren und der Zugverkehr komplett eingestellt.
Der Straßenverkehr, seinerzeit vornehmlich Fuhrwerke von Bauern und Handwerkern, hatte zu keiner Zeit störende Auswirkungen auf den Eisenbahnverkehr, denn auch hier hatten die Dampfrösser Vorfahrt vor den Kutschen und Droschken. Zudem wurden mindestens zehn Minuten vor der Ankunft eines Zuges die Barrieren hüben und drüben geschlossen und die Verkehrsteilnehmer angehalten, das Passieren des Zuges abzuwarten.
Der stetig zunehmende Verkehr auf dem Rhein zwang jedoch zu neuen Maßnahmen, weg von der mobilen Schiff- und hin zu einer fest installierten Eisenbahnbrücke. Gleichwohl die Strecke Talhaus-Speyer nie über den Status einer Nebenbahn hinauskommen sollte und täglich gerade mal zwölf Züge zwischen Lußhof und der Domstadt pendelten, nahmen sich die Herren der Reichsbahndirektion die neu erbaute Eisenbahnbrücke in Maxau zum Vorbild.
Die neue Brücke kommt
Was dor, so das Kalkül, reibungslos klappte, könnte auch für Lußheim-Speyer interessant werden. Am 20. Januar 1939 wurde im Rahmen einer kleinen Feierstunde die neue Brücke dem Verkehr übergeben – und die Schiffbrücke alsbald abgebaut. Alle Pracht jedoch sollte, zumal in kriegsträchtigen Zeiten, nicht allzu lange währen: der neuen Bahnbrücke war lediglich eine Lebensdauer von sieben Jahren vergönnt. Mitte April 1945 wurde in den letzten Kriegstagen das kühne Bauwerk zerstört.
Die Bahnlinie zwischen Talhaus und speyer wurde nie wieder reaktiviert, wohingegen der abschnitt Heidelberg-Schwetzingen noch etliche Jahre überleben sollte (wi)
 
Aus: Schwetzinger Zeitung vom 5./6.09.1998

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