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Straßen- und Flurnamen in Reilingen

04.09.98 (Landschaft & Orte, Städte & Gemeinden, Straßen, Fähren & Verkehr)

Noch vor etwas mehr als 200 Jahren gab es in Reilingen, wie auch in den meisten kleineren Städten und ländlichen Dörfern, keine amtlich festgelegten Namen für die Straßen und Gassen. Die Gemeinde war klein und überschaubar, die Menschen kannten sich untereinander. Brachte die Postkutsche aus Speyer oder der Kurierbote aus Hockenheim einmal einen Brief, was für die normale Bürgerschaft so gut wie nie geschah, dann konnte der Empfänger durch einfaches Fragen sofort ermittelt werden. Als Reilingen im ausgehenden 18. Jahrhundert größer wurde, führte das Dorfgericht (Gemeinderat) zunächst eine Numerierung der Häuser und Höfe ein, was das Finden und Aufsuchen erleichtern sollte.
Schwierig wurde es aber erst mit der Zeit, als immer mehr neue Häuser gebaut wurden. Um den Zahlenwirrwarr zu entflechten, entschloß man sich im Reilinger Rathaus, dem Beispiel der umliegenden Dörfer zu folgen und führte Straßennamen ein und numerierte die Häuser neu. Anfänglich war es ein leichtes, den wenigen Straßen einen Namen zu geben. Die wichtigste Dorfdurchgangsstraße wurde zur Hauptstraße, die Straßen in die Nachbarorte wurden nach denen bezeichnet: Walldorfer, Hockenheimer und Speyerer Straße oder Heidelberger Weg.
Vor allem der Letztgenannte hatte eine besondere Bedeutung, denn er führte quer durch die Obere Schwetzinger Hardt als direkte Verbindung in die Universitätsstadt am Neckar. Die Straße traf in der Höhe von Sandhausen auf die Alte Speyerer
Straße, die nach Hockenheim und von dort weiter in die Domstadt führte. Auf dieser Trasse wurde später dann übrigens ein Teil des Hockenheimringes gebaut.
Die Reilinger Bevölkerung nahm weiter zu, neue Häuser wurden gebaut, neue Straßen und Wohngebiete erschlossen. Längst hatte man sich über den bisherigen Ortskern hinaus ausgedehnt. Was lag also nähe, als den neu entstandenen Straßen und Wohnbereiche die Namen der historischen Flure und Gewanne zu geben.
So erinnert der Alte Rottweg noch heute daran, daß hier früher einmal sumpfiges Gelände lag und der Biblisweg führte bis 1818 in den Bibliswald zwischen Hockenheim und Reilingen. Aus dem Wort „Biblis“ selbst ist zu erkennen, daß dieser Bereich früher einmal als eine Insel im östlichen Urstrombett des urzeitlichen KinzigMurrFlusses gelegen haben muß.
Noch viele AltReilinger können sich daran erinnern, daß die „Fröschau“ noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg von tausenden von Fröschen bevölkert war. Daß sich der Ursprung der Hägebüchstraße im Reilinger Industriegebiet aber von einem ehemaligen Hainbuchenwald (Hagebuchen) und einer dort befindlichen Baumschule (Häge) ableitet, wissen nur noch
die wenigsten.
Geschichtlich weitaus interessanter aber dürfte die Vergangenheit des Herrenbuckels östlich von Reilingen sein. Der Fund von Gräbern läßt auf eine keltische Siedlung schließen. Manche Archäologen und Heimatforscher gehen sogar soweit, um von einem Fürstensitz zu sprechen. Weiteren Funden nach befand sich dort später auf jeden Fall eine römische villa rustica. Die Bedeutung des Herrenbuckels wird noch durch die Tatsache Unterstrichen, daß dieser Siedlungsbereich schon immer an einer der wichtigsten Straßenverbindungen der Geschichte lag. Noch nicht sicher geklärt ist auch der Ursprung des Hertenweges. Zum einen könnte der Begriff an die „hart“ gepflasterte Römerstraße erinnern, die einst durch die Reilinger Gemarkung führte. Andere wiederum vermuten, daß es sich dabei um Wiesengelände handelte, auf dem die „Herten“ der Reilinger Bevölkerung weiden durften.
Im Bereich des Nachtwaidweges stand bis 1806 eine kleines Wäldchen, in dessen Schutz sich die Reilinger Nachtweide befand. Dort wurden vor allem die Pferde und Kühe der besseren Überwachung wegen zusammengetrieben. Die wenigsten Neubürger im Ortsteil „Viehtrieb“ wissen, daß sich hier bis 1915 noch ein geschlossenes Waldgebiet gefand, das zur Unteren Lußhardt gehörte. In Akten von 1682 wird dieser Bereich auch „Kellerwald“ genannt, denn der Reilinger Keller, also der Verwalter der Reste der Burg Wersau und der Schloßmühle, durfte hierher sein Vieh auf die Weide treiben. Zwischen 1900 und 1930 wurde der „Viehtrieb“ zeitweise noch als Schweineweide genutzt.
Die Wörschgasse und der Wörschweg schließlich erinnern an ein „Land zwischen Fluß und stehendem Gewässer“. Aus dem selben althochdeutschen Wortstamm wird übrigens auch der Begriff „Wersau“, also die „Flußinsel“, abgeleitet. Die „Werschau“ selbst galt um 1650 als ein wunderschöner Wald mit einem für die damalige Zeit ungewöhnlich vielfältigen Bewuchs. In alten Dokumenten ist die Rede von „einem Gewäld“ aus Eichen, Rot und Weißbuchen, Eschen, Erlen, Espen, Haseln und Kirschbäumen. 1818 wurde der Wald abgeholzt und das Land zukünftig als Ackerland genutzt.

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