Kurpfalz Regional Archiv

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Mannheim wurde kampflos per Telefon übergeben

19.04.98 (Städte & Gemeinden)

Der 29. März 1945 ist für Mannheim ein besonderes Datum, denn an diesem Tag endete für die Quadratestadt nicht nur der 2. Weltkrieg sondern auch die nationalsozialistische Diktatur. Noch wenige Tage zuvor war es zum Beschuß durch die amerikanische Artillerie auf die bereits in Schutt und Asche liegende Stadt gekommen. Am 26. März 1945 stießen US Panzer in den Käfertaler Wald vor und besetzten das noch intakte Wasserwerk. Von hier aus erfolgte erstmals in der Kriegsgeschichte die kampflose Übergabe einer Stadt auf telefonischem Wege.Nachdem sich die Verantwortlichen der Stadt und der Partei zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt hatten, war es einigen beherzten Zivilpersonen zu verdanken, daß es in Mannheim zu keinen weiteren Opfern kam. Es waren der Stadtamtmann Nikolaus Quintus und Adolf Ringshauser, denen es gelang, die Amerikaner von der kampflosen Übergabe der Stadt zu
überzeugen. Den Erinnerungen des Stadtamtmanns ist es auch zu verdanken, daß noch von Generationen später diese Zeit hautnah nachvollzogen werden kann.
„Seit Donnerstag, den 22. März 1945, beschossen die Amerikaner Mannheim von jenseits des Rheines her. (…) Am 23. und 24. März verstärkte sich das Feuer, so daß die Stadtwerke am 24. dem Personal den Abzug freistellten. Ich bezog am 24. März 1945 mit ca. 20 Werksarbeitern als Notmannschaft für Wasser, Gas und Strom den Raum Nr. 3 im Luisenringbunker. Am Sonntag, den 25. März, spät abends gab der Ortsgruppenleiter im Bunker bekannt, daß auf Befehl des Führers alle Zivilpersonen die Stadt räumen müßten. Viele Mitbürger verließen darauf noch in der gleichen Nacht die Stadt. Auch der Ortsgruppenleiter
und sein Stab setzten sich in dieser Nacht ab. Der Ortsgruppenleiter hat mich als Nicht Parteimitglied vor seinem Weggang gebeten, für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Bunker zu sorgen, was ich zusagte.
Noch intensiver wurde die Beschießung der Stadt am 26., 27. und 28. März. Man konnte sich kaum noch ins Freie wagen, und fortgesetzt gingen Verlustmeldungen im Bunker ein. Trotzdem gingen die Plünderungen, die schon am 24. durch die Ausländer begonnen hatten, weiter.
Am Montag, den 26. März, gegen 8 Uhr teilte Kollege Friedmann vom Wasserwerk Käfertaler Wald über das Betriebstelefon zur Zentrale in K 5 mit, der erste US Panzer sei soeben eingerollt, sein Werk sei besetzt. Etwa um 11 Uhr wurde ich persönlich über das erwähnte Betriebstelefon in der K 5 Zentrale gewünscht. Es stellte sich auf Distanz Herr Hauptmann Steinitz von der 44. US Division vor. (…)
Ich möchte meiner Vaterstadt und den Amerikanern einen Dienst erweisen, indem ich den Oberbürgermeister an dieses Telefon beordern ließe. Ich wendete gleich ein, daß der Wunsch nicht zu erfüllen sein wird, denn der Oberbürgermeister habe sich schon vor einigen Tagen ins Neckartal abgesetzt. Schon seit Tagen wäre ich auf dem Rathaus keinem höheren Beamten mehr begegnet, doch würde ich versuchen, einen der maßgebenden Herren zu finden.
Das Rathaus fand ich vollständig verlassen; nur im Keller hielten sich der Elektriker und ein Meister auf. Danach rief ich Herrn Hauptmann Steinitz an und berichtete ihm dies. Er erklärte, wenn die Stadt nicht bald  übergeben würde, käme ein großes Unglück über sie, es würde eine Beschießung stattfinden, wie wir sie noch nicht erlebt hätten. Ich bedauerte sehr, das nicht verhindern zu können.
Nachmittags kurz nach 16 Uhr rief Herr Hauptmann Steinitz wieder an und erklärte mir, die Amerikaner würden von genau 17.10 bis 18.10 Uhr eine Feuerpause einlegen, um mir die Möglichkeit zu geben, den Bürgermeister beizubekommen oder ich möchte selbst mit einer weißen Fahne nach der Friedrichsbrücke kommen, um die Stadt zu übergeben. Ich antwortete, es
sei meiner Meinung nach zwecklos, sich weiter um die Heranführung des Bürgermeisters zu bemühen, denn selbst, wenn ich ihn fände, wäre er nicht zuständig, sondern der Stadtkommandant des Heeres. Ich würde diesen bitten lassen.
Als 17.10 Uhr auch tatsächlich das Feuer eingestellt wurde, schickte ich Herrn Ringshauser, der sich im K 5 Keller aufhielt, in die Maximilianstraße zum Stadtkommandanten (Major Fohr), um ihn zu bitten, herzukommen, um mit den Amerikanern zu verhandeln. Kurz nach 18 Uhr kam Ringshauser zurück. Er fand nach längerem Suchen nur den Adjutanten, der ihn abwies. Der Kommandeur hatte sich weiter nach Osten abgesetzt. Ich teilte Hauptmann Steinitz unseren Mißerfolg mit und erklärte, daß ich unter diesen Umständen leider nichts tun könne.
(…)
Der 29. März 1945. Am Vorabend und die ganze Nacht lag die Stadt unter starkem Artilleriebeschuß. Früh 5.30 Uhr wurde ich von einer bekannten Dame unterrichtet, daß sich zwei Polizisten in der Nachbarschaft versteckt halten, weil sie den Absetzungsbefehl der Polizei nicht befolgten. Auch das Militär sei aus Mannheim ausgerückt. Nun hielt ich die Stunde zum persönlichen Handeln für gekommen, um die Leiden der zurückgebliebenen Bevölkerung zu beenden.
Ich fuhr per Rad das Neckarvorland ab. Auf Anruf erhielt ich nirgends mehr eine Antwort. Ebenso war von der Friedrichsbrücke zum Straßenbahndepot und Goetheplatz-Bunker kein Soldat mehr zu sehen. Der Bunker war verlassen, nur wenig Zivil war anwesend. Auch die Oststadt bis zu den Rennwiesen war frei.
Dort erfuhr ich von Passanten, die letzten Soldaten befänden sich in Seckenheim. Nachdem ich mich noch überzeugt hatte, daß die Gegend Wasserturm Bahnhof Schloß Paradeplatz frei war, rief ich Hauptmann Steinitz gegen 8 Uhr an, teilte ihm die neue Lage mit und bat, das Feuer über Mannheim einstellen zu lassen, damit die Leiden der zurückgebliebenen unschuldigen Bürger ein Ende nähmen. Steinitz nahm dies zur Kenntnis und ersuchte mich, telefonisch erreichbar zu bleiben. Bald danach fiel kein Schuß mehr.
Etwa um 8.30 Uhr verließ ich die Telefonzentrale und meldete mich nach dem Bunker ab. Dort ersuchte mich der frühere Stadtrat Fuchs, sofort mit über den Neckar zu setzen, um die Stadt den Amerikanern zu übergeben. Ich lehnte ab mit dem Bemerken, das sei nicht mehr nötig, denn die Amerikaner wüßten wohl schon, daß in Mannheim keine Truppen mehr seien.
(…)
Nun bestiegen Herr Fuchs, Herr Zogelmann und 4 oder 5 Mann mit einer weißen Fahne einen Nachen und setzten über. Jenseits gingen sie über den Eisenbahndamm zum Neckar-Bahnhof. Von dort kehrten sie gegen 9.30 Uhr zurück und erklärten, daß sie die Stadt übergeben hätten. Der Einzug würde um 14 Uhr erfolgen. Ich beobachte aber von der Friedrichsbrücke aus, daß um diese Zeit die Amerikaner schon in der Friedhofsgegend übersetzten. Bald danach erschienen auch schon die ersten Amerikaner
beim Straßenbahndepot und durchschritten den Ring nach dem Rathaus.
Etwa um 10.30 Uhr rief ich nochmals Herrn Hauptmann Steinitz an und frug, ob ich mich noch weiterhin bereithalten müßte, nachdem der Einzug erfolgt sei. (…) Herr Hauptmann Steinitz dankte und sagte, es hätte alles gut geklappt.
(…)
Ich sollte weitere 24 Stunden telefonisch erreichbar bleiben. Kurz vor 11 Uhr wurde ich durch einen Polizisten zur Militärregierung ins Rathaus (Zimmer des Oberbürgermeisters) gerufen. Die viertelstündige Unterredung mit dem Herrn Oberst betraf hauptsächlich die Versorgung der Stadt mit Wasser, Gas und Strom. Die Telefonverbindung kam gegen 22 Uhr zustande. Das Ergebnis habe ich nicht abgewartet und erfuhr erst am nächsten Tag, daß es gut war.
Mannheim, den 15. April 1945
gez. P.N. Quintus“

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