Kurpfalz Regional Archiv

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Ortsgeschichte in den Straßen noch lebendig

21.04.98 (Landschaft & Orte, Städte & Gemeinden, Straßen, Fähren & Verkehr)

Viele Dinge der Geschichte von Reilingen sind längst Vergangenheit oder gehören in das Reich der Mysthen und Erzählungen. Anders ist es jedoch mit noch erhaltenen Bauwerken wie zum Beispiel dem Wersauer Hof oder den
historischen Wirtshäusern „Löwen“, „Engel“ oder „Hirsch“. Wer aber genau hinschaut, wird weitere, manchmal auch unscheinbare Stücke aus der Vergangenheit der Spargelgemeinde entdecken. Und dort, wo es längst nichts mehr zu sehen gibt, erinnern Straßennamen an längst vergangene Zeiten.
So trägt beispielsweise eine kleine Nebenstraße der verkehrsberuhigten Hauptstraße im Unterdorf den Namen „Am Dorfgraben“, obwohl weit und breit kein Graben zu erkennen ist. Vor rund 350 Jahren aber wurde der älteste Teil von Reilingen zwischen der Kraichbach und der Straßenabzweigung nach Hockenheim durch einen Graben deutlich vom übrigen Gemeindebesitz abgegrenzt. Der Dorfgraben schloß die Siedlung vollkommen ein und zog von der Kraichbach bis zum Gasthaus „Hirsch“, weiter durch die „Herten“ und schloß mit dem erneuten Treffen auf den Kraichbach den Kreis. Der mit Wasser gefüllte Graben war ein Teil der dörflichen Schutzeinrichtungen. Ein weiterer Schutz wurde auf der Dorfseite des Grabens durch Zaunbegrenzungen und Dornenhecken hinter den Hausgärten gebildet. Die Scheunen und Ställe wurden zudem, wie es noch heute teilweise zu sehen ist, Wand an Wand gebaut. Diese Art der Dorfbebauung schützte so die Einwohner und deren Höfe vor Gefahren von außen.
Bis 1650 entwickelte sich Reilingen noch innerhalb des Dorfgrabens weiter. Dann aber wurde mit der Bebauung in Richtung Westen und Norden der bisher schützende Dorfgraben überschritten. An die, durch zahlreiche Funde immer wahrscheinlichere, mittelalterliche Hochblüte Reilingens erinnern heute nur noch die Straßenbezeichnungen „Burgweg“, „Hofweg“, „Mühlweg“, „Schloßmühle“ oder „Wersauer Hof“. Sie erinnern letztendlich aber alle an die früher östlich von Reilingen gelegene Burg Wersau, Sitz eines einflußreichen Adels oder Rittergeschlechts in den Diensten der Pfalzgrafen, der späteren Kurfürsten.
Unter dem Schutz dieser Burg standen nicht nur die beiden zur Wersauer Herrschaft gehörenden Dörfer Hockenheim und Reilingen, sondern auch die von Speyer kommende Königsstraße, einer der wichtigsten Verkehrsverbindung im damaligen Reich. So weiß man heute, daß über 20 Mal gekrönte Häupter in der Burg bei Reilingen übernachteten. Und 1385 kam der päpstliche Gesandte in die Burg Wersau, um die Genehmigung zur Gründung der Universität Heidelberg zu überreichen. In den Jahrhunderten wurde die Burg zerstört, auf den Überresten eine Mühle errichtet, die das Mehl in die kurfürstliche Sommerresidenz nach Schwetzingen zu liefern hatte. Ein Stückchen weiter östlich wurde für die herrschaftliche Schäferei ein barockes Hofgut erbaut. Auch wenn nur noch der ehemalige Schäferhof etwas Glanz der Geschichte ausstrahlt und
lediglich einige Gewölbeteile und ein alter Brunnenschacht an die Burg Wersau erinnern, halten doch die Straßennamen die immer spannender werdende Geschichte Reilingens lebendig.
Im Ort gibt es aber auch noch ein paar weitere Straßenbezeichnungen, die auf die Dorfgeschichte hinweisen. Die „Alte Friedhofsstraße“ zeugt noch heute davon, daß früher einmal in diesem Bereich der Friedhof der frühen Reilinger lag. Und dank der „Bierkellergasse“ weiß man, daß hier früher auch einmal Bier gebraut wurde. Um das Gebräu in den Holzfässern frisch zu halten, wurde es vom Hirsch und Engelwirt am Ortsrand in einem Naturkeller unter alten Laubbäumen gelagert.
Daß die Friedrich und Hildastraße an das beliebte großherzogliche Herrscherpaar aus Karlsruhe erinneren, sei ebenso nur am Rande des Rückblicks auf die Reilinger Straßen und Flurnamen erwähnt wie der Hinweis auf die Wilhemstraße, die nach dem letzten deutschen Kaiser benannt wurde.

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