Kurpfalz Regional Archiv

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Die beschwerliche Reise nach Canossa

10.04.96 (Geschichte allg., Personalia)

Im Dezember 1076 wurden die Speyerer unfreiwillige Zeugen einer
der bekanntesten Reisen in der Geschichte. Der 26jährige
Salierkönig Heinrich IV. brach vom Dom aus nach Canossa auf, um
bei Papst Gregor VII. Abbitte zu leisten. Es wurde ein bitterer
Bußgang für den ehrgeizigen König, der zum geflügelten Wort
werden sollte. Hoch zu Roß und nur mit einem kleinen Troß im
Gefolge zog der König nach Süden, Richtung Italien. Grund für
diese Reise war ein erbitterter Machtkampf zwischen Kirche und
weltlicher Macht im Mittelalter.
Durch den Investiturstreit, einem Konflikt über die Ernennung von
geistlichen Würdenträgern durch Laien, brach ein offener Konflikt
zwischen weltlicher und kirchlicher Macht aus. Vor allem über die
Besetzung des Mailänder Erzbistums und der Politik gegenüber den
Reichsbischöfen geriet Kaiser Heinrich mit Papst Gregor in
Streit. Er ließ 1076 durch eine Synode in Worms den Papst
absetzen, worauf Gregor ihn bannte und Heinrichs Untertanen vom
Treueeid entband. Dies war die erste Absetzung eines deutschen
Herrschers durch einen Papst.
Bisher hatten der mittelalterliche Staat und die Kirche eine
Einheit gebildet, die vom deutschen König und dem Papst
garantiert wurde. Doch Heinrich IV. und Gregor VII. brachen mit
dieser Tradition, denn der Salierfürst hatte ein sehr weltliches
Machtverständnis. Als der Papst den weltlichen Fürsten das Recht
über die Ernennung von Bischöfen aberkennen wollte, sperrte sich
Heinrich. Er ging in die Offensive und stellte die Autorität des
höchsten Kirchenfürsten in Frage.
Der Streit mit dem Papst spaltete auch die deutschen Fürsten. Den
einen war der machthungrige Heinrich ohnehin ein Dorn im Auge,
andere standen zu ihm. Gregor VII. hatte mit dem Kirchenbann zu
seiner schärfsten Waffe gegriffen. Wen der Bann traf, war aus der
Kirche ausgestoßen, exkommuniziert und vogelfrei. Der Papst
setzte ferner ein Ultimatum in Kraft, wonach ein neuer König
gewählt werden sollte. Die Mehrheit der Fürsten und Bischöfe
wandten sich nun vom König ab. In Trebur beschlossen sie seine
Absetzung, falls er sich nicht mit der Kirche aussöhnte. Jetzt
ging es um Heinrichs Kopf, denn die Mehrheit der anderen Fürsten
war bereit, einen neuen König zu wählen.
In die Enge getrieben blieb ihm letztlich nur noch eine
Möglichkeit: Er mußte den Papst umstimmen, der auf dem Weg von
Rom nach Deutschland war, um die neue Königswahl voranzutreiben.
So machte sich Heinrich im Dezember 1076 von Speyer gen Süden
auf. Heinrich reiste mit kleinem Gefolge und hatte keine Soldaten
bei sich. Ihn begleiteten seine Frau Bertha und sein Sohn, der
Thronfolger Konrad, sowie einige Bischöfe und ein paar
Bedienstete mit dem Gepäck.
Die Reise ging über Straßburg nach Besancon, wo die Gesellschaft
bei dem königstreuen Grafen Wilhelm von Burgund das
Weihnachtsfest feierte. Dieser Riesenumweg auf dem Weg nach
Italien war notwendig, da der schwäbische und der bayerische
Herzog die Alpenübergänge für Heinrich gesperrt hatte. So blieb
dem König nur der Weg über Frankreich. Er überquerte den Jura und
gelangte durch die Schweizer Alpen nach Italien. Ein
zeitgenössischer Geschichtsschreiber berichtete, wie die
Reitpferde beim Überschreiten der verschneiten Paßstraße am Mont
Cenis in Schluchten stürzten. Ortskundige Führer hätten die
Reisenden über die gefährlichen Grate geleitet und die Damen des
Gefolges auf Rinderhäuten über die Schneefelder gezogen.
Gregor war inzwischen Richtung Deutschland aufgebrochen. In
seinem Gefolge befanden sich zwei Bischöfe und vier Mitglieder
der Kurie. Weihnachten verbrachte die Reisegruppe in Florenz.
Nach der Überquerung des vereisten Pos erreichte der Papst
Mantua. Hier wartete er auf die Gesandtschaft deutscher Fürsten,
die ihn nach Augsburg bringen sollten. Doch die Gesandtschaft kam
nicht. Gregor wurde nervös, als ihm Gerüchte zu Ohren kamen,
Heinrich sei im Anmarsch und wolle seine Anhänger in Oberitalien
zum Kampf gegen den Papst aufrufen. Doch dem war nicht so.
Heinrich wollte keine militärische Konfliktlösung.
Dennoch, der Papst ging lieber auf Nummer sicher. Er suchte
Schutz in der Burg seiner treuen und mächtigen Verbündeten,
Mathilde, Marktgräfin von Tuscien. Diese Burg lag auf einem Hügel
bei der Ortschaft Canossa, am Fuß des Apennin.
Unterdessen schickte Heinrich Boten aus, die mit dem Papst erste
Verhandlungen über die Bannlösung aufnehmen sollten. Der König
und sein Gefolge nahmen Quartier in der Burg Bianello, etwa zehn
Kilometer von Canossa entfernt und ebenfalls im Besitz der
Marktgräfin Mathilde. Zunächst pendelten Boten zwischen den
beiden Burgen hin und her. Doch die Verhandlungen über die
Aufhebung des Kirchenbanns gerieten ins Stocken. Als sie zu
scheitern drohten, dachte Heinrich über seine Abreise nach.
Da bot sich der Abt Hugo von Cluny, Heinrichs Taufpate, als
Vermittler an. Er arrangierte ein Treffen zwischen Heinrich und
Mathilde, an dem er auch selbst teilnahm, in der Burgkapelle
Montezane, auf halbem Wege zwischen Canossa und Bianello gelegen.
Mit einem Kniefall bat Heinrich die Gräfin, die übrigens auch
seine Cousine war, um Vermittlung.
Doch Gregor wollte nicht einlenken. Der Papst war fest
entschlossen, in Augsburg einem Schiedsgericht über Heinrich
vorzustehen und den deutschen Thronstreit selbst zu regeln. Die
Unterhändler verhandelten trotzdem weiter. Sie boten Gregor ein
neues königliches Treueversprechen und eine angemessene Buße an.
Was nun folgte, ging in die Geschichte ein:
Am Mittwoch, dem 25. Januar 1077, erschien Heinrich vor der Burg
Canossa. Er trug zum Zeichen seiner Buße ein grobgewebtes Gewand.
Trotz des Schnees ging er barfuß. Wie es das Bußritual
vorschrieb, klopfte er an das Burgtor und begehrte Einlaß.
Das Datum war klug gewählt, denn der 25. Januar war ein
kirchlicher Gedenktag. An diesem Tag soll Saulus zum Paulus
bekehrt worden sein. Damit brachte Heinrich den Papst in eine
Zwickmühle. Als Priester konnte er sich nicht von Heinrich
abwenden, der nach dem Vorbild von Saulus um Gnade flehte. Dieser
Schachzug paßte nicht in das machtpolitische Kalkül des
Kirchenfürsten. Doch an diesem Januartag geschah nichts. Für
Heinrich blieb das Burgtor geschlossen. Der König wartete eine
angemessene Frist und ritt in sein Quartier zurück. Den Rest des
Tages verbrachte er, wie vorgeschrieben, mit Beten und Fasten.
Am nächsten Tag ritt Heinrich erneut nach Canossa. Im Büßergewand
und barfüßig stand er wieder vor der Burg und begehrte Einlaß.
Abermals blieb Gregor hart. Er ließ den Salierfürst in der
eisigen Kälte stehen. Währenddessen setzten die Unterhändler ein
Schriftstück auf, das Bedingungen zur Bannlösung beinhaltete.
Am Freitag, dem 27. Januar, erschien Heinrich zum dritten Mal vor
der Burg. Die Ablehnungsfront begann zu brökeln. Gregors Berater
fingen an, dem Papst „ungewöhnliche Härte, ja sogar Grausamkeit
einer gleichsam tyrannischen Wildheit“ vorzuwerfen.
Doch noch blieb Gregor hart. Heinrich wurde kein Einlaß gewährt.
Der König kehrte wieder nach Bianello zurück, fastete und betete
weiter.
Heinrich ließ nicht locker. Am nächsten Tag, dem 28. Januar,
stand er zum vierten Mal vor dem Burgtor. Diesmal wurde seine
Mühe belohnt. Gregor ließ das Tor öffnen. Heinrich warf sich ihm
zu Füßen und bekannte sich schuldig. Der Priester in Gregor hatte
über den Machtpolitiker gesiegt. Der Papst entließ den König aus
dem Kirchenbann. In der Burgkirche wurde Heinrich ein in
lateinischer Sprache abgefaßtes Dokument überreicht. Der König
war des Lesens mächtig und konnte sich sofort ein Bild von der
Vereinbarung machen.
In Form eines urkundlichen Versprechens gelobte er dem Papst, den
Konflikt mit den Fürsten in einer angemessenen Zeit beizulegen und
sich Gregors Urteil zu unterwerfen. Außerdem mußte er dem Papst
für seine Reise nach Deutschland freies Geleit zusichern. Die
Vereinbarung wurde von zwei Bischöfen im Namen des Königs
beschworen.
Danach las Gregor die Messe und spendete dem reumütigen Heinrich
das Abendmahl. Durch diese klerikale Handlungen war der König
wieder in der Gemeinschaft der Kirche aufgenommen worden.
Schließlich nahmen die beiden Kontrahenten ein gemeinsames
Mittagessen ein. Die Aussöhnung zwischen König und Papst war
gelungen  vorerst.
Doch die Harmonie sollte nicht lange währen. Heinrich hatte zwar
das Bündnis zwischen dem Papst und seinen deutschen Gegnern
beendet, doch hatte er mit seiner Unterwerfung unter den Papst
auch das Ende des Gottesgnadentums in Kauf genommen. Die Gegner
Heinrichs kümmerten sich wenig um die Versöhnung von Canossa und
wählten Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig. Der Papst hielt sich
zunächst aus dem Konflikt heraus. Heinrich konnte sich mit
Waffengewalt behaupten.
Auf der Fastensynode 1080 schlug sich Gregor wieder auf die Seite
von Heinrichs Gegnern. Erneut sprach er den Bann über den Salier
aus. Doch diese Waffe hatte sich abgenutzt. Im Oktober kam es zur
Entscheidungsschlacht in Merseburg. Heinrichs Heer wurde zwar
geschlagen, aber trotzdem errang der König den Sieg. Rudolf von
Schwaben starb auf dem Schlachtfeld und hatte seine rechte Hand,
mit der er einst Heinrich die Treue geschworen hatte, verloren.
Anhänger und Gegner sahen dies als Gottesurteil an. Es dauerte
bis zum August 1081, bis sich wieder eine Opposition bildete und
einen neuen Gegenkönig wählte, Hermann von Salm.
Unterdessen war Heinrich nach Rom gezogen, um sich zum Kaiser
krönen zu lassen. Gregor mußte nach Süditalien fliehen und starb
im Mai 1085 in der Verbannung in Salerno. Doch Heinrichs Triumph
währte nicht lange, denn eine deutschitalienische Koalition
wählte seinen Sohn Konrad zum Gegenkönig. Heinrich ließ den
eigenen Sohn ächten und ernannte seinen Zweitgeborenen Heinrich
V. zum König.
Doch die Aussöhnung mit der Kirche mißlang, weil Heinrich in der
Investiturfrage nicht nachgab. 1104 erhob sich auch Heinrich V.
gegen ihn. Er nahm seinen Vater gefangen und zwang ihn, im
Dezember 1105 abzudanken. Im Februar 1106 gelang dem Kaiser die
Flucht nach Lüttich. Von dort aus wollte er die Macht wieder
zurückerobern, doch da starb er  immer noch exkommuniziert.
Es dauerte fünf Jahre, bis er, posthum vom Bann gelöst, in der
Gruft des Speyerer Doms seine letzte Ruhestätte fand.

Aus: Die Rheinpfalz, Michael Schmid, April 1996

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