Ein ständiger Wechsel der Religionen

„Bevor wir abreisten, ließ uns der Magistrat sein Beileid
ausdrücken und dankte für den Unterricht, den wir der Jugend
erteilt hätten, und für die Unterweisung des Volkes in der
Predigt. … Bei den Protestanten sah man kein Zeichen von Freude
und Jubel, wohl aber des Bedauerns.“ So erlebten die Jesuiten
ihren Abschied 1649 von Heidelberg nachdem der Westfälische
Frieden zu Münster dem unheilvollen Dreißigjährigen Krieg
zwischen den Protestanten und Katholiken ein Ende gesetzt hatte.

Bereits 1622 hatte die katholische „Liga“ unter Tilly die
kurpfälzische Residenzstadt erobert. In dem Sieg über die
Kurpfälzer sahen Kaiser Ferdinand, die Spanier und Bayern ein
Zeichen Gottes zur Wiedereinführung der katholischen Religion an
Rhein und Neckar. Konsequenz wurde die Gegenreformation
vorangetrieben. Da Bevölkerung aber nur widerwillig der
religiösen Umerziehung folgte, mußten 1629 rigorose Maßnahmen
ergriffen werden: die Menschen wurden zum katholischen
Gottesdienstbesuch gezwungen.

Mit der Rekatholisierung wurden die Jesuiten betraut. Bereits
1624 hatten sie eine kleine Privatschule für zunächst 25 Kinder
eingerichtet. Bereits vier Jahre später hatte sich daraus ein
Vollgymnasium entwickelt. 1629 konnte auch der Lehrbetrieb der
Universität wieder in Betrieb genommen werden. Die Jesuiten
bekamen die theologische und philosophische Fakultät übertragen.
Trotzdem konnte der Lehrbetrieb nicht vollständig aufgebaut
werden, denn 1633 eroberten die Schweden die Kurpfalz mit
Heidelberg für die protestantische „Union“ zurück.

Nach der Rückeroberung durch bayerische Truppen setzten die
Jesuiten 1635 ihre Arbeit fort. Wegen der dauernden Kriegsunruhen
gelang es nicht mehr, den Universitätsbetrieb vollständig
aufzubauen. Lediglich das Gymnasium konnte bis 1640 wieder mit
den üblichen fünf Klassen aufgebaut werden. Im gleichen Jahr ging
an Maximilian von Bayern die Nachricht, daß sich „kaum der dritte
Theil realiter und im Herzen katholisch befindet“.

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde die Pfalz 1649 dem
calvinistischen Pfalzgrafen Karl Ludwig wieder übergeben. Die
Jesuiten verließen wieder Heidelberg und ließen eine nicht
unbedeutende katholische Minderheit zurück. Ihre Gottesdienste
durften sie in Privatwohnungen feiern, auch der Besuch eines
öffentlichen Gottesdienstes in Handschuhsheim wurde erlaubt.
Dennoch nahm die Zahl der Katholiken ständig weiter ab.

Mit Kurfürst Karl II. (16801685) starb die reformierte Linie
PfalzSimmern aus. Dieser folgte die katholische Linie
PfalzNeuburg mit dem Kurfürsten Philipp Wilhelm (16851690).
Dieser rekatholisierte die Kurpfalz erneut, jedoch ohne Nachteile
für die Reformierten und Lutheraner. Der Herrscher rief 1686 die
Jesuiten nach Heidelberg zurück und erregte die Gemüter, als er
eine feierliche Fronleichnamsprozession genehmigte und daran
sogar noch selbst teilnahm. Der neue Landesherr war um religiösen
Ausgleich und Gewissensfreiheit bemüht, aber seine Gunst galt
klar den Katholiken.

Als 1693 die Kurpfalz und Heidelberg im Pfälzischen Erbfolgekrieg
von den Truppen Ludwig XIV. besetzt und zerstört wurden, mußten
die Jesuiten erneut aus der Residenzstadt fliehen. Erst nach dem
Frieden von Rijswijk konnten sie 1697 in die Stadt zurückkehren.
In den folgenden Jahren kamen immer mehr Katholiken zurück in die
Kurpfalz und siedelten so auch in Heidelberg. 1700 kamen der
kurpfälzische Hof und die Regierung wieder von Düsseldorf zurück
an den Neckar. Kurfürst Johann Wilhelm öffnete alle Kirchen in
der Pfalz zum gemeinsamen Gebrauch durch Katholiken, Reformierte
und Lutheraner. Nach dem Einrichten der Simultankirchen
verkündete er 1701 erstmals im deutschen Reichsgebiet
Gewissensfreiheit und öffentliche Religionsausübung für alle
Konfessionen und gewährte damit volle Freiheit der
konfessionellen Entscheidung.

In der Pfälzischen Religionsdeklaration von 1705 teilte der
Kurfürst die Kirchen und das Kirchenvermögen im Verhältnis 5:2
zwischen Reformierten und Katholiken. Die Heiliggeistkirche in
Heidelberg wurde wie viele andere Kirchen in der Kurpfalz durch
eine Scheidemauer geteilt. Der konfessionelle Gegensatz war in
der Kurpfalz nahezu identisch mit dem sozialen Gegensatz zwischen
besitzenden und auch besser gebildeten Reformierten und den armen
ungebildeten Katholiken. Ihnen wandte sich nun die alle Formen
der Volksfrömmigkeit fördernde Seelsorge der Orden und die Gunst
des Kurfürsten zu.

Neben den Jesuiten kamen die Franziskaner, Kapuziner, Karmeliter,
Dominikaner, AugustinerChorfrauen und Dominikanerinnen nach
Heidelberg, wo um 1720 unter 400 reformierten und 200
lutherischen auch 180 katholische Familien lebten.

Quelle: unbekannt

Die Reformation hält Einzug

Nur die wenigsten Besucher Heidelbergs wissen, daß sich unter dem
Pflaster des Universitätsplatzes die Überreste eines Klosters
befinden, das für die Religionsgeschichte von besonderer
Bedeutung ist. Es handelt sich dabei um das Kloster der
AugustinerEremiten. Mehr als einhundert Jahre vor der
Universität an der westlichen Stadtmauer errichtet, gewährte es
der jungen Ruperto Carola Unterkunft, bis die Gebäude der
Artistenfakultät in der östlichen Nachbarschaft vollendet waren.
Bekannt wurde das Kloster durch die Heidelberger Disputation vom 26. April 1518.

Die AugustinerMönche mußten im regelmäßigen Abstand von drei
Jahren eine Versammlung des Generalkapitels abhalten. So traf man
sich 1518 in der kurpfälzischen Residenz. Disputationen waren
regelmäßiger Höhepunkt dieses Treffens. Mit der Leitung der
Veranstaltung wurde der Wittenberger Professor für biblische
Theologie, Martin Luther, beauftragt. Am 31. Oktober 1517 hatte
er seine kritischen Ablaßthesen veröffentlicht und die
Beseitigung von unbestreitbaren Mißständen gefordert.

Der Ordensobere, Generalvikar Johann von Staupitz, gab Martin
Luther in Heidelberg die Gelegenheit, seine Theologie einer
gelehrten Öffentlichkeit vorzustellen und zu verteidigen. Die
Universität stellte die „Schola Artistarum“ (östlich der heutigen
Augustinergasse) zur Verfügung. Kein Wunder also, daß dort nicht
nur die aus ganz Deutschland angereisten Augustinermönche Platz
genommen hatten, sondern auch die Doktoren der theologischen und
die Magister der philosophischen Fakultät. Studenten, Kleriker,
Bürger, Höflinge und Adelige mischten sich ebenfalls unter die
neugierigen Zuhörer.

Bereits die Vorstellung der ersten Thesen führten zu Unruhe unter
den Zuhörern. Der Heidelberger Theologieprofessor Georg Schwarz,
ein steter Kritiker Luthers, rief diesem zu: „Wenn das die Bauern
hören, werden sie Euch steinigen“. Andere Zuhörer wurden von
Luther nachhaltig beeindruckt und machten die evangelische
Botschaft in der neuen Weise den Menschen verständlich. Allen
voran der Dominikanermönch Martin Bucer, der als späterer Pfarrer
in Straßburg zu einem der einflußreichsten Reformatoren wurde.
Nachdem auf dem Wormser Reichstag 1521 über Martin Luther und
alle seine Anhänger die Reichsacht verhängt worden war, bildeten
sich zwei Religionsgruppen, die noch heute das öffentliche Leben
prägen: die Katholischen und die Evangelischen.

Die Kurpfalz selbst blieb bis 1556 katholisch. Kurfürst Ludwig V.
aber ließ eine „behutsame evangelische Predigt“ zu, was die
evangelische Bewegung am kurpfälzischen Hof, in der Stadt und auf
dem Lande sich langsam aber sicher fortentwickeln ließ.
Erster Prediger an der Heiliggeistkirche wurde 1520 Wenzel Strauß
aus Alzey, der „nostra evangelica tuba“ (Trompete des
Evangeliums) genannt wurde. Zu seinem Nachfolger wurde 1526 der
aus dem kurpfälzischen Bacharach am Rhein stammende Heinrich
Stoll bestellt. Die Predigerpfründe an Heiliggeist wußte er mit
großer Besonnenheit und ein wenig Glück festzuhalten, ohne seine
Überzeugung preisgeben zu müssen. 1531 wurde er sogar noch
Professor der Theologie an der Heidelberger Universität. Heinrich
Stoll galt als brillanter Redner und Kenner der evangelischen
Lehre. 1556 wurde er zum ersten lutherischen
Generalsuperintendenten der Kurpfalz.

Kurfürst Friedrich II. der Weise, der Nachfolger von Ludwig V.,
stand der evangelischen Botschaft persönlich sehr nahe. Als
Statthalter der Oberpfalz hatte er schon 1538 dem Drängen der
Landstände nach Freigabe des evangelischen Bekenntnisses
nachgegeben. Am 3. Januar 1546, dem Sonntag nach Neujahr, fand in
der Heiliggeistkirche der erste öffentliche evangelische
Abendmahlsgottesdienst in der Kurpfalz statt, am 10. Januar auch
in der Peterskirche. Ein kurfürstliches Edikt erlaubte das
vollständige Abendmahl (also auch den Empfang des Kelches),
Gottesdienste in deutscher Sprache und die Priesterehe. Die Messe
nach dem katholischen Ritus mußte nicht mehr gelesen werden, war
aber auch nicht verboten.

Eine Ordnung für Heiliggeist und alle anderen Stiftskirchen in
der Kurpfalz wurde nach dem Vorbild der Neuburger Kirchenordnung
Ottheinrichs ausgearbeitet und am 13. April, kurz vor Ostern,
für Heidelberg erlassen. Am Palmsonntag wurde mit 200 Gläubigen
der Gottesdienst gefeiert und alle empfingen Wein und Brot. Im
April 1546 trat dann die Kirchenordnung in der ganzen Kurpfalz in
Kraft. Eine Polizeiordnung vom 17. Juni 1546 stellte
Gotteslästern und Lästern der Heiligen unter Strafe und gebot den
Gottesdienstbesuch und schränkte den Fleischgenuß ein.
Im Schmalkaldischen Krieg unterwarf Kaiser Karl V. die
protestantischen Fürsten und Städte. So wurde 1549 wieder die
Fronleichnamsprozession abgehalten, doch Laienkelch und
Priesterehe blieben erlaubt. Der Versuch, die Kurpfalz lutherisch
zu reformieren, war zunächst gescheitert.

Erst Ende 1553 wurde in Heidelberg wieder eine Kirche für den
evangelischen Gottesdienst freigegeben. Kurfürst Friedrich II.
erlebte die nach dem Augsburger Religionsfrieden nun auch
reichsrechtlich erlaubten reformatorischen Maßnahmen in seinem
Herrschaftsbereich nicht mehr. Sein Nachfolger und Neffe
Ottheinrich aus dem Wittelsbacher Zweig PfalzNeuburg erließ
bereits am 16. April 1556 ein entsprechende Verordnung zum Verbot
von heiligen Messen und aller katholischen Zeremonien. Die
Prediger wurden aufgefordert, biblische Texte auszulegen, das
vollständige Abendmahl wurde obligatorisch und in den Kirchen
erklangen deutsche Lieder. Aus den Gotteshäusern mußten alle
Bilder und Nebenaltäre entfernt werden  lediglich die
Grabdenkmäler in der Heiliggeistkirche blieben davon ausdrücklich
ausgenommen. Nach dem Tod von Generalsuperintendent Heinrich
Stoll trat am 1. Mai 1558 einer der begabtesten Schüler des
Humanisten und Kirchenlehrers Melanchton, Dr. Tilemann Heshusen
sein Amt als Pfarrer von Heiliggeist, Theologieprofessor und
oberster Geistlicher der Kurpfalz an.

Im Heidelberger Herrschaftsgebiet lebten Theologen und
Philosophen der unterschiedlichsten Meinungen und Nationen
friedlich beisammen. Ein Streit mit dem kompromißlosen und
intoleranten Heshusen um das Verständnis des Abendmahls bahnte
unter dem Nachfolger Ottheinrichs, Kurfürst Friedrich III., einen
religiösen Wechsel in der Kurpfalz an. Die Lehre des Calvinismus
fand immer mehr Anhänger.

Quelle: unbekannt