Es gehört schon seit vielen Jahren zum Vorrecht einer Gemeinde, verdiente Frauen und Männer besonders zu würdigen. Neben der Ehrenbürgerwürde oder Verleihung eines Ordens gilt die Benennung einer Straße nach dem Geehrten als eine der höchsten Auszeichnung. Gleich fünf Straßen wurden bisher in Reilingen nach Personen benannt, die sich um die Spargelgemeinde verdient gemacht haben.
Da ist zunächst der erste Ehrenbürger der Gemeinde, Adolf Ritzhaupt. Im Neubaugebiet Holzrott hat man nach ihm eine Wohnstraße benannt. Der gebürtige Heidelberger hatte 1860 auf dem Wersauer Hof eine Zigarrenfabrik eröffnet und bot damit vielen Menschen in Reilingen die Möglichkeit, den Lebensstandard der zahlreichen Klein- und Nebenerwerbslandwirten durch den Hinzuverdienst zu verbessern. In den Jahren wurde er zu einer führenden, ja sogar bestimmenden Persönlichkeit im Ort. Viele Jahre gehörte Adolf Ritzhaupt dem Gemeinderat an. Als Sprecher der Verhandlungsabordnung in Sachen Eisenbahnbau setzte er sich intensiv für den Bau der Rheintalbahn und eines Bahnhofes auf Reilinger Gemarkung ein. Zu seinem Leidwesen konnte er es nicht verhindern, daß der Bahnhof nach Neulußheim gelegt wurde. Seine wichtigste Aufgabe war es aber, bei vaterländischen Veranstaltungen die „Hochs“ auf Kaiser, Reich und Großherzog auszurufen. Zur damaligen Zeit eine ganz besondere Ehre. 1907 verkaufte Ritzhaupt seine Fabrik und verließ Reilingen. In Heidelberg verbrachte er dann seinen Lebensabend.
Noch vielen Menschen in Reilingen ist die Ärztin Dr. Lea Ueltzhöffer in Erinnerung. Unermüdlich, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht, war sie für „ihre“ Reilinger Patienten unterwegs. Im April 1946 war die gebürtige Jugoslawin in den Ort gekommen und eröffnete in der schwierigen Nachkriegszeit im Lutherhaus eine Praxis. Auf der „Insel“ erbaute sie mit ihrem Mann ein Haus und führte dort eine gemeinsame Arztpraxis. Ständig konnte man sie mit dem Fahrrad von Patient zu Patient radeln sehen. Die überaus große Beanspruchung blieb nicht folgenlos: Bis zu ihrem Lebensende litt sie selbst an schweren gesundheitlichen Schäden. Das hinderte sie aber nicht, ihrer Arbeit so gut wie möglich nachzugehen. Der Gemeinderat zeichnete diese Leistung mit der Ehrenbürgerwürde aus und benannte nach ihr im Neubaugebiet „Viehtrieb“ eine Straße.
Geprägt von zwei verlorenen Weltkriegen waren die Amtszeiten von Bürgermeister Ludwig Römpert. Bereits von 1919 bis 1928 Gemeindeoberhaupt, wurde er am 2. April 1945, einen Tag nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte, von der Militärregierung kommissarisch als Bürgermeister von Reilingen eingesetzt. Er galt als besonnener und erfahrener Mann. Er organisierte die Gemeindeverwaltung neu und benannte einen neuen Gemeinderat. Die schwierigste Aufgabe aber war es, die vielschichtige Not der damaligen Zeit zu lindern. Wie bereits während seiner ersten Amtszeit prägten Inflation und Massenarbeitslosigkeit sein Wirken. Ludwig Römpert prägte durch seinen selbstlosen Einsatz den Aufbau eines demokratischen Staatswesens in seiner Heimatgemeinde entscheidend mit. Er meisterte aber auch die Herausforderung, rund 600 Heimatvertriebene und Flüchtlinge in Reilingen anzusiedeln. Tag und Nacht war der Mann unterwegs, um diesen Menschen Unterkunft und Wohnung zu besorgen. Dieses Engagement verschaffte ihm aber nicht nur Freunde. Zum Gedenken an den SPD-Bürgermeister benannte der Gemeinderat eine Straße im „Viehtrieb“ nach ihm.
Einem weiteren Bürgermeister wurde im gleichen Ortsteil ebenfalls eine Straße gewidmet: Hermann Kief. Der erste Christdemokrat auf dem Stuhl des Gemeindeoberhauptes versah von 1971 bis 1981 seinen Dienst im Reilinger Rathaus. Seine Amtszeit fiel in die Zeit des örtlichen Aufschwungs. Überall im Ort wurde gebaut, zahlreiche Gewerbebetriebe
siedelten sich an. Kurz nach seiner Wiederwahl verstarb Hermann Kief 54jährig nach kurzer Krankheit am 7. März 1981.
Schließlich gibt es im „Viehtrieb“ noch die Professor Krämer-Straße. Sie erinnert an den Reilinger Gymnasialprofessor Hermann Krämer, der sich intensiv mit der Heimatgeschichte beschäftigte und 1912 die erste „Reilinger Ortschronik“ veröffentlichte. Dieses Werk ist heute längst zur Historie geworden und bildete die Grundlage zur gesamten Heimatforschung in der Spargelgemeinde. Dem Altphilologen Krämer ist es zu verdanken, daß viele Urkunden und Dokumente aus längst vergangenen Tagen übersetzt werden konnten und so die Reilinger Geschichte lebendig und nachvollziehbar wurde.
Straßennamen
Ortsgeschichte in den Straßen noch lebendig
Viele Dinge der Geschichte von Reilingen sind längst Vergangenheit oder gehören in das Reich der Mysthen und Erzählungen. Anders ist es jedoch mit noch erhaltenen Bauwerken wie zum Beispiel dem Wersauer Hof oder den
historischen Wirtshäusern „Löwen“, „Engel“ oder „Hirsch“. Wer aber genau hinschaut, wird weitere, manchmal auch unscheinbare Stücke aus der Vergangenheit der Spargelgemeinde entdecken. Und dort, wo es längst nichts mehr zu sehen gibt, erinnern Straßennamen an längst vergangene Zeiten.
So trägt beispielsweise eine kleine Nebenstraße der verkehrsberuhigten Hauptstraße im Unterdorf den Namen „Am Dorfgraben“, obwohl weit und breit kein Graben zu erkennen ist. Vor rund 350 Jahren aber wurde der älteste Teil von Reilingen zwischen der Kraichbach und der Straßenabzweigung nach Hockenheim durch einen Graben deutlich vom übrigen Gemeindebesitz abgegrenzt. Der Dorfgraben schloß die Siedlung vollkommen ein und zog von der Kraichbach bis zum Gasthaus „Hirsch“, weiter durch die „Herten“ und schloß mit dem erneuten Treffen auf den Kraichbach den Kreis. Der mit Wasser gefüllte Graben war ein Teil der dörflichen Schutzeinrichtungen. Ein weiterer Schutz wurde auf der Dorfseite des Grabens durch Zaunbegrenzungen und Dornenhecken hinter den Hausgärten gebildet. Die Scheunen und Ställe wurden zudem, wie es noch heute teilweise zu sehen ist, Wand an Wand gebaut. Diese Art der Dorfbebauung schützte so die Einwohner und deren Höfe vor Gefahren von außen.
Bis 1650 entwickelte sich Reilingen noch innerhalb des Dorfgrabens weiter. Dann aber wurde mit der Bebauung in Richtung Westen und Norden der bisher schützende Dorfgraben überschritten. An die, durch zahlreiche Funde immer wahrscheinlichere, mittelalterliche Hochblüte Reilingens erinnern heute nur noch die Straßenbezeichnungen „Burgweg“, „Hofweg“, „Mühlweg“, „Schloßmühle“ oder „Wersauer Hof“. Sie erinnern letztendlich aber alle an die früher östlich von Reilingen gelegene Burg Wersau, Sitz eines einflußreichen Adels oder Rittergeschlechts in den Diensten der Pfalzgrafen, der späteren Kurfürsten.
Unter dem Schutz dieser Burg standen nicht nur die beiden zur Wersauer Herrschaft gehörenden Dörfer Hockenheim und Reilingen, sondern auch die von Speyer kommende Königsstraße, einer der wichtigsten Verkehrsverbindung im damaligen Reich. So weiß man heute, daß über 20 Mal gekrönte Häupter in der Burg bei Reilingen übernachteten. Und 1385 kam der päpstliche Gesandte in die Burg Wersau, um die Genehmigung zur Gründung der Universität Heidelberg zu überreichen. In den Jahrhunderten wurde die Burg zerstört, auf den Überresten eine Mühle errichtet, die das Mehl in die kurfürstliche Sommerresidenz nach Schwetzingen zu liefern hatte. Ein Stückchen weiter östlich wurde für die herrschaftliche Schäferei ein barockes Hofgut erbaut. Auch wenn nur noch der ehemalige Schäferhof etwas Glanz der Geschichte ausstrahlt und
lediglich einige Gewölbeteile und ein alter Brunnenschacht an die Burg Wersau erinnern, halten doch die Straßennamen die immer spannender werdende Geschichte Reilingens lebendig.
Im Ort gibt es aber auch noch ein paar weitere Straßenbezeichnungen, die auf die Dorfgeschichte hinweisen. Die „Alte Friedhofsstraße“ zeugt noch heute davon, daß früher einmal in diesem Bereich der Friedhof der frühen Reilinger lag. Und dank der „Bierkellergasse“ weiß man, daß hier früher auch einmal Bier gebraut wurde. Um das Gebräu in den Holzfässern frisch zu halten, wurde es vom Hirsch und Engelwirt am Ortsrand in einem Naturkeller unter alten Laubbäumen gelagert.
Daß die Friedrich und Hildastraße an das beliebte großherzogliche Herrscherpaar aus Karlsruhe erinneren, sei ebenso nur am Rande des Rückblicks auf die Reilinger Straßen und Flurnamen erwähnt wie der Hinweis auf die Wilhemstraße, die nach dem letzten deutschen Kaiser benannt wurde.
