Zu Besuch bei Neckarschleimern, Sandhasen und Löwenjägern

Jemanden einen „Puhlzabbe“ zu nennen, erfüllt, rein juristisch
gesehen, den Tatbestand einer Beleidigung. Handelt es sich doch
dabei um den Abflußhahn eines „Puhlfasses“  wobei „Puhl“ für das
hochdeutsche Gülle steht. Dennoch hat dieser etwas anrüchige
Namen in Mannheim nichts ehrenrühriges an sich. Die Seckenheimer,
die ihn tragen, tun dies gelassen und nicht ohne einen gewissen
Stolz im Blick. Wie wäre es auch anders zu erklären, daß auf dem
Seckenheimer Marktplatz ein Puhlzabbebrunen munter vor sich
hinplätschert?

Auch „Neckarschleimer“ (für Neckarstädter), „Sandhas“ (für
Rheinauer), „Löwenjäger“ (für Käfertaler) oder „Pilwe“ (für
Neckarauer) sind alles andere als Kosenamen. Und dennoch bekennt
man sich in Mannheims Vororten zu ihnen. Schließlich betonen sie
auch ein Stück Eigenständigkeit.

Die eingemeindeten Vororte sind, mit Ausnahme von Rheinau, älter
als die Stadt selbst. Ihre Geschichte reicht bis ins frühe
Mittelalter zurück, als Mannheim noch eine Ansammlung von
Fischerhütten auf dem Schwemmland zwischen Rhein und Neckar war.
Bei der Eingemeindung der Vororte gab es drei Etappen: 1895 bis
1899, 1910 bis 1913 und 1928 bis 1930. Chronisten berichteten,
daß es dabei nicht ohne schwierige Vorverhandlungen und heftige
politische Auseinandersetzungen abging.

Käfertal
wurde am 1.1.1897 eingemeindet und brachte der Stadt Mannheim
einen Flächenzuwachs von 17.776 Hektar. Wichtiger als der Zuwachs
an Gemarkung aber war für die Stadtgemeinde die Tatsache, daß sie
in den Besitz des Wasserwerkes kam, das 1886 bis 1888 von der
Stadt Mannheim im Käfertaler Wald erstellt wurde. Zur Gemarkung
Käfertals gehörte außerdem die Industriesiedlung Waldhof. Hier
war bereits 1835 mit der Spiegelfabrik die erste größere
Industrieansiedlung der Umgebung entstanden. Bereits im frühen

  1. Jahrhundert gab es in Käfertal zudem eine Sodafabrik, die
    älteste in Deutschland.

Neckarau
galt als das größte Dorf Badens und verlor am 1.1.1899 seine
Selbständigkeit. Als „Villa Naucrauia“ wurde die Siedlung 871
erstmals urkundlich erwähnt. Mit der Eingemeindung wurde das
Stadtgebiet nach Süden erweitert, was für die Anlage des
Rangierbahnhofes erwünscht war. Als Aussteuer brachte Neckarau
den Waldpark und die Reißinsel mit in die Verbindung.

Feudenheim
kam am 1.1.1910 zu Mannheim. Bereits seit 1848 gab es eine
Dampfbahnverbindung mit der Innenstadt. 766 wird Feudenheim im
Lorscher Codex erwähnt. 1803 kam das Dorf zu Baden. Auf
Feudenheimer Gemarkung erwarb links des Neckars die Süddeutsche
DiscontoGesellschaft 1905 Gelände, auf dem das neue Wohngebiet
Neuostheim entstand.

Sandhofen
wurde als „Villa Sunthove“ 888 erstmals im Lorscher Codex
erwähnt. Die Gemeinde kam am 1.1.1913 zu Mannheim.
Ausschlaggebend für diesen Schritt waren Probleme mit der
Wasserversorgung. Durch die 1884 gegründete Zellstoffabrik wurde
Sandhofen bereits im vorigen Jahrhundert Arbeiterwohnort. Die
später entstandenen Siedlungen Schönau und Blumenau liegen auf
ehemaliger Sandhofer Gemarkung.

Wallstadt
gilt als eine der ältesten Siedlungen im RheinNeckarRaum. 766
wurde
es als „Walahastat“ erstmals urkundlich erwähnt. Das
„Maurerdorf“ wurde 1929 eingemeindet. Wallstadt war eine arme
Gemeinde, deren Bewohner ihren Lebensunterhalt als Bauhandwerker
in Mannheim verdienten.

Rheinau
gilt als eine junge Siedlung, die auf halbem Weg zwischen
Mannheim und Schwetzingen, der Sommerresidenz des Kurfürsten,
entstand. Entlang des Damms entwickelte sich die Siedlung mit der
Zeit rund um das Relaishaus, eine Poststation mit Gespannwechsel.
Die Gemarkung wurde durch den Ausbau des östlichen Hafenbeckens
wirtschaftlich erschlossen. Zweites und drittes Hafenbecken
wurden um die Jahrhundertwende fertiggestellt.

Friedrichsfeld
ist eine Hugenottensiedlung. Flüchtlinge aus Sedan und Calais
ließen sich hier 1682 nieder. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde
die Siedlung 1688/89 zerstört. 1840 wurde der Ort
Eisenbahnknotenpunkt. Die 1890 in Friedrichsfeld angesiedelte
Tonröhrenfabrik ist heute noch größter Arbeitgeber am Ort.
Friedrichsfelder nennen sie aber nach wie vor „Die Steinzeug“.
Die Gemeinde kam mit der Kreisreform in BadenWürttemberg Anfang
der 70er Jahre zur Quadratestadt.

Seckenheim
gehörte mit ausgedehntem Grundbesitz an Ackerland und Wald zu den
reichsten Gemeinden Nordbadens. Nur ungern gab es seine
Selbständigkeit auf. Vom Neckar aus zeigt sich der Vorort noch
heute dörflich: Fachwerkhäuser und die steilen Dächer der
fränkischen Höfe bestimmen die Silhouette des früheren
Straßendorfes. Den Ortskern bilden der Marktplatz, die
Seckenheimer Planken und das barocke Rathaus. Im Osten liegt das
1768 erbaute Schlößchen des kurpfälzischen Staatsrats Georg von
Stengel. Bereits vor der Jahrhundertwende führte eine
Dampfstraßenbahn durch das Dorf  die spätere Oberrheinische
Eisenbahngesellschaft (OEG).

Die 1930 eingemeindeten Ortsteile Kirschgartshausen, Sandtorf und
Straßenheim waren ursprünglich keine selbständigen Ortschaften,
sondern Hofgüter oder Domänen. Kirschgartshausen bietet im Norden
der Stadt noch heute mit seinem Herrenhaus und den
Wirtschaftsgebäuden den Anblick eines Gutshofes inmitten
ausgedehnter Ländereien.

Quelle: unbekannt

Seit 1830 gibt es Fastnachtsumzüge

Fastnacht, Fasnacht, Fasnet, Fasching oder Karneval  für
die einen eine liebenswerte Tradition, für die anderen eine
verzichtbare Narretei. Egal, wo man nun die sogenannte
„fünfte Jahreszeit“ einordnen möchte, sie ist zu einem
festen Bestandteil im kurpfälzischen Jahresrhythmus
geworden. Die Geschichte der Fastnacht ist eigentlich uralt
und geht noch auf das germanische Brauchtum zurück. Damals
war es schon üblich, den Winter durch furchterregende
Gestalten in Gewändern und mit Masken vertreiben zu wollen.
Später wurde diese Winteraustreibung auch von den
christianisierten Volksgruppen übernommen und fand so
Einzug in das Kirchenjahr.

Anstelle der Geisterbeschwörung rückte aber die kirchliche
Bedeutung in der Vordergrund: Fastnacht galt als die Zeit
des letzten Feierns vor der 40tägigen Fastenzeit vor
Ostern. In katholischen Gegenden ist dieser Brauch bis
heute lebendig. Im schwäbischalemannischen Raum ist nach
wie vor die germanisch geprägte Fasnet mit Maskenträgern
und zum Teil furchterregenden Kostümen in das Brauchtum
übergegangen.

Eine ganz andere Fastnacht hat sich entlang des Rheines
entwickelt. Hier prägen die französischen und preußischen
Einflüsse während den Besatzungs und Regierungszeiten den
im 19. Jahrhundert entstandenen Karneval. Genau betrachtet
nutzte die Bevölkerung die von der Obrigkeit zu Fastnacht
geduldete Narrenfreiheit und karrikatierte, ja
verballhornte den Militarismus und das damit verbundene
Herrschaftssystem.

In der Kurpfalz links und rechts des Rheines hat sich so in
den Jahren seit 1830 eine eigenständige Fastnacht
entwickelt, die Traditionen aus allen Brauchtümern
aufweist. So ist der rheinische Karneval hier ebenso zu
hause wie auch die volkstümliche Fastnacht, die aus dem
Odenwald, Kraichgau oder Bruhrain einströmte. Es ist so
eine überaus bunte Mischung entstanden  die Fasnacht.

Übernommen wurden so auch die Tradition der
Fastnachtsumzüge. Diese gehen zurück auf die erste Hälfte
des 19. Jahrhunderts. So ist bekannt, daß in der
„bayerischen Kreis und Hauptstadt“ Speyer bereits 1830 ein
„wohlgeformter Narrenzug“ durch die Straßen zog. Ab 1839
gibt es Nachweise über die ersten Maskenzüge in Mannheim,
die ab 1840 vom Unterhaltungsverein „Räuberhöhle“
durchgeführt wurden.

Doch wie gesagt, die kurpfälzische Fastnacht ist um
Jahrhunderte älter. Es gab schon sehr früh mehr oder
weniger organisierte Umzüge. Vor allem am Tag vor
Aschermittwoch, dem Beginn der kirchlichen Fastenzeit,
zogen in der „Fastnacht“ Grüppchen und wilde Haufen
maskiert und in Sack und Lumpen gekleidet meist von
Wirtschaft zu Wirtschaft.

Der kurfürstliche Hof und damit der Adel schloß sich dieser
Art des Feiern jedoch nicht an. Auch hier blieb man unter
sich und feierte rauschende Maskenbälle. Das höfische
Zeremoniell blieb erhalten, man vergnügte sich in
farbenfrohen und phantasievollen Kostümen. Venezianische
Masken oder das Gesicht verdeckende Handlarven waren eine
Pflicht. Nur wer erkannt wurde, mußte sich demaskieren und
war damit dem Spott der anderen ausgesetzt.

Erst während der Gründerjahre um die Mitte des 19.
Jahrhunderts entstanden in der bürgerlichen Gesellschaft
die ersten Karnevalsvereine und närrischen Vereinigungen.
Sie waren es, die gemeinsames und „kultiviertes“
Fastnachtstreiben in ihre Satzungen aufnahmen. Diese
Gründungen gingen auf Kölner und Mainzer Vorbilder zurück.
Das gilt auch für das Wort „Carneval“, das auch in der
Kurpfalz bei der Namensfindung der neugegründeten Vereine
und Gesellschaften in Mode kam. Die nunmehr organisierten
Fastnachter und Narren wurden zu „Karnevalisten“, die
Harlekins und Pierrots zum „Prinzen Carneval“.

In Speyer ist eine „Ordnung des Zugs“ vom 13. Februar 1831
im Original erhalten geblieben. So weiß man heute, daß mit
19 Nummern ein recht übersichtlicher Narrenzug durch Speyer
zog. Dem „Träger der Narrenfahne“ und „Drey Trompetern“
folgte „Oberst Rummelpuff“ als „Commandant des Krähwinkler
Landsturms“, dann „Sperlin, General Quartiermeister und
Regimentsdichter, nebst Schnaps, RegimentsFeldscher“.
Weiter hinten im Zugprogramm findet man dann „Prinz
Schnudi, Generalissimus, nebst Gemahlin, Prinzessin
Evekathel“, denen mehrere Wagen „mit dem Präsidenten und
den Räthen der Regentschaft“ folgten.

Fastnachtsumzüge in der Zeit des politischen Vormärz waren
auch Protestmärsche gegen Pressezensur („Frau Censura
spricht: Uns gebührt’s frey zu schalten, Ihr habt das Maul
zu halten!“) und Obrigkeitsstaat, erfüllt von
revolutionärem Geist in der Verkleidung des Narren. Es
waren Vorläufer des politischliterarischen Karnevals. So
wurde besagte „Prinzessin Evekathel“ mit bissigen Schimpf
dargestellt: „Der Plebs bleibt Plebs auch in Pallästen, ihr
könnt die Gans mit Trüffeln mästen, es bleibt doch immer
Federvieh und mehr als Schnattern lernt sie nie!“

Wo immer Karnevalsvereine auch entstanden, gab es
Kappenfahrten, närrische Auf und Umzüge,
RathausErstürmungen, „Beerdigungen“ der Fastnacht und die
„Geldbeutelwäsche“. Oft wurden diese Traditionen Ende des

  1. Jahrhunderts auch von den überall entstehenden
    Unterhaltungs und Vergnügungsvereinen,
    Theatergesellschaften, Turn und Gesangvereinen übernommen.

Die Naziherrschaft und der Zweite Weltkrieg bereiteten
vielen, ja fast allen Fastnachtsbräuchen, auch den vielen
Umzügen, ein bitteres Ende. Als in den ersten
Nachkriegsjahren die alten Vereinsfastnachter auch in der
Kurpfalz wieder ihre Mützen und Orden hervorkramten und
zahlreiche neue Vereine und Gesellschaften gründeten,
hatten sich für die Fastnachtsumzüge die Zeiten geändert.
Düsseldorf, Köln und Mainz setzten neue und andere
Maßstäbe, gefördert und kommerzialisiert durch Fernsehen
und Fremdenverkehr.

Nur wenige Fastnachtsumzüge in den großen Städten der
Region konnten sich halten. Damit starb diese Tradition
aber nicht aus. Sie verlagerte sich vielmehr in die
Gemeinden und Kleinstädte, in denen bis heute ebenso
rührige wie heimatverbundene Karnevalsvereine das närrische
Brauchtum pflegen und jedes Jahr zehntausende von Besucher
aus nah und fern begeistern  egal ob nun in Mechtersheim
oder Hockenheim, in LUOppau oder Schwetzingen, in Bellheim
oder, wie 1996 neu begründet, in Altlußheim.

Ein Freudenfest der Lichter

Kirrlacher Lichterhaus lockt viele Besucher / Einstimmung auf Weihnachten
Bunter Lichterglanz in der Adventszeit gilt bei jung und alt als die passende Einstimmung auf das nahende Weihnachtsfest. Überall in den Städten und Gemeinden stehen wundervolle Weihnachtsbäume auf Plätzen und vor öffentlichen Einrichtungen. Die Geschäftswelt trägt vielerorts mit vielfältigen Straßenbeleuchtungen zum stimmungsvollen Schmuck bei. Und die unzähligen Fenster der Häuser werden von Jahr zu Jahr mehr geziert von Leuchtern, Lichterketten oder auch rythmischen Lichtorgeln. Der Phantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. Weiterlesen

Martinstag mit alter Tradition

Martini wurde in der Pfalz auch als Fest des neuen Weins gefeiert
Landauf, landab gibt es in der Kurpfalz viele beliebte Traditionen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten aus dem Jahresablauf der Menschen an Rhein und Neckar nicht mehr wegzudenken sind. Zu den populärsten Volksbräuchen zählt vor allem der Martinstag. Seit Generationen ziehen am 11. November die Kinder durch die Straßen oder gehen von Haus zu Haus. Dabei schwenken sie stolz ihre ausgehöhlten Rüben, Kürbis oder Papierlaternen.
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Das neue Jahr mit Hörnerklang begegrüßt

Mit den Dilsberger Nachtwächtern durch die Silvesternacht
Die Sturmlaternen stehen blank geputzt auf dem holprigen Straßenpflaster, die selbst in der Dunkelheit blitzenden Hellebarden lehnen griffbereit an der Wand des Torturmes. Zwölf Nachtwächter richten noch ihre Hüte und bürsten die langen Umhänge glatt. Es ist Silvester, der letzte Tag im Jahr. Seit vielen Jahren schon erinnert man sich am 31. Dezember an die alte Tradition der Nachtwächter, die früher hoch oben auf dem Dilsberg ihren Dienst versahen. Heute begrüßen die Dilsberger Nachtwächter das neue Jahr.
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"Mannemer Eis uff de Mess"

Zu den größten Volksfesten in der Region zählt neben dem Brezelfest in Speyer, den Backfischfesten in Worms und Ketsch sowie dem „Amifest“ in Heidelberg vor allem die Mannheimer Maimess. Heute wie damals eine Attraktion für jung und alt. Heute längst zu einem Alltagsgericht geworden, war um die Jahrhundertwende das Speiseeis noch eine lang ersehnte Besonderheit. Kein Wunder also, daß gerade die Eisbuden einen Stammplatz auf den Volksfesten hatten. Weiterlesen

Das Speierer Armbrustschießen von 1529

Bereits im 16. Jahrhundert ging es in Speyer um die Brezel.
Anläßlich des dritten Brezelfestes faßte Emil Heuser 1913
Berichte über das Armbrustschießen aus dem Jahre 1529 zusammen:

Im Vorfrühling 1529 hatten die Bäcker der Freien Reichsstadt
Speier alle Hände voll zu tun, namentlich die Brezelbäcker; denn
viel fremdes Volk weilte in Speier, und es war noch Fastenzeit.
Ein Reichstag wurde wieder einmal in Speiers Mauern gehalten, und
Fürsten aus allen Gauen Deutschlands, weltliche und geistliche,
mußten sich deshalb in Speier einfinden.

Als einer der ersten war der hohe Fürst, der bei der Tagung den
Vorsitz zu führen hatte, in die Stadt eingeritten. Es war der
Bruder des Kaisers, König Ferdinand von Ungarn und Böhmen. Der
Kaiser  es war Karl V.  weilte meist in seinem Kronlande
Spanien oder in Italien und konnte sich um Deutschland nicht viel
kümmern. Er hatte darum die Regierungsgeschäfte für Deutschland
einem besonderen Statthalter übertragen, dem Pfalzgrafen
Friedrich (dem späteren Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz).

Dieser junge Wittelsbacher war ein Freund der Jagd und daher auch
der edlen Schießkunst. Die Anwesenheit der vielen Fremden von
Rang und Würde gab es ihm ein, zum Schluß des Reichstags ein
großes Armbrustschießen zu veranstalten und dazu die deutschen
Schützen einzuladen. Weit über 200 Schützen stellten sich in
Speier ein und natürlich taten auch die schießfreudigen Speierer
mit. Das Beste des Schießens stellte ein lebender Ochse dar, der
mit einer Decke von Tuch behängt war und einen Wert von 32 fl
hatte. Im übrigen waren Geldpreise ausgesetzt.

Das Armbrustschießen verlief in fröhlicher Weise. Leute zum
Zuschauen drängten sich beständig auf dem Schießplatz, und die
Brezelverkäufer machten gute Geschäfte. Das Volk weidete sich
daran, wie die hohen Herren mit den gemeinen Schützen aus dem
Bürgerstand um die Preise rangen. So oft die Scheibe gefehlt
ward, so oft kam der Pritschenmeister hervor und ahndete den
Fehlschuß, genannt Pritschenschuß, durch einen sanften Schlag mit
seiner Pritsche. Zugleich heischte er zwei Brezeln als Buße 
oder an deren Stelle zwei Kreutzer.

Als das Schießen beendigt und die Preise verteilt waren, wurde
noch ein Nachschießen für die Durchgefallenen angesagt. Als auch
das Nachschießen vorüber war, ereignete sich etwas Besonderes.
Ein wohlhabender, aber als geizig bekannter Bewohner der
Judengasse namens David stand in der vordersten Reihe der
Zuschauer. Ihm näherte sich der Pritschenmeister, den der
Pfalzgraf eigens für das Schießen hatte von Heidelberg kommen
lassen. Der betuchte David war unter allen in der Menge dazu
ausersehen, dem Pritschenmeister einen Tribut zu zahlen. Daß er
dazu nicht gutwillig bereit sein werde, wußten die Schützen im
voraus, und auch der Pritschenmeister war darauf vorbereitet.

Der Pritschenmeister bot dem Auserwählten zunächst sein
selbstverfaßtes Pritschenlied an und begehrte dafür einen Gulden.
Doch dem profitlichen Handelsmann war sein Gulden lieber, er
lehnte ab. Nun begann der Pritschenmeister das Gedicht laut
vorzutragen. Weiter als „… wer abkommen wäre mit
Pritschenschuß, hat baß mit zwo Brezeln zu zahlen die Buß!“ kam
er jedoch nicht. Wie der Handelsmann von den Brezeln hörte,
hoffte er auf gute Art davon zu kommen. Er unterbrach den
Pritschenmeister und rief nach dem Brezeljörg, um sich mit ein
paar Brezeln abzufinden. Doch die Brezelbuße galt nur für die
schlechten Schützen, nicht für das Opfer des derben Scherzes. Die
Schatzung ging höher als ein ganzer Korb voll Brezeln wert war.

Von zwei Gehilfen des Pritschenmeisters wurde der Mann
urplötzlich ergriffen und zum Schießberg geführt. Dort sprach man
ihm das Urteil, das lautete, daß er als Ziel dienen oder sich mit
zehn Gulden loskaufen müsse. Einige Schützen stellten sich nun im
Schießabstand vor der lebenden Scheibe auf, taten als wenn sie
die Armbrust schußfertig machten. Dann legte einer der Schützen
den Bolzen auf die Stechel und schlug an. Im nächsten Augenblick
schon war das Opfer des Scherzes nachgiebig geworden.

Der Mann versprach zu zahlen, jedoch nur so viel, als Pfalzgraf
Friedrich bestimmen werde. Lachend kam darauf der Pfalzgraf
herbei und bestimmte als Buße einen Gulden. Den zahlte der
Handelsmann mit saurer Miene dem Prischenmeister. Dieser
überreichte ihm dafür das Flugblatt mit dem Gedicht.

Nach dem Feste taten sich Speierer Bürger, die am
Armbrustschießen beteiligt gewesen waren, zusammen und gründeten
eine Schützengesellschaft, die nämliche, die noch heute besteht
und sich vor kurzem eine neue Schießstätte bei der Waldeslust
geschaffen hat.“

Quelle: unbekannt

Kennen Sie die Brezelchristine und den Brezelferdinand?

Als „Schutzpatrone“ des traditionellen Brezelfestes in Speyer
gelten seit jeher die Brezelchristine und der Brezelferdinand. Wer
oder was aber versteckt sich hinter beiden Begriffen? Schon 1914
schrieb dazu Dr. Richard Mandler in der BrezelfestFestschrift:

„Alte Speyerer erinnern sich mit Vergnügen an eine ganze Reihe
Originale, die eine komische oder auch tragikkomische Rolle im
öffentlichen Straßenleben spielten. Meist waren das Spitäler, die
einen Sparren zu viel oder zwei zu wenig hatten; war das nicht
der Fall, dann dichtete man ihnen einen an, der an Größe und
Absonderlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Mit der Zeit
schwätzte sich der Volksmund einen Kranz von Schnurren und
Legenden um diese Originale zusammen, in dem man Dichtung und
Wahrheit nicht mehr unterscheiden konnte.

So ist es auch den Schutzpatronen der Speyerer Brezelbubenzunft
ergangen, der Brezelchristine und dem Brezelferdinand. Die Lust
zum Fabulieren ging schließlich so weit, daß die beiden Gestalten
mit ihren Brezelkörben zu nebelhaften Geistern verklärt am
Brezelfesthimmel herumschwebten.

Besonders die Brezelchristine ist so zu Ehren gekommen, von denen
sie sich in ihrem armseligen Leben sicher nichts hat träumen
lassen. Man hat sie kurzerhand zu einer Art Schutzheiligen des
Festes erhaben, gegen deren Bedeutung der Ahnherr der
Brezelbuben, der Brezelferdinand, nicht mehr viel zu bestellen
hat, wenngleich auch er in der Speyerer Brezeltradition seinen
Platz immer noch zu behaupten weiß.

Außerdem ist er am Domportal, linker Hand, in Stein gehauen und
lebt so als Denkmal fort. Zwischen Engeln und Heiligen kauert er
da und hält eine Brezel in der Rechten. Mit der Linken greift er
sich an den Hals und dazu macht er ein Gesicht, als wollte er
sagen: ‚Herrjeh, ich hab jo gar ken Krage an!‘ Barfuß ist er
auch; vielleicht hat sich der Bildhauer gedacht, daß ein
Brezelbub seine Schuhe ausziehen muß, wenn er geweihten Boden
betritt.

Aber er noch auf Erden wandelte hieß er Ferdinand Hellmuth und
war ein ordentlicher, braver Familienvater, der seinen ‚Stall
voll‘ Kinder treu und redlich aus dem ernährte, was sein
Brezelkorb abwarf. Er wohnte in der Mönchsgasse hinter der
früheren Herberge ‚Zum roten Löwen‘ und verfügte als waschechter
Speyerer über eine Urwüchsigkeit, die ihn bekannt und beliebt
machte.

Und nun aber auch auf die Christine zurückzukommen: sie ist
ebenso historisch wie der Ferdinand. Alte Speyerer, die auf Sitte
und Wohlanständigkeit bedacht sind und sie noch gekannt haben,
zeigen sich von ihrem Lebenswandel nicht sehr erbaut. Richtig ist
daran jedenfalls, daß sie in ihren alten Tagen noch von galanten
Jugendeseleien schwärmte, die sie begangen haben wollte, als sie
noch jung, schön und knusperig gewesen. Das mußte aber schon sehr
lange her gewesen sein.

Geboren wurde sie in der Perle der Pfalz, in Neustadt, und zwar
am 2. März 1840. Sie scheint schon frühzeitig nach Speyer geraten
zu sein und soll sich erst mit dem Verkauf von Würstchen ihren
Lebensunterhalt verdient haben. Ihr Name war Christine Kuhn,
genannt Ginster. Sie wohnte in den verschiedensten Vierteln der
Stadt, zuletzt in der Herdgasse und starb, noch ledigen Standes,
am 11. Februar 1906.

Ihren Stammplatz als Brezelverkäuferin hatte sie, in der letzten
Zeit wenigstens, am Eingang der ‚Sonne‘. Zur Berühmtheit wurde
sie aber erst richtig, als ihr schon längst kein Zahn mehr weh
tat, nämlich durch das Brezelfest, das 1910 zum erstenmal
begangen wurde. In den Festzügen wirkte sie regelmäßig mit, indem
sie als ausgestopfte Puppe hoch auf einem Festwagen thronte.

Auch in diesem Jahre wird sie beim Brezelfest zugegen sein, aber
nicht ausgestopft, sondern lebendig. Der Festausschuß hat sie zum
Leben erweckt. Vielleicht wacht auch der Ferdinand wieder auf und
ruft im Chor mit allen Brezelbuben und frauen: ‚Frische Brezle,
meine Herre, frische Brezle!'“

Quelle: unbekannt