Mauern, in denen sich Weltgeschichte ereignete

Ein Blick in die Geschichte von Speyer
Vor allem dem Besucher, der sich von der badischen, der gegenüberliegenden Rheinseite der Stadt Speyer nähert, bietet sich ein grandioser Anblick: Schon von Ferne taucht der mächtige Kaiserdom am Horizont auf, längst bevor sonst etwas von der Stadt zu sehen ist. Im elften Jahrhundert, bis zum Bau der großen Abteikirche von Cluny, war dieser Dom das größte Gotteshaus der Christenheit. In seiner Krypta ruhen acht deutsche Kaiser und Könige. 1990 feierte Speyer sein 2.000-jähriges Bestehen. Die Geschichte der Stadt ist eng mit der fast 1.000-jährigen Geschichte des Doms verbunden  und der Dom ist auch heute noch das Herz der Stadt. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt, daß Speyer mehr ist als der Dom und schon gar nicht der Ausspruch mancher Spötter gilt: „Wenn Speyer nicht die toten Kaiser hätte, dann wäre kein Leben in der Stadt.“ Weiterlesen

„Die Pfalz bracht er in guten Stand“

An der südlichen Chorwand der Stiftskirche in Neustadt an der
Weinstraße steht ein großer, hoher DoppelGrabstein für Kurfürst
Ruprecht I. von der Pfalz und für seine Gemahlin Beatrix. Der
Kurfürst starb am 13. Februar 1390 und wurde noch vor der Weihe
des Gotteshauses in der Mitte des Chores, also an besonders
bemerkenswerter Stelle, beigesetzt. Doch dies allein ist nicht
der Anlaß, warum wir uns hier im Badischen und wie in der Pfalz
dieses Kurfürsten aus dem 14. Jahrhundert noch immer erinnern.
Dafür gibt es gleich zwei gewichtige Gründe.

Als Ruprecht anno 1319, erst zehnjährig, zusammen mit einem
älteren Bruder und einem „Brudersohn“ (Cousin) gleichen Namens,
in den Besitz seines väterlichen Erbes kam, ging damit ein
Bruderstreit im Hause Wittelsbach zu Ende. Abgespielt hatte sich
dieser Krach zwischen Ruprechts Vater, Kurfürst Rudolf I., und
König Ludwig dem Bayer. Der Bayer hatte zuletzt die gesamten
wittelsbachischen Lande in der Hand gehabt, gestand jedoch 1329
durch den Hausvertrag von Pavia den Nachkommen seines Bruders die
„Pfalz by Rhin“ wieder zu, samt den Gebieten im Nordosten des
bayerischen Herrschaftsgebietes, die daraufhin den Namen Oberpfalz
erhielten. Damit waren Bayern und die Pfalz bis Ende des 18.
Jahrhunderts getrennt, und es gab fortan eine ältere (pfälzische)
und eine jüngere (bayerische) Linie der Wittelsbacher.

Das Glück begünstigte den jüngeren Ruprecht aber auch noch
weiterhin, denn 1353 starb sein älterer Bruder und Mitregent der
Pfalz, so daß Ruprecht alleiniger Landesherr wurde. Schon 1356
bestätigte Kaiser Karl IV. durch die Goldene Bulle die erbliche
Kurwürde für den Pfälzer und sein Haus, das damit die bayerische
Linie der Wittelsbacher an politischer Macht und auch an Ansehen
überflügelte  zumal der pfälzische Kurfürst als Erztruchseß das
vornehmste weltliche Reichsamt ausübte.

Nun konnte Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz ungehindert und mit
kaiserlichem Wohlwollen sein Territorium abrunden und
konsolidieren. So erwarb er beispielsweise die Grafschaft
Zweibrücken, faßte weitverstreute Besitzungen und Rechtsansprüche
zu einem stattlichen Fürstenbesitz zusammen und machte damit ein
Sprüchlein wahr, das kurz und lakonisch die Erfolge des
Kurfürsten und des Menschen Ruprecht umreißt. Es befindet sich
auf einem Bildnis, das den Kurfürsten mit seinen zwei Frauen,
Elisabeth und Beatrix, zeigt und lautet: „Ruprecht, den man den
rothen nannt/Die Pfalz bracht er in guten Stand/Zwo Fürstin warn
ihm außerkorn/Von Naumur und von Berg geborn“.

Mit seiner Politik unterstützte Ruprecht I. den Kaiser Karl IV.
und trat auch für die Wahl des nächsten Thronanwärters aus dem
Hause Luxemburg, für Karls Sohn Wenzel, ein. Aber noch auf einem
anderen Gebiet wollte er es Karl IV. gleichtun. Hatte dieser 1348
die erste Universität im damals noch vorwiegend deutschen Prag
gegründet, so gründete der Pfälzer 1386 die Universität von
Heidelberg, die heute als die älteste Einrichtung dieser Art in
Deutschland gelten darf.

Vorausgegangen war das große abendländische Schisma. Während die
Deutschen den römischen Papst Urban VI. anerkannten, hielten es
die Franzosen mit dem in Avignon residierenden Gegenpapst Clemens
VII.. Dieser Entscheidung schloß sich auch die Universität von
Paris an. Daraufhin verließen die meisten deutschen Studenten
Paris, ebenso die Professoren, unter ihnen so namhafte Gelehrte
wie Konrad von Gelnhausen und Marsilius von Inghen.

Beide beauftragte Kurfürst Ruprecht I. damit, in Heidelberg nach
dem Pariser Muster ein Generalstudium einzurichten, aus dem nach
der kirchlichen Genehmigung durch Papst Urban VI. am 26. Juni
1386 die Universität Heidelberg hervorging. Die päpstliche Bulle
hatte der Kurfürst auf der Burg Wersau (bei Reilingen) vom
römischen Gesandten entgegengenommen. So wurde Heidelberg zum
geistigen Mittelpunkt des Landes, ja ganz Deutschlands. Eine
glückliche Hand bewies Ruprecht mit der Wahl des Niederländers
Marsilius von Inghen zum ersten Rektor seiner Universität. Dieser
Mann war Gelehrter, Hochschullehrer und Organisator in einer
Person  und „einer der größten Anreger und Geistesvermittler
jener schicksalhaften Epoche“.

Damit begann, während sich die Biographie ihres Gründers dem Ende
zuneigt, die nunmehr über sechs Jahrhunderte reichende Geschichte
seiner Heidelberger Universität, der „Rupertina“. Seit ihrer
Neuordnung durch das 13. Organisationsedikts des badischen
Kurfürsten und späteren Großherzogs Karl Friedrich im Jahre 1803
führt die Universität die Doppelbezeichnung „RupertoCarola“ und
gedenkt so dankbar des Gründers und des Erneuerers.

Aus: Konradsblatt, Februar 1990, Hans Leopold Zollner

Mannheimer Warenhäuser verändern Stadtbild

Revolutionär in Baustil, Warenangebot und Verkaufsmethode
Die Kurpfalzmetropole Mannheim hatte schon immer einen guten Ruf als bedeutende Einkaufsmetropole. Begründet wurde dieser aber nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern bereits um die Jahrhundertwende. Um diese Zeit entstanden in der Quadratestadt neben den alteingesessenen namhaften Einzelhandelsgeschäften die ersten großen Warenhäuser. Neu an dieser aus den USA stammenden Idee war, daß eine großes Warenvielfalt zu erstaunlich kleinen Preisen angeboten werden konnte. Auch rein äußerlich veränderte sich dadurch das Mannheimer Stadtbild. Die Architektur dieser Warenhäuser war zum Teil revolutionär und ging neue Wege. Weiterlesen

Selbst Goethe war vom Zauber der Alten Brücke gefangen

Die herrschaftliche Pose des steinernen Kurfürsten Carl Theodor
an der Alten Brücke in Heidelberg sticht schon von der Ferne ins
Auge. Gebieterisch ragt die vorgestreckte Hand mit dem
Kommandostab hervor, kühn wirkt das leicht vorgestellte Bein,
erhaben erscheint die aufrechte Haltung. Das mit wallender
Perücke geschmückte Haupt ist würdevoll gen Brückentor und Stadt
gerichtet  so, als wolle die Statue den Heidelberger mitteilen:
„Seht, wer der Bauherr eurer Brücke ist“. Und dennoch: Die
wenigsten Bürger nennen das  neben dem Schloß und der
HeiligGeistKirche  wohl schönste Bauwerk der Stadt bei dem
Namen, der einst zu Ehren des stolzen Landesfürsten gewählt
wurde, nämlich „Carl-Theodor-Brücke“.

Einer Entschließung des Kurfürsten aus dem Jahr 1785 ist es zu
verdanken, daß sich heute dieses Bauwerk von formvollendeter
spätbarocker Schönheit über den Neckar spannt. Carl Theodor war
es, der nach der Zerstörung einer Holzbrücke im Eishochwasserjahr
1784 befahl, an der gleichen Stelle auf die „noch brauchbaren
Pfeiler an der Steingaß bis an das einseitige Bergufer eine ganz
steinerne Brücke völlig aus guten gesunden Quardern“ zu errichten
und bereitete damit den langen Diskussionen um eine Verlegung der
Brücke (oder einem erneuten Holzbau) ein Ende.

Einiges Aufsehen erregte damals die Entscheidung des
Landesfürsten, trotz der Angebote hochrangiger Fachleute einen in
untergeordneter Stellung arbeitenden Bauinspektor namens Mathias
Mayer mit dem Projekt zu beauftragen. Mayer trat den Gutachten
renommierter Sachverständiger entgegen, die behaupteten, die
alten Steinpfeiler der zerstörten Holzbrücke könnten nicht mehr
weiterverwendet werden.

Der Kurfürst schenkte den Plänen Mayers sein Vertrauen, und er
fuhr mit dieser Entscheidung mehr als gut. Mayer verwirklichte
mit dem Bau der Alten Brücke ein Kunstwerk, sagen heute die
Kunsthistoriker. Die Gliederung in Dreierrhythmen (drei
aufsteigende, drei absteigende, drei gerade Bögen) verleihen
diesem Denkmal am Endpunkt der Entwicklung des klassischen
Brückenbaus eine grazile Leichtigkeit, einen eleganten Schwung.
Von hohem Reiz ist das Erscheinungsbild der Brücke in der
Landschaft. Das Bauwerk scheint mit der Umgebung der Berge, mit
dem Neckar und der Stadt in einer Farbkomposition, ja einem
ganzen Gemälde zu verschmelzen. Und dieser Eindruck verstärkt
sich beim Blick vom Philosophenweg über das Tal.

Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, der vom 1781
fertiggestellten Karlstor flußabwärts blickte, schrieb 1797 ins
Tagebuch: „Die Brücke zeigt sich von hier aus in einer Schönheit,
wie vielleicht keine Brücke der Welt. Durch die Bogen sieht man
den Neckar nach den flachen Rheingegenden fließen und über ihr
die lichtblauen Gebirge jenseits des Rheins in der Ferne. An der
rechten Seite schließt ein bewachsener Fels mit röthlichen Seiten,
der sich mit der Region der Weinberge verbindet, die Aussicht.“

Auch Gottfried Keller ließ die Schönheit der Brücke nicht
unbeeindruckt. Für den Studenten entwickelte sich die Brücke zum
Leidensweg zur Geliebten, die seine Zuneigung nicht erwiderte.
Und Clemens Brentano erzählt vom „Dialogus“ der
Brückenstandbilder Athene (Minerva) und Carl Theodor. Die Alte
Brücke hat also auch in der Literaturgeschichte ihren Platz gefunden.

Ihren festen Standort am Austritt des Neckars aus dem Odenwald
besitzt die Brücke  womit jetzt nicht die Alte Brücke, sondern
deren Urahne gemeint ist  schon im Mittelalter. Im Jahr 1284
wurde ein Bauwerk an dieser Stelle erstmals erwähnt. Heidelberg
selbst taucht in einer Urkunde des Jahres 1196 zum ersten Mal
auf. Offenbar wurde die Brücke im 13. Jahrhundert gebaut, um
einen Neckarübergang für das Zisterzienserkloster Schönau zu
schaffen.

Gleich sieben von acht Brücken, allesamt aus Holz, fielen in den
500 Jahren zwischen 1284 und 1784 dem reißenden Neckarhochwasser
zum Opfer oder wurden durch Eisgang zerstört. Lediglich die
siebte Überführung stürzte aus einem anderen Grund zusammen:
Diese Brücke, die noch den Turm mit dem legendären „Heidelberger
Affen“ am nördlichen Ufer besaß, der dem Betrachter mit dem Griff
zum Hintern einen „kurpfälzischen Gruß“ widmete, wurde 1689 im
OrléanschenPfälzischen Erbfolgekrieg vernichtet.

Die unmittelbare Vorgängerin der Alten Brücke war die
Nepomukbrücke mit der Statue des heiligen Johannes von Nepomuk.
Am 27. Februar 1784 türmten sich vor dem Bauwerk mehrere
übereinanderliegende Eisschichten. Das Hochwasser brachte
Bewegung ins Eis, und die Brücke wurde mit den Fluten
fortgerissen. Der reißende Strom überschwemmte dann die Altstadt,
sogar ein großes Schiff wurde nach alten Berichten bis zur
Hauptstraße hochgetrieben. Die Nepomukfigur konnte gerettet
werden  sie hat heute in einer Uferanlage neben der Alten Brücke
ihren Platz.

Die feierliche Aufstellung einer anderen Statue, nämlich der des
Kurfürsten Carl Theodors, steht am 9. April 1788 gewissermaßen
für die offizielle Einweihung der Alten Brücke. Der Kurfürst war
von Brücke und Statue so angetan, daß er gleich empfahl, auf der
anderen Seite ein Gegenbildnis zu setzen. Es folgte so 1790 die
Aufstellung der Minerva, die als Göttin der Weisheit und
unzähliger Künste gilt. Beide Standbilder wurden vom
kurpfälzischen Hofbildhauer Conrad Linck geschaffen.

Im 18. und 19. Jahrhundert drohte der Alten Brücke zweimal die
Gefahr der Zerstörung: Dem Ansturm der französischen
Revolutionstruppen konnte 1799 das österreichische Ulanenregiment
Fürst Schwarzenberg aber trotzen. 1849, während der badischen
Revolution, wurde die Sprengung der Brücke durch eine Mine gerade
noch vereitelt.

Fast 100 Jahre später, am 29. März 1945, fiel ein Teil der Brücke
dann doch: Auf Befehl der Nazis wurde wenige Tage vor Kriegsende
ein großes Stück des Bauwerkes weggesprengt, um den Amerikanern
den Einzug in Heidelberg zu verwehren. Es war ein völlig
sinnloses Unternehmen, denn wenige Stunden nach der Sprengung
marschierten die Amerikaner bereits durch die Gassen der
Altstadt. Eine Spendenaktion unter der Bevölkerung ermöglichte
aber schon 1946/47 den Wiederaufbau.

Eine wichtige Rolle in der Geschichte des Bauwerkes spielt
natürlich auch das schmucke Brückentor, das viel älter als die
Alte Brücke ist. In einer Urform erscheint das doppeltürmige Tor
schon 1526 auf Sebastian Münsters kleinen Holzschnitt zum
„Calendarium Hebraicum“. Das im Gegensatz zu den Holzbrücken nie
zerstörte Tor diente nach dem Bau der Steinbrücke zeitweilig als
Gefängnis, heute gibt es dort eine Wohnung mit einem bekannten
Künstlertreff.

Die Alte Brücke ist heute ein nicht mehr wegzudenkendes Stück
Heidelberg und damit auch untrennbar mit der wechselvollen
Geschichte der Kurpfalz verbunden.

Aus: BNN, 9.4.1988, Klaus Willimek

Die Rennstadt Hockenheim in einer Darstellung von 1933

Der Name Hockenheim war vor Jahren den meisten eine unbekannte
Größe. Es hieß schon viel, wenn man wußte, daß dieses Städtchen
in der Rheinebene an der Eisenbahnstrecke
MannheimSchwetzingenKarlsruhe lag. Ab und zu erzählten sich
auch die Autofahrer von den sprichwörtlich schlechten Straßen,
die dort anzutreffen sind.

Das alles ist sozusagen über Nacht anders geworden. Der Name
Hockenheim hat einen bedeutenden Klang bekommen und das Negative
hat sich in Positives verwandelt. Man weiß heute allgemein, daß
die Stadt Hockenheim in Unterbaden eine der aufstrebendsten und
ehrgeizigsten Stadtgemeinden ist, die an Propagandatüchtigkeit
dem benachbarten Schwetzingen in nichts nachsteht. Wie kein
zweiter Ort hat es verstanden, aus seiner nicht gerade
begünstigten Lage Kapital zu schlagen.

In der Zeit der schwersten wirtschaftlichen Krise hat es sich
emporgerungen und einen Optimismus an den Tag gelegt, der auf
einer gesunden, von mustergültiger Finanzwirtschaft getragenen
Spekulation ruhte und den Beweis lieferte, daß Tüchtigkeit und
Initiative auch über das Trotzdem der schlechten Zeiten Herr
werden können. Die große, bereits bei dem internationalen
Motorradsport eingeführte Dreiecksbahn ist der letzte und
bekannteste Trumpf, den Hockenheim ausspielte.

Aber diese ihm heute bereits von vielen Städten beneidete
Rennbahn wurde ihm nicht geschenkt, sondern es hat sie in einem
langen Kampf gegen Vorurteile, Behörden und Rivalen erkämpft. Sie
war eine eigene Idee, von Hockenheimer Sportleuten angeregt und
von der Stadtverwaltung Hockenheim sofort aufgenommen und
fruchtbar gemacht. Die gute Finanzlage der Stadt war die
Voraussetzung, daß man an ein solches, immerhin gewagtes Projekt
denken und an seine Ausführung gehen konnte.

Über 80.000 RM wurden im ersten Jahr für den Bau und die ersten
Anlagen der Rennbahn verwirtschaftet, sodaß sich denken läßt, mit
welcher Spannung man den Ausgang des ersten Rennens im Vorjahr
abwartete. Daß das Rennen mit einem Massenbesuch von 50.000
Menschen glänzend absolviert wurde, und für Hockenheim einen
Ehren und Ruhmestag in seiner Entwicklung brachte, verlieh der
Stadt nur neue Schwungkraft und Aktivität und lenkte plötzlich
die Aufmerksamkeit der gesamten Sport und Verkehrswelt auf den
sich vorbringenden Neuling.

Und heute (gemeint ist 1933) sucht man mit größtem Interesse
seine Karriere zu begreifen. Es ist nicht so, daß Hockenheim die
Jahre hindurch einen Dornröschenschlaf gehalten hat und nun wie
im Märchen aufgewacht wäre. Unermüdliche Arbeit an sich selbst,
Ausnützung aller Gelegenheiten und das Schritthalten mit der Zeit
hatten das Dorf des vorigen Jahrhunderts in die Höhe gebracht und
ihm im Jahre 1895 den Stadttitel eingetragen.

Die Schwelle dieser Entwicklung sind die 70er Jahre, als die von
Mannheim kommende Tabakindustrie in dem ärmlichen Dorf ihren
Einzug hielt und in den nachfolgenden Gründungsjahren Fabrik auf
Fabrik entstehen ließ. Was der Fabrikation den Anreiz zur
Niederlassung gab, war der glückliche Umstand, daß auf der
Hockenheimer Gemarkung der Tabakbau schon seit dem
merkantilistischen Zeitalter ansässig war und Erzeugung und
Verarbeitung eine praktische Synthese bildeten.

Heute ist Hockenheim mit 16 Betrieben und über 1.150
Tabakarbeitern der führende Tabakindustrieort im Lande Baden und
seine Zigarren sind in der ganzen Welt als Markenware bekannt.
Die Krisenjahre dieser Industrie, die der Schlüssel des gesamten
Wirtschaftsleben der Stadt sind, haben im letzten Jahr an die
Widerstandskraft der Stadt die schwerste Belastungsprobe
gestellt, wozu noch die Ausrangierung eines Großteils seiner
Arbeiter aus dem Mannheimer Industriegebiet hinzukam.

Es ist erstaunlich, wie sich Hockenheim trotz der für seine Größe
enorm hohen Wohlfahrtsaufwendungen, die heute 350.000 RM
betragen, nicht nur über Wasser halten, sondern noch erhebliche
Aktiva machen kann und seinen Arbeitslosen, wo es auch nur geht,
Verdienstmöglichkeiten zu bieten versteht. So ist Hockenheim im
wahrsten Sinne des Wortes eine Arbeits und Arbeiterstadt mit
einem kraftvollen Organismus, der zukunfts und ausdehnungsfähig
ist.

Mit vor zehn Jahren noch 7.899 Einwohnern, steht es heute an der
10.000Grenze. Fleiß, Arbeit und Sparsamkeit sind die tragfähigen
Fundamente dieser Arbeiterstadt, in der es so gut wie noch keine
Villen gibt, keine Monumentalbauten mit Ausnahme der beiden
Kirchen und des Wasserturms, der Sinnbilder der einfachen und
tiefsten Bedürfnisse des Menschen. Noch lebt Hockenheim ganz in
der bäuerlichen Atmosphäre und zwischen der handgebundenen
Zigarrenindustrie und der Landwirtschaft besteht keine große
Distanz.

Das Herüber und Hinüberwechseln sind das Gegebene, was die
bäuerliche Parzellenwirtschaft leicht gestattet. Die
Parzellierung drückt sich auch in der Aufteilung der Bauflächen
und der Hausgrößen aus. Der Großteil der Stadt besteht aus
bescheidenen Straßenzügen mit kleinen, spitzgiebeligen Häusern,
die sich in langen Ketten und einheitlicher Bauweise von der
durch die Kirchen, Fabriken, öffentlichen Gebäuden und einigen
Geschäftshäusern städtisch betonten Stadtmitte in die Ebene
hineinschieben. Sie tragen einen ausgesprochenen Dorf und
Siedlungscharakter, der der Stadt einen heiteren ländlichen Zug
verleiht.

Ein Beweis, daß die Stadt nicht auf ein größeres Hinterland zu
rechnen hat, und fast ganz auf sich gestellt ist, sind im
Vergleich zu anderen Städten (Schwetzingen, Wiesloch, Bruchsal,
Bretten) die verhältnismäßig geschäftsarmen Straßen: ein
ausgeprägtes Ladenleben ist nur in der Karlsruher, oberen und
unteren Hauptstraße formuliert. So hat sich der Handwerker und
Gewerbestand nicht übertrieben entwickelt und hat sich seine
Stellung als Mittel und Zwischenstand von Arbeiter und
Bauernschaft erhalten können.

Heute, wo man die Wiedergenesung Deutschlands in der
Landwirtschaft sucht, kann man in Hockenheim erfreulich
feststellen, daß das Land und die Scholle in dieser Stadt einen
großen Nährraum ausfüllen. Außer dem Tabakbau, der jährlich
nahezu 3.000 Zentner Tabak liefert, steht der Spargelbau, der im
Wasserturm, dem Hockenheimer Riesenspargel, die Reklame hat, in
großer Blüte und hat sich auf den Großmärkten durch seine
Qualitätserzeugnisse einen Namen geschaffen.

Wenn auch der Boden der Hockenheimer Gemarkung meistenteils aus
Sand besteht, und die Natur ihm wenig Reize verliehen hat,
Hockenheim versteht es aus dem FF, aus diesem Sand Gold zu sieben
und sich selbst seines Glückes Schmied zu sein.

Aus: Konrad Litterer, Lokale Nachrichten, 19.5.1933

Unvergleichliches Heidelberg

Alt Heidelberg du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine,
Keine andere kommt dir gleich
(J. V. v. Scheffel.)
Wem schlägt nicht das Herz höher beim Worte “Heidelberg”, wen zieht’s nicht hin mit allen Mächten der Sehnsucht zu der Königin deutscher Musenstädte, die residiert in der schönsten der schönen Landschaften Germaniens? Von Jahr zu Jahr huldigen ihr Hunderttausende aus aller Herren Länder in unversieglicher Begeisterung. Heidelberg ist das Mekka der Schönheitssucher in Gottes weitem Garten. Berg und Tal, Wald und Feld, Strom und Bach, Paläste und heimelige Häuslein, stolze Plätze, schmale, lauschige Gassen, unvergleichliche Denkmäler der Vergangenheit und neuzeitliche, bedeutungsvolle Schöpfungen, überwältigende Romantik und zarteste Lyrik, hohe Kunst und hehre Wissenschaft, geistvoller Ernst und ausgelassenste Fröhlichkeit, traute Schenken, würziger Wein und schäumendes Bier, herzliebe Mädel, lustige Kumpane sind hier vereinigt zu einem köstlichen Gemisch.
“Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.”
(Scheffel.)
Schaue an der Brüstung der Molkenkur auf dies wunderbare Stück Erde. Zwischen zwei dichtbewaldeten Bergkuppen ruht ein lachendes Tal. Drin wälzt der Neckar seine grüne Flut. Auf dem leichten Wellengekräusel hüpft das Spiegelbild einer einzigartigen Stadt. Am linken Ufer reiht sich, eng und schmal, zwischen Fluß und Berg, das Dächergewirr der Altstadt in langer, langer Strecke aneinander. Machtvoll streben Halle und Turm der Heiliggeistkirche in formenschön Spätgotik darüber hinweg. Am andern Ufer folgen dem Wasserlaufe, hart an den Fuß des Heiligenberges geschmiegt, prächtige Villen, vornehme Wohngebäude. Über den Neckar schreiten die gleichmäßigen steinernen Bogen der alten Brücke, die Goethe eine der schönsten nannte. Aus dem in die Altstadt hineindringenden Blättermeer des Schloßberges ragt in den blauen Aether gigantisch auf die deutsche Alhambra: das majestätische Heidelberger Schloß. Nur schwer scheidet der Blick und schweift nach Westen, dahin, wo das Tal geweitet, wo in der breit gelagerten Rheinebene des Neckars geschlängelter Lauf in der Ferne verloren geht. Einem überquellenden Füllhorne gleich ergießen sich neue Stadtteile  vereint durch die Friedrichsbrücke  aus dem engen Flußtale hinaus in die Ebene und entlang der Bergstraße. Ganz draußen am Rheinstrom schimmern aus sonnig zarten Schleiern die Riesenschlote der Rheinau, flimmern die ernsten Umrisse des Kaiserdomes zu Speyer, leuchten die violetten Kuppen der Hardt.
Reich, wie die Schönheiten der Natur, sind die denkwürdigen Erinnerungen Heidelbergs. Im 12. Jahrhundert errichtete ein unbekannt Gebliebener die erste Burg auf dem Jettenbühl und ein Vorwerk auf dem Gaisberg. Im Schutze der Burg vergrößerte und entwickelte sich die spärliche Ansiedelung im Tal zu einem ordentlichen Gemeinwesen, das dem Bistum Worms gehört haben muß, denn 1225 gab Bischof Heinrich von Worms die Feste Heidelberg mitsamt der Ortschaft dem Pfalzgrafen Ludwig I. von Bayern als Leben, der sie zu seiner Residenz erkor.
Anfangs des 14. Jahrhunderts wurde die Pfalz von Bayern getrennt. Der erste Kurfürst der Kurpfalz, Ruprecht I., wählte Heidelberg wiederum zur Residenz. Dieser geistvolle Herrscher gründete 1386 die Universität, die nach Prag und Wien die älteste deutsche Hochschule war und bald zu hoher Berühmtheit gelangte.
Glanzvolle Tage rauschten über AltHeidelberg dahin. Zur Zeit der Renaissance wetteiferten Kurfürsten und Bürgerschaft in der Entfaltung fleißiger Bautätigkeit. 15501610 entstanden unter den Kurfürsten Friedrich II., Otto Heinrich und Friedrich IV. die wunderbaren Renaissancepaläste: der gläserne Saalbau, der OttHeinrichsbau und der Friedrichsbau.
Um 1610 stand das Schloß in vollstem Glanz inmitten feenhafter Luxusgärten, die der „Winterkönig“, Friedrich V., seiner Gemahlin zu Ehren hatte anlegen lassen. Die pfälzische Residenz zählte ungefähr 6000 Einwohner und war das Muster einer schmucken, mittelalterlichen Stadt mit prächtigen öffentlichen und privaten Bauten.
Da nahten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Tilly, der schon nahezu die ganze Pfalz erobert hatte, trat 1622 mit Feuer und Schwert auf. Trotz tapferer Gegenwehr war nach einigen Monaten Belagerung Stadt und Schloß in seiner Macht. Die protestantischen Universitätslehrer wurden vertrieben, die berühmte Universitätsbibliothek wanderte zur größten Betrübnis der Heidelberger nach Rom.
Nur zehn Jahre lang besaßen die Kaiserlichen Heidelberg, dann eroberten die Schweden Schloß und Stadt. Zwei Jahre später, 1635, gelang den Kaiserlichen die Rückeroberung. Des Winterkönigs Sohn Karl Ludwig, der 1649 zur Regierung gelangte, richtete die Universität wieder ein und suchte nach besten Kräften Wunden, die der Krieg geschlagen, zu heilen. Aber noch hatte die Stadt das schlimmste nicht überstanden: den Befehl Ludwigs XIV.: “Brûlez le Palatinat!“ An den wunderbar ornamentierten Fassaden des Schlosses schlugen 1689 die Flammen empor. Kräftige Minen zerrissen das Mauerwerk. Der rote Hahn hüpfte von Haus zu Haus. Heidelberg und die Pfalz waren eine Wüste. Ludwig XIV. aber ließ ein feierliches Tedeum halten und eine Denkmünze prägte er: „Heidelberga deleta“, sein Bild und “Ludovicus Magnus, rex Christianissimus“!
An der Schwelle des 17. Jahrhunderte zog wohltätiger Friede durch die Lande, den die Bürgerschaft, immerwährender Religionszwiste wegen, jedoch nicht vollkommen genießen konnte. Zwar wurde die Stadt nach dem alten Lageplan wieder aufgebaut, Herrscher besserten an den Schloßüberresten dies und das aber der Glanz der Kurfürstenresidenz war und blieb verblichen. Der katholische Kurfürst Karl Philipp verlegte, des Streites der protestantischen Bürgerschaft müde, 1720 den Hof und gesamte Regierung nach Mannheim. Die Universität, die unter mißlichen Verhältnissen schwer gelitten hatte, sank fast zur Bedeutungslosigkeit herab. Der gute Wille des nächsten Kurfürsten Karl Theodor, der Stadt zu helfen, Handel und Wandel zu heben, Industrie einzuführen, hatte geringen Erfolg. Seine Absicht, dem von ihm wiederhergestellten Teile des Schlosses dann und wo zu residieren, durchkreuzten des Himmels Mächte. Ein Blitzstrahl schlug 1764 zu Trümmern, was Ludwigs XIV. General Melac übrig gelassen und die Kurfürsten nach dessen Schreckenstaten wieder geschaffen hatten.
Vernichtet waren die Hoffnungen der Heidelberger. Zähneknirschende Unzufriedenheit, Sorge, revolutionäre Gesinnung schritten durch die freudenleeren Straßen der vom Schicksal den Staub gepeitschten Stadt. Jeder neunzehnte Pfälzer soll damals ein Bettler gewesen sein. Da trat das 19. Jahrhundert durch die verlotterten Tore, gefolgt von der segenspendenden Glücksgöttin. Heidelberg und die rechtsrheinische Kurpfalz fielen 1803 an Baden, dessen Herrscher Karl Friedrich schon im gleichen Jahre der verwahrlosten Universität durch fürstliche Dotation neues Leben gab. Und neues Leben sproß allüberall auf. Die Hochschule gewann bald den ehemaligen Ruhm, weit über Deutschland, zurück. Die berühmtesten Gelehrten des 20. Jahrhunde saßen und sitzen heute noch auf den Lehrstühlen. Das Institut für experimentelle Krebsforschung ist einzig in seiner Art. Ueber 170 Dozenten und mehr als 2500 Studenten gehören gegenwärtig der „Ruperto Carola“ an.
Ansichten und Neigungen ändern sich. Fand man in launigen Zopfzeit die gleichmäßige Ebene und zierlich zugestutzte Gartenkunstwerke lieblich und schön, so hatten die Romantiker mehr Sinn für die Natur in ihrer reinen Ursprünglichkeit. Heidelberg mit den grünumrankten Burgtrümmern galt jetzt als Ideal landschaftlicher Schönheit. Tausende und Abertausende suchten dieses Ideal. Seit es Eisenbahnen und Dampfboote gibt, seit das Reisen Mode geworden, wälzt sich jahraus, jahrein ein ungeheurer Fremdenstrom zur Stadt am Neckar und am Rheine. Nahezu 200 000 Reisende werden alljährlich in den Fremdenlisten aufgezeichnet. Viele lassen sich zu dauerndem Aufenthalt nieder. Eine weitere Anziehungskraft erhält Heidelberg durch seine von der BadHeidelberg A. G. neu erbohrte, stark radiumhaltige Thermalsolquelle. Die in Verbindung damit zu schaffenden Einrichtungen bringen die Stadt in die Reihe der hervorragenden Kur und Badeorte Deutschlands. Heidelberg hat heute über 70000 Einwohner. Diese kraftvolle Entwicklung des Gemeinwesens ist aber nicht allein der Universität und dem Fremdenverkehr zu verdanken. Ein gut Teil dazu hat die Industrie beigetragen. Die großgewerblichen Bauten liegen aber vor dem Bahnhofsviertel an der Bergheimerstraße und beeinträchtigen so den Charakter Heidelbergs als vornehme Fremdenstadt durchaus nicht. Imposante neuzeitliche Bauten, zahlreiche großstädtische Kaufläden haben das Anheimelnde der Altstadt nicht zu verwischen vermocht. Jeder Stadtteil hat seine eigenen Reize. Still, vornehm, beschaulich ist’s in der Sofienstraße und in den Anlagen, heiter und genußvoll am Neckar entlang, kleinstädtisch in den schmalen Gäßlein AltHeidelbergs, prachtvoll im Rohrbacher und besonders im Neuenheimer Villenviertel, romantisch an den Bergstraßen beiderseits des Flusses.
Geistige Genüsse bietet Heidelberg in Hülle und Fülle. In erster Reihe gewährt sie die Universität mit ihren wissenschaftlichen und populären Veranstaltungen. Die riesengroße Universitätsbibliothek, die archäologische Sammlung, die Anatomie, die städtische Kunst und Altertümersammlung, die Gemäldeausstellung des Kunstvereins, die Landessternwarte, die zoologische Sammlung, der botanische Garten verdienen hier erwähnt zu werden. Berühmt ist das Musikleben Heidelbergs. Die Konzerte des Bachvereins unter Dr. Wolfrums Leitung hatten Weltruf. Eines guten Ansehens erfreut sich auch das Stadttheater. An Unterhaltung und Vergnügen mangelt es nicht. Wenn die ersten Frühlingsboten, Schlüsselblumen und Veilchen, sprießen, wenn der Mandeln Blüte der Berge Rand in jungfräuliches Weiß hüllt, an Lätare, zieht die Jugend in hell Scharen in unendlich langer Kette mit blumen und bändergeschmückten, brezel und äpfelbesteckten Sommerstäben, mit mächtigen Strohmännern, durch die Straßen, Dann schallt’s aus tausend Kehlen unermüdlich: „Strih, strah, stroh, der Summerdag ist do.”
Das Sommersemester beschert eine Reihe pompöser studentischer Feste mit Wagenkorso und Schloßbeleuchtung, Neckarfahrt und prunkhaftem Bankett. Jetzt ist die Zeit der Kongresse und Versammlungen. Es ist die Zeit der Regatten der Ruderklubs, der Schwimmwettkämpfe im Hallenbad und im Neckar. Alltäglich spielt das städtische Orchester im Schloßpark und im Stadtgarten. Und auf den Herbst voller Farbenpracht und prickelnden Bergsträßlerweine locken zuguterletzt des Winters Freuden droben auf den Rodelbahnen des Königsstuhls, zu denen die Drahtseilbahn bequem hinaufbefördert.
Das Herrlichste aber sind und bleiben die Schloßbeleuchtungen. Tausende und Abertausende streben diesen zu. Von Mannheim bringt Extrazug um Extrazug immer neue Schaulustige. Der langen Neuenheimer Landstraße ganze Breite ist besetzt, Kopf an Kopf. Die Nacht ist dunkel. Kleine Fünklein weisen nach dem Himmelsgewölbe, leuchtende Pünktchen lassen ahnen, wo Berge schlummern, leise Ruderschläge deuten hin auf die Nähe des Wassers. Sonst Stille ringsum. Die Zeit ist da. Donner rollt vom Königsstuhl zum Heiligenberg. Die Köpfe recken sieh. Drüben lodert ein feuriger Brand. Von der Bergwand steigt’s herauf, blutigrot.
Jetzt steht’s vor uns: das Schloß mit seinen Mauern und Zinne Türmen und Bastionen, mit seinen unheilbaren Wunden, und dennoch in unendlicher Pracht, in gewaltiger Erhabenheit. Alles ist dunkel. Nur das Schloß ist da, feenhaft, wundersam. Und wer die, Flammen träumerisch verglühen, dann ist’s, als ob ein verwehter Funke zu uns herübergeflogen. Die alte Brücke brennt. In Glut getaucht enthüllt sie ihre edlen Formen. Im dunklen Schoß des Neckars aber rasselt’s und prasselt’s. Ein Heer von Feuerkugeln steigt auf und sinkt in die Flut. Von fernher kommt ein Schiff. Aus dem Geheul des Pulvers treten harmonische Klänge immer deutlicher hervor. Das singt und klingt:
“Gaudeamus igitur
Juvenes dum sumus”,
und tausend hochgestimmte Herzen klingen und singen nach.
Aus dem Badischens Verkehrsbuch 1898