Die Kosten des Theaterbaus explodieren

Rokokotheater im Schloss Schwetzingen ein kostbarer Ort
Überraschung zum Jahreswechsel: Am 30. Dezember 1752 stellte man fest, dass die Kosten für den Bau des Schlosstheaters um knapp 400 Prozent gestiegen waren – innerhalb von sieben Monaten! Das berühmte Rokoko-Theater ist eines der Gebäude am nördlichen Zirkelbau im Schlossgarten Schwetzingen. Die Geschichte hört sich ganz aktuell an – und gehört doch ins 18. Jahrhundert, als in Schwetzingen noch Kurfürst Carl Theodor seine Sommer verbrachte. Nicolas de Pigage (1723–1796), in Lothringen geboren, war der Architekt des Schlosstheaters. Er studierte in Paris an der Académie Royale d’Architecture. Nach Aufenthalten in Frankreich, England, Italien und den Niederlanden kehrte Pigage in seine Heimatstadt Lunéville zurück. Hier war er vermutlich für den polnischen Exilkönig Stanislaus I. Leszczynski tätig. Auf Empfehlung kam Pigage 1749 als „Intendant dero Gärthen und Wasserkünste“ in die Kurpfalz, um für Kurfürst Carl Theodor den Neubau von Schloss Schwetzingen zu planen. Dieser wurde aber zugunsten der Errichtung von Schloss Benrath bei Düsseldorf aufgegeben.
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Meisterwerke in Schloss Bruchsal

SchreibsekretärDie Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg zeigen herausragende Kunstwerke des 18. Jahrhunderts
Das Schloss war schon zu Zeiten der Fürstbischöfe von Speyer berühmt für Rang und Kostbarkeit seiner Ausstattungen. Mit den 17 Schlossräumen, die nun seit Mai wieder eingerichtet sind, ist der Glanz in die ehemalige fürstbischöfliche Residenz zurückgekehrt. Prominentes Stück: Der Schreibschrank des Fürstbischofs Franz Christoph von Hutten. Dieser beeindruckt zum einen durch seine Größe – dann aber auch durch den enormen Reichtum seines Schmucks. Besonders auffällig ist die perspektivische Einlegearbeit im Oberteil des zweiteiligen Möbels: Die beiden breiten Türflügel ergänzen sich zu einem suggestiven Blick in eine barocke Architektur von großer Tiefe. Für dieses Meisterwerk der Einlegekunst kamen – neben verschiedenen und teilweise auch gefärbten Holzarten auch so kostbare Materialien wie schimmerndes Perlmutt, Schildpatt und Elfenbein zum Einsatz. Weiterlesen

Der alte Glanz ist zurückgekehrt

ThronsaalDas im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte Bruchsaler Schloss bietet nach 70-jähriger Wiederherstellung einen suggestiven Blick in die Geschichte der einstigen Residenz der Fürstbischöfe von Speyer
Darauf haben viele Menschen mit Sehnsucht gewartet: Seit dem Wochenende vom 1. Mai ist die Beletage von Schloss Bruchsal wieder geöffnet. 17 Prunkräume mit kostbarer Ausstattung ergeben ein eindrucksvolles Bild vom barocken Schloss der Fürstbischöfe – und nicht nur das: Sie ergänzen sich nun wieder zu einem suggestiven Blick in die Geschichte der einstigen Residenz der Fürstbischöfe von Speyer. Die festliche Eröffnung bildete zugleich den Abschluss der 70-jährigen Wiederherstellung des im Krieg weitgehend zerstörten Bruchsaler Schlosses. Weiterlesen

Friedrich Hölderlins Ode auf Heidelberg

Heidelberg als legendärer Sehnsuchtsort der Dichter

Dieses Bild nimmt vor 215 Jahren gültige Formen an – in einem Gedicht von Friedrich Hölderlin. 1801 veröffentlicht er seine berühmte Ode auf Heidelberg. In zwei Strophen setzt der geniale Lyriker der „schicksalskundigen Burg“ ein ewiges Denkmal. Zwei der prominentesten Namen der deutschen Literatur sind mit dem Heidelberger Schloss verbunden: 1775 besuchte Johann Wolfgang von Goethe Heidelberg und einige Jahre später, 1788, Friedrich Hölderlin. Beide hielten sich mehrfach in der Stadt auf, bewunderten das Schloss. Und beide Dichter haben mit ihren Werken den Ruhm Heidelbergs mit begründet. Weiterlesen

Tapisserien kehren zurück

Beletage von Schloss Bruchsal in (altem) neuen Glanz
Ende April 2017 werden die Räume mit ihren glanzvollen Interieurs aus der Zeit der Fürstbischöfe und der Markgräfin Amalie von Baden wieder zugänglich sein. Jetzt sind die ersten 15 Stücke der Ausstattung wieder zurück ins Schloss gekommen – und es sind die kostbarsten der Sammlung: die Tapisserien, die großen seidenen Wandteppiche. Sie waren seit 14 Jahren dort nicht mehr zu sehen: Als 2002 das Badische Landesmuseum mit dem „Museum für höfische Kunst des Barock“ auszog, wurden die Tapisserien, die damals dort präsentiert wurden, in die Depots gebracht. Inzwischen sind sie gereinigt und restauriert. Weiterlesen

Eine historische Fotografie vom Schloss

Architekt_Schloss_HD1864Franz Richard: Badischer Hoffotograf – und ein Pionier der Architekturfotografie
Der Sommer ist die hohe Zeit der Fotografie – und Schloss Heidelberg, das Monument, das jedes Jahr von über einer Million Menschen besucht wird, wird millionenfach zum Fotomotiv bei Urlaubern und Ausflüglern. Heute ist Knipsen, Fotos machen oder gar ambitioniert Fotografieren eine populäre Freizeitbeschäfti-
gung. Erfunden wurde die Fotografie aber erst vor gut 150 Jahren – und auch damals schon war Schloss Heidelberg ein beliebtes Motiv. Die ersten Aufnahmen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden mit großem technischem Aufwand und hohem persönlichen Einsatz.
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In virtueller Pracht neu erstanden

Digitale Rekonstruktion lässt das Heidelberger Schloss wieder auferstehen
Bereits in den 1890-er Jahren war es beschlossene Sache, das 1689/90 zerstörte Heidelberger Schloss nicht mehr aufzubauen: Eine von der badischen Regierung eingesetzte Kommission hatte anstelle der völligen oder teil­weisen Wiederherstellung die Erhaltung des aktuellen Zustandes empfohlen. Man ließ die Ruine im Wesentlichen Ruine sein – und somit den romantischen Gefühlen der Besucher ihren Lauf. Wer sich heute nun für das unzerstörte Schloss interessiert, greift zu einem Buch, das aber weit mehr ist als nur ein Buch: „Schloss Heidelberg. Archi­tektur und Baugeschichte“. Dieses Standardwerk stammt vom Architekturhistori­ker Julian Hanschke aus Karlsruhe und bietet eine Fülle von historischen und aktuellen Ansichten, Bauplänen und aufwendigen digi­talen Rekonstruktionen.
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Ein Kleinod im Heidelberger Schloss

Das Deutsche Apotheken-Museum hat im Ottheinrichsbau seine Heimat
Mit seinen historischen Einrichtungen und dem lebendigen Programm ist es ein besonderer Magnet auf dem Schloss – und wie groß seine Anziehungskraft ist, wissen die wenigsten. Rund 710.000 Besucher haben sich im letzten Jahr die Arzneimittelsammlung, die Tiegel, Mörser, Waagen und andere Raritäten der Pharmaziegeschichte angeschaut. Sie verschaffen dem Museum in Schloss Heidelberg damit einen Platz in der absoluten Spitzengruppe der deutschen Museen. Weiterlesen

Drei neue zauberhafte Ausstellungsstücke

Barockschloss Mannheim: Instrumente der Hofkapelle, ein kurfürstliches Kinderporträt und großherzogliches Silber
Musikinstrumente aus der Glanzzeit der kurfürstlichen Hofkapelle, ein seltenes Kinderporträt des Kurfürsten Carl Theodor im Alter von gerade acht Jahren und ein eindrucksvolles Ehrengeschenk für das badische Großherzogspaar aus dem Jahr 1900: In Schloss Mannheim können die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg die Präsentation der badischen Geschichte und Kultur im großen Barockschloss jetzt um drei Neuzugänge erweitern. Weiterlesen

Historischen Wegeverlauf entdeckt

Archäologen werden im Schwetzinger Schlossgarten fündig
Archäologie im Garten: Der originale Verlauf der Wegeanlage von Friedrich Ludwig von Sckell lässt sich nach wie vor im Boden feststellen. Damit wird es möglich, sich der großartigen Gartenkomposition des berühmten Gartenarchitekten bis ins Detail wieder anzunähern.

Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, präsentierte bei einem Ortstermin am Merkurtempel gemeinsam mit Prof. Dr. Hartmut Troll, dem zuständigen Fachmann für die historischen Gärten bei den Staatlichen Schlössern und Gärten, und Dipl.-Ing. Petra Martin M.A, Referentin für Gartendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, die Arbeiten. Weiterlesen

Forschungsergebnisse der Wersau-Grabung

Kernburg komplett abgetragen / Grabungskonzept mit Wissensvermittlung möglich

Auf großes Interesse stieß die letzte öffentliche Gemeinderatssitzung. Über 50 Bürgerinnen und Bürger wollten sich unter anderem über die Ergebnisse der Lehrgrabungen der Universität Heidelberg auf dem Gelände der ehemaligen Burg Wersau aus erster Hand informieren. Dass auch heute unter der Grasnarbe nichts mehr von der Kernburg erhalten ist, hat Prof. Dr. Thomas Meier vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg selten erlebt.
„Schuld“ daran sind jene Reilinger, welche die Kernburg im 18. und 19. Jahrhundert mit einer großen Gründlichkeit abgetragen haben. „Die Befunderhaltung ist bei weitem zu schlecht, um die Burg Wersau in einem Archäologiepark zu präsentieren und erlebbar zu machen“, sagte Meier in der Gemeinderatssitzung. Die ältesten (nachweisbaren) Schichten der Lehrgrabung datieren in das frühe 13. Jahrhundert. Die ältesten Mauern stammen aus der spätmittelalterlichen Entstehungszeit, die jüngsten gehören zu den Mühlengebäuden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Ein Suchschnitt wurde auch zentral durch die Kernburg gelegt, um den dortigen Schichtenaufbau und Befunderhalt zu klären. Dort zeigte sich, dass sämtliche Nutzungsschichten und nahezu alle Baureste, ja selbst die Motte, das heißt ein künstlich angelegter Erdhügel, auf dem die Kernburg stand, durch die Abbrucharbeiten am Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert abgetragen worden sind.
Die gefundenen Bauhölzer sind durch den sinkenden Grundwasserspiegel in so schlechtem Zustand, dass eine dendrologische Datierung nicht möglich ist. Im Burggarben wurden große Mengen Gebrauchskeramik, jedoch weder Küchenabfälle (Tierknochen) noch wertvollere Gegenstände aus Glas oder Metall gefunden, was auf geordnete Abbruch- oder Umbauarbeiten in der Burg schließen lässt.
Überrascht waren die Archäologen, als sie an mehreren Stellen endneolithische oder bronzezeitliche Keramikscherben (spätes 3./2. Jahrtausend v. Chr.) bergen konnten. Dies deutet auf eine umfangreiche Siedlungsstelle hin. Da vorgeschichtliche Fundstellen in der Region fast ausschließlich von sog. Mineralböden bekannt sind, ist der Reilinger Auenstandort ausgesprochen ungewöhnlich.
Dennoch sahen Dr. Folke Damminger vom Referat Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Karlsruhe wie auch Professor Meier Ansatzpunkte für weitere „Forschungen auf lokaler, wenn nicht gar regionaler Ebene“. Universitäre Forschungen seien aber wegen der geringen Bodenfunde nicht möglich. Für eine Fortführung der Grabungen in kleinerem Rahmen müssten die Gemeinde oder private Sponsoren aufkommen.
Die beiden Fachleute konnten sich archäologische Grabungen zur Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte als Bestandteil eines Gesamtkonzepts für die Schlossmühle vorstellen. Ein wesentlicher Bestandteil sei die Einbindung ehrenamtlicher Kräfte vor Ort.
Eine Ausstellung in der Schlossmühle könnte Archäologie und Geschichte der Burg Wersau, aber auch die umgebende Landschaft (Kisselwiesen) in ihrer historischen Entwicklung und ihrem ökologischen Wert vermitteln. Auf eine professionelle Konzeption und Einrichtung (geschätzte Kosten für zwei Räume: 15.000 bis 20. 000 Euro) sollte ein ehrenamtlicher Betrieb folgen.
Für die Erlebbarmachung der einstigen Burg Wersau regten die Archäologen die Darstellung der wichtigsten Strukturen durch eine farbige Bepflanzung an. Sie könnte die Ausdehnung von Kern- und Vorburg auch für Laien nachvollziehbar machen. Denkbar wäre auch eine zeitweise Präsentation von Wersau-Überresten bei archäologischen Grabungen auf kleinen Flächen durch Ehrenamtliche unter Anleitung eines erfahrenen Studenten oder Magisters, der die Dokumentation übernimmt. Das würde schätzungsweise 12. 000 € pro Jahr kosten.
Obwohl nicht so viel wie erhofft von der ehemaligen Burg erhalten ist, sei die Wersau doch ein ganz zentraler Kristallisationspunkt für die lokale Identitätsbildung, stellten die Wissenschaftler fest. Ihr Wert liege insbesondere in der emotionalen Bedeutungszuschreibung vieler Reilinger, die hier die Keimzelle ihres Ortes sähen oder dem Platz durch persönliche oder familiäre Verbindungen verbunden seien.
Die Schlossmühle als Nachfolger der Burg Wersau bilde einen markanten und durch den Baumbestand vor allem landschaftsästhetischen Bezugspunkt, der den Raum zwischen der geschlossenen Ortsbebauung und dem Naturschutzgebiet Kisselwiesen strukturiere, so Prof. Maier. Dieser Bedeutung müsse jede weitere Nutzung des Geländes Rechnung tragen.
Einer Bebauung des Bereiches von einstiger Kern- und Vorburg räumen Meier und Damminger kaum Chancen ein. Denn zuvor würde die Denkmalpflege eine flächendeckende Ausgrabung fordern, die ausgesprochen zeit- und kostenaufwendig und vom Investor zu finanzieren wäre.
Weil auch durch sinkenden Grundwasserspiegel der Verfall der mittelalterlichen Bauhölzer drohe, wäre der Status quo, also die Nutzung des früheren Burgareals als Streuobstwiese, für die Archäologen der „denkmalpflegerische Idealfall“.
Damit konnte sich Sabine Petzold (Freie Wähler) nicht abfinden: „Es ist irgendwie ein touristischer Anziehungspunkt geworden“, erinnerte sie an das öffentliche Interesse, das grüne Klassenzimmer und den Arbeitskreis Wersau, der sich gegründet hat. Jens Pflaum (FDP) schloss sich der Expertenmeinung an und hielt es für das Beste, die Substanz unter der Wiese ruhen zu lassen. Er plädierte für eine kurzfristige Entscheidung. Dieter Rösch (SPD) dankte für enorme Erkenntnisse trotz geringer Substanz und wollte den Arbeitskreis Wersau einbinden. Peter Kneis (CDU) bat die Verwaltung, mit allen Interessenten in neue Gespräche einzutreten und zu informieren.
Über die Zukunft des Geländes müssen sich nun die Fraktionen weitere Gedanken machen.

Motte_Wersau
So oder so ähnlich könnte die Burg Wersau einmal ausgesehen haben. Rekonstruktion einer kleinen Burganlage am Niederrhein, des Husterknupp bei Grevenbroich. Zeichnung: Adolf Herrnbrodt et al., Der Husterknupp. Eine niederrheinische Burganlage des frühen Mittelalters. Beihefte der Bonner Jahrbücher 6 (Bonn 1957)

 
/ Öffentliche Gemeinderatssitzung am 12. November 2012

Die Leiden des Mannheimer Schlosses

„Die churfürstlichen Zimmer sind schön …“ faßte der Züricher Reisende Landold 1782 seine Eindrücke vom Schloß in Mannheim zusammen. Er mag damit wohl die prächtigen Gobelins gemeint haben, mit denen der Rote Saal des Barockschlosses damals ausgestattet war. Johann Wilhelm hatte diese aus der Brüsseler Tapisseriemanufaktur stammenden Gobelins, die mit dem Wappen der PfalzNeuburger versehen waren, seinem Bruder und Nachfolger Carl Philipp für die Ausstattung seiner Räume in Innsbruck geschenkt. Der spätere Kurfürst residierte als kaiserlicher Statthalter in Tirol. 1720, im selben Jahr als Schwetzingen zur Sommerresidenz erhoben wurde, verlegte Kurfürst Carl Philipp nach langwierigen Auseinandersetzungen mit der reformierten Bürgerschaft in Heidelberg seine Residenz nach Mannheim. Weiterlesen

Wo der Fürst das Glück des Tages genoss

Wohl versteckt hinter Bäumen, Spalieren und Hecken liegt im Schwetzinger Schloßgarten die kleine, eher bescheiden wirkende Gartenanlage des „kurfürstlichen Badhauses“. In einem in sich geschlossenen Areal ließ Kurfürst Carl Theodor durch seinen Hofbaumeister Nicolas de Pigage in den Jahren 1769 bis 1775 eine entzückende Villa errichten. Der Fürst hielt sich gerne in dem bewußt dem Schloß entrückten Lust  und Ruhehaus, einem stillen Ort, auf. Hier war er ungestört vom offiziellen Hofgetriebe. Das intime Schlößchen im Park, gleich neben dem Apollohain, wurde bis zum Weggang nach München am Jahreswechsel 1777/78 zu seinem bevorzugten Aufenthaltsort. Weiterlesen

„Der Faule von der Pfalz"

Der Alte Fritz über Kurfürst Carl Theodor / Friedrich II. von Preußen neidete dem Kurpfälzer dessen kometenhaften Aufstieg
Carl Theodor, der pfälzische Kurfürst, überstrahlte sein Zeitalter wie kaum ein anderer. Er beeinflusste Kunst und Kultur, Politik und Wirtschaft in seinen Landen. Aber auch über die Grenzen seines gewaltigen Machtbereichs hinaus, nahm er als einer der Kurfürsten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen, besondere Macht ein. Doch er führte nie einen Krieg. Und das macht ihm vielfach einen Platz im Geschichtsbuch streitig, das scheinbar nur die Fürsten würdigt, deren Untertanen auf dem Schlachtfeld starben. So entstand um den Kurfürsten des Goldenen Zeitalters in der Pfalz, um sein Leben und um seine Politik einiges an Mythen aufzukommen.
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Das Kastell von Altrip

Die verheerenden Einfälle der Germanen und der Fall des Limes zwangen die Römer zu einer neuen Art der Grenzverteidigung. Das alte Konzept mit der Konzentration der Legionen an den Grenzen konnte dem Druck der Barbaren auf das römische Reich nicht standhalten. Im 4. Jahrhundert übernahmen daher schnelle berittene Eingreiftruppen und starke Flottenverbände den Schutz der römischen Provinzen. Daneben sicherten neue Wehrbauten strategisch wichtige Punkte, im Hinterland wurden Wehrtürme und Höhenbefestigungen neu angelegt.
Das Kastell Altrip, unter Kaiser Valentinian errichtet, ist ein beeindruckendes Beispiel einer neuen Befestigungsanlage. Es kontrollierte gemeinsam mit verschiedenen kleineren Befestigungen und rechtsrheinischen Brückenköpfen den Zusammenfluss von Rhein und Neckar. Das Kastell war im Grundriss trapezförmig, die zum Rhein gelegene Seite der Befestigung hatte die stattliche Länge von 141 Metern. Im Erdgeschoss konnten durch Ausgrabungen 40 Räume nachgewiesen werden, neben Mannschaftsunterkünften gab es Verwaltungs und Vorratsräume sowie Speicher. Die Zimmer waren recht komfortabel ausgestattet, die Fußböden zum Teil mit Ziegelplatten belegt. Auch Fußbodenheizungen und Wandmalereien haben sich erhalten. Der Innenhof blieb frei von Bebauung, die Trinkwasserversorgung wurde durch Brunnen gesichert. In der Festungsanlage sind Steine mit Inschriften und bildlichen Darstellungen früherer Bauten verarbeitet.
Das Ende des Kastells kam zur Neujahrsnacht 406/407 nach Christus. Krieger der Sueben, Alanen und Vandalen setzten über den zugefrorenen Rhein bei Mainz und vernichteten den gesamten römischen Grenzschutz zwischen Bingen und Selz, bevor sie weiter nach Gallien vorstießen. Die Festung wurde aber auch nach der Zerstörung als Wohnraum benutzt. Im 5. Jahrhundert siedelten neben der einheimischen Bevölkerung nachweislich auch Germanen in Altrip. Ab dem 8./9. Jahrhundert wurden die Mauern jedoch abgetragen und die Steine für andere Bauwerke benutzt.

Wo war König Löwenherz wirklich?

Im bekannten Geschichtsbild der Kurpfalz gibt es keinen Zweifel daran: Richard Löwenherz, König von England und Herr über Aquitanien, mußte 1193/94 fast ein Jahr als politische Geisel des deutschen Kaisers Heinrich VI. auf der Festung Burg Trifels bei Annweiler im Pfälzer Wald zubringen. Was seit Jahrhunderten jedes Kind an Rhein und Neckar weiß, soll jetzt plötzlich ein Märchen, eine Sage sein? Dann jedenfalls, wenn es nach dem renomierten britischen Historiker John Gillingham ginge.
Unstrittig und gesichert sind zwei wichtige Eckdaten: Am 25. März 1193 hielt Richard Löwenherz auf dem Reichstag in Speyer vor den versammelten Fürsten eine glänzende Rede und verteidigte sich gegen die Vorwürfe des deutschen Kaisers. Und am 5. Februar 1194 weilte der englische König in Mainz, von wo er mit einem Schiff die Heimreise antrat, die ihn über Köln, Brüssel und Antwerpen führen sollte.
Zahlreiche Urkunden und Briefe, die Richard Löwenherz während dieses Zeitraumes ausfertige, belegen aber noch mehr: Der König hatte sich während seiner Geiselhaft nicht nur auf dem Trifels, sondern in der ganzen Pfalz, im Elsaß und in den Städten Hagenau, Speyer, Worms und Mainz aufgehalten.
Interessant ist bei der ganzen Diskussion, daß diese gesicherten Daten in England seit 1935 bekannt sind. In jüngster Zeit wurden die genannten Quellen von deutschen Historikern gesichtet und ausgewertet. Und in der Tat: Die Geschichte um Richard Löwenherz und seine Gefangenenzeit auf dem Trifels muß umgeschrieben werden. Richard hatte sich nicht ununterbrochen auf dem Trifels aufgehalten, sondern reiste zeitweise mit dem Kaiser im Land umher, der damals ohne feste Residenz regierte.
Und während dieser Zeit kümmerte sich der englische König weiter um seine Staatsgeschäfte, schrieb Briefe und fertigte Urkunden aus. Dies tat er vor allem in Worms und Speyer, wo vor allem der kirchliche Verwaltungsapparat ihm hilfreich zur Seite stand.
Trotz allen Forschungen weiß man noch immer nicht genau, wo Richard während der von Urkunden nicht bezeugten Zeit seinen Aufenthalt hatte. Die chronikalischen Berichte sind alle viel zu vage. So ist es möglich, daß der König die ganze Zeit von Mai bis Oktober 1193 in Worms verbrachte und von November bis Ende Januar 1194 wieder in Speyer war. Genauso könnte er diese Zeit aber auch in anderen kaiserlichen Pfalzen und Burgen verbacht haben. Der englische Historiker Lionel Landon geht sogar davon aus, daß Richard nur am 1. April 1193 auf dem Trifels weilte.
Soweit wollen alle anderen Wissenschaftler doch nicht gehen. Daß Löwenherz aber wirklich nur sehr kurze Zeit auf der pfälzischen Burg blieb, wissen auch der Volkskundler Helmut Seebach aus Annweiler und der Burgwart Hans Reither zu berichten. In einem jüngst veröffentlichten Werk, das die ganze Löwenherz-Diskussion in der Kurpfalz erst richtig auslöste, schreiben beide: „Als Hauptaufenthaltsort während Richards etwa einjähriger Gefangenschaft vom 23./24. März 1193 bis zu seiner Befreiung am 4. Februar 1194 kann die Festung Trifels angesehen werden, wenngleich er nur knapp drei Wochen hier weilte.“
Der britische Wissenschaftler John Gillingham von der „London School of Economics and Political Science“ jedoch möchte diese These so nicht unterstützen. Denn die durch Urkundenausfertigung verbrieften Aufenthaltsorte Richards weisen zu große Lücken auf. Und wo sich der König in dieser Zeit aufhielt, das weiß, wie gesagt, noch heute niemand.
Nicht erklären kann sich der Forscher auch die Tatsache, daß die englischen Forschungsergebnisse von 1935 erst jetzt in der Kurpfalz bekannt wurden. Er vermutet, daß die englischen Publikationen in der Zeit des Dritten Reiches nicht nach Deutschland kamen und dann in Vergessenheit gerieten.
Trotz aller Diskussionen bleibt eines sicher: Die auf dem Trifels heute verwahrten Reichskleinodien sind Kopien der Originale in Wien. Verliert die Kurpfalz jetzt vielleicht einen Mythos?

Das Jagdschloß Hirschbühl im Auwald

Die Rheinuferlandschaft des 16. Jahrhunderts ist mit dem
Rheinufer von heute nicht mehr zu vergleichen. Dichte Auenwälder
bildeten einen nahezu undurchdringlichen Grüngürtel. Lediglich zu
Jagdzwecken wurde der wildreiche Auwald genutzt. Vor allem die
Kurfürsten schätzten diese Gebiete ob der Artenvielfalt und der
damit verbundenen Jagderfolge.

In einer Flußschlinge nordöstlich des Dorfes Friesenheim (heute
ein Stadtteil von Ludwigshafen), die später durch die
Rheinbegradigung durchschnitten wurde, erbaute man 1556 das
Jagdschloß Hirschbühl. Von diesem Gebäudekomplex gibt es heute
nur noch eine skizzenhafte Darstellung auf einer Rheinkarte von
1580, denn das Schloß wurde 1622 während des Dreißigjährigen
Krieges zerstört und im 19. Jahrhundert führte das neue Rheinbett
über die Ruinen oder knapp daran vorbei. Die wenigen Überreste
wurden dann beim Bau der BASF endgültig abgetragen und aus dem
einst artenreichen Auwald wurde eine Industrielandschaft.

Erhalten aber ist eine ausführliche Inventarliste und
Beschreibung des Jagdschlosses Hirschbühl, so daß man sich noch
heute ein recht gutes Bild von der Anlage nahe des Rheines machen
kann. Das Hauptgebäude war dreistöckig errichtet worden und
erhielt weitere Neben und Wirtschaftsgebäude. In jedem Stockwerk
gab es sieben Räume, die Gemächer des kurfürstlichen
Herrscherpaares lagen im Mittelgeschoß. Die Räume der Angehörigen
und der persönlichen Diener konnten über einen langen Gang
erreicht werden.

Das Erdgeschoß war den Jäger und Fischern vorbehalten, aber auch
die Silberkammer war dort untergebracht. Darin wurde das
wertvolle Geschirr aufbewahrt, das von einem eigenen
„Silberknecht“ bewacht wurde. Im Obergeschoß waren die Diener und
die Jagdgesellschaft untergebracht. Dazu hatte man 15 Betten
aufgestellt. Die Einrichtung war einfach und wenig bequem. Von
Luxus keine Spur. Selbst im Zimmer des Kurfürsten gab es
lediglich einen Kachelofen, einen Tisch mit Bank und ein
Himmelbett als äußeres Zeichen seiner Würde. An den Wänden hingen
zehn Hirschgeweihe. Die Schloßküche war auf größere Gelage
vorbereitet, denn die Jagdbeute wurde zu dieser Zeit meist
gleich an Ort und Stelle verzehrt.

Für seine Jagdleidenschaft besonders bekannt war Pfalzgraf Johann
Casimir. Der „Jäger aus Kurpfalz“ war im Schloß Hirschbühl ein
häufiger Gast. Aus den Jahren 1582, 1585 bis 1589 sind seine
Schießregister noch erhalten. Der Pfalzgraf führte über seine
Jagden und die Jagdergebnisse genau Buch. So ist unter dem
Eintrag vom 11. September 1585 zu lesen, daß er an diesem Tag
sechs Hirsche erlegte: zwei in der Nähe des Jagdschlosses, vier
während einer anschließenden Treibjagd in der weiter nördlich
gelegenen Petersau.

Die Jagdsaison um das Schloß Hirschbühl war kurz und dauerte nur
von Ende August bis Mitte September. Aber diese knapp drei Wochen
nutzten die Jagdgesellschaften ausgiebigst. Immerhin galt der
Auwald als eines der besten Jagdreviere in der ganzen Kurpfalz.

Quelle: unbekannt

Wo Graf Boppo einst regierte

Beeindruckend erhebt sich neckaraufwärts kurz hinter Heidelberg das Festungsstädtchen Dilsberg, 323 Meter hoch über dem Fluß gelegen. Wer es sich leisten kann und etwas Kondition mitbringt, sollte den Berg zu Fuß erklimmen. Am schönsten ist noch immer die Anreise mit dem Schiff. Ausgestiegen in der hessischen Vier-Burgen-Stadt Neckarsteinach. Der anstrengende Aufstieg aber wird belohnt von einer baugeschichtlichen Kostbarkeit der Kurpfalz – und einer herrlichen Aussicht weit über die Region. Der Blick reicht weit hinunter ins Neckartal, das im Westen in die Rheinebene ausläuft. In südöstlicher Richtung ist der Steinsberg („Kompaß des Kraichgaues“) mit seiner Burg bei Sinsheim zu erkennen. Und dann natürlich die weiten Wälder des sagenumwobenen Odenwaldes.
Graf Boppo von Dilsberg, der im 13. Jahrhundert die 1150 erbaute Burg und den dazugehörigen Besitz übernahm, sorgte ungewollt dafür, daß die Festung zu einem Außenposten der Kurpfälzer wurde. Als Burgmann stand er im Dienst des Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein. Als Vasall des mächtigen Nachbarn war er der Wächter an der Eingangspforte zum Odenwald. Seit 1368 gehörte der Dilsberg dann endgültig zur Kurpfalz. Die Heidelberger Herrscher gestalteten die Burg zu einer Stadtfestung um. Die dort wohnenden Leibeigenen wurden zwar in die Freiheit entlassen, mußten aber beim Ausbau des Dilsberg mithelfen. Außerdem wurde ihnen auferlegt, alljährlich fünf Heller in den Hausbau zu investieren. Es entstand eine in der ganzen Kurpfalz einzigartige städtebauliche Rarität. Aus der Burg Dilsberg wurde eine Festungskleinstadt, deren neuerbauten Häuser von einer starken, rund um die Bergspitze laufende Ringmauer geschützt wurden. Noch heute prägt diese Bauform das Bild der Stadt, deren Erscheinungsbild die Besucher immer wieder aufs neue verwundert.
Im Krisenfall sollte die als uneinnehmbar geltende Festung als Rückzugsmöglichkeit für den Heidelberger Hof dienen. Da die Kurpfalz in ihrer Geschichte ständig militärischen Bedrohungen ausgesetzt war, mußten die Kurfürsten mehr als einmal von der rettenden Möglichkeit gebrauch machen. Als aber die kaiserlichen Truppen unter Tilly 1622 die Festung belagerten, mußte der Dilsberg zum ersten Mal aufgeben. Es folgten mehrere Besatzungswechsel, ehe die Burg 1648 am Ende des Dreißigjährigen Krieges wieder an die Kurpfalz zurückkam. Die Eroberung durch die Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg fügte der Stadt selbst keine größeren Schäden zu. Selbst das französische Revolutionsheer mußte 1799 unverrichteter Dinge wieder abziehen. Eine Invalidenbesatzung unter einem 95jährigen Kommandanten hatte den Dilsberg verteidigt.
Mit dem Ende der Kurpfalz – 1803 teilte Napoleon ganz Europa nach seinem Gutdünken auf – wurde der Dilsberg badisch. Die großherzoglich-badische Armee ließ zeitweise auf der Festung ein berüchtigtes Militärgefängnis errichten. Was aber Kriege nicht erreicht hatten, verordnete die badische Verwaltung: Ab 1822 wurde die Burg zum Abbruch freigegeben. Erst der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es zu verdanken, daß der noch erhaltene Teil der Burg, und damit der einzigartige Zauber der Festungsstadt über dem Neckar gerettet wurde.
Zu den wieder renovierten Gebäuden der Anlage gehört auch das Kommandantenhaus, dessen baugeschichtlichen Anfänge und die ursprüngliche Nutzung noch immer im Dunkel der Geschichte verborgen liegen. Sicher ist nur, daß ein „Ambtmann“ als Verwaltungsbeamter ab dem späten Mittelalter auf der Burg regierte. Im Oblag im Kriegsfalle auch die militärische Aufsicht. Zu Beginn des 14. und mitte des 16. Jahrhunderts wurden kleinere Umbaumaßnahmen durchgeführt. Um dem militärischen Kommandanten das Leben in der Burg etwas bequemer zu machen, wurde der kurpfälzische Baumeister Rabaliatti (er ging vor allem als Erbauer des Schwetzinger Sommerschlosses in die Geschichte ein) Mitte des 18. Jahrhunderts mit einem weiteren Umbau beauftragt. Im 19. Jahrhundert schließlich wurde das Kommandantenhaus zur Schule und zum Rathaus für die Gemeinde umgebaut. Die letzte Umbaumaßnahme liegt noch gar nicht weit zurück: 1997 ließ der Rhein-Neckar-Kreis das Gebäude zum Kulturzentrum umbauen. Seitdem beziehen für jeweils drei Monate internationale Nachwuchskünstler als Stipendiaten des Landkreises das Kommandatenhaus, in dem auch die Junge Philharmonie Rhein-Neckar eine ständige Heimstatt gefunden hat.

Ein Mann verschönte das Ansehen der Kurpfalz

Nicolas de Pigage Architekt und Gartenkünstler des 18. Jahrhunderts
Nicolas de Pigage zählt längst zu den bedeutendsten Architekten und Gartenkünstlern des 18. Jahrhunderts – auch wenn sich die internationalen Forschung mit dem gebürtigen Lothringer noch nicht so intensiv beschäftigt hat. Dies liegt vielleicht auch daran, dass die von ihm geschaffenen Werke in der Regionalität der alten Kurpfalz und des Herrschaftsbereiches um Düsseldorf stecken blieb. Außerdem darf man nicht vergessen, dass allzu viele Werke seiner gut fünfzigjährigen Achitektenkarriere nur Stückwerk blieben oder gar zerstört wurden: Der Ostflügel des Mannheimer Residenzschlosses brannte völlig ab, das Schloss in Oggersheim wurde geschleift und der Traum vom Bau eines neuen Prunkschlosses in Schwetzingen platzte wie eine Seifenblase.
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Mit viel Puder und Pomade

Bei einem Besuch der kurpfälzischen Sommerresidenz wird man ganz
am Ende des Appartements der Kurfürstin mit einem  im wahrsten
Sinne des Wortes  haarigen Thema konfrontiert: der Puderkammer.
In diesem kleinen Zimmer im südlichen Turm des Schlosses ließ
sich die allergnädigste Landesmutter die Frisur von ihrem
Coiffeur nach dem neuesten Stand der im 18. Jahrhundert ständig
wechselnden Haarmode gestalten und pflegen.

Das Puderzimmer gehört zu den am längsten genutzten Räume im
Schloß und stammt noch von der zuerst hier stehenden Wasserburg
ab. Beim Bau der barocken Schloßanlage wurde ein großer Teil der
herrschaftlichen Burg in den Neubau integriert. Dazu gehörte auch
der frühere Burgfried, wo sich auch die kleine Kammer befand, die
erst in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts umgestaltet wurde.
Damit gehört die Puderkammer wohl zu den ältesten Räumen im
Schwetzinger Schloß.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte es noch ausgereicht,
die schlichten Locken der kurfürstlichen Haarpracht in den
Ankleideräumen entsprechend zu bestäuben. Damit erhielten sie
jene zeitlose Blässe, die damals „en vogue“ war. Doch die neue
Mode ließ Haartürme auf den adeligen Köpfen des Landes entstehen,
die nicht selten 80 Zentimeter und mehr erreichten. Man mußte
sich also neue Tricks und Kniffe in der täglichen Toilette
einfallen lassen, um eine gleichmäßige Farbwirkung zu erreichen.

Kurfürstin Elisabeth Augusta nahm in dem neu gestalteten
Zimmerchen, dessen Decke künstlich abgesenkt worden war, unter
einem großen Leinenmantel vor dem Spiegel Platz. Eine Seidenmaske
mit Glaseinsätzen für die Augen hielt sie sich vor das Gesicht.
Dann ging eine Bedienstete mit einem großen Blasebalg daran, den
Puder gegen die Decke des Raumes zu blasen. Der feine Staub
schwebte wieder sanft herab und färbte die Locken einheitlich
weiß und duftig. Doch schon vor dieser letzten Puderschicht war
das Haar abwechselnd mit Unmengen von Pomade und Puder gestaltet
worden.

Der helle Staub, mit dem jung und alt die Haare einzufärben
pflegten, hielt die Locken zugleich rein und locker. Außerdem
verhinderte er, daß die Haare durch die benutzte Pomade
zusammenklebten und somit ihre Zartheit von Wolkentürmen
verloren.

Einfacher Puder war aus Weizenmehl, feinere aus Bohnen oder
Stärkemehl bereitet. Gedörrtes Eichenmoos gab dem Puder, je nach
modischem Geschmack, eine graue Tönung. Mit entsprechenden
Extrakten aus Rosenwasser, Nelken oder Lavendel versehen,
verströmten die Frisuren zudem angenehme Düfte.

Diese Verschwendung von feinstem Weizenmehl rief bald Kritiker
auf den Plan, die an dem modischen „Firlefanz“ kein gutes Haar
ließen. Immerhin verstäubte allein ein Soldat der Kurfürstlichen
Garde Mitte des 18. Jahrhunderts wöchentlich 500 Gramm Mehl.
Schon zu Beginn des Jahrhunderts war die französische
Gesellschaft wegen dieses hohen Verbrauches an Mehl gerade noch
an Unruhen in der Bevölkerung vorbeigekommen. Da das Mehl für das
dringend benötige Brot gebraucht wurde, und mit der Zeit der
Weizenpreis ständig stieg, wurde um 1740 das Pudern der Frisuren
wegen Mehlknappheit zeitweise verboten.
Der Adel hielt aber an der alten Haarzier fest und weicht zur
Färbung des Schopfes sogar auf Gips aus. Besonders bei Regen
sollen dabei die „unmöglichsten Creationen“ entstanden sein …

Doch nicht jedem war es vergönnt, sein Haar zu pudern. Die
Gesellschaft in der Kurpfalz teilte sich in die Stände der
Gemeinen und derer, die gepuderte Frisuren zur Schau tragen
konnten. Ein Blick in die wechselvolle Geschichte zeigt, daß die
Ausformung der Haartracht auch viel über den Stand und den Beruf
des Menschen aussagte. Nur die höchsten Würdenträger zeigten sich
im Zeitalter der Aufklärung noch mit dem altmodischen, höfischen
Luxus der üppig gelockten Perücken. So ließ sich die
gesellschaftliche Stellung eines Mannes in jener Zeit am Schnitt
seiner Perücke ablesen. Je höher seine Position war, desto
wuchtiger, aber auch konservativer war der Schnitt seiner
Haarpracht.

Um 1730 trugen die Frauen auch in Mannheim und Heidelberg ihr
Haar eher kurz, zu kleinen Locken gelegt. Die schlichte
Gestaltung, wie man sie auf den Porträts der Hofdamen im Schloß
wiederfindet, sollte als zarte Schöpfung des aufkommenden
„Goldenen Zeitalters“ die Gesichtszüge lediglich untermalen und
das aparte Minenspiel der Damen sanft zur Geltung bringen. Bei
festlichen Anlässen wie dem Neujahrsball schmückte man sich am
kurfürstlichen Hof noch zusätzlich mitlangen Locken, die in den
Nacken fielen, und steckte sich kleine, verzierte Nadeln ins
Haar.

Nach einem kurzen modischen Ausrutscher in der Jahrhundertmitte,
bei dem man sich als Dame die Haare im Nacken zu Zöpfen flocht
und hochsteckte, wurden die Frisuren durch den Einfluß von Madame
Pompadour wieder betont schlicht und luftig, als wollten sie
einen schwungvollen Anlauf nehmen für ihre künftigen Kapriolen.
Ab 1766 schossen die „Coiffuren extraordinaire“ sprichwörtlich in
die Höhe. Marie Antoinette ist zwar nicht die Erfinderin der
Hochfrisur, wohl aber eine engagierte Wegbereiterin, die den
„wandelnden Meterfünfzig“ auf dem Kopf salonfähig machte.

In ihrer Zeit entstand der mit allerlei Preziosen geschmückte
„pouf au sentiment“. Man schmückte sich mit „fremden Federn“,
ließ Figuren, ja sogar ganze Idyllen en minuature ins wogende
Haarmeer einarbeiten. 1775 hieß es in einem Bericht über eine
höfische Gesellschaft „im Parke zu Schwetzingen“:“Man siehet eine
Dame mit einem Dorfe auf dem Kopf, dort eine mit einem ganzen
Walde, auch welche mit Windmühlen. Daß dergleichen Gebäude sehr
geräumig sind, hat einem Künstler Gelegenheit gegeben, den Werth
einer solchen Zierrath noch durch Mechanik zu erhöhen, er hat
dort, wo es hinpaßt, kleine Orgeln versteckt angebracht“.

Wegen der gewaltigen Haarpracht war das Reisen in der Kutsche
beschwerlich geworden. Die Damen mußten sich in die Karossen
hineinknien oder sogar den Kopf aus dem Fenster halten, um die
Haarpracht nicht zu zerstören. 1776 erhöhte man in London sogar
die Türen der St. Paul’s Cathedral und auch im kurpfälzischen
Hoftheater klagte man über „Sichtverhinderung zur Bühne“.

Auch für den Besuch bei der eher konservativen Großmutter mußte
man sich etwas einfallen lassen. Mit einer Sprungfeder konnte man
für die Dauer des Besuches die Frisur züchtig und damit niedrig
halten. Doch kaum verließ man die Oma, betätigte man einen
Schalter und der „pouf à la bonne maman“ schnellte wieder in die
gewünschte Höhe.

Wie aber entstand nun diese meisterliche Haarkunst? Zunächst
besorgte sich die Dame von Welt ein passendes, elastisches
Unterkissen, das man „toque“ nannte. Es bestand aus Wolle, Werg
und Draht, über das eigenes oder Pferdehaar gezogen wurde. Dann
spannte man das gründlich ausgekämmte, mit Pomade und Puder
versteifte Haupthaar über das eiförmige Kissen. Das Seitenhaar
wurde zu großen Locken gedreht. Hatte das eigene Haar nicht die
erforderliche Länge, wurde es entsprechend ergänzt.

Den Rohstoff für die Perücken lieferten Haarsammler, die von Dorf
zu Dorf in der Kurpfalz zogen und das kostbare Material
aufkauften. Dabei wurde auch vor dem Haar der Toten nicht
zurückgeschreckt. Besonders Frauenhaar galt das Interesse der
Sammler. Es wurde bevorzugt, weil es ein Leben lang unter Hauben
geschützt aufbewahrt wurde. Von Wind und Wetter gegerbtes
Männerhaar war dagegen spröde.

Die Pflege der Frisuren war nicht ganz einfach. Waschen des
Haares war auch im ansonsten so reinlichen Hof der kurpfälzischen
Wittelsbacher nicht üblich. Noch 1789 war Wasser an den meisten
Höfen ein verzichtbares Übel. Der Aufputz blieb oft zwei Wochen
lang unberührt, nicht selten kam zwei Monate lang kein Kamm an
die Haare.

Im Innern des Kopfputzes entstand so bald ein seltsames
Eigenleben. In einer zeitgenössischen Schilderung des höfischen
Lebens ist zu lesen: „Als der Kamm an das natürliche Haar
angesetzt wurde, beobachtete ich Schwärme von Tierchen, die in
alle Richtungen auseinanderliefen, weswegen ich meinen Stuhl ein
wenig vom Tisch abrückte. Andere Zeitgenossen berichten sogar von
Mäusen, die in den hohen Frisuren ihre Nester errichtet hatten
sollen.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts hieß es auch bei den
adeligen Damen wieder „Zurück zur Natur“.

Aus: Schwetzinger Zeitung, rs, 5.2.1996

Die versunkenen Glocken von Wersau

Um die ehemalige Burg Wersau in Reilingen ranken sich
viele Geschichten und Ereignisse. Während die meisten
historisch belegbar sind, gehört die seit Generationen
überlieferte Geschichte von den „versunkenen
Schloßglocken“ in die Welt der Sagen und Märchen. Wenn man
die Erzählung aber genau nimmt, hätte sie durchaus so
passieren können …

Dem Schenken von Wersau, adeliger Gefolgsmann der
Pfalzgrafen und Herr über Reilingen und Hockenheim, war
nicht jeder Freier für seine schöne Tochter Edelgard
recht. Und so verschwieg sie ihrem Vater, daß sie
Heinrich, den Sohn des Reilinger Hufschmiedes,
liebgewonnen hatte. Dieser hatte in Heidelberg den Beruf
des Schmieds und Glockengießers erlernt und war nun wieder
nach Hause gekommen, um in der Schmiede des Vaters zu
arbeiten. Da der junge Bursche öfters als für ihn gut war
nach Wersau kam, wurde ihm schließlich der Zutritt zur
Burg verboten. Der Schenk aber gab seine Tochter zur
Erziehung in das Magdalenenkloster nach Speyer.

Für Heinrich war kein Weg zu weit oder der sie trennende
Rhein zu breit. So oft er konnte, half er dem Lußheimer
Fährenmeister bei der Arbeit, um als Lohn eine freie
Überfahrt zu bekommen. Die beiden Liebenden trafen sich
von da an, von den Speyerer Nonnen geduldet, im
Klostergarten. Als der mißtrauische Vater der Tochter den
beiden auf die Schliche kam und überraschend im Garten
auftauchte, konnten die Nonnen gerade noch verhindern, daß
der junge Hufschmied entdeckt wurde.
Der Ritter deutete auf einen wilden Obstbaum und sprach
spöttisch zu Edelgard: „Ich will Dir gern den Burschen zum
Manne geben, wenn dieser Busch Edelobst trägt“.

Das Jahr ging ins Land, dem Frühling und Sommer folgte
wieder ein Herbst. Und siehe, da trug der kleine Baum
herrliche Birnen von der besten Sorte. Der Schenk von
Wersau konnte nun nicht mehr zurück, denn er wollte vor
den Nonnen, die vor Jahresfrist sein Versprechen gehört
hatten, nicht als Lügner dastehen. So stimmte er
schließlich der Hochzeit von Edelgard und Heinrich zu.

Viele Jahre zogen ins Land, Kriege brachten Tod und
Verwüstung. Auch die Burg Wersau wurde zerstört und nicht
mehr aufgebaut. Längst lebten dort nicht mehr die Schenken
von Wersau, sondern ein kurfürstlicher Müller sorgte
dafür, daß die Vorratskammern in der Schwetzinger
Sommerresidenz mit Mehl stets gut gefüllt waren. Die
Burgruine bot ein trauriges Bild und immer wieder nutzte
man sie als Steinbruch.

Nur der alte Friedrich, der im nahen Reilingen eine
Schmiede betrieb, machte allabendlich seinen Gang hinaus
zum zerfallenen Gemäuer. Der Alte wußte, daß die Glocken,
die dereinst sein Vorfahre Heinrich als Dank für seine
gesunden Kinder für den Turm von Wersau gegossenen hatte,
im Burgbrunnen versenkt lagen.

Eines Abends aber erschrak er fürchterlich, denn er hörte
die Glocken aus der Tiefe heraufklingen. Schöner, wie er
vorher nie ein Glockengeläut vernommen hatte. Verzaubert
lauschte der dem hellen Klang und ging erst wieder nach
Hause, als das Geläut verklungen war. Keiner im Dorf
wollte ihm die Geschichte glauben, die er da erzählte.

Erst am anderen Tag, als ein Kurier die Nachricht vom
brennenden Speyer brachte, wußte Friedrich und das ganze
Dorf, was das Geläut der Glocken bedeutet hatte: Ein
letzter Gruß für eine sterbende Stadt. Und tatsächlich,
immer wenn große Brände oder Kriegseinwirkungen die Gegend
heimsuchten, erinnerten sie so an das eigene Schicksal und
man vernahm das Läuten der Glocken aus den Tiefen des
Brunnens.

Längst ist von der Burg Wersau nichts mehr zu sehen und
auch die Schmiede und Glockengießerei gibt es nicht mehr
in Reilingen. Im Keller des über der Ruine erbauten Hauses
aber ist noch heute ein schmaler Spalt unter Bodenplatten
zu finden, der den Blick freigibt auf ein altes
Brunnengewölbe. An einem Dienstag im September 1991, es
war gerade zur nachmittäglichen Kaffeestunde, tönte
plötzlich der Klang von Glocken durchs Haus. Keiner konnte
sich dieses Phänomen erklären.

Nur die versunkenen Glocken von Wersau kannten den Grund
ihres Läutens: Es war der 17. September und im Dorf
brannte die Mannherz-Halle . . . (og)

Der südliche Zirkelbau des Schwetzinger Schlosses

Die Zirkel in Schwetzingen wurden gebaut, weil das Schloß zu klein geworden war und ein Neubau an finanziellen Überlegungen scheiterte. Der nördliche Zirkelbau diente als Orangerie, der südliche bot sozusagen die Ersatzsäle für Feste des Hofes. Der Speise und Spielsaal erhielten daher eine besonders reiche Ausstattung, von der heute nur noch die herrlichen Stukkaturen von Guiseppe Antonio Albucci und einige der schönen, geschmiedeten Blumenlaternen vorhanden sind. Weiterlesen