Die größte Gußstahlglocke der Welt hängt in Neustadt

Tiefe, wuchtige Töne schallen vom Turm der Stiftskirche in Neustadt herab über die ganze Stadt ins Land. Die Menschen in der Altstadt recken die Köpfe empor: Die „Kaiserglocke“ hat ihre Stimme erhoben und läutet damit ein besonderes Ereignis ein. Nicht oft ist sie zu hören, denn wenn das Gewicht von rund 350 Zentnern mit dem großen Klöppel in Schwingung gerät, hat das Gemäuer des Turmes schon einiges auszuhalten. Weiterlesen

Wie die Eisenbahn in die Pfalz kam

Der 10. Juni 1847 war ein großer Tag: Überall in den Städten der Rheinebene wurde gefeiert und gejubelt, denn an diesem Tag nahm die erste pfälzische Eisenbahn ihren Betrieb auf und dampfte erstmals auf der Strecke von Ludwigshafen nach Schifferstadt und von dort nach Neustadt oder Speyer. Bereits in aller Herrgottsfrühe, um 7 Uhr morgens, hatten sich Beamte, Stadträte, Geistliche und andere Ehrengäste am Bahnhof in Speyer versammelt, um bei der feierlichen Eröffnungsfahrt dabei zu sein. Das Musikkorps spielte, Böllerschüsse ertönten, Reden wurden gehalten. Als der Zug, gezogen von der Dampflok „Haardt“, in Ludwigshafen eintraf, bot sich den Festgästen ein ähnliches Bild: Die Hafengeschütze feuerten Salut, Schiffe und Hafengebäude waren mit bunten Flaggen geschmückt.
Um 10 Uhr ging es weiter nach Neustadt, auch dort wurde der Zug feierlich empfangen. Der Regierungspräsident hatte eine Rede über die Bedeutung der neueröffneten Strecke vorbereitet und erklärte schließlich die Bahn im Namen Seiner Majestät, König Ludwig I. von Bayern, für eröffnet.Um 13 Uhr dampfte der Zug zurück nach Speyer. Überall an der Strecke grüßten Schulklassen mit Fähnchen. In Speyer kehrten die hungrigen Zugreisenden im „Wittelsbacher Hof“ zu einem Mittagessen ein und konnten so gestärkt abends beim Festball noch eine gute Figur beim Tanzen abgeben. Drei Tage wurde noch gefeiert, die Hälfte der Einnahmen des Eröffnungstages wurde großzügig der Armenfürsorge gespendet.
Finanziert und realisiert hatte das Bauprojekt die eigens zu diesem Zweck gegründete Aktiengesellschaft „Pfälzische Ludwigsbahn“ mit Sitz in Speyer. Ihrem Direktor, dem Ingenieur Paul von Denis, muß damals ein Stein vom Herzen gefallen sein: Die zermürbenden Diskussionen um Trassenführung und Finanzierung waren vorbei, jetzt konnte ein neues Zeitalter beginnen und die ganze Pfalz ans Schienennetz angeschlossen werden. Paul von Denis hatte sich bereits durch den Bau der ersten deutschen Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth 1835 einen Namen gemacht.
Bereits um 1830 wurden Pläne zum Bau einer Eisenbahn durch die bayerische Pfalz entworfen. Erfolgreiche Unternehmer wie Ludwig von Gienanth aus Hochstein, Philipp Lichtenberger aus Speyer oder Johann Heinrich Scharpf von der Rheinschanze machten der bayerischen Regierung nach Jahren der fruchtlosen Diskussion schließlich Druck. Den Strategen in München bereitete insbesondere die Nähe zum ehemaligen Kriegsgegner Frankreich Bauchweh. Depeschen eilten zwischen Berlin (das Saarland war seit dem Wiener Kongreß unter preußischer Herrschaft), Paris (das Elsaß gehörte seit der Französischen Revolution zu Frankreich) und München hin und her. Es wurde verhandelt, begutachtet und abgewogen.
Am 26. Dezember 1837 hatte sich Ludwig I., kein großer Anhänger der Eisenbahnidee, zu einem Entschluß durchgerungen. Seine Majestät der König verfügte hoheitsvoll den Bau zweier Eisenbahnen ausgehend von der Rheinschanze, dem späteren Ludwigshafen. Zum einen sollte die Strecke ins saarländische Bexbach führen, zum anderen ins elsässische Lauterburg. Wichtiger Passus der Anordnung: „Das Privilegium zur Errichtung einer jeden dieser Bahnen soll auf eine bestimmte Zeitdauer und zwar höchstens von 99 Jahren beschränkt … werden.“
Der damals neugegründeten Aktiengesellschaft gewährte der Staat schließlich anno 1841 einen jährlichen Zinsertrag von vier Prozent aus dem Bau und Einrichtungskapital  begrenzt auf 25 Jahre. Heftige Diskussionen über die Streckenführung folgten. Am 7. Februar 1841 entschieden sich die rund 250 Bahnaktionäre für eine Trassenführung von Ludwigshafen über Neustadt durchs Neustadter Tal ins Saarland. Die Pläne einer Lauterburger Strecke verschwanden sang und klanglos in den Schubladen.
Lediglich Speyer sollte über den neuen Verkehrsknoten Schifferstadt an die Ludwigsbahn angebunden werden. Von der geplanten Bahnlinie erhofften sich die Gründer einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Pfalz. Schneller und preiswerter
wollten die Pfälzischen Papiermühlen, die Schuhhersteller, Brennereien, Webereien, Glashütten und Zigarrenfabrikanten ihre Ware mit der Bahn nach Ludwigshafen und Mannheim transportieren und von dort aus in die Schweiz, die Niederlande, die Länder des deutschen Bundes und später auch nach Frankreich.
Die Gienanth-Werke konnten zukünftig auf der Schiene Eisenerz transportieren. Außerdem wurden durch diese Ost-West-Verbindung die saarländischen Kohlegruben an den Umschlagplatz Mannheim angebunden. Saarländische Kohle konnte fortan mit der aus dem Ruhrgebiet konkurrieren. Aber auch die rund 40 pfälzischen Steinkohlegruben profitierten von der Bahn. Und nicht zuletzt begrüßten die steinkohleverarbeitenden Betriebe in der Pfalz die schnellere Belieferung mit dem „schwarzen Gold“. Ein weiteres Argument der Pfälzer war die damalige Holzknappheit. Nicht jede Familie konnte sich Holz zum Feuern leisten, die Bahn bot die Möglichkeit, den Brennstoff Steinkohle direkt in die Orte der Pfalz zu liefern.
Im April 1845 konnten die ungeduldigen pfälzischen Bahnpioniere zum ersten Spatenstich ansetzen. 1847 wurden die ersten Strecken nach Speyer und Neustadt eingeweiht. Die Fahrzeit von Neustadt nach Haßloch betrug damals 19 Minuten, von Schifferstadt nach Speyer 20 und von Speyer nach Ludwigshafen 50 Minuten. In Ludwigshafen brachte eine Kutsche den Reisenden dann nach Mannheim, wo er Anschluß nach Basel, Frankfurt, Straßburg oder Mainz hatte.
Große Probleme brachte die Trassenlegung durch das Neustadter Tal: Zwölf Tunnels mußten zwischen Neustadt und Kaiserslautern gesprengt werden. Erst im August 1849 konnte die ganze Linie bis ins Saarland eröffnet werden. Der Ausbau des Pfälzer Schienennetzes und die Vernetzung mit angrenzenden Bahnen beispielsweise in Hessen oder Baden folgten in den folgenden Jahren Schlag auf Schlag. 1853 ging eine Linie LudwigshafenWorms in Betrieb, 1852 wurde mit dem Bau der Maximiliansbahn begonnen, die Neustadt mit Weißenburg verbinden sollte.
Eine zweite Aktiengesellschaft, die „Pfälzische Maximiliansbahn“, wurde ins Leben gerufen. Erfolgreiche Verhandlungen mit Frankreich über Zollabfertigung und Beförderungstarife machten es schließlich möglich, daß am 26. November 1855 die ersten Fahrgäste von Neustadt über Landau ins Elsaß fahren konnten.
Zwei weitere Aktiengesellschaften wurden in den folgenden Jahren aus der Taufe gehoben: 1862 gründete sich die „Neustadt-Dürkheimer Bahn AG“, die Strecke konnte schließlich 1965 (!) eingeweiht werden. Die vierte Aktiengesellschaft „Pfälzer Nordbahnen“ erschließt insbesondere die Nord- und Westpfalz. 1868 rollten die ersten Loks von Landstuhl nach Kusel, 1871 nahm die Alsenzbahn von Hochspeyer nach Münster am Stein ihren Betrieb auf.
Damit auch wirtschaftlich schwächere Regionen mit den Vorzügen des Schienenverkehrs gesegnet werden konnten, entschlossen sich die Aktiengesellschaften 1869 zu einer Fusion  die Dürkheimer Bahn war bereits Teil der Nordbahnen. Geleitet von einer gemeinsamen Verwaltung sollte Bau und Betrieb weiterhin auf eigene Rechnung laufen. Bayern garantierte erneut feste Zinsbezüge von 4,5 Prozent. Dem Fusionsvertrag wurde allerdings nur unter zwei Bedingungen zugestimmt: Vom 1. Januar 1905 war der bayerische Staat berechtigt, das Eigentum der Gesellschaften zu erwerben, außerdem wurde der Bau bestimmter Strecken angeordnet, damit auch die Menschen in Pirmasens oder im Donnersbergkreis den Wind der neuen, mobilen Zeit schnuppern konnten.
Es folgten weitere wirtschaftlich fette Jahre, die Pfälzische Eisenbahn entwickelte sich zu einem der größten deutschen Privatunternehmen. In ihrem Besitz: 872 Kilometer Strecke, 354 Lokomotiven, über 10.000 Wagen und rund 12.000 Angestellte. 1908 reisten fast 17 Millionen Fahrgäste (1850: 95.000) per Bahn durch die Pfalz, fast elf Millionen Tonnen Güter wurden auf dem Schienenweg transportiert.
Bis 1879 trieben die Ingenieure und Planer energisch den Anschluß an die Fernverbindungen voran. Ab 1879 werden die Maschen des Nahverkehrsnetzes noch enger gezogen. Die Pionierjahre der Pfälzischen Eisenbahnen waren jetzt endgültig vorbei. Ihren Abschluß fand die Entwicklung 1909, als Bayern die Pfälzischen Eisenbahnen gemäß dem Fusionsgesetz
verstaatlichte. Ein Grund für diese Entscheidung war der Konkurrenzdruck durch die bereits verstaatlichten hessischen und preußischen Eisenbahngesellschaften. Nicht lange konnte sich Bayern an der florierenden Bahn erfreuen. 1918 dankte der König nach Ende des 1. Weltkrieges ab. Aus der „Königlichen Bayerischen Eisenbahndirektion“ in Ludwigshafen wurde die „Reichsbahndirektion“. Auch sie bestand nur kurze Zeit: 1937 wurde die Reichsbahndirektion Ludwigshafen aufgelöst, das pfälzische Bahnnetz löcherig, Teile gingen an Karlsruhe und Saarbrücken.
Nachdem das Streckennetz der Ludwigsbahn erst in privater Hand, dann Eigentum des Staates war, ist es heute in den Händen der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Netz mit Sitz in Kaiserslautern.
Aus: Die Rheinpfalz, Siegrid Becker, 10.06.1997

„Die Pfalz bracht er in guten Stand“

An der südlichen Chorwand der Stiftskirche in Neustadt an der
Weinstraße steht ein großer, hoher DoppelGrabstein für Kurfürst
Ruprecht I. von der Pfalz und für seine Gemahlin Beatrix. Der
Kurfürst starb am 13. Februar 1390 und wurde noch vor der Weihe
des Gotteshauses in der Mitte des Chores, also an besonders
bemerkenswerter Stelle, beigesetzt. Doch dies allein ist nicht
der Anlaß, warum wir uns hier im Badischen und wie in der Pfalz
dieses Kurfürsten aus dem 14. Jahrhundert noch immer erinnern.
Dafür gibt es gleich zwei gewichtige Gründe.

Als Ruprecht anno 1319, erst zehnjährig, zusammen mit einem
älteren Bruder und einem „Brudersohn“ (Cousin) gleichen Namens,
in den Besitz seines väterlichen Erbes kam, ging damit ein
Bruderstreit im Hause Wittelsbach zu Ende. Abgespielt hatte sich
dieser Krach zwischen Ruprechts Vater, Kurfürst Rudolf I., und
König Ludwig dem Bayer. Der Bayer hatte zuletzt die gesamten
wittelsbachischen Lande in der Hand gehabt, gestand jedoch 1329
durch den Hausvertrag von Pavia den Nachkommen seines Bruders die
„Pfalz by Rhin“ wieder zu, samt den Gebieten im Nordosten des
bayerischen Herrschaftsgebietes, die daraufhin den Namen Oberpfalz
erhielten. Damit waren Bayern und die Pfalz bis Ende des 18.
Jahrhunderts getrennt, und es gab fortan eine ältere (pfälzische)
und eine jüngere (bayerische) Linie der Wittelsbacher.

Das Glück begünstigte den jüngeren Ruprecht aber auch noch
weiterhin, denn 1353 starb sein älterer Bruder und Mitregent der
Pfalz, so daß Ruprecht alleiniger Landesherr wurde. Schon 1356
bestätigte Kaiser Karl IV. durch die Goldene Bulle die erbliche
Kurwürde für den Pfälzer und sein Haus, das damit die bayerische
Linie der Wittelsbacher an politischer Macht und auch an Ansehen
überflügelte  zumal der pfälzische Kurfürst als Erztruchseß das
vornehmste weltliche Reichsamt ausübte.

Nun konnte Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz ungehindert und mit
kaiserlichem Wohlwollen sein Territorium abrunden und
konsolidieren. So erwarb er beispielsweise die Grafschaft
Zweibrücken, faßte weitverstreute Besitzungen und Rechtsansprüche
zu einem stattlichen Fürstenbesitz zusammen und machte damit ein
Sprüchlein wahr, das kurz und lakonisch die Erfolge des
Kurfürsten und des Menschen Ruprecht umreißt. Es befindet sich
auf einem Bildnis, das den Kurfürsten mit seinen zwei Frauen,
Elisabeth und Beatrix, zeigt und lautet: „Ruprecht, den man den
rothen nannt/Die Pfalz bracht er in guten Stand/Zwo Fürstin warn
ihm außerkorn/Von Naumur und von Berg geborn“.

Mit seiner Politik unterstützte Ruprecht I. den Kaiser Karl IV.
und trat auch für die Wahl des nächsten Thronanwärters aus dem
Hause Luxemburg, für Karls Sohn Wenzel, ein. Aber noch auf einem
anderen Gebiet wollte er es Karl IV. gleichtun. Hatte dieser 1348
die erste Universität im damals noch vorwiegend deutschen Prag
gegründet, so gründete der Pfälzer 1386 die Universität von
Heidelberg, die heute als die älteste Einrichtung dieser Art in
Deutschland gelten darf.

Vorausgegangen war das große abendländische Schisma. Während die
Deutschen den römischen Papst Urban VI. anerkannten, hielten es
die Franzosen mit dem in Avignon residierenden Gegenpapst Clemens
VII.. Dieser Entscheidung schloß sich auch die Universität von
Paris an. Daraufhin verließen die meisten deutschen Studenten
Paris, ebenso die Professoren, unter ihnen so namhafte Gelehrte
wie Konrad von Gelnhausen und Marsilius von Inghen.

Beide beauftragte Kurfürst Ruprecht I. damit, in Heidelberg nach
dem Pariser Muster ein Generalstudium einzurichten, aus dem nach
der kirchlichen Genehmigung durch Papst Urban VI. am 26. Juni
1386 die Universität Heidelberg hervorging. Die päpstliche Bulle
hatte der Kurfürst auf der Burg Wersau (bei Reilingen) vom
römischen Gesandten entgegengenommen. So wurde Heidelberg zum
geistigen Mittelpunkt des Landes, ja ganz Deutschlands. Eine
glückliche Hand bewies Ruprecht mit der Wahl des Niederländers
Marsilius von Inghen zum ersten Rektor seiner Universität. Dieser
Mann war Gelehrter, Hochschullehrer und Organisator in einer
Person  und „einer der größten Anreger und Geistesvermittler
jener schicksalhaften Epoche“.

Damit begann, während sich die Biographie ihres Gründers dem Ende
zuneigt, die nunmehr über sechs Jahrhunderte reichende Geschichte
seiner Heidelberger Universität, der „Rupertina“. Seit ihrer
Neuordnung durch das 13. Organisationsedikts des badischen
Kurfürsten und späteren Großherzogs Karl Friedrich im Jahre 1803
führt die Universität die Doppelbezeichnung „RupertoCarola“ und
gedenkt so dankbar des Gründers und des Erneuerers.

Aus: Konradsblatt, Februar 1990, Hans Leopold Zollner