Vivats aus der Kurpfalz

In der jüngeren deutschen Geschichte wurde der 18. Januar 1871 zu
einem einschneidenden Ereignis: An diesem Tag wurde im
Spiegelsaal des französischen Prunkschlosses Versailles das
Deutsche Kaiserreich proklamiert. Drei blutige Kriege, unter
anderem der zu diesem Zeitpunkt noch tobende DeutschFranzösische
Krieg, waren nötig, um die nur lose verbundenen Staaten
Deutschlands zusammenzuführen. Es war Reichskanzler Fürst Otto
von Bismarck, dem es vorbehalten war, den preußischen König zum
ersten Kaiser des Deutschen Reiches auszurufen.

Doch damit das „Vivat“ auf den neuen Kaiser Wilhelm I. erschallen
konnte, mußten viele Menschen ihr Leben lassen. Der Krieg von
1870/71 bildete zugleich einen traurigen Höhepunkt in der
sogenannten Erbfeindschaft der Nachbarländer. Auch aus der
Kurpfalz zogen viele Männer aus, „um freudig ihr Blut zu
vergießen und mit Gottes Hilfe glorreich zu siegen“, wie es in
einem Aufruf jener Tage hieß.

Schon seit längerem zeichnete sich der Krieg zwischen den beiden
Nachbarn rechts und links des Rheines ab. „Dieser Krieg mit
Frankreich wird kommen“, prophezeite Reichskanzler Bismarck
bereits 1868. Der Anlaß ergab sich, als Spanien einen neuen König
brauchte und dafür einen entfernten Verwandten des Preußenkönigs
Wilhelm ins Auge faßte. Weil aber die französische Regierung
diesen Plänen heftig widersprach, trat der Hohenzollernprinz von
der Kandidatur zurück. Trotzdem verlangte der französische
Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, eine Garantieerklärung,
daß Preußen für immer auf die Anwartschaft verzichte. Der so
bedrängte Monarch lehnte ab, ließ den in seinen Urlaubsort Bad
Ems nachgereisten Diplomaten stehen und telegraphierte den
Sachverhalt in der berühmten „Emser Depesche“ nach Berlin.

Bismarck straffte den Text, um den Wortlaut zu verschärfen, und
übergab die redigierte Fassung an die Presse. Wilhelms Abweisung
klang nun so schroff, daß Frankreich sich brüskiert fühlen mußte.
Innerhalb weniger Tage, am 19. Juli 1870, ging die
Kriegserklärung Frankreichs in Berlin ein. Ein Krieg, der zehn
Monate dauern sollte, hatte begonnen.

Der Aufmarsch der Truppen aus allen Gauen des noch nicht geeinten
Deutschlands verlief schnell und reibungslos. Die preußischen
Planer hatten auf die neue Technik gesetzt, auf die Eisenbahn und
den Telegraphen. Die Truppen sammelten sich in drei Hauptarmeen,
eines dieser drei Heerlager war übrigens bei Altlußheim. Es war
die Armee des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, die dort
mit Fähren über den Rhein setzte. Von überall kamen die
Heerscharen mit der Eisenbahn angereist. Von den Bahnhöfen in
Mannheim und Heidelberg, aber auch Schwetzingen und Hockenheim
marschierten die Truppen durch die Gemeinden in Richtung
Altlußheim. Überall schlossen sich Kriegsdienstleistende und
Freiwillige an.

„Wir leben in großen Tagen. Vor wenigen Wochen mußten wir dem
frechen Angriff des alten Feindes der Deutschen entgegentreten in
banger Sorge um Haus und Herd, um die Ehre unserer Frauen und um
das höchste Gut, die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes.“ So
lautete der propagandistische Text eines Aufrufs Anfang
September. Wieviele dieser „tapferen Helden“, der „treuesten
Söhne unseres deutschen Vaterlandes hingesunken sind auf die
blutige Erde“, ist zumindest für die Kurpfalz unklar.

Sicher ist allerdings, wie hoch die Kriegskosten für die
einzelnen Gemeinden ausfielen. So mußte beispielsweise das damals
964SeelenDorf Brühl 5.000 Gulden aufbringen. Dies war fast
genau so viel, wie wenige Jahre zuvor beim Bau des Rathauses
zu bezahlen waren. Eine nicht ganz einfache Sache für die kleine
Gemeinde im Süden Mannheims. Es mußte eigens ein Kredit
aufgenommen werden, um die Abgabe an die großherzogliche Kasse zu
entrichten.

Großherzog Friedrich I. von Baden war bei der Proklamation des
Kaiserreiches in Versailles zum Sprecher der deutschen Fürsten
ernannt worden. Er stimmte die begeisterten Hochrufe der
Versammlung von Fürsten und Offizieren an. Der deutsche Kaiser
wurde, zehn Tage vor der Übergabe von Paris, mitten im Krieg, an
einem preußischen Gedenktag im früheren Sitz des französischen
Sonnenkönigs gefeiert. Dies kam einer Verhöhnung des Feindes
gleich, die den Graben noch tiefer machte.

Der Friedensschluß vier Monate später bot weiteren Zündstoff und
belastete die deutschfranzösischen Beziehungen auf Jahrzehnte
hinaus. Elsaß und Teile Lothringens fielen ans neue Deutsche
Reich. Außerdem wurden Reperationszahlungen von fünf Millionen
Franken festgelegt, die Deutschland, auch den Gemeinden der
Kurpfalz, kurzzeitig einen Aufschwung, die sogenannten
Gründerjahre, bescherten.

Die Beziehungen zum westlichen Nachbarn waren lange auf Dauer
geschädigt. Es sollte fast 80 Jahre dauern bis sich das
Verhältnis wieder normalisierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurden Freundschaften und partnerschaftliche Beziehungen von
vielen kurpfälzischen Orten mit französischen Städten und
Gemeinden begründet. Sie wurden die Grundlage zur heutigen
deutschfranzösischen Freundschaft. So sind aus den Feinden von
früher heute echte Freunde geworden, die eng miteinander in einem
gemeinsamen Europa leben.

Aus: SZ vom 18.1.1996 nach rs

Kummer und Not zur Jahreswende 1945/46

Ein Jahr ging zu Ende, das einmal in die Geschichte eingehen
würde: Trauer um Millionen von Gefallenen und Toten durch die
Kriegseinwirkungen, Angst um die unzähligen Verschollenen, Sorge
ums tägliche Überleben. Die Angst um das Verhungern wird
gemildert durch das Glück, überhaupt überlebt zu haben.
Wiedersehensfreude und die Hoffnung auf eine bessere Welt prägten
die Gefühle am Jahreswechsel 1945/46 überall in der Kurpfalz.

Nur wenige Zeitungen erschienen zum ersten Silvester nach Ende
des 2. Weltkrieges und auf den wenigen Seiten war immer wieder zu
lesen, daß sich die Menschen „vom Ungeist des Nationalsozialismus
und Militarismus“ zu trennen hätten. In der Rhein-Neckar-Zeitung
forderte der spätere Bundespräsident Theodor Heuss die Leser auf,
daß das „neue Jahr das Volk an der Arbeit sehen“ möge und „die
Grundlagen für eine bessere Zukunft zu schaffen“.

Im „Schwetzinger Morgen“ war von den Wünschen der Bürger zu
lesen: „Gar soviele erhoffen sich endlich Klarheit über das
Schicksal der vielen Vermißten und wünschen ihnen und den bereits
als gefangen ermittelten Soldaten eine baldige, gesunde Heimkehr.
Andere gehen in Richtung des Aufbaues oder der Bedachung halb
zerstörter Häuser. Dazu kommen noch zahlreiche Gedanken und
Hoffnungen bezüglich der Sicherung einer beruflichen Existenz.“
Trotzdem schließt der Verfasser damit, daß „Tränen, Kummer und
Not wohl noch lange unsere ständigen Begleiter sein werden“.

Wer sich nicht dank eigenem Land oder Vieh selbst versorgen
konnte, gute Beziehungen, etwas zum Tauschen oder
Organisationstalent hatte, für den blieb Schmalhans noch lange
Küchenmeister. Daß es bald wenigstens ein bißchen mehr zu essen
geben könnte, ließen Berichte über die Entwicklung der
zugewiesenen Lebensmittelmengen hoffen. So verdoppelte sich etwa
die einem Normalverbraucher über 18 Jahren zustehende Brotmenge
von 5.600 auf 11.450 Gramm im Monat. Die Fleischration
vergrößerte sich auf 440 Gramm  ebenfalls pro Monat.

Lebensmittel waren denn auch am begehrtesten auf dem blühenden
Schwarzmarkt. Und mancher machte auch mit heißer Ware gute
Geschäfte  solange ihn die Ordnungshüter nicht schnappten. Ein
Erfolg des Hockenheimer Landpolizeiposten wurde beispielsweise
Ende Januar 1946 vermeldet. So wurde ein Mann aus der Nähe von
Sinsheim geschnappt, der mit einem Fahrrad und zwei beladenen
Handwagen unterwegs war. In der Nähe des damaligen Bahnhofs
Talhaus versuchte er, allerlei an den Mann und die Frau zu
bringen. Die Polizisten stellten vier geschlachtete Gänse, drei
Hühner, zehn Pfund Zucker, ein Pfund Butter, über 400 Zigaretten,
224 Fingerringe, 36 Schlüsselketten und 12 Paar Damenstrümpfe
sicher. Ein Tag später hingen überall in der Stadt warnende
Flugblätter an den Wänden: „Wer gestohlene Sachen kauft, macht
sich der Hehlerei schuldig!“

Als „Sünde an der Heimat“ wurde in einer anderen Ausgabe des
„Schwetzinger Morgens“ der Holzdiebstahl aus dem nahen Hardtwald
und aus öffentlichen Anlagen angeprangert. Dies galt vor allem
für die Menschen, die immer wieder in den Schwetzinger
Schloßgarten eindrangen und dort „an völlig gesunden Bäumen auf
grobe Art Äste entfernten“.

Als vorbildlich gelobt wurde dagegen eine fürsorgliche Aktion der
örtlichen Gastwirte, deren Gäste nicht  wie sonst üblich  ein
Brikett oder einen Holzscheit mitzubringen brauchten. Sie
besorgten sich gemeinsam Brennholz über das Forstamt im
Hardtwald, damit dem Gast „nicht nur ein gutes Glas Bier oder gar
Glas Wein, sondern auch ein warmes Lokal zur Verfügung steht“.

Ablenkung von den Sorgen bereiteten zu jener Zeit unter anderem
Filme, Konzerte und Theateraufführungen. So freuten sich in
Schwetzingen die Menschen über eine Aufführung von Bernhard Shaws
„Candida“ durch eine Theatertruppe der US-Armee und in Hockenheim
führte ein Laientheater in der „Rose“ zur Fastnachtszeit den
Schwank „Die spanische Fliege“ auf. In Reilingen kam der Erlös
eines nach Dreikönig gezeigten Lustspieles den Kriegsgefangenen
und deren Familien zugute. Nicht nur wegen des guten Zwecks
sprach dieses ein breites Publikum im Saal des „Engels“ an,
sondern wohl auch wegen des Titels  „Arm wie eine Kirchenmaus“.

Geschmuggelter Wein und falsche Leberwurst

Nicht nur an den Festtagen biegen sich bei den meisten Menschen
der heutigen Zeit die Tische unter der Last der Leckereien. Die
Not leidender Menschen  wenn auch manchmal mitten unter uns 
scheint weit entfernt zu sein, man will leben. Im strengen Winter
1946 mit Temperaturen von unter minus 15 Grad, die die Kraichbach
und auch das Wasser im Waschlavoir in der ungeheizten Wohnung
zufrieren ließen, und Schneehöhen, von denen Kinder heute nur
noch erstaunt hören, konnten die meisten Menschen selbst von
einem einfachen Mahl nur träumen. Selbst Fastnacht wurde  wenn
überhaupt  nur bescheiden gefeiert.

Georg Zahn aus Hockenheim hatte ebenso wie zwei seiner Kameraden
das Glück, schon aus der amerikanischen Gefangenschaft
heimgekehrt zu sein. Darauf wollten die jungen Männer natürlich
am liebsten mit einem Glas Wein anstoßen. Wo aber sollte man zu
dieser Zeit in Hockenheim Wein herbekommen? Dank der im
Kriegsgefangenenlager geschlossenen Freundschaft zu einem Winzer
aus Rauenberg sollte es kein Problem sein, an den Wein zu kommen.
Wohl aber der Transport, denn wie die Lebensmittel in den Läden
war auch der Wein von der US-Militärregierung in Weinheim
beschlagnahmt worden.

Die drei Hockenheimer wären keine Hockenheimer gewesen, hätten
sie nicht eine Möglichkeit gefunden, doch noch an den Wein zu
kommen. „Wir haben unserem Freund Arm und Kopf verbunden und ihn
auf eine Trage gelegt“, wußte Oskar Haas die Geschichte immer
wieder lebendig zu erzählen. Da von einem Arzt „Seuchengefahr“
attestiert worden war, gelang es dem Trio, an einen
MilitärSanitätswagen zu kommen, der damals für die
Zivilbevölkerung eingesetzt worden war.

So kam man unbehelligt von den vielen Straßenkontrollen über
Reilingen, Walldorf und Wiesloch nach Rauenberg. Spät in der
Nacht wurden drei Kisten „1941er Mannaberg Riesling“ verladen und
unter dem „Kranken“ versteckt, der nun auf umgekehrtem Weg seine
Reise in das Hockenheimer Krankenhaus antreten sollte. Wiederum
kam man ohne Probleme durch die Sperren, denn vor Krankheiten
oder gar Seuchen hatten die GIs an den Kontrollen eine panische
Angst: „Ein kurzer Blick auf das Arztschreiben genügte und wir
wurden sofort weitergeschickt“. In Hockenheim angekommen, wurden
die Flaschen sofort geöffnet und zur Freude vieler Stammgäste im
„Grünen Baum“ ausgeschenkt.

Das Faible eines reichen bayerischen Molkereibesitzers für den
Wein aus dem Kraichgau, den er während seiner Studienzeit in
Heidelberg kennengelernt hatte, kam dem Reilinger Heinrich Krämer
zugute. Krämer hatte nach seiner Flucht aus einem
Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Innsbruck für einige Zeit
in der Molkerei in Memmingen gearbeitet. Heimgekehrt nach
Reilingen, nahm er Kontakt auf mit einem Winzer in Malsch. Immer
wieder habe er die Reise nach Memmingen angetreten, erinnerte
sich Krämer und erzählte von den überfüllten Zügen: „Die Menschen
hingen wie Trauben sogar draußen auf den Trittbrettern und ich
stand mit 20 Flaschen Wein im Rucksack auf der untersten Stufe.
Den ganzen Weg hatte ich mehr Angst, abzustürzen, als von der
Polizei kontrolliert zu werden“. Für jede Flasche gab es ein
Pfund Butter, die dann teilweise wieder in Mehl oder andere Güter
des täglichen Bedarfs eingetauscht wurde.

Aus nichts etwas einigermaßen Schmackhaftes zu zaubern  das war
die Kochkunst dieser mageren Jahre. Die Not machte auch in
Hockenheim erfinderisch und so reichte man unter der Hand ein
„Geheimrezept“ weiter, wie man ohne Leber oder Fleisch eine
ErsatzLeberwurst herstellen konnte. Dabei schwörte jeder Ort in
der Kurpfalz auf „sein“ Rezept. Es gab zahlreiche Varianten für
falsche Leberwurst, am beliebtesten in der Region um Hockenheim
aber war die „Leberwurst“, die aus einer Mehlschwitze mit Wasser
und etwas Milch hergestellt wurde. In diese Masse wurde Hefe
gegeben und mit Salz, Pfeffer und vor allem viel Majoran gewürzt.
Und das Essen wurde dann zu einer Delikatesse, wenn es dazu
Sauerkraut gab. (og)

Der Erdbebenanzeiger von Mannheim

Erdbeben und Erderschütterungen sind in der Rheinebene nicht
unbekannt, entstand die Oberrheinische Tiefebene doch vor
Jahrmillionen durch ein Erdbeben. Der sogenannte „Grabenbruch“
verdankt sein Entstehen somit eine gewaltige Erdschollenbewegung.

Kleine Erdbeben sind auch aus der kurpfälzischen Vergangenheit
bekannt geworden. Bereits die 1763 gegründete Kurpfälzische
Akademie der Wissenschaften befaßte sich in der meteorologischen
Klasse mit solch seltenen und daher um so merkwürdigeren
Phänomenen wie dem Vulkanismus und seinen Begleiterscheinungen.

Doch von den inneren Zusammenhängen von Vulkanausbrüchen und
Erdbeben wußte man damals noch nichts. Man ahnte es allenfalls.
Die weltweit betriebenen, durch den Mannheimer Hofkaplan Johann
Jakob Hemmer in Gang gesetzten Wetterbeobachtungen und
fortlaufenden Aufzeichnungen der Meßwerte sind für die
Witterungsgeschichte des Jahres 1783 „überaus wertvoll“, denn die
Sommermonate boten „allenthalben außerordentlich seltsame
Erscheinungen“. Über der Kurpfalz lag vom 16. Juni bis zum 6.
Oktober 1783 „ein ungewöhnlich starker Nebel von auffälliger
Trockenheit“, wie heute noch in alten Dokumenten zu lesen ist.
Was war geschehen?

Die Sonne habe damals wie rotglühendes Eisen ausgesehen und
konnte an vielen Tagen selbst während der Mittagsstunden mit
ungeschützten Augen betrachtet werden. Seltsame, ungewöhnlich
kräftige Dämmerungserscheinungen am Himmel ängstigten die
Menschen. Schreckensbotschaften über äußerst zahlreiche und
heftige Erdbeben in Tripolis, Kalabrien und Sizilien wurden
verbreitet. Am 18. Mai verspürte man noch in Regensburg die
Ausläufer eines Bebens, ist in einer wissenschaftlichen
Auswertung der „Mannheimer Ephemeriden“, den Aufzeichnungen aller
Wetterfaktoren in weiten Teilen Europas.

Bald erfuhr man mehr: Am 1. Juni setzten auf Island „viele
furchtbare Vulkanausbrüche ein, seit dem 11. Juni warf der Hekla
eine Lavamasse aus, die 9.000 Menschen das Leben kostete. Der
ungewöhnliche „Sommernebel“ des Jahres 1783 war von Norden
gekommen und demnach nichts anderes als Vulkanasche gewesen, die
das Sonnenlicht teilweise ablenkte. Entsprechend streng waren die
Winter 1784 bis 1789. Es gab mehrfach Mißernten und Hungersnot.

In dieser Situation beschäftigte man sich auch in Mannheim mit
der Konstruktion eines ersten brauchbaren Seismometers
(Erdbebenmelders). Ein kurfürstlicher Hofastronom namens König
soll es gewesen sein, der 1784 tatsächlich einen damals
„Sismometer“ genannten Apparat entworfen hatte, den er „aus zwei
verschiedenen Erfindungen zusammenzusetzen gedenket“. Wäre Königs
Erdbewegungsmesser damals „schon verfertiget gewesen, so würde
die am Gestirne gemachte Beobachtung auch durch dieses Instrument
bestätiget seyn“, hieß es in einer Notiz der „Mannheimer Zeitung“
vom 27. November 1784. Die Beobachtung bezog sich auf ein
Erdbeben, das am 17. Oktober des genannten Jahres bei Neapel
verspürt wurde. Da weitere Zeitungsmeldungen oder
wissenschaftliche Abhandlungen fehlen, ist nicht bekannt, ob
Königs Apparat später voll funktionsfähig gewesen ist.

Aus: Mannheimer Morgen, Hans Weckesser, 20.1.1995

Als die Pfälzer in das bayerische Ständehaus einzogen

Mitten im Winter 1819 mußten sie aufbrechen, die zwölf Pfälzer
Deputierten zur ersten Ständeversammlung des Königreiches Bayern,
dem Landtag, wie man bald sagte. Sie hatten einen weiten und
beschwerlichen Weg vor sich in die Haupt und Residenzstadt
München. Einziges Verkehrsmittel war die Königlichbayerische
Post mit ihren wenig komfortablen Kutschen. So brauchten sie zur
Bewältigung der winterlichen Strecke sechs Tage, bis sie sich
schließlich bei der Einweisungskommission im Ständehaus an der
Münchner Prannerstraße melden konnten. Dort, hinter dem heutigen
Hotel Bayerischen Hof, tagte der Bayerische Landtag von 1819 bis
zu seiner Aufhebung 1933 durch die Nationalsozialisten.

Es war zugleich aber eine Fahrt ins Ungewisse, denn ein Parlament
hatte es bisher noch nicht gegeben. Niemand wußte so genau, wie
so etwas funktionieren sollte. Für die Pfälzer war es zudem auch
eine nicht ganz ungefährliche Reise in die Vergangenheit. Eine
Reise zurück in das Feudalzeitalter, das sie seit dem Einmarsch
der französischen Revolutionstruppen 1793 hinter sich gelassen
hatten.

Als der damalige Rheinkreis, den König Ludwig I. zwanzig Jahre
später in Pfalz umbenannte, am 30. April 1816 achte Provinz des
Königreiches Bayern geworden war, da gehörte er mit seinen
revolutionären Institutionen wie Gewerbe, Presse und
Vereinsfreiheit, Trennung der Justiz von Verwaltung und Polizei,
Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen, dem Landrath, das heißt
dem Vorläufer des Bezirkstages, und anderem schon ganz der
modernen Staatenwelt des 19. Jahrhunderts an. Die Pfälzer hatten
ihre Institutionen vehement verteidigt als sie bayerisch wurden,
und der bayerische Staatsminister Montgelas hatte sie ihnen auch
belassen, denn die Pfalz sollte ein Modell für die Entwicklung
des übrigen Bayern sein.

Das wurde ein mühsames, Jahrzehnte dauerndes Ringen und hatte oft
genug für ganz erhebliche Spannungen zwischen der Pfalz und
München gesorgt. Die Abgeordneten der Pfalz waren wegen ihrer
jüngsten Geschichte fast durchweg liberal, teilweise auch
radikaldemokratisch oder gar republikanisch. Temperamentvoll,
wie es nun mal Pfälzer Art ist, und mit geradezu missionarischem
Eifer taten sie ihre Meinung kund, als die Ständeversammlung nach
wochenlangen Formalien und feierlichen Gottesdiensten in allen
Münchner Kirchen endlich ihre erste öffentliche Sitzung begann.
Schnell sorgten sie für Unruhe, und so verwunderte es nicht, daß
der erste Ordnungsruf im bayerischen Parlament am 31. März 1819
einen Pfälzer traf.

Es lag in der Natur der Sache, daß die Verbündeten der Pfälzer
die altbayerischen, besonders aber die fränkischen und
schwäbischen Liberalen waren. Heftiger Widerstand kam von den
Konservativen in der Versammlung, die überdies die erste Kammer,
die der Reichsräte, dominierten und im König sowie in der
Regierung starken Rückhalt besaßen. Zunächst verband noch die
landsmannschaftliche Zugehörigkeit die Abgeordneten miteinander.
Fraktionen und Parteien entwickelten sich erst langsam nach der
Revolution von 1848.

Anders als den Franken war es den Pfälzern gleich zu Beginn
gelungen, in vier Ausschüssen Sekretäre zu stellen. Insgesamt
fielen von 1819 bis 1933 auf die Pfalz 440 Mandate. Wegen
mehrmaliger Wiederwahlen zogen in den 114 Jahren rund 350
Abgeordnete aus der Pfalz in das bayerische Parlament ein 
darunter lediglich zwei Frauen. Zurückblickend läßt sich
feststellen, daß nur wenige Pfälzer in hohe politische Ämter
aufgestiegen sind. Vier Abgeordnete wurden in Zeit der Monarchie
Minister, zwei weitere in der Zeit der Republik. Von diesen
wiederum war Johannes Hoffmann von 1919 bis 1920
erster freigewählter Ministerpräsident des Freistaates Bayern.
Dreimal wurde ein Pfälzer zum Kammer bzw. Landtagspräsidenten
gewählt.

Aus: Rheinpfalz, Hans von Malottki, 12.11.1994

Die Prinzessin mit dem allzu feurigen Temperament

Am 15. November 1794 starb 70jährig in einem kleinen Schloß in
der Oberpfalz Maria Franziska Dorothea Christine von
Pfalz-Sulzbach, die Mutter des ersten bayerischen Königs Max
Joseph. Ihre Zweibrücker Heimat war zu dieser Zeit von
französischen Revolutionstruppen besetzt. Ihr Sohn, der
regierende Herzog von Pfalz-Zweibrücken, KarlAugust, hatte sich
ins Rechtsrheinische in Sicherheit gebracht. Auch Maria
Franziskas Schwager, der Kurfürst von der Pfalz und Bayerns, Carl
Theodor, verlor seine Besitztümer im Linksrheinischen durch die
Revolution.

Unberührt von der aktuellen Tagespolitik verbrachte die alte Frau
ihre letzten Lebensjahre, doch unvergessen blieb der Skandal, den
sie, die jüngste Schwester der pfälzischen Kurfürstin Elisabeth
Auguste, genau 35 Jahre zuvor am Mannheimer Hof verursacht hatte.
An Maria Franziska statuierte der kurfürstliche Hof ein Exempel
der damals üblichen Doppelmoral. Denn was bei den Männern in
jenen Kreisen gang und gäbe war und stolz zur Schau getragen
wurde, war bei den Damen ein Skandal, den man krampfhaft zu
vertuschen suchte . . .

1724 wurde Maria Franziska als dritte Enkeltochter des Pfälzer
Kurfürsten Karl Philipp geboren. Die Eltern starben früh. Auf der
Doppelhochzeit ihrer beiden Schwestern in Mannheim lernte die
17jährige den gleichaltrigen, gutaussehenden Pfalzgrafen
Friedrich Michael kennen, den Bruder des regierenden Herzogs
Christian von PfalzZweibrücken. Herzig Christian, aber auch die
Erben der Pfalz und Bayerns, sollten später ohne legitime
Nachkommen sterben.

Es waren also Maria Franziskas Nachkommen, die eine reiche
Hinterlassenschaft antraten. 22 Jahre zählte die Prinzessin, als
sie dem Pfalzgrafen ihr Ja-Wort gab. Da hätten zwei Feuer
gefangen, so erzählte der Hofklatsch; zumindest hatte es den
Anschein! Pfalzgraf Friedrich Michael war Generalissimus im
kurpfälzischen Heer seines Schwagers Carl Theodor und bei den
kaiserlichen Habsburgern. Er war selten daheim, ein fürstlicher
Nichtstuer, bequem und genußsüchtig, mit reichlich wenig
Verstand. Dem „schönen Mann“ aber lag die Damenwelt zu Füßen.

Er hatte aber eine Frau bekommen, die zu ihm paßte. Beide hatten
ein feuriges Temperament, ein weiches Herz und schwache
moralische Grundsätze. Überschäumend vor Lebenslust, vergnügungs
und verschwendungssüchtig tanzte Maria Franziska durch den
kurfürstlichen Hof von Mannheim. Fünf Kinder wurden in der Ehe
geboren, darunter der Erbe von PfalzBayern und spätere
bayerische König, Maximilian Joseph.

Als sich ihr Ehemann in anderen Betten vergnügte, tat sich auch
die Prinzessin keinen Zwang mehr an. Aber Friedrich Michael war
nicht der Mann, der sich Hörner aufsetzen ließ. Ein Hoffräulein
als Dauerwachhund mußte der untreuen Gattin auf Schritt und Tritt
folgen. Doch Maria Franziska schüchterte dies nicht ein. Sie
nutzte die nächste Abwesenheit ihres Mannes zu einem intensiven
Techtelmechtel mit einem Schauspieler des Mannheimer Hoftheaters,
das nicht ohne Folgen blieb. Die Pfalzgräfin wurde schwanger. Und
da ihr Gatte zum Zeugungstermin nicht in ihrer Nähe geweilt
hatte, konnte sie ihm das zu erwartende Kind nicht als seines
unterschieben. Übrigens hatte Friedrich Michael schon bei der
Geburt des fünften Kindes, des kleinen Max Josef, Zweifel gehegt,
ob er wirklich der Vater des Knaben sei.

Es folgte ein kompliziertes Versteckspiel, um Maria Franziskas
Zustand zu vertuschen. Ihre Schwester, die Kurfürstin, nahm
zusammen mit Herzog Christian von Zweibrücken die Sache in die
Hand. Im siebten Schwangerschaftsmonat verkündete man dem
kurfürstlichen Hof, die Prinzessin sei schwer erkrankt, Besuche
seien verboten. Nur wenige informierte Dienstboten und der
Hofarzt durften ihr Zimmer betreten, in denen die Schwangere sich
allerdings nicht mehr aufhielt.

Maria Franziska war nämlich heimlich nach Straßburg gebracht
worden. Dort, im Haus von Dr. Johann Fried, Professor für Medizin
und Hebammenkunst, brachte sie im Januar 1760 ein kleines Mädchen
zur Welt. Nachdem sie sich von der Geburt erholt hatte, kehrte
sie in einer Nacht und Nebelaktion wieder zurück nach Mannheim.
Doch die hochherrschaftliche Verwandtschaft wollte die gefallene
Frau nicht mehr am Hofe dulden. Sie zwang Maria Franziska, sich
„aus gesundheitlichen Gründen“ in ein Kloster in Metz
zurückzuziehen. Als Maria Franziska gegen die Lothringer Klausur
rebellierte, wurde sie in einen noch strengeren Orden nach
Luxemburg verfrachtet.

1767 starb ihr Ehemann. Kurfürst Carl Theodor, der selbst mit
seinen Mätressen und den fünf Kindern öffentlich  trotz Ehefrau
 ein harmonisches Familienleben pflegte, mißbilligte die rüde
Behandlung seiner Schwägerin. Er bot der 42jährigen ein Schloß in
der Oberpfalz als Witwensitz an. Dort verbrachte sie still und
zurückgezogen die restlichen Lebensjahre.

Nur zu ihren Kindern pflegte sie einen innigen Kontakt. Denn bei
aller Kritik an ihrem Lebenswandel war sie eine gute und
liebevolle Mutter. Als ihr Lieblingssohn Karl August die
Herrschaft in Zweibrücken erbte, führte er die verheimlichte
Halbschwester unter dem Namen Fräulein von Einsiedel am Hofe ein.
Er stattete sie großzügig mit Einkünften aus und vermählte sie
mit dem Obristen seiner Leibgarde, dem Freiherrn von Montigny.

Aus: Rheinpfalz, Wiltrud Ziegler, 12.11.1994

Im "Lerchennest" endete die Flucht

Wo einst der Fluchtversuch des jungen Kronprinzen Friedrich von Preußen scheiterte
Wer einmal den landschaftlich reizvollen Kraichgau besucht, der auf der A 6 (Mannheim-Heilbronn) bequem zu erreichen ist, kann in dem zum Sinsheim gehörenden Stadtteil Steinsfurt eine interessante Entdeckung machen: Die Ortstafeln zeigen das in Holz geschnitzte Profil des „Alten Fritz“. Und das hat seinen Grund. Der Ort besitzt eine historisch interessante Stätte, das „Lerchennest“. Weiterlesen

Wie Speyer zur Bezirkshauptstadt wurde

ZwackhErinnerungen an den ersten Regierungspräsidenten des bayerischen Rheinkreises, Ritter Franz Xaver von Zwackh zu Holzhausen
Dass Speyer Mitte Mai 1816 Sitz der eben konstituierten „Königlich bayerischen Landesadministration am linken Rheinufer“ werden sollte, war noch vier Wochen zuvor keineswegs endgültig entschieden: Wäre etwa Worms im Zug der territorialen Neuordnung, die nach dem ersten Pariser Friedensschluss die Grenzen zwischen Frankreich und den deutschen Ländern im wesentlichen so wieder herstellte, wie sie 1792 bestanden hatten, unter Wittelbachs Szepter gekommen, dann hätte die Nibelungenstadt wohl die größere Chance gehabt, bayrischer Verwaltungsmittelpunkt zu werden.
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Pfalzgrafschaft bei Rhein

Die Pfalz entstand durch die Verlagerung der wohl im 10.
Jahrhundert entstandenen, fränkischen Pfalzgrafschaft Lothringen
vom Niederrhein (Aachen, Köln, mit Gütern bei Bacharach und
Vogteirechten über Trier und Jülich) über die Mosel zum
Mittel und Oberrhein. 1093 wird Heinrich von Laach, der dritte
Gatte der Witwe Adelheid von Orlamünde des letzten lothringischen
Pfalzgrafen aus dem Haus der Hezeliniden als „comes palatinus
Rheni“ (Pfalzgraf bei Rhein) erstmals genannt.

Mit dieser an wechselnde Familien gelangten Pfalzgrafschaft
belehnte 1155/56 Kaiser Friedrich I. Barbarossa seinen
Stiefbruder Konrad von Staufen und erhob ihn zum Reichsfürsten.
Hinzu kamen Hausgut, Lehnsrechte und Vogteirechte über Speyer,
Worms und Lorsch sowie zunächst auch Trier. 1195 fiel die Pfalz
über Konrads Tochter Agnes vorübergehend an die Welfen. 1214
übertrug sie Kaiser Friedrich II. nach dem kinderlosen Tod des
Welfen Heinrich des Jüngeren an Ludwig I. von Bayern, dessen Sohn
über die welfische Erbtochter Agnes auch die Eigengüter der
Pfalzgrafen erwarb.

Schwerpunkte des Gutes waren Bacharach (12./13. Jahrhundert) und
Alzey (1214 vom König erlangt). Vom Bischof von Speyer nahm der
Pfalzgraf Neustadt, vom Bischof von Worms Heidelberg (1225) zu
Lehen. Weiter erlangte er die Herrschaft über die Klöster Schönau
und Otterberg. 1255 kamen durch Teilung Oberbayern und die Pfalz
an Herzog Ludwig von Bayern, während Niederbayern mit Landshut an
Heinrich XIII. fiel. 1266 wurden die staufischen Güter um
Sulzbach, 1277/89 Kaub mit dem dortigen Rheinzoll erworben.
Ludwig II. war somit angesehenster Reichsfürst und wirkte bereits
1257 als Kurfürst mit.

1329 bestimmte der wittelsbachische Hausvertrag von Pavia die
Trennung der (unteren) Pfalz (bei Rhein) und der Oberpfalz
zwischen Regensburg und Fichtelgebirge, die der älteren
pfälzischen Linie zugesprochen wurden, von Bayern, das an die
jüngere bayerische Hauptlinie kam, wobei die Kurwürde zwischen
der Pfalz und Bayern wechseln sollte. Dies hob aber die Goldene
Bulle 1356 zugunsten der Pfalz wieder auf.

Unter Kurfürst Ruprecht I. gewann die Pfalz, die 1329 die
Pfandschaft der Stadt Mosbach erlangt hatte, unter anderem
Bretten (1349), Simmern (1359), Ingelheim (1375), Kaiserslautern,
Odernheim (1407), Nierstein und Oppenheim sowie 1385 die
Grafschaft Zweibrücken mit Bergzabern, gab aber 1355 Teile der
Oberpfalz für einige Zeit an Böhmen ab.

Ruprecht II. strebte in der sogenannten Rupertinischen
Konstitution die Unteilbarkeit der Pfalz an. Nach dem Tod des
1400 zum König gewählten Ruprecht III. (1410), der die an Böhmen
gegebenen Teile der Oberpfalz zurückgewann und die Grafschaft
Kirchberg am Hunsrück sowie Sponheim (zu einem Fünftel) erlangte
wurde die Pfalz in vier Linien geteilt: Kurpfalz (Heidelberg,
Amberg, Nabburg), die restliche Oberpfalz als Pfalz-Neumarkt,
Pfalz-Simmern (bis 1685) mit der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken
(bis 1799) und Pfalz-Mosbach. Hiervon starb die Linie Oberpfalz
1443 aus und wurde von Pfalz-Mosbach und Pfalz-Simmern beerbt.
1499 erlosch die Linie Pfalz-Mosbach, das an die Kurpfalz fiel.

Unter Friedrich I. (14491476) wurde die Vormacht der Pfalz am
Oberrhein durch den Erwerb der Reichsgrafschaft Lützelstein und
Rappoltstein, der Reichslandvogtei Hagenau, von Bischweiler,
Selz, Kleeburg und Gebieten an Nahe und Bergstraße, sowie der
Grafschaft Löwenstein (1441/64) begründet. Gleichzeitig wurde die
Kurpfalz modern organisiert.

1503/5 gingen im Bayerischen Erbfolgekrieg die Güter im Elsaß an
Habsburg, die Grafschaft Löwenstein an Württemberg und Lauf,
Hersbruck und Altdorf an Nürnberg verloren, doch wurde die neue
Linie PfalzNeuburg 1508 noch mit Gütern BayernLandshuts
ausgestattet.

1556 führte Ottheinrich die Reformation in seinem sehr
zersplitterten Herrschaftsgebiet ein. 1559 starb mit ihm die
regierende Linie Pfalz-Neuburg als alte Linie Kurpfalz aus.
Beerbet wurde sie in Pfalz-Neuburg von Pfalz-Zweibrücken und in
den Kurlanden von Pfalz-Simmern als mittlere Kurlinie. Diese
führte dort sofort den Calvinismus ein.

Infolge der Wahl zum König von Böhmen (1619) verlor Friedrich V.
Land und Kurwürde 1623 an Herzog Maximilian von Bayern, wobei
weitere Güter an Habsburg und Hessen-Darmstadt kamen. Friedrichs
Sohn erhielt 1648 die Pfalz und eine neue achte Kurwürde, während
die Oberpfalz und die alte Kurwürde bei Bayern verblieben.

1685 erlosch die Linie PfalzSimmern (Zweibrücken). Ihr folgte
die aus PfalzZweibrücken hervorgegangene katholische Linie
PfalzNeuburg. Da auch König Ludwig XIV. von Frankreich für die
Frau seines Bruders, Liselotte von der Pfalz, Erbansprüche auf
Simmern, Kaiserslautern, Germersheim und Sponheim erhob, kam es
zum Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688/97) und der damit verbundenen
Verwüstung der Pfalz (1697) durch Frankreich, das Straßburg und
Saarlouis behielt, Lothringen aber verlor. PfalzNeuburg
vermochte sich, mit Ausnahme Germersheim, zu behaupten.
Vorübergehend wurden die alten Kurrechte und die Oberpfalz
zurückgewonnen. Zeitweise gehörte die Pfalz dem Kanton Odenwald
des Ritterkreises Franken an.

1720 wurde die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt und
1743 bis 1748 eine barocke Sommerresidenz in dem 1200 erlangten
Schwetzingen eingerichtet. 1742 erlosch die Linie PfalzNeuburg.
Ihr folgte Carl Theodor aus der Linie PfalzSulzbach, der durch
Tausch die Herrschaften Zwingenberg und Ebernburg erlangte und
zur Finanzierung seiner Hofhaltung die Industrialisierung
förderte. Wegen Udenheim gehörte unter ihm die Pfalz seit 1788
zum Kanton Oberrheinstrom des Ritterkreises Rhein. 1777 fiel
Bayern an Carl Theodor, weshalb er 1778 den Hof von Mannheim nach
München verlegte. Der Versuch, Bayern gegen die habsburgischen
Niederlande an Österreich abzugeben, scheiterte 1778/79 und
1784/85 an Preußen.

Am Ende seines Bestehens umfaßte das niemals geschlossene, in
bunter Gemengelage mit anderen Herrschaften liegende, von
Germersheim bis Bacharach und von Kaiserslautern bis Mosbach
reichende Gebiet der zum kurrheinischen Reichskreis zählenden
Pfalz 8.200 Quadratkilometer (bzw. 76 Quadratmeilen) mit rund
300.000 Einwohnern.

1801 mußte Maximilian I. Joseph aus der 1799 erbenden Linie
Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld die Abtretung der linksrheinischen,
seit 1792 besetzten Gebiete an Frankreich (Departement
Donnersberg) anerkennen. Das rechtsrheinische Gebiet wurde 1803
an Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau und Leiningen verteilt. 1815
kamen die linksrheinischen Teile von Frankreich zurück und fielen
1816 weitgehend und um die Gebiete Sickingens, Nassaus, von der
Leyens, Leinigen etc. erweitert als Ersatz für Salzburg,
Innviertel und Hausruckviertel an Bayern, im übrigen an Hessen
und Preußen.

Der bayerische Teil bildete zunächst die „Königlich bayerischen
Lande am Rhein“, seit 1836 den bayerischen, von Speyer aus
verwalteten Regierungsbezirk Pfalz (seit 1838 Rheinpfalz). Von
Dezember 1918 bis Juni 1930 war die Pfalz als Folge des Ersten
Weltkriegs von Frankreich besetzt. 1920 kamen Teile der Westpfalz
(Homburg, Sankt Ingbert, Blieskastel) zum Saargebiet. Bereits
1940 wurde die Pfalz aus der Verwaltung Bayerns gelöst. 1945
gehörte die Pfalz zur französischen Besatzungszone und wurde 1946
wie Rheinhessen und KoblenzTrier Teil des Landes
Rheinland-Pfalz, wobei sie bis 1968 einen eigenen
Regierungsbezirk bildete und dann im Regierungsbezirk
Rheinhessen-Pfalz aufging.

Quelle: unbekannt

Der Pfalzgraf half mit 500 Pfund Heller nach

Leimen gehört seit 1351 zur Kurpfalz, die ihrerseits auf Geheiß Napoleons 1803 zum überwiegenden Teil an Baden fiel. 1918 erfolgte der nächste politische Einschnitt: Die Epoche der badischen Monarchie ging zu Ende, wenn auch das Territorium Baden als Republik bis zur Volksabstimmung am 9. Dezember 1951 weiterlebte und danach im Bundesland BadenWürttemberg aufging. Wie aber kam Leimen zur Kurpfalz? Weiterlesen

In die Pfalz "verbannt"

Speyer um 1900Weiß-blaue Erinnerungen aus vergangenen Tage, als keiner so richtig gerne in die Pfalz wollte /Aus dem Tagebuch des königlich-bayerischen Generals Heinrich Meyer

„Wen der liebe Gott will strafen,
den schickt er nach Ludwigshafen;
wen er gar vergessen hat,
den schickt er in die Kreishauptstadt.
Doch schickt er ihn nach Germersheim,
so geh‘ er lieber in den Rhein!“

Das vielzitierte Klagelied ehedem ins pfälzische „Exil“ versetzter altbayerischer Beamten und Offiziere hörte sich fürs erste zwar bewegend an, doch erfahrungsgemäß rückten die vermeintlich Verbannten meist rasch von ihrer Lamentatio ab und bekräftigten hernach, auch wenn sie längst an Lech, Isar, Inn und Donau zurückgekehrt waren, recht erinnerungsselig, dass es sich in dem weinfrohen linskrheinischen Regierungsbezirk sehr wohl gut leben ließ. Dafür gibt’s vielerlei Belege, und ein besonders unterhaltsamer blieb das Tagebuch des bayerischen Generals Heinrich Meyer, der, wenn auch 1857 in München geboren, die Pfalz nach zwölf Speyerer Jugend- und siebzehn Dienstjahren in verschiedenen pfälzischen Garnisonen zuletzt „mit Fug und Recht als mein Heimatland“ bezeichnete.
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Die frühen Pfälzer Kurfürsten

„Palatinum“ war ursprünglich der Name eines Berges in Rom, auf dem die Kaiser ihre Burgen und Paläste erbauten. Dieser Begriff wurde schließlich gleichbedeutend als Bezeichnung für eine kaiserliche Wohnung verwendet. Aus ihm entwickelten sich im Deutschen die zwei Lehnworte Palast und Pfalz. Während sich das eine Wort auf die Bedeutung eines Herrschersitzes beschränkte (franz. „palais“), wurde das andere für die Bezeichnung eines besonderen Hofbeamten, „dem
Pfalzgrafen“, verwendet. Dieser hatte u.a. die Funktion des obersten Richters inne. Als „comes palatinus Rheni“ nahmen die lothringischen Pfalzgrafen am Kaiserhof zu Aachen eine Sonderstellung ein. Ihre Hausmacht verlagerte sich immer mehr rheinaufwärts und endete 1156 mit Hermann von Stahleck, dessen Besitzungen am mittleren Rhein (Burg Stahleck bei Bacharach) und in Süddeutschland lagen. Weiterlesen

„Die Pfalz bracht er in guten Stand“

An der südlichen Chorwand der Stiftskirche in Neustadt an der
Weinstraße steht ein großer, hoher DoppelGrabstein für Kurfürst
Ruprecht I. von der Pfalz und für seine Gemahlin Beatrix. Der
Kurfürst starb am 13. Februar 1390 und wurde noch vor der Weihe
des Gotteshauses in der Mitte des Chores, also an besonders
bemerkenswerter Stelle, beigesetzt. Doch dies allein ist nicht
der Anlaß, warum wir uns hier im Badischen und wie in der Pfalz
dieses Kurfürsten aus dem 14. Jahrhundert noch immer erinnern.
Dafür gibt es gleich zwei gewichtige Gründe.

Als Ruprecht anno 1319, erst zehnjährig, zusammen mit einem
älteren Bruder und einem „Brudersohn“ (Cousin) gleichen Namens,
in den Besitz seines väterlichen Erbes kam, ging damit ein
Bruderstreit im Hause Wittelsbach zu Ende. Abgespielt hatte sich
dieser Krach zwischen Ruprechts Vater, Kurfürst Rudolf I., und
König Ludwig dem Bayer. Der Bayer hatte zuletzt die gesamten
wittelsbachischen Lande in der Hand gehabt, gestand jedoch 1329
durch den Hausvertrag von Pavia den Nachkommen seines Bruders die
„Pfalz by Rhin“ wieder zu, samt den Gebieten im Nordosten des
bayerischen Herrschaftsgebietes, die daraufhin den Namen Oberpfalz
erhielten. Damit waren Bayern und die Pfalz bis Ende des 18.
Jahrhunderts getrennt, und es gab fortan eine ältere (pfälzische)
und eine jüngere (bayerische) Linie der Wittelsbacher.

Das Glück begünstigte den jüngeren Ruprecht aber auch noch
weiterhin, denn 1353 starb sein älterer Bruder und Mitregent der
Pfalz, so daß Ruprecht alleiniger Landesherr wurde. Schon 1356
bestätigte Kaiser Karl IV. durch die Goldene Bulle die erbliche
Kurwürde für den Pfälzer und sein Haus, das damit die bayerische
Linie der Wittelsbacher an politischer Macht und auch an Ansehen
überflügelte  zumal der pfälzische Kurfürst als Erztruchseß das
vornehmste weltliche Reichsamt ausübte.

Nun konnte Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz ungehindert und mit
kaiserlichem Wohlwollen sein Territorium abrunden und
konsolidieren. So erwarb er beispielsweise die Grafschaft
Zweibrücken, faßte weitverstreute Besitzungen und Rechtsansprüche
zu einem stattlichen Fürstenbesitz zusammen und machte damit ein
Sprüchlein wahr, das kurz und lakonisch die Erfolge des
Kurfürsten und des Menschen Ruprecht umreißt. Es befindet sich
auf einem Bildnis, das den Kurfürsten mit seinen zwei Frauen,
Elisabeth und Beatrix, zeigt und lautet: „Ruprecht, den man den
rothen nannt/Die Pfalz bracht er in guten Stand/Zwo Fürstin warn
ihm außerkorn/Von Naumur und von Berg geborn“.

Mit seiner Politik unterstützte Ruprecht I. den Kaiser Karl IV.
und trat auch für die Wahl des nächsten Thronanwärters aus dem
Hause Luxemburg, für Karls Sohn Wenzel, ein. Aber noch auf einem
anderen Gebiet wollte er es Karl IV. gleichtun. Hatte dieser 1348
die erste Universität im damals noch vorwiegend deutschen Prag
gegründet, so gründete der Pfälzer 1386 die Universität von
Heidelberg, die heute als die älteste Einrichtung dieser Art in
Deutschland gelten darf.

Vorausgegangen war das große abendländische Schisma. Während die
Deutschen den römischen Papst Urban VI. anerkannten, hielten es
die Franzosen mit dem in Avignon residierenden Gegenpapst Clemens
VII.. Dieser Entscheidung schloß sich auch die Universität von
Paris an. Daraufhin verließen die meisten deutschen Studenten
Paris, ebenso die Professoren, unter ihnen so namhafte Gelehrte
wie Konrad von Gelnhausen und Marsilius von Inghen.

Beide beauftragte Kurfürst Ruprecht I. damit, in Heidelberg nach
dem Pariser Muster ein Generalstudium einzurichten, aus dem nach
der kirchlichen Genehmigung durch Papst Urban VI. am 26. Juni
1386 die Universität Heidelberg hervorging. Die päpstliche Bulle
hatte der Kurfürst auf der Burg Wersau (bei Reilingen) vom
römischen Gesandten entgegengenommen. So wurde Heidelberg zum
geistigen Mittelpunkt des Landes, ja ganz Deutschlands. Eine
glückliche Hand bewies Ruprecht mit der Wahl des Niederländers
Marsilius von Inghen zum ersten Rektor seiner Universität. Dieser
Mann war Gelehrter, Hochschullehrer und Organisator in einer
Person  und „einer der größten Anreger und Geistesvermittler
jener schicksalhaften Epoche“.

Damit begann, während sich die Biographie ihres Gründers dem Ende
zuneigt, die nunmehr über sechs Jahrhunderte reichende Geschichte
seiner Heidelberger Universität, der „Rupertina“. Seit ihrer
Neuordnung durch das 13. Organisationsedikts des badischen
Kurfürsten und späteren Großherzogs Karl Friedrich im Jahre 1803
führt die Universität die Doppelbezeichnung „RupertoCarola“ und
gedenkt so dankbar des Gründers und des Erneuerers.

Aus: Konradsblatt, Februar 1990, Hans Leopold Zollner

Zweibrücken-Jerusalem und zurück

Am 30. März 1495, einem Montag „vormittags 11 Uhr, nachdem die
Hauptmahlzeit eingenommen“, ritt der Herzog aus Zweibrücken
zunächst gen Westen, um  wie man verabredet hatte  seinen
Schwager Graf Johann Ludwig von NassauSaarbrücken zur
gemeinsamen Pilgerreise abzuholen. Mit von der Partie waren die
adeligen Gefolgsleute Schweickard von Sickingen (der Vater des
berühmten Franz von Sickingen), Stephan von Venningen, Karl Boos
von Waldeck und Heinrich von Schwarzenberg. Abgerundet wurde die
Gruppe von einigen Reitknechten und schließlich von einem
Chronisten des ebenso abenteuerlichen wie frommen Unternehmens,
der sich in seinen Notizen lediglich als „Diener des Herzogs
Alexander“ bezeichnete.

Man hat lange gerätselt, wer denn der Verfasser des erst knapp 90
Jahre später bei Sigmund Feyerabend in Frankfurt erschienenen
„Reißbuch des heiligen Landes“ gewesen sein könnte, dann sich
aber unter den Historikern auf den herzoglichen Geheimschreiber
Johann von Meisenheim geeinigt. Er sei, so befand man, unter den
Reisegenossen der einzige zu solcher Niederschrift Befähigte
gewesen und habe obendrein die französische Sprache beherrscht.
Daß der Herzog ihm am Morgen vor der Abreise das sogenannte
Schweinheimer Gut nahe Marnheim, das er bislang nur auf
Lebenszeit besaß, als Erblehen übereignete, war denn wohl auch
als Versorgung für Meisenheimers Familie gedacht, falls ihm
während des Unterwegsseins zu so fernen Zielen etwas zustoßen
sollte.

Für soviel Fürsorge hat sich der Chronist durch gewissenhaftes
Tagebuchführen dankbar gezeigt. Die Stunde des Aufbruchs am
Morgen hat er, wie die jeweils zurückgelegte Wegstrecke, ebenso
notiert wie jene der Ankunft im nächsten Nachtquartier. Er
schrieb auf, welche Kirchen besucht wurden, welche Reliquien man
dort verwahrte, was die Fährleute an Überfahrtsgelder und die
Mautknechte als Zollgebühren verlangten. Daneben listete er aber
auch geographische Besonderheiten, vielerlei Fremdartiges aus
Landbau und Handwerk, den vorteilhaften Eindruck oder auch das
Gegenteil beim Aufenthalt in großen wie kleinen Städten auf. Und
all dies tat er alles nüchtern ohne sprachliche Schnörkel, als
habe er lediglich eine Bilanz zu erstellen. Wie sein Herr aber,
der zeitlebens über keine nennenswerten Reichtümer verfügte, die
Morgenlandfahrt finanzierte und auf welchem Weg die benötigten
Summen für die Schiffspassage und etliches Unvorhersehbare nach
Venedig gelangten, darüber schweigt sich der Geheimschreiber aus.

Der Herzog und sein Gefolge waren übrigens nur von Zweibrücken
bis Venedig (und von dort zurück in die kurpfälzische Heimat)
unter ihrem wahren Namen gereist. An Bord der Galeere, aber auch
in Palästina wurde strenges Inkognito gewahrt. Franziskanermönche
in Jerusalem, die sich dann der „einfachen teutschen Pilger“ mit
angenommenen Namen annahmen, werden, wie schon zuvor der
Johannitergroßmeister auf Rhodos, bald gewußt haben, mit wem sie
es zu tun hatten.

Zunächst aber saß die Zweibrücker Pilgergruppe an vielen Tagen
bis zu acht Stunden im Sattel. Man schaffte dadurch im Schnitt
täglich 70 und mehr Kilometer. Am 2. April galt der Umweg von
Dieuze nach Nancy einem Besuch des Herzogs von Lothringen, der
seinen Gästen ein Empfehlungsschreiben an den Dogen von Venedig
mitgab und sie mit „einem großen Hecht und acht Karpfen, dazu
weißen und roten Wein in einer großen silbervergoldeten und mit
dem Wappen des Herzogs geschmückten Kanne“ verpflegen ließ.

Über Epinal, Remiremont, Thann und Basel erreichte man am 8.
April Zürich, laut Meisenheimer „eine sehr hübsche, wohlgebaute
Stadt, umgeben von gutem Land mit Wein, Korn und anderer Frucht“.
Der hier vorgesehene Ruhetag wurde zu einem Besuch des Klosters
Einsiedeln genutzt. Von Rapperswil ging es via Vaduz durch das
Klostertal nach Bludenz, über den Arlberg hinunter nach Pettneu
und dann von Landeck im Inntal aufwärts. In Meran kamen die
Reiter, vom Reschenpaß her, „am Karfreitag nachmittag um 4 Uhr“
an. Hier wurde zwei Tage gerastet, um „den österlichen
Verpflichtungen nachzukommen“, in der Klosterkirche der
Klarissinnen zu beichten und die Kommunion zu empfangen. Am
Ostermontag trabten die Pfälzer die Etsch abwärts nach Tramin und
Trient, von da ins Suganatal nach Ospedaletto. Castelfranco und
Mestre waren die letzten Stationen, bevor man am 24. April in der
„Königin der Lagunen“ anlangte.

In Venedig hielt sich die Reisegesellschaft lange auf, beinahe
so, als ob es keinem mit der Weiterfahrt ins Heilige Land
sonderlich geeilt hätte. Vom Standquartier, der Herberge „Zum
weißen Löwen“ nahe der Rialtobrücke aus, besuchte der Herzog samt
Gefolge zahlreiche Kirchen, nahm an einem Festgottesdienst in San
Marco teil, wohnte am Himmelfahrtstag der traditionellen
„Vermählung“ des Dogen mit dem Meer bei, ging am Fronleichnamstag
„unerkannt von der Menge“ mit einer von der Stadt gestifteten
weißen Kerze in der Prozession hinter dem Allerheiligen drein,
und ließ sich sogar zu einem Ausflug nach Padua bewegen, um am
Grab des Heiligen Antonius zu beten. Dort traf er zufällig seinen
Vetter, den Bischof von Thérouanne, Anton von Croy, der sich
zusammen mit seinem Sekretär und einigen Dienern der Pilgergruppe
spontan anschloß und an der weiteren Wallfahrt teilnahm.

Johann Meisenheimer vergaß derweil nicht, in seinem Tagebuch
bewundernd vom Reichtum Venedigs zu berichten, von Kunstschätzen
und kostbaren Materialien in Gotteshäusern und an Staatsgebäuden.
Bei einem Besuch des Arsenals und seiner Werkstätten kam er aus
dem Staunen kaum heraus: Eine ganze Stadt war da zu sehen  nur
zum Zweck der Neubauten, der Ausbesserung und Ausrüstung von
Kriegsschiffen errichtet, deren er mehr als einhundert in den
verschiedenen Hafenbecken festgemacht zählte. In einem großen
Arbeitsraum wurden lediglich Seile gedreht, in anderen
Werkstätten Anker und Nägel geschmiedet, Riemen für die
Ruderführung gefertigt, Armbrüste und Bogen hergestellt. Etwa 300
Frauen waren tagaus, tagein mit dem Nähen von Segeln beschäftigt.
Insgesamt arbeiteten in diesem Staatsbetrieb mit
Geschützgießerei und Pulverbereitung rund 3.000 Menschen.

Nicht unerwähnt bleiben freilich auch Venedigs „köstlich
gekleidete Adelsdamen und Bürgerweiber“. Viele seien „über alle
Maßen hübsch und man könne ihre Schönheit gar nicht genug loben
und preisen“. Was Wunder, daß bei soviel Sehens und
Erlebenswertem zunächst der ganze Monat Mai ins Land ging, obwohl
der schwärmende Chronist die Schuld für das „unfreiwillige“
Warten der „Saumsal des Schiffspatrons“ anlastete. Bis man
schließlich mit dem Messer Augustin Contaren, einem geriebenen
Eigner, gegen 50 Dukaten „Überfahrtsgeld“ pro Passagier und eine
zusätzliche, mehr oder weniger „freiwillige“ Aufzahlung von
weiteren 150 Goldstücken zum Vertragsabschluß kam, war es
schließlich Ende Juni geworden. Ein aufkommender Sturm, der die
Galeere beschädigte und die bereits eingeschifften Pilger „noch
auf der Lagune“ alle seekrank werden ließ, erzwang erneut einen
Aufschub. Am 3. Juli konnte das Schiff endlich „das offene Meer
gewinnen“.

Erst fünfeinhalb Wochen später, am 11. August morgens, kam das
Gestade des Heiligen Landes in Sicht. Der Kapitän hatte, wie
ehedem üblich, zunächst den Seeweg entlang der istrischen und
dalmatinischen Küste gewählt, die Galeere zwischen zahlreichen
vorgelagerten Inseln nach Korfu durchlaviert und von dort, am
Peloponnes vorüber, Candia angesteuert. Dort, wie auch danach vor
Rhodos, wurde für jeweils drei Tage Anker geworfen.

Hier, am Sitz des Großmeisters der Johanniter, berichteten aus
Deutschland stammende Ordensritter ihren pfälzischen Landsleuten
von den erbitterten Kämpfen, die anderthalb Jahrzehnte zuvor
während der Belagerung durch die Türken stattgefunden hatten.
Noch immer wurde am Bau neuer, stärkerer Befestigungen
gearbeitet, um bei zukünftigen Angriffen der „Ungläubigen“
verteidigungsbereit zu sein. Entschlossener Abwehrwille der
Kurpfälzer zahlte sich übrigens auch bei der Weiterfahrt nach dem
Passieren der kleinasiatischen Küste im Seegebiet von Zypern aus.
Gleich drei Seeräuberschiffe drehten schließlich ab, als die
Piraten sahen, daß man auf der Galeere „blankgezogen“ hatte.

Wenn der Herzog und seine Begleiter auch relativ unbehelligt und
wohlbehalten den Hafen von Jaffa erreichten, so konnte trotzdem
nicht das Land betreten werden. Der zuständige türkische Aga, der
fürs weitere Geleit nach Jerusalem seine Einwilligung geben
mußte, war verreist und kehrte erst am 19. August zurück. Nach
kleinlichen Schikanen bei der Personalienfeststellung und einer
auf der Stelle zu leistenden Zahlung ließ des Agas Sekretär die
Fremden erst einmal ins Gefängnis sperren. Dem so wunderlich
eifrig und beutelüsternen Helfer Abraham Grasso ließ, als
Meisenheimer sich im Namen des Herzogs über ihn beschwerte, der
Aga denn auch „50 Streiche mit dem Ochsenziemer“ verpassen und
der Chronist meinte gar, der so Gezüchtigte werde „nicht mit dem
Leben davonkommen“. Doch nach etlichen Stunden hatte Abraham bei
seinem Herrn schon wieder Gnade gefunden, aber die Gruppe
wenigstens einige Zeit Ruhe vor seiner Begehrlichkeit.

Der Schreiber mietete daraufhin bei dem Türken Chassym 17 Esel
für die Weiterreise nach Jerusalem. Bei drückender Hitze
erreichten die Pilger nach einem Abstecher nach Lydda und
Aufenthalten an „Stätten frommer Erinnerung wie Emmaus und
Arimathia“ am 27. August das Ziel ihrer Wünsche. Quartier machten
sie im Spital, doch Ausgangspunkt all ihrer weiteren
Unternehmungen in der heiligen Stadt war das Franziskanerkloster
auf dem Berg Zion. Dort hörten sie auch an jedem Morgen die
Messe.

Die Mönche führten sie all zu den Stätten, die durch
Begebenheiten aus dem Leben Jesus und seiner Jünger oder durch
andere fromme Überlieferung geweiht waren. Ärger bekamen die
Pfälzer aber, als der Besuch der Grabeskirche anstand. Wieder war
es Abraham Grasso, der, mit der Aufsicht betraut, einen üblen
Streich spielte. Er wollte das Gotteshaus für den Herzog und
seine Begleitung nicht öffnen lassen, falls er nicht zuvor vom
mitgekommenen Schiffspatron 200 Dukaten erhielte. Als der sich
weigerte, setzte Abraham Bewaffnete zum Franziskanerkloster in
Marsch und drohte, die Pilgergruppe beim Verlassen ihrer Bleibe
in Ketten schmieden zu lassen.

Die Patres legten sich wacker für ihre Gäste ins Zeug, doch die
geforderte Summe mußte dem Nimmersatt ausgehändigt werden. Erst
dann öffnete sich die Pforte. In feierlicher Prozession zogen die
so schändlich Ausgebeuteten dann doch noch in das Gotteshaus ein
und „um Mitternacht wurden Herzog Alexander, der Graf von Nassau,
Schweickhard von Sickingen, Stephan von Venningen und Heinrich
von Schwarzenberg in dem für die Heiden stets verschlossenen
heiligen Grabe durch den Bruder Johann von Preußen zu Rittern des
Heiligen Grabes geschlagen“.

Die Zeit des Aufenthaltes wurde zu mancherlei Ausflügen genutzt.
Man ritt nach Bethlehem, auf den Berg Juda, nach Bethanien und
zum Jordan, um dort „nach heißem, staubigem Wege“ in „den
erquickenden Fluten“ zu baden. Doch kaum waren die Pilger ins
Wasser gelangt, wurden sie „unter einem nichtigen Vorwand von
türkischen Reitern, die sie der Sicherheit wegen begleiteten,
wieder herausgejagt“. Am vorletzten Tag ihres Aufenthaltes
beteten alle noch einmal „eine Stunde in der heiligen
Grabeskirche“. Am 10. September brach man zur Heimfahrt auf.

Schon der erste Reisetag war von Unglück überschattet. Bischof
Anton von Croy sank „von einem hitzigen Fieber befallen“, vom
Esel und konnte nur mit Mühe zur nächsten Herberge gebracht
werden. Zur Sorge um den Kranken gesellte sich weiteres Unheil.
Ein deutscher Jude, der auf der Herreise in einem griechischen
Hafen an Bord gekommen war, hatte dem Aga von Jerusalem den hohen
Stand der Pilger aus der Kurpfalz verraten. Der fackelte nicht
lange, um daraus zuletzt noch Nutzen zu ziehen. Er forderte nicht
nur Bares, er drohte sogar, den Herzog, den Grafen und die Ritter
solange als Geiseln festzusetzen, bis der JohanniterGroßmeister
in Rhodos zehn „kürzlich gefangengenommene Türken“ freigegeben
habe.

Nach entnervendem Hin und Her und mehrmaliger Verdoppelung der
erpreßten Lösegeldsumme, für die sich die Franziskaner verbürgen,
der Schiffspatron sein ganzes Silber versetzen und weitere
Darlehen aufgenommen werden mußten, durften die der Verzweiflung
nahen Heimkehrer nach Jaffa weiterziehen. Sie dankten, endlich an
Bord der Galeere, „Gott dafür, nun aus den Händen der verfluchten
Heiden“ zu sein, die „ihnen so viel Übels und mancherlei Leid und
Kümmernis getan“ hatten.

Im Hafen von Salamis auf Zypern, dem ersten Ankerplatz nach drei
Tagen Überfahrt, erfuhren sie, daß sie einer weiteren Gefahr eben
noch entgangen waren. Nur wenige Stunden nach dem Segelsetzen
waren 500 arabische Räuber in Jaffa eingetroffen, die , wie ihnen
von Passagieren eines anderen Schiffes berichtet wurde, mit der
Absicht nach dort gekommen waren, die fremden „vornehmen Herren“
gänzlich auszuplündern.

Am 6. Oktober wurde Rhodos erreicht, wo der deutsche Großprior
des Johanniterordens die Ankommenden begrüßte und der Herzog
anderen Tags das Grab eines zwei Jahre zuvor während einer
Pilgerreise gestorbenen Verwandten, des Herzogs Christoph von
Bayern, aufsuchte.

Am 9. Oktober stach man erneut in See. Da meist „vollkommene
Windstille herrschte“, brauchte das Schiff nach Venedig ganze 71
Tage. Weihnachten feierte der Herzog mit seinen Getreuen in
Mestre, den Silvesterabend verbrachte man bereits in Meran. Von
dort ging der Ritt durch winterliche Landschaft über Landeck, den
Fernpaß und die Ehrenberger Klause ins obere Lechtal und mit
Übernachtungen in Kempten, Memmingen, Ulm und Göppingen nach
Esslingen. Unweit des Zisterzienserklosters Maulbronn
verabschiedeten sich der Sickinger und Stephan von Venningen, um
auf direktem Weg heimzukehren. Bei Bruchsal trennte sich auch
Junker Karl Boos von den übrigen.

Am 15. Januar setzte der Herzog bei Udenheim (dem heutigen
Philippsburg) über den Rhein und kam noch am Abend dieses Tages
im ersten Ort seines Landes, in Annweiler, an. Die Kunde
verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Der Herzog ist von seiner
Wallfahrt glücklich heimgekehrt!“ Ein Bote wurde auf den Weg
geschickt, um diese Nachricht auch nach Zweibrücken zu bringen.
Dort zog dem Landesherrn am anderen Nachmittag zur Begrüßung „die
ganze Einwohnerschaft in feierlicher Prozession entgegen: Die
Geistlichen im Ornat mit Monstranz und Reliquien, das ganze
Hofgesinde, seine Mutter, welche während seiner Abwesenheit mit
erprobten Räten die Regierungsgeschäfte geführt“.

Ob Herzog Alexander den Zweck seiner Reise und „die Ruhe seiner
Seele“ wiedergewonnen hatte, ist beim Chronisten Johann von
Meisenheim nicht überliefert.

Aus: Die Rheinpfalz, 13.1.1990, Ludwig Wien

Notizen zur Geschichte der Kurpfalz beginnend mit dem 12. Jahrhundert

Pfalzgraf Konrad von Staufen erhielt nach dem Wormser Reichstag
von 1155 von seinem Stiefbruder Kaiser Friedrich I. die Kurwürde
(1156) und damit Streubesitz bei der Burg Stahleck (oberhalb von
Bacharach am Rhein), am Stromberg und bei Alzey, sowie mehrere
Dörfer am unteren Neckar und die Alte Burg auf dem Jettenbühl
oberhalb Heidelbergs.

Nach seinem Tod wird Konrad 1195 im reich beschenkten Kloster
Schönau bei Neckarsteinach bestattet. Das Kloster wird später als
Kernbesitz der Kurpfälzer noch Bedeutung erlangen.

Nun wird es historisch insofern interessant, als es zur
Verbindung und damit zur Aussöhnung der Staufer und Welfen kommt.
Nachfolger Konrads wird sein Schwiegersohn Heinrich der Welfe,
ein Sohn des Braunschweiger Heinrich des Löwen, dem die
staufische Erbtochter Agnes zur Versöhnung der feindlichen
Familien schon als Kind versprochen worden war.

Streitigkeiten zwischen den beiden mächtigen Häusern führten
dazu, daß sich der Stauferkaiser Heinrich VI. von diesem
Verlöbnis zunächst distanzierte, denn für die Base Agnes war aus
politischtaktischen Gründen der französische König Philipp II.
vorgesehen. Es war dann fast wie bei Romeo und Julia: Agnes und
ihr Jugendfreund Heinrich der Welfe heirateten indes in aller
Stille auf Burg Stahleck.

Der Kaiser nahm es schließlich hin, was letztlich zur Versöhnung
der Welfen und Staufer führte. Jedoch hielten
Reichsstreitigkeiten Heinrich den Welfen davon ab, sich um die
Pfalz zu kümmern. Er übertrug 1211 dem Sohn Heinrich Welf dem
Jüngeren die Pfalzgrafenwürde. Dieser starb bereits 1214. Damit
waren die Staufer wieder am Zuge. Kaiser Friedrich II., der sehr
transalpin orientiert war, verlieh die Pfalzgrafschaft als
Belohnung für treue Dienste bei seinen Italienzügen dem Herzog
Ludwig von Bayern. Damit wurde die Kurpfalz zum Besitz der
Wittelsbacher, was schließlich bis 1803 währen sollte.

Ludwig der Bayer verlobte in Wahrung der dynastischen Kontinuität
seinem Sohn Otto II. mit Agnes, der Tochter Welfs des Älteren.
Aus dieser Ehe stammte Ludwig der Strenge. Nach dessen Tod wurde
der Besitz unter seinen Söhnen Rudolph und Ludwig aufgeteilt.
Rudolph I. wurde Pfalzgraf bei Rhein, Ludwig IV. Herzog von
Bayern.

Nach Rudolphs Tod übernahm Ludwig die Pfalzgrafenschaft, gab sie
aber 1329 im berühmten, zukunftsweisenden Familienvertrag von
Padua an die Nachkommen seines verstorbenen Bruders zurück und
behielt sich die bayerischen Stammlande vor. Nach etwa 100 Jahren
gemeinsamer Regierung trennte sich die bayerische und pfälzische
Geschichte wieder, um erneut erst 450 Jahre später unter Kurfürst
Carl Theodor zusammengeführt zu werden.

Ruprecht I. (1353-1390) erhielt wegen seiner Kaisertreue
Privilegien. So unter anderem die Zusicherung ständiger Kurwürde
und das Vorrecht, der erste unter den vier pfälzischen Kurfürsten
zu sein. Am kaiserlichen Hof hatte er zudem das oberste Hofamt
inne, denn er wurde zum Erztruchsess bestimmt.

Mit dem letzten Grafen von Zweibrücken machte Ruprecht I. 1358
einen kombinierten Kauf und Lehnsvertrag, der schließlich das
Gebiet mit Zweibrücken, Hornbach und Bergzabern ganz zur Kurpfalz
brachte.

Es sei nur nebenbei vermerkt: Ruprecht I. ist auch der Gründer
der Universität Heidelberg. (PM)

Unvergleichliches Heidelberg

Alt Heidelberg du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine,
Keine andere kommt dir gleich
(J. V. v. Scheffel.)
Wem schlägt nicht das Herz höher beim Worte “Heidelberg”, wen zieht’s nicht hin mit allen Mächten der Sehnsucht zu der Königin deutscher Musenstädte, die residiert in der schönsten der schönen Landschaften Germaniens? Von Jahr zu Jahr huldigen ihr Hunderttausende aus aller Herren Länder in unversieglicher Begeisterung. Heidelberg ist das Mekka der Schönheitssucher in Gottes weitem Garten. Berg und Tal, Wald und Feld, Strom und Bach, Paläste und heimelige Häuslein, stolze Plätze, schmale, lauschige Gassen, unvergleichliche Denkmäler der Vergangenheit und neuzeitliche, bedeutungsvolle Schöpfungen, überwältigende Romantik und zarteste Lyrik, hohe Kunst und hehre Wissenschaft, geistvoller Ernst und ausgelassenste Fröhlichkeit, traute Schenken, würziger Wein und schäumendes Bier, herzliebe Mädel, lustige Kumpane sind hier vereinigt zu einem köstlichen Gemisch.
“Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.”
(Scheffel.)
Schaue an der Brüstung der Molkenkur auf dies wunderbare Stück Erde. Zwischen zwei dichtbewaldeten Bergkuppen ruht ein lachendes Tal. Drin wälzt der Neckar seine grüne Flut. Auf dem leichten Wellengekräusel hüpft das Spiegelbild einer einzigartigen Stadt. Am linken Ufer reiht sich, eng und schmal, zwischen Fluß und Berg, das Dächergewirr der Altstadt in langer, langer Strecke aneinander. Machtvoll streben Halle und Turm der Heiliggeistkirche in formenschön Spätgotik darüber hinweg. Am andern Ufer folgen dem Wasserlaufe, hart an den Fuß des Heiligenberges geschmiegt, prächtige Villen, vornehme Wohngebäude. Über den Neckar schreiten die gleichmäßigen steinernen Bogen der alten Brücke, die Goethe eine der schönsten nannte. Aus dem in die Altstadt hineindringenden Blättermeer des Schloßberges ragt in den blauen Aether gigantisch auf die deutsche Alhambra: das majestätische Heidelberger Schloß. Nur schwer scheidet der Blick und schweift nach Westen, dahin, wo das Tal geweitet, wo in der breit gelagerten Rheinebene des Neckars geschlängelter Lauf in der Ferne verloren geht. Einem überquellenden Füllhorne gleich ergießen sich neue Stadtteile  vereint durch die Friedrichsbrücke  aus dem engen Flußtale hinaus in die Ebene und entlang der Bergstraße. Ganz draußen am Rheinstrom schimmern aus sonnig zarten Schleiern die Riesenschlote der Rheinau, flimmern die ernsten Umrisse des Kaiserdomes zu Speyer, leuchten die violetten Kuppen der Hardt.
Reich, wie die Schönheiten der Natur, sind die denkwürdigen Erinnerungen Heidelbergs. Im 12. Jahrhundert errichtete ein unbekannt Gebliebener die erste Burg auf dem Jettenbühl und ein Vorwerk auf dem Gaisberg. Im Schutze der Burg vergrößerte und entwickelte sich die spärliche Ansiedelung im Tal zu einem ordentlichen Gemeinwesen, das dem Bistum Worms gehört haben muß, denn 1225 gab Bischof Heinrich von Worms die Feste Heidelberg mitsamt der Ortschaft dem Pfalzgrafen Ludwig I. von Bayern als Leben, der sie zu seiner Residenz erkor.
Anfangs des 14. Jahrhunderts wurde die Pfalz von Bayern getrennt. Der erste Kurfürst der Kurpfalz, Ruprecht I., wählte Heidelberg wiederum zur Residenz. Dieser geistvolle Herrscher gründete 1386 die Universität, die nach Prag und Wien die älteste deutsche Hochschule war und bald zu hoher Berühmtheit gelangte.
Glanzvolle Tage rauschten über AltHeidelberg dahin. Zur Zeit der Renaissance wetteiferten Kurfürsten und Bürgerschaft in der Entfaltung fleißiger Bautätigkeit. 15501610 entstanden unter den Kurfürsten Friedrich II., Otto Heinrich und Friedrich IV. die wunderbaren Renaissancepaläste: der gläserne Saalbau, der OttHeinrichsbau und der Friedrichsbau.
Um 1610 stand das Schloß in vollstem Glanz inmitten feenhafter Luxusgärten, die der „Winterkönig“, Friedrich V., seiner Gemahlin zu Ehren hatte anlegen lassen. Die pfälzische Residenz zählte ungefähr 6000 Einwohner und war das Muster einer schmucken, mittelalterlichen Stadt mit prächtigen öffentlichen und privaten Bauten.
Da nahten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Tilly, der schon nahezu die ganze Pfalz erobert hatte, trat 1622 mit Feuer und Schwert auf. Trotz tapferer Gegenwehr war nach einigen Monaten Belagerung Stadt und Schloß in seiner Macht. Die protestantischen Universitätslehrer wurden vertrieben, die berühmte Universitätsbibliothek wanderte zur größten Betrübnis der Heidelberger nach Rom.
Nur zehn Jahre lang besaßen die Kaiserlichen Heidelberg, dann eroberten die Schweden Schloß und Stadt. Zwei Jahre später, 1635, gelang den Kaiserlichen die Rückeroberung. Des Winterkönigs Sohn Karl Ludwig, der 1649 zur Regierung gelangte, richtete die Universität wieder ein und suchte nach besten Kräften Wunden, die der Krieg geschlagen, zu heilen. Aber noch hatte die Stadt das schlimmste nicht überstanden: den Befehl Ludwigs XIV.: “Brûlez le Palatinat!“ An den wunderbar ornamentierten Fassaden des Schlosses schlugen 1689 die Flammen empor. Kräftige Minen zerrissen das Mauerwerk. Der rote Hahn hüpfte von Haus zu Haus. Heidelberg und die Pfalz waren eine Wüste. Ludwig XIV. aber ließ ein feierliches Tedeum halten und eine Denkmünze prägte er: „Heidelberga deleta“, sein Bild und “Ludovicus Magnus, rex Christianissimus“!
An der Schwelle des 17. Jahrhunderte zog wohltätiger Friede durch die Lande, den die Bürgerschaft, immerwährender Religionszwiste wegen, jedoch nicht vollkommen genießen konnte. Zwar wurde die Stadt nach dem alten Lageplan wieder aufgebaut, Herrscher besserten an den Schloßüberresten dies und das aber der Glanz der Kurfürstenresidenz war und blieb verblichen. Der katholische Kurfürst Karl Philipp verlegte, des Streites der protestantischen Bürgerschaft müde, 1720 den Hof und gesamte Regierung nach Mannheim. Die Universität, die unter mißlichen Verhältnissen schwer gelitten hatte, sank fast zur Bedeutungslosigkeit herab. Der gute Wille des nächsten Kurfürsten Karl Theodor, der Stadt zu helfen, Handel und Wandel zu heben, Industrie einzuführen, hatte geringen Erfolg. Seine Absicht, dem von ihm wiederhergestellten Teile des Schlosses dann und wo zu residieren, durchkreuzten des Himmels Mächte. Ein Blitzstrahl schlug 1764 zu Trümmern, was Ludwigs XIV. General Melac übrig gelassen und die Kurfürsten nach dessen Schreckenstaten wieder geschaffen hatten.
Vernichtet waren die Hoffnungen der Heidelberger. Zähneknirschende Unzufriedenheit, Sorge, revolutionäre Gesinnung schritten durch die freudenleeren Straßen der vom Schicksal den Staub gepeitschten Stadt. Jeder neunzehnte Pfälzer soll damals ein Bettler gewesen sein. Da trat das 19. Jahrhundert durch die verlotterten Tore, gefolgt von der segenspendenden Glücksgöttin. Heidelberg und die rechtsrheinische Kurpfalz fielen 1803 an Baden, dessen Herrscher Karl Friedrich schon im gleichen Jahre der verwahrlosten Universität durch fürstliche Dotation neues Leben gab. Und neues Leben sproß allüberall auf. Die Hochschule gewann bald den ehemaligen Ruhm, weit über Deutschland, zurück. Die berühmtesten Gelehrten des 20. Jahrhunde saßen und sitzen heute noch auf den Lehrstühlen. Das Institut für experimentelle Krebsforschung ist einzig in seiner Art. Ueber 170 Dozenten und mehr als 2500 Studenten gehören gegenwärtig der „Ruperto Carola“ an.
Ansichten und Neigungen ändern sich. Fand man in launigen Zopfzeit die gleichmäßige Ebene und zierlich zugestutzte Gartenkunstwerke lieblich und schön, so hatten die Romantiker mehr Sinn für die Natur in ihrer reinen Ursprünglichkeit. Heidelberg mit den grünumrankten Burgtrümmern galt jetzt als Ideal landschaftlicher Schönheit. Tausende und Abertausende suchten dieses Ideal. Seit es Eisenbahnen und Dampfboote gibt, seit das Reisen Mode geworden, wälzt sich jahraus, jahrein ein ungeheurer Fremdenstrom zur Stadt am Neckar und am Rheine. Nahezu 200 000 Reisende werden alljährlich in den Fremdenlisten aufgezeichnet. Viele lassen sich zu dauerndem Aufenthalt nieder. Eine weitere Anziehungskraft erhält Heidelberg durch seine von der BadHeidelberg A. G. neu erbohrte, stark radiumhaltige Thermalsolquelle. Die in Verbindung damit zu schaffenden Einrichtungen bringen die Stadt in die Reihe der hervorragenden Kur und Badeorte Deutschlands. Heidelberg hat heute über 70000 Einwohner. Diese kraftvolle Entwicklung des Gemeinwesens ist aber nicht allein der Universität und dem Fremdenverkehr zu verdanken. Ein gut Teil dazu hat die Industrie beigetragen. Die großgewerblichen Bauten liegen aber vor dem Bahnhofsviertel an der Bergheimerstraße und beeinträchtigen so den Charakter Heidelbergs als vornehme Fremdenstadt durchaus nicht. Imposante neuzeitliche Bauten, zahlreiche großstädtische Kaufläden haben das Anheimelnde der Altstadt nicht zu verwischen vermocht. Jeder Stadtteil hat seine eigenen Reize. Still, vornehm, beschaulich ist’s in der Sofienstraße und in den Anlagen, heiter und genußvoll am Neckar entlang, kleinstädtisch in den schmalen Gäßlein AltHeidelbergs, prachtvoll im Rohrbacher und besonders im Neuenheimer Villenviertel, romantisch an den Bergstraßen beiderseits des Flusses.
Geistige Genüsse bietet Heidelberg in Hülle und Fülle. In erster Reihe gewährt sie die Universität mit ihren wissenschaftlichen und populären Veranstaltungen. Die riesengroße Universitätsbibliothek, die archäologische Sammlung, die Anatomie, die städtische Kunst und Altertümersammlung, die Gemäldeausstellung des Kunstvereins, die Landessternwarte, die zoologische Sammlung, der botanische Garten verdienen hier erwähnt zu werden. Berühmt ist das Musikleben Heidelbergs. Die Konzerte des Bachvereins unter Dr. Wolfrums Leitung hatten Weltruf. Eines guten Ansehens erfreut sich auch das Stadttheater. An Unterhaltung und Vergnügen mangelt es nicht. Wenn die ersten Frühlingsboten, Schlüsselblumen und Veilchen, sprießen, wenn der Mandeln Blüte der Berge Rand in jungfräuliches Weiß hüllt, an Lätare, zieht die Jugend in hell Scharen in unendlich langer Kette mit blumen und bändergeschmückten, brezel und äpfelbesteckten Sommerstäben, mit mächtigen Strohmännern, durch die Straßen, Dann schallt’s aus tausend Kehlen unermüdlich: „Strih, strah, stroh, der Summerdag ist do.”
Das Sommersemester beschert eine Reihe pompöser studentischer Feste mit Wagenkorso und Schloßbeleuchtung, Neckarfahrt und prunkhaftem Bankett. Jetzt ist die Zeit der Kongresse und Versammlungen. Es ist die Zeit der Regatten der Ruderklubs, der Schwimmwettkämpfe im Hallenbad und im Neckar. Alltäglich spielt das städtische Orchester im Schloßpark und im Stadtgarten. Und auf den Herbst voller Farbenpracht und prickelnden Bergsträßlerweine locken zuguterletzt des Winters Freuden droben auf den Rodelbahnen des Königsstuhls, zu denen die Drahtseilbahn bequem hinaufbefördert.
Das Herrlichste aber sind und bleiben die Schloßbeleuchtungen. Tausende und Abertausende streben diesen zu. Von Mannheim bringt Extrazug um Extrazug immer neue Schaulustige. Der langen Neuenheimer Landstraße ganze Breite ist besetzt, Kopf an Kopf. Die Nacht ist dunkel. Kleine Fünklein weisen nach dem Himmelsgewölbe, leuchtende Pünktchen lassen ahnen, wo Berge schlummern, leise Ruderschläge deuten hin auf die Nähe des Wassers. Sonst Stille ringsum. Die Zeit ist da. Donner rollt vom Königsstuhl zum Heiligenberg. Die Köpfe recken sieh. Drüben lodert ein feuriger Brand. Von der Bergwand steigt’s herauf, blutigrot.
Jetzt steht’s vor uns: das Schloß mit seinen Mauern und Zinne Türmen und Bastionen, mit seinen unheilbaren Wunden, und dennoch in unendlicher Pracht, in gewaltiger Erhabenheit. Alles ist dunkel. Nur das Schloß ist da, feenhaft, wundersam. Und wer die, Flammen träumerisch verglühen, dann ist’s, als ob ein verwehter Funke zu uns herübergeflogen. Die alte Brücke brennt. In Glut getaucht enthüllt sie ihre edlen Formen. Im dunklen Schoß des Neckars aber rasselt’s und prasselt’s. Ein Heer von Feuerkugeln steigt auf und sinkt in die Flut. Von fernher kommt ein Schiff. Aus dem Geheul des Pulvers treten harmonische Klänge immer deutlicher hervor. Das singt und klingt:
“Gaudeamus igitur
Juvenes dum sumus”,
und tausend hochgestimmte Herzen klingen und singen nach.
Aus dem Badischens Verkehrsbuch 1898