Am 30. März 1495, einem Montag „vormittags 11 Uhr, nachdem die Hauptmahlzeit eingenommen“, ritt der Herzog aus Zweibrücken zunächst gen Westen, um ‑ wie man verabredet hatte ‑ seinen Schwager Graf Johann Ludwig von Nassau‑Saarbrücken zur gemeinsamen Pilgerreise abzuholen. Mit von der Partie waren die adeligen Gefolgsleute Schweickard von Sickingen (der Vater des berühmten Franz von Sickingen), Stephan von Venningen, Karl Boos von Waldeck und Heinrich von Schwarzenberg. Abgerundet wurde die Gruppe von einigen Reitknechten und schließlich von einem Chronisten des ebenso abenteuerlichen wie frommen Unternehmens, der sich in seinen Notizen lediglich als „Diener des Herzogs Alexander“ bezeichnete.
Straßen, Fähren & Verkehr
Die Schiffsbrücke von Speyer
Neben der baugleichen Brücke bei Maxau einzigartig in ganz Europa
Die Schiffsbrücke (auch Schwimm- oder Pontonbrücke genannt), Vorgängerin der später erbauten, fest installierten Eisenbahnbrücke zwischen Baden und Speyer war, zusammen mit dem „Schwesterbauwerk“ in Maxau, erbaut 1866, die einzige Pontonbrücke in ganz Europa. 1872 wurde die Brücke bei Altlußheim in Dienst gestellt. Auf der Brücke teilte sich die Fahrbahn für furhwerke in einer Breite von lediglich 5,90 Metern den Raum einträchtig mit der Eisenbahnschine. Das hatte zur Folge, dass der Schienenstrang mit der Fahrbahnoberfläche bündig abschließen musste.
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Schienen als Rückgrat des Verkehrs
Die pfälzischen Eisenbahnen: Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung in Pfalzbaiern
Der 10. Juni 1847 war ein großer Tag: Überall in den Städten der Rheinebene wurde gefeiert und gejubelt, denn an diesem Tag nahm die erste pfälzische Eisenbahn ihren Betrieb auf und dampfte erstmals auf der Strecke von Ludwigshafen nach Schifferstadt und von dort nach Neustadt oder Speyer. Weiterlesen
Zweitausend Jahre Kampf um die Überquerung des Rheins
In der Geschichte Speyers spielt die Rheinquerung eine wichtige Rolle. Die römische Siedlung und spätere Bischofsstadt war zwar ein attraktives Siedlungsgebiet, aber die Wege in östlicher Richtung blieben durch den Rhein versperrt. Weiterlesen
Brücke nur für Spezialloks
Die Schiffsbrücke von Speyer und ihre Bedeutung für den Eisenbahnverkehr
1864 wurde die bis dahin in Speyer endende Stichbahn bis zur bayrischen Festung Germersheim verlängert. Dort wurde, um ihn im Kriegsfall schnell abbauen zu können, nur ein Fachwerkbahnhof gebaut, da die Festung sich nicht nur gegen Frankreich richtete, sondern auch gegen Baden, gegen das Bayern zeitweise einen Krieg erwog. Das zweite Gleis, das bereits trassiert, aber nicht ausgelegt war, wurde 1875 zwischen Schifferstadt und Speyer, 1906 schließlich bis nach Lauterburg ergänzt. Hier war bereits 1876 der Anschluss nach Straßburg erreicht worden, der nach der Reichsgründung und dem Anschluss des Elsaß 1871 dringend geboten schien.
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Wie Hockenheim zu einer Rennstrecke kam
70 Jahre Hockenheimring / Ernst Christ gilt als Vater der Traditionsrennstrecke
Hockenheim ist durch drei Dinge bekannt geworden: durch Zigarren, durch Spargel, aber noch mehr durch seine Rennstrecke. Als der junge Hilfszeitnehmer Ernst Christ 1930 zusammen mit anderen engagierten Männern den Plan ins Auge fasste, in seiner Heimatstadt eine Rennstrecke zu gründen, konnte die spätere Bedeutung noch nicht einmal erahnt werden. Viele zweifelten, ob es überhaupt gelingen würde, den Gedanken in die Tat umzusetzen. Christ ließ sich nicht beirren und kam Schritt für Schritt der Verwirklichung seiner Idee näher. Hockenheims Bürgermeister Philipp Klein wurde für das Projekt gewonnen, der DMV gab die Zusage, die neue Strecke zu nutzen. Gleichzeitig beauftragte er die Landesgruppe Südwest mit der Durchführung des ersten Rennens.
Am 1. Dezember 1931 wurde der Motorfahrer Club Hockenheim gegründet, am 25. Dezember 1931 billigte der Hockenheimer Gemeinderat einstimmig die Rennstrecken-Vorlage. Die Bereitstellung von Mitteln aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm ermöglichte die Bezahlung der Arbeiter, so dass die Bauarbeiten am 23. März 1932 beginnen konnten.
Mit dem Start zum ersten Motorradrennen am 29. Mai 1932 ging nicht nur ein Traum in Erfüllung. Für die nordbadische Kleinstadt begann ein Aufstieg, der ihren Namen in der ganzen Welt bekannt machen sollte. Star des ersten Motorradrennens war Deutschlands „berühmtester Engländer“ Tom Bullus. Tief gebeugt jagte er über die endlos scheinenden Geraden des neuen Dreieckskurses und vergrößerte von Runde zu Runde seinen Vorsprung. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei ca. 170 km/h. Mit einem Durchschnitt von 127 km/h gewann er das erste 500er-Rennen.
Die Ehre des ersten Sieges auf der neuen Rennstrecke gebührte allerdings einem echten Hockenheimer: Arthur Geiß gewann den Lauf der 250er-Lizenzfahrer auf einer DKW.
Und bei den 500er-Ausweisfahrern siegte ein Fahrer, der in Hockenheim sein erstes Motorradrennen überhaupt bestritt: Wilhelm Herz. Dieser ahnte damals noch nicht, dass sich sein zukünftiger Lebensweg immer wieder mit der Geschichte der Hockenheimer Rennstrecke kreuzen und er selbst einmal ein Stück HockenheimGeschichte schreiben würde.
Die Streckenführung des Hockenheimer Kurses änderte sich 1938 grundlegend. Aus dem 1932 gebauten Dreieckskurs entstand in weiten Teilen die bis Ende 2001 genutzte Strecke. Durch den Einbau der Ostkurve erhielt der Hockenheimring seine bekannte ovale Form und wurde in Verbindung mit der Streckenverbreiterung zu einem Hochgeschwindigkeitskurs. In puncto Sicherheit galt der neue „Kurpfalzring“ für seine Zeit als besonders vorbildlich.
Der Zustand des Hockenheimrings sowie die Lage des deutschen Motorsports im Jahr 1945 ähnelten sich in auffallender Weise. Beide waren schwer angeschlagen und es war fraglich, ob es in absehbarer Zeit wieder Motorsport geben würde. Doch bereits zwei Jahre später, am 11. Mai 1947, donnerten erneut die Motoren. Beim zehnten Jubiläumsrennen am 8./9. Mai 1948 präsentierte der Hockenheimring eine Veranstaltung der Superlative, bei der vor allem Wilhelm Herz und Georg Meier beeindruckten. Herz gewann auf der 350er Kompressor-NSU mit fast zwei Minuten Vorsprung und einem neuen Rundenrekord von 158,7 km/h sein erstes Nachkriegsrennen. Georg Meier, der 1948 seine Rennwagenkarriere wieder aufnahm, kam in der Rennwagenklasse auf Veritas zu einem überlegenen Sieg. Bei den Rennmotorrädern in der 500er-Klasse brachte Georg Meier dann das Kunststück fertig, erneut als Sieger durchs Ziel zu fahren und wurde somit Doppeisieger.
Am 19. Mai 1957 wurde erstmals der Große Preis von Deutschland für Motorräder in Hockenheim ausgetragen. Die Rennstadt stand nun auf einer Ebene mit Berlin, dem Nürburgring, Hohenstein-Ernstthal und Stuttgart (Solitude), die vorher Austragungsstätte des deutschen Grand Prix gewesen waren. Ein hervorragendes Fahrerfeld mit allen Spitzenleuten jener Jahre hatte die Startzusage gegeben. Sportlich gesehen war man nach diesem Renntag hochzufrieden, finanziell nicht. Ein Defizit von 23.000 DM wog zu einer Zeit, da der Motorsport in Deutschland am Boden lag, besonders schwer. Umso mehr schätzte man das Engagement des BMC, der dem Motorsport zuliebe dieses Wagnis eingegangen war.
Lokale Probleme sowie die Neuplanung der Autobahn Mannheim-Walldorf (1960) machten eine Veränderung des alten Hockenheimrings unumgänglich. Ernst Christ erarbeitete 1961 eine „Motodrom“-Konzeption, die den Ansprüchen von Fahrern, Zuschauern und Veranstaltern gleichermaßen Rechnung trug. Obwohl ein Neubau unter den verschiedenen Möglichkeiten die kostengünstigste Lösung darstellte, ergaben sich dennoch beträchtliche Finanzierungsprobleme. Kurt Buchter, damaliger Bürgermeister von Hockenheim und Sachexperte im Verwaltungsbereich, erreichte in zähen und geschickten Verhandlungen mit dem Bund, dem Land Baden-Württemberg, der Kraftfahrzeugindustrie und der Markenartikelbranche eine zufriedenstellende Lösung der Baufinanzierung. Die Hockenheim-Ring GmbH trug dabei mehr als die Hälfte der anfallenden Baukosten. Beginn der Umbauphase war im Frühjahr 1964.
Weit über 16 Millionen Mark hatte der Bau des Motodroms verschlungen. Ernst Christ, der „Vater des neuen Hockenheimrings“, wollte den Zuschauern möglichst viel Einblick ins Renngeschehen bieten. Arenenartige Vorbilder in den USA standen Pate, als Christ den Entwurf für das Motodrom präsentierte: Ein Stadion für Motorsportbegeisterte, nicht mehr und nicht weniger.
Die Formel 1 mag zwar für die meisten Schlagzeilen sorgen, doch die meisten Zuschauer lockte bis Anfang der 90er Jahre stets der deutsche Motorrad-Grand Prix. Weit mehr als 100.000 Besucher bestätigten bei der Premiere am 26. Mai 1966 die Richtigkeit der Rennstreckenplaner: Der MotorradGrand Prix von Deutschland sorgte für guten Sport, gutes Wetter und gute Einnahmen.
Mit dem Bau des Motodroms wurden alle Voraussetzungen geschaffen, um den Hockenheimring verstärkt dem Automobilsport zugänglich zu machen. Von 1967 bis 1984 war und blieb das Motodrom das „Mekka für die Formel 2“: Sage und schreibe 38 Formel 2-Großveranstaltungen, davon allein 33 Europameisterschaftsläufe, wurden durchgeführt – so viel wie auf keiner anderen Rennstrecke der Welt.
Rund um die Nikolausbrücke
Der heilige Nikolaus hinterließ auch in Speyer seine Spuren
Rund um die Nikolaus- oder Sonnenbrücke und unterhalb des Heidentürmchens herrschte einst das geschäftige Treiben der Schiffsbauer, Schiffer, Hafenarbeiter und Rheinkaufleute. Wer heute im „Hasepuhl“ wohnt, lebt in einem ehemaligen Flußlauf und mittelalterlichem Hafengelände. Wer im unteren Domgarten zum Rhein hinausgeht, schlendert durch ein altes Hafenbecken. Auf der Sonnenbrücke befindet man sich mitten im „Nikolausviertel“. Darauf verweist der moderne Brückenheilige Nikolaus von Myra von Wolf Spitzer.
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Verdienten Bürgern ein Denkmal gesetzt
Es gehört schon seit vielen Jahren zum Vorrecht einer Gemeinde, verdiente Frauen und Männer besonders zu würdigen. Neben der Ehrenbürgerwürde oder Verleihung eines Ordens gilt die Benennung einer Straße nach dem Geehrten als eine der höchsten Auszeichnung. Gleich fünf Straßen wurden bisher in Reilingen nach Personen benannt, die sich um die Spargelgemeinde verdient gemacht haben.
Da ist zunächst der erste Ehrenbürger der Gemeinde, Adolf Ritzhaupt. Im Neubaugebiet Holzrott hat man nach ihm eine Wohnstraße benannt. Der gebürtige Heidelberger hatte 1860 auf dem Wersauer Hof eine Zigarrenfabrik eröffnet und bot damit vielen Menschen in Reilingen die Möglichkeit, den Lebensstandard der zahlreichen Klein- und Nebenerwerbslandwirten durch den Hinzuverdienst zu verbessern. In den Jahren wurde er zu einer führenden, ja sogar bestimmenden Persönlichkeit im Ort. Viele Jahre gehörte Adolf Ritzhaupt dem Gemeinderat an. Als Sprecher der Verhandlungsabordnung in Sachen Eisenbahnbau setzte er sich intensiv für den Bau der Rheintalbahn und eines Bahnhofes auf Reilinger Gemarkung ein. Zu seinem Leidwesen konnte er es nicht verhindern, daß der Bahnhof nach Neulußheim gelegt wurde. Seine wichtigste Aufgabe war es aber, bei vaterländischen Veranstaltungen die „Hochs“ auf Kaiser, Reich und Großherzog auszurufen. Zur damaligen Zeit eine ganz besondere Ehre. 1907 verkaufte Ritzhaupt seine Fabrik und verließ Reilingen. In Heidelberg verbrachte er dann seinen Lebensabend.
Noch vielen Menschen in Reilingen ist die Ärztin Dr. Lea Ueltzhöffer in Erinnerung. Unermüdlich, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht, war sie für „ihre“ Reilinger Patienten unterwegs. Im April 1946 war die gebürtige Jugoslawin in den Ort gekommen und eröffnete in der schwierigen Nachkriegszeit im Lutherhaus eine Praxis. Auf der „Insel“ erbaute sie mit ihrem Mann ein Haus und führte dort eine gemeinsame Arztpraxis. Ständig konnte man sie mit dem Fahrrad von Patient zu Patient radeln sehen. Die überaus große Beanspruchung blieb nicht folgenlos: Bis zu ihrem Lebensende litt sie selbst an schweren gesundheitlichen Schäden. Das hinderte sie aber nicht, ihrer Arbeit so gut wie möglich nachzugehen. Der Gemeinderat zeichnete diese Leistung mit der Ehrenbürgerwürde aus und benannte nach ihr im Neubaugebiet „Viehtrieb“ eine Straße.
Geprägt von zwei verlorenen Weltkriegen waren die Amtszeiten von Bürgermeister Ludwig Römpert. Bereits von 1919 bis 1928 Gemeindeoberhaupt, wurde er am 2. April 1945, einen Tag nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte, von der Militärregierung kommissarisch als Bürgermeister von Reilingen eingesetzt. Er galt als besonnener und erfahrener Mann. Er organisierte die Gemeindeverwaltung neu und benannte einen neuen Gemeinderat. Die schwierigste Aufgabe aber war es, die vielschichtige Not der damaligen Zeit zu lindern. Wie bereits während seiner ersten Amtszeit prägten Inflation und Massenarbeitslosigkeit sein Wirken. Ludwig Römpert prägte durch seinen selbstlosen Einsatz den Aufbau eines demokratischen Staatswesens in seiner Heimatgemeinde entscheidend mit. Er meisterte aber auch die Herausforderung, rund 600 Heimatvertriebene und Flüchtlinge in Reilingen anzusiedeln. Tag und Nacht war der Mann unterwegs, um diesen Menschen Unterkunft und Wohnung zu besorgen. Dieses Engagement verschaffte ihm aber nicht nur Freunde. Zum Gedenken an den SPD-Bürgermeister benannte der Gemeinderat eine Straße im „Viehtrieb“ nach ihm.
Einem weiteren Bürgermeister wurde im gleichen Ortsteil ebenfalls eine Straße gewidmet: Hermann Kief. Der erste Christdemokrat auf dem Stuhl des Gemeindeoberhauptes versah von 1971 bis 1981 seinen Dienst im Reilinger Rathaus. Seine Amtszeit fiel in die Zeit des örtlichen Aufschwungs. Überall im Ort wurde gebaut, zahlreiche Gewerbebetriebe
siedelten sich an. Kurz nach seiner Wiederwahl verstarb Hermann Kief 54jährig nach kurzer Krankheit am 7. März 1981.
Schließlich gibt es im „Viehtrieb“ noch die Professor Krämer-Straße. Sie erinnert an den Reilinger Gymnasialprofessor Hermann Krämer, der sich intensiv mit der Heimatgeschichte beschäftigte und 1912 die erste „Reilinger Ortschronik“ veröffentlichte. Dieses Werk ist heute längst zur Historie geworden und bildete die Grundlage zur gesamten Heimatforschung in der Spargelgemeinde. Dem Altphilologen Krämer ist es zu verdanken, daß viele Urkunden und Dokumente aus längst vergangenen Tagen übersetzt werden konnten und so die Reilinger Geschichte lebendig und nachvollziehbar wurde.
Für ein paar Pfennige nach Speyer
Erinnerungen an die Bahnlinie Talhaus-Altlußheim-Speyer / Eine Schiffsbrücke über den Rhein
Seiner ursprünglichen Funktion weitestgehend beraubt und etwas einsam steht inmitten von Feldern am Rande der B 39-Kreuzung zur Rheinbrücke bei Speyer am Lußhof der Altlußheimer Lokomotivschuppen. Das Gehöft gehörte einst, wie auch die Wagenremise, zu der längst vergessenen Bahnlinie zwischen der Rheintalbahn, Hockenheim-Talhaus, Altlußheim-Lußhof und Speyer (einem Teilstücke der Gesamtnebenbahn Heidelberg-Schwetzingen-Speyer. Während der Streckenabschnitt zwischen der alten Universitätsstadt und Schwetzingen noch bis 1967 von der Bundesbahn betrieben wurde, so war der Strecke zwischen Talhaus und der Domstadt ein ungleich kürzeres Dasein vergönnt.
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Straßen- und Flurnamen in Reilingen
Noch vor etwas mehr als 200 Jahren gab es in Reilingen, wie auch in den meisten kleineren Städten und ländlichen Dörfern, keine amtlich festgelegten Namen für die Straßen und Gassen. Die Gemeinde war klein und überschaubar, die Menschen kannten sich untereinander. Brachte die Postkutsche aus Speyer oder der Kurierbote aus Hockenheim einmal einen Brief, was für die normale Bürgerschaft so gut wie nie geschah, dann konnte der Empfänger durch einfaches Fragen sofort ermittelt werden. Als Reilingen im ausgehenden 18. Jahrhundert größer wurde, führte das Dorfgericht (Gemeinderat) zunächst eine Numerierung der Häuser und Höfe ein, was das Finden und Aufsuchen erleichtern sollte.
Schwierig wurde es aber erst mit der Zeit, als immer mehr neue Häuser gebaut wurden. Um den Zahlenwirrwarr zu entflechten, entschloß man sich im Reilinger Rathaus, dem Beispiel der umliegenden Dörfer zu folgen und führte Straßennamen ein und numerierte die Häuser neu. Anfänglich war es ein leichtes, den wenigen Straßen einen Namen zu geben. Die wichtigste Dorfdurchgangsstraße wurde zur Hauptstraße, die Straßen in die Nachbarorte wurden nach denen bezeichnet: Walldorfer, Hockenheimer und Speyerer Straße oder Heidelberger Weg.
Vor allem der Letztgenannte hatte eine besondere Bedeutung, denn er führte quer durch die Obere Schwetzinger Hardt als direkte Verbindung in die Universitätsstadt am Neckar. Die Straße traf in der Höhe von Sandhausen auf die Alte Speyerer
Straße, die nach Hockenheim und von dort weiter in die Domstadt führte. Auf dieser Trasse wurde später dann übrigens ein Teil des Hockenheimringes gebaut.
Die Reilinger Bevölkerung nahm weiter zu, neue Häuser wurden gebaut, neue Straßen und Wohngebiete erschlossen. Längst hatte man sich über den bisherigen Ortskern hinaus ausgedehnt. Was lag also nähe, als den neu entstandenen Straßen und Wohnbereiche die Namen der historischen Flure und Gewanne zu geben.
So erinnert der Alte Rottweg noch heute daran, daß hier früher einmal sumpfiges Gelände lag und der Biblisweg führte bis 1818 in den Bibliswald zwischen Hockenheim und Reilingen. Aus dem Wort „Biblis“ selbst ist zu erkennen, daß dieser Bereich früher einmal als eine Insel im östlichen Urstrombett des urzeitlichen KinzigMurrFlusses gelegen haben muß.
Noch viele AltReilinger können sich daran erinnern, daß die „Fröschau“ noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg von tausenden von Fröschen bevölkert war. Daß sich der Ursprung der Hägebüchstraße im Reilinger Industriegebiet aber von einem ehemaligen Hainbuchenwald (Hagebuchen) und einer dort befindlichen Baumschule (Häge) ableitet, wissen nur noch
die wenigsten.
Geschichtlich weitaus interessanter aber dürfte die Vergangenheit des Herrenbuckels östlich von Reilingen sein. Der Fund von Gräbern läßt auf eine keltische Siedlung schließen. Manche Archäologen und Heimatforscher gehen sogar soweit, um von einem Fürstensitz zu sprechen. Weiteren Funden nach befand sich dort später auf jeden Fall eine römische villa rustica. Die Bedeutung des Herrenbuckels wird noch durch die Tatsache Unterstrichen, daß dieser Siedlungsbereich schon immer an einer der wichtigsten Straßenverbindungen der Geschichte lag. Noch nicht sicher geklärt ist auch der Ursprung des Hertenweges. Zum einen könnte der Begriff an die „hart“ gepflasterte Römerstraße erinnern, die einst durch die Reilinger Gemarkung führte. Andere wiederum vermuten, daß es sich dabei um Wiesengelände handelte, auf dem die „Herten“ der Reilinger Bevölkerung weiden durften.
Im Bereich des Nachtwaidweges stand bis 1806 eine kleines Wäldchen, in dessen Schutz sich die Reilinger Nachtweide befand. Dort wurden vor allem die Pferde und Kühe der besseren Überwachung wegen zusammengetrieben. Die wenigsten Neubürger im Ortsteil „Viehtrieb“ wissen, daß sich hier bis 1915 noch ein geschlossenes Waldgebiet gefand, das zur Unteren Lußhardt gehörte. In Akten von 1682 wird dieser Bereich auch „Kellerwald“ genannt, denn der Reilinger Keller, also der Verwalter der Reste der Burg Wersau und der Schloßmühle, durfte hierher sein Vieh auf die Weide treiben. Zwischen 1900 und 1930 wurde der „Viehtrieb“ zeitweise noch als Schweineweide genutzt.
Die Wörschgasse und der Wörschweg schließlich erinnern an ein „Land zwischen Fluß und stehendem Gewässer“. Aus dem selben althochdeutschen Wortstamm wird übrigens auch der Begriff „Wersau“, also die „Flußinsel“, abgeleitet. Die „Werschau“ selbst galt um 1650 als ein wunderschöner Wald mit einem für die damalige Zeit ungewöhnlich vielfältigen Bewuchs. In alten Dokumenten ist die Rede von „einem Gewäld“ aus Eichen, Rot und Weißbuchen, Eschen, Erlen, Espen, Haseln und Kirschbäumen. 1818 wurde der Wald abgeholzt und das Land zukünftig als Ackerland genutzt.
Alte Kraichbach soll wieder lebendig werden
Bereits vor einigen Wochen hatte der Hockenheimer Diplom-Biologe Uwe Heidenreich im Gemeinderat seinen Vorschlag näher erläutert, den Alten Kraichbach zwischen den Breitwiesen und dem Oberbruch zu reaktivieren. Um die verschiedenen Varianten eines möglichen Bachlaufes der Öffentlichkeit vorzustellen, lud jetzt der Arbeitskreis „Umwelt und Verkehr“ der CDU Hockenheim zu einer Informationsveranstaltung im Stadthallenrestaurant „Rondeau“ ein. Wie groß das Interesse in der Bevölkerung an einer möglichen Reaktivierung der Alten Kraichbach ist, zeigte die große Schar von Natur- und Heimatfreunden, die sich bereits vor der Veranstaltung zu einem Ortstermin an der Schließe am Abzweig des alten Bachbettes vom heutigen Kraichbachbett trafen.
Als Vorsitzender des Arbeitskreises „Umwelt und Verkehr“ zeigte sich Hockenheims Förster Martin Geißler beeindruckt vom unerwarteten Andrang, wobei vor allem ältere Hockenheimer gekommen waren, um sich die Pläne von Uwe Heidenreich direkt vor Ort erklären zu lassen. Ebenfalls gekommen waren auch die CDU-Stadträte Alfred Rupp,
Bernhard Fuchs und Dieter Klaus, die sich ebenfalls ein Bild von den geplanten Veränderungen in der Hockenheimer Gemarkung machen wollten.
Zu Fuß und auf Fahrrädern wurde dem alten Bachlauf gefolgt, der sich noch immer auf einer Strecke von 1.072 Metern durch die Streuobstwiesen, Felder und Kleingärten südlich der Stadtbebauung windet. Die Teilnehmer der Exkursion zeigten sich überrascht über das ausgeklügelte System von Bewässerungsgräben in diesem Bereich und das Vorhandensein der ehemaligen Wässerwieseneinrichtungen. Die Breit und Oberbruchwiesen wurden früher als Wässerwiesen genutzt. Dazu wurden sie mehrmals im Jahr nach genau festgelegten Zeiten mit dem Kraichbachwasser gewässert. Ein Netz von Be- und Entwässerungsgräben sorgte für die den Zu und Ablauf des Wassers.
Mit der Aufgabe der Wiesenwässerung verlor das Grabensystem seine Funktion. Während der Begehung erinnerten sich
vor allem die älteren Hockenheimer an viele Dinge aus ihrer Jugendzeit und konnten so im Gespräch mit dem Planverfasser Uwe Heidenreich zur Klärung manch offener Frage beitragen. War zu Beginn des Rundganges der alte Bachverlauf noch sehr deutlich im Gelände zu erkennen, veränderte sich die Situation im Bereich der Kleingartenparzellen doch sehr deutlich. Teilweise wurden hier die Gräben aufgefüllt und teilweise wuchsen sie unter den aufkommenden Gehölzen zu. Insbesondere nach dem Südring in Richtung Mühlkanal konnten manche Grabenabschnitte nur noch erahnt werden. Die Zäune der
Kleingärten stehen manchmal sogar direkt in der Böschung des ehemaligen Bachbettes.
Die ehemaligen Wasserläufe im Oberbruch wurden im Laufe der Jahre verdolt, verfüllt oder sind zugewachsen. Lediglich im Stöcketgraben östlich des „aquadroms“ war an verschiedenen Stellen noch etwas Wasser auszumachen. Dies führten Martin Geißler, wie auch Uwe Heidenreich auf die noch bestehende Verbindung zum fließenden Wasser des Kraichbaches über seine Einmündung in den Mühlkanal zurück. Vor allem der Diplom-Biologe machte den Teilnehmern der
CDU-Veranstaltung deutlich, daß die Grabenläufe „durchaus biotopvernetzende Funktionen erfüllen können“. Voraussetzung sei aber, daß sie nicht weiter verfüllt und eingeengt würden.
An verschiedenen Standorten stellte Uwe Heidenreich seine beiden Varianten einer möglichen Reaktivierung vor. Die erste Variante beginnt demnach am Abzweig des alten Grabens an der ersten Schließe von Reilingen kommend. Es handelt sich hierbei um den historischen Verlauf des Alten Kraichbaches vor der Begradigung vor 200 Jahren, wo er noch bis in die 60er Jahre Wasser führte. Da im untersten Drittel bei der Mündung in den heutigen Kraichbach kein Grabenverlauf mehr erkennbar ist und eine Wiederaufnahme dieses Bachverlaufes recht kostenintensiv sein dürfte, hatte Heidenreich dem
Gemeinderat eine weitere Variante vorgeschlagen.
Vor Ort wurde nun dieser Vorschlag im Gelände genauer dargestellt. Auf den ersten zwei Drittel des alten Bachverlaufes würde sich nichts ändern. Dann aber sollte durch ein neues Grabenprofil der Bach in den Stöcketgraben geleitet werden und von dort bis zum Mühlkanal. Da dieser tiefer liegt als der Kraichbach, würden sich, so der Referent, zudem günstige
Gefällsverhältnisse ergeben.
Am Ende der Vor-Ort-Besichtigung hatte Uwe Heidenreich schließlich noch einen Vorschlag besonderer Art parat. Er schlug vor, den Mühlkanal vom Abzweig aus dem heutigen Kraichbachbett bis zum Stöcketgraben zuzuschütten und in ein neues Bachbett zu verlegen. Als wichtigsten Grund nannte der Biologe die renovierungsbedürftige Betonrinne, in der der Kanal zur Zeit fließt, die demnächst für viel Geld saniert werden müßte. Er schlug vor, den neuen Bachverlauf rund 25 Meter in südliche Richtung auf das ohnehin der Stadt Hockenheim gehörende, aber brachliegende Gelände zu verlegen. Leicht mäandernd könnte der Graben dann in den reaktivierten Kraichbachlauf im Stöcketgraben münden.
Dieser Vorschlag stieß nicht nur bei den anwesenden CDU-Gemeinderäten auf viel Interesse. Übereinstimmend sahen die Anwesenden in dem gemachten Vorschlag eine Möglichkeit, diesen Bereich noch attraktiver zu gestalten.
Im Stadthallenrestaurant erläuterte Uwe Heidenreich dann noch einmal ausführlich die verschiedenen Varianten, zeigte Vor- und Nachteile auf. Von Seiten der interessierten Zuhörer wurde vor allem die Gefahr der Druckwasserbildung in Richtung „aquadrom“ und die Neubaugebiete im Biblis angesprochen. Man war sich einig, daß diese Gefährung noch genauer untersucht werden müßte, sollte die Reaktivierung im Gemeinderat beschlossen werden.
Angesprochen auf die Finanzierung einer solchen Maßnahme stellte Bürgermeisterstellvertreter Alfred Rupp fest, daß man zunächst einmal die Zuschußsituation abklären müsse. In der heutigen Zeit seien Reaktivierungskosten von rund 840.000 Mark nicht mehr so einfach zu finanzieren. Sollten die Zuschüsse in den kommenden Jahren noch so fließen wie bisher, könne man sich für diese „positive Maßnahme“ nur aussprechen. Martin Geißler verdeutlichte, daß sich durch die geplanten
Maßnahmen die ökologische Situation in diesem Gebiet eindeutig verbessern würde. Die Anwesenden sprachen sich, ebenso wie die CDUArbeitskreismitglieder für eine Reaktivierung des Alten Kraichbaches aus und gaben den Kommunalpolitikern der Christdemokraten mit auf den Weg, daß es sich dabei um ein wichtiges Zukunftsziel für die Rennstadt handeln müsse. (og)
Ortsgeschichte in den Straßen noch lebendig
Viele Dinge der Geschichte von Reilingen sind längst Vergangenheit oder gehören in das Reich der Mysthen und Erzählungen. Anders ist es jedoch mit noch erhaltenen Bauwerken wie zum Beispiel dem Wersauer Hof oder den
historischen Wirtshäusern „Löwen“, „Engel“ oder „Hirsch“. Wer aber genau hinschaut, wird weitere, manchmal auch unscheinbare Stücke aus der Vergangenheit der Spargelgemeinde entdecken. Und dort, wo es längst nichts mehr zu sehen gibt, erinnern Straßennamen an längst vergangene Zeiten.
So trägt beispielsweise eine kleine Nebenstraße der verkehrsberuhigten Hauptstraße im Unterdorf den Namen „Am Dorfgraben“, obwohl weit und breit kein Graben zu erkennen ist. Vor rund 350 Jahren aber wurde der älteste Teil von Reilingen zwischen der Kraichbach und der Straßenabzweigung nach Hockenheim durch einen Graben deutlich vom übrigen Gemeindebesitz abgegrenzt. Der Dorfgraben schloß die Siedlung vollkommen ein und zog von der Kraichbach bis zum Gasthaus „Hirsch“, weiter durch die „Herten“ und schloß mit dem erneuten Treffen auf den Kraichbach den Kreis. Der mit Wasser gefüllte Graben war ein Teil der dörflichen Schutzeinrichtungen. Ein weiterer Schutz wurde auf der Dorfseite des Grabens durch Zaunbegrenzungen und Dornenhecken hinter den Hausgärten gebildet. Die Scheunen und Ställe wurden zudem, wie es noch heute teilweise zu sehen ist, Wand an Wand gebaut. Diese Art der Dorfbebauung schützte so die Einwohner und deren Höfe vor Gefahren von außen.
Bis 1650 entwickelte sich Reilingen noch innerhalb des Dorfgrabens weiter. Dann aber wurde mit der Bebauung in Richtung Westen und Norden der bisher schützende Dorfgraben überschritten. An die, durch zahlreiche Funde immer wahrscheinlichere, mittelalterliche Hochblüte Reilingens erinnern heute nur noch die Straßenbezeichnungen „Burgweg“, „Hofweg“, „Mühlweg“, „Schloßmühle“ oder „Wersauer Hof“. Sie erinnern letztendlich aber alle an die früher östlich von Reilingen gelegene Burg Wersau, Sitz eines einflußreichen Adels oder Rittergeschlechts in den Diensten der Pfalzgrafen, der späteren Kurfürsten.
Unter dem Schutz dieser Burg standen nicht nur die beiden zur Wersauer Herrschaft gehörenden Dörfer Hockenheim und Reilingen, sondern auch die von Speyer kommende Königsstraße, einer der wichtigsten Verkehrsverbindung im damaligen Reich. So weiß man heute, daß über 20 Mal gekrönte Häupter in der Burg bei Reilingen übernachteten. Und 1385 kam der päpstliche Gesandte in die Burg Wersau, um die Genehmigung zur Gründung der Universität Heidelberg zu überreichen. In den Jahrhunderten wurde die Burg zerstört, auf den Überresten eine Mühle errichtet, die das Mehl in die kurfürstliche Sommerresidenz nach Schwetzingen zu liefern hatte. Ein Stückchen weiter östlich wurde für die herrschaftliche Schäferei ein barockes Hofgut erbaut. Auch wenn nur noch der ehemalige Schäferhof etwas Glanz der Geschichte ausstrahlt und
lediglich einige Gewölbeteile und ein alter Brunnenschacht an die Burg Wersau erinnern, halten doch die Straßennamen die immer spannender werdende Geschichte Reilingens lebendig.
Im Ort gibt es aber auch noch ein paar weitere Straßenbezeichnungen, die auf die Dorfgeschichte hinweisen. Die „Alte Friedhofsstraße“ zeugt noch heute davon, daß früher einmal in diesem Bereich der Friedhof der frühen Reilinger lag. Und dank der „Bierkellergasse“ weiß man, daß hier früher auch einmal Bier gebraut wurde. Um das Gebräu in den Holzfässern frisch zu halten, wurde es vom Hirsch und Engelwirt am Ortsrand in einem Naturkeller unter alten Laubbäumen gelagert.
Daß die Friedrich und Hildastraße an das beliebte großherzogliche Herrscherpaar aus Karlsruhe erinneren, sei ebenso nur am Rande des Rückblicks auf die Reilinger Straßen und Flurnamen erwähnt wie der Hinweis auf die Wilhemstraße, die nach dem letzten deutschen Kaiser benannt wurde.
Wie die Eisenbahn in die Pfalz kam
Der 10. Juni 1847 war ein großer Tag: Überall in den Städten der Rheinebene wurde gefeiert und gejubelt, denn an diesem Tag nahm die erste pfälzische Eisenbahn ihren Betrieb auf und dampfte erstmals auf der Strecke von Ludwigshafen nach Schifferstadt und von dort nach Neustadt oder Speyer. Bereits in aller Herrgottsfrühe, um 7 Uhr morgens, hatten sich Beamte, Stadträte, Geistliche und andere Ehrengäste am Bahnhof in Speyer versammelt, um bei der feierlichen Eröffnungsfahrt dabei zu sein. Das Musikkorps spielte, Böllerschüsse ertönten, Reden wurden gehalten. Als der Zug, gezogen von der Dampflok „Haardt“, in Ludwigshafen eintraf, bot sich den Festgästen ein ähnliches Bild: Die Hafengeschütze feuerten Salut, Schiffe und Hafengebäude waren mit bunten Flaggen geschmückt.
Um 10 Uhr ging es weiter nach Neustadt, auch dort wurde der Zug feierlich empfangen. Der Regierungspräsident hatte eine Rede über die Bedeutung der neueröffneten Strecke vorbereitet und erklärte schließlich die Bahn im Namen Seiner Majestät, König Ludwig I. von Bayern, für eröffnet.Um 13 Uhr dampfte der Zug zurück nach Speyer. Überall an der Strecke grüßten Schulklassen mit Fähnchen. In Speyer kehrten die hungrigen Zugreisenden im „Wittelsbacher Hof“ zu einem Mittagessen ein und konnten so gestärkt abends beim Festball noch eine gute Figur beim Tanzen abgeben. Drei Tage wurde noch gefeiert, die Hälfte der Einnahmen des Eröffnungstages wurde großzügig der Armenfürsorge gespendet.
Finanziert und realisiert hatte das Bauprojekt die eigens zu diesem Zweck gegründete Aktiengesellschaft „Pfälzische Ludwigsbahn“ mit Sitz in Speyer. Ihrem Direktor, dem Ingenieur Paul von Denis, muß damals ein Stein vom Herzen gefallen sein: Die zermürbenden Diskussionen um Trassenführung und Finanzierung waren vorbei, jetzt konnte ein neues Zeitalter beginnen und die ganze Pfalz ans Schienennetz angeschlossen werden. Paul von Denis hatte sich bereits durch den Bau der ersten deutschen Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth 1835 einen Namen gemacht.
Bereits um 1830 wurden Pläne zum Bau einer Eisenbahn durch die bayerische Pfalz entworfen. Erfolgreiche Unternehmer wie Ludwig von Gienanth aus Hochstein, Philipp Lichtenberger aus Speyer oder Johann Heinrich Scharpf von der Rheinschanze machten der bayerischen Regierung nach Jahren der fruchtlosen Diskussion schließlich Druck. Den Strategen in München bereitete insbesondere die Nähe zum ehemaligen Kriegsgegner Frankreich Bauchweh. Depeschen eilten zwischen Berlin (das Saarland war seit dem Wiener Kongreß unter preußischer Herrschaft), Paris (das Elsaß gehörte seit der Französischen Revolution zu Frankreich) und München hin und her. Es wurde verhandelt, begutachtet und abgewogen.
Am 26. Dezember 1837 hatte sich Ludwig I., kein großer Anhänger der Eisenbahnidee, zu einem Entschluß durchgerungen. Seine Majestät der König verfügte hoheitsvoll den Bau zweier Eisenbahnen ausgehend von der Rheinschanze, dem späteren Ludwigshafen. Zum einen sollte die Strecke ins saarländische Bexbach führen, zum anderen ins elsässische Lauterburg. Wichtiger Passus der Anordnung: „Das Privilegium zur Errichtung einer jeden dieser Bahnen soll auf eine bestimmte Zeitdauer und zwar höchstens von 99 Jahren beschränkt … werden.“
Der damals neugegründeten Aktiengesellschaft gewährte der Staat schließlich anno 1841 einen jährlichen Zinsertrag von vier Prozent aus dem Bau und Einrichtungskapital begrenzt auf 25 Jahre. Heftige Diskussionen über die Streckenführung folgten. Am 7. Februar 1841 entschieden sich die rund 250 Bahnaktionäre für eine Trassenführung von Ludwigshafen über Neustadt durchs Neustadter Tal ins Saarland. Die Pläne einer Lauterburger Strecke verschwanden sang und klanglos in den Schubladen.
Lediglich Speyer sollte über den neuen Verkehrsknoten Schifferstadt an die Ludwigsbahn angebunden werden. Von der geplanten Bahnlinie erhofften sich die Gründer einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Pfalz. Schneller und preiswerter
wollten die Pfälzischen Papiermühlen, die Schuhhersteller, Brennereien, Webereien, Glashütten und Zigarrenfabrikanten ihre Ware mit der Bahn nach Ludwigshafen und Mannheim transportieren und von dort aus in die Schweiz, die Niederlande, die Länder des deutschen Bundes und später auch nach Frankreich.
Die Gienanth-Werke konnten zukünftig auf der Schiene Eisenerz transportieren. Außerdem wurden durch diese Ost-West-Verbindung die saarländischen Kohlegruben an den Umschlagplatz Mannheim angebunden. Saarländische Kohle konnte fortan mit der aus dem Ruhrgebiet konkurrieren. Aber auch die rund 40 pfälzischen Steinkohlegruben profitierten von der Bahn. Und nicht zuletzt begrüßten die steinkohleverarbeitenden Betriebe in der Pfalz die schnellere Belieferung mit dem „schwarzen Gold“. Ein weiteres Argument der Pfälzer war die damalige Holzknappheit. Nicht jede Familie konnte sich Holz zum Feuern leisten, die Bahn bot die Möglichkeit, den Brennstoff Steinkohle direkt in die Orte der Pfalz zu liefern.
Im April 1845 konnten die ungeduldigen pfälzischen Bahnpioniere zum ersten Spatenstich ansetzen. 1847 wurden die ersten Strecken nach Speyer und Neustadt eingeweiht. Die Fahrzeit von Neustadt nach Haßloch betrug damals 19 Minuten, von Schifferstadt nach Speyer 20 und von Speyer nach Ludwigshafen 50 Minuten. In Ludwigshafen brachte eine Kutsche den Reisenden dann nach Mannheim, wo er Anschluß nach Basel, Frankfurt, Straßburg oder Mainz hatte.
Große Probleme brachte die Trassenlegung durch das Neustadter Tal: Zwölf Tunnels mußten zwischen Neustadt und Kaiserslautern gesprengt werden. Erst im August 1849 konnte die ganze Linie bis ins Saarland eröffnet werden. Der Ausbau des Pfälzer Schienennetzes und die Vernetzung mit angrenzenden Bahnen beispielsweise in Hessen oder Baden folgten in den folgenden Jahren Schlag auf Schlag. 1853 ging eine Linie LudwigshafenWorms in Betrieb, 1852 wurde mit dem Bau der Maximiliansbahn begonnen, die Neustadt mit Weißenburg verbinden sollte.
Eine zweite Aktiengesellschaft, die „Pfälzische Maximiliansbahn“, wurde ins Leben gerufen. Erfolgreiche Verhandlungen mit Frankreich über Zollabfertigung und Beförderungstarife machten es schließlich möglich, daß am 26. November 1855 die ersten Fahrgäste von Neustadt über Landau ins Elsaß fahren konnten.
Zwei weitere Aktiengesellschaften wurden in den folgenden Jahren aus der Taufe gehoben: 1862 gründete sich die „Neustadt-Dürkheimer Bahn AG“, die Strecke konnte schließlich 1965 (!) eingeweiht werden. Die vierte Aktiengesellschaft „Pfälzer Nordbahnen“ erschließt insbesondere die Nord- und Westpfalz. 1868 rollten die ersten Loks von Landstuhl nach Kusel, 1871 nahm die Alsenzbahn von Hochspeyer nach Münster am Stein ihren Betrieb auf.
Damit auch wirtschaftlich schwächere Regionen mit den Vorzügen des Schienenverkehrs gesegnet werden konnten, entschlossen sich die Aktiengesellschaften 1869 zu einer Fusion die Dürkheimer Bahn war bereits Teil der Nordbahnen. Geleitet von einer gemeinsamen Verwaltung sollte Bau und Betrieb weiterhin auf eigene Rechnung laufen. Bayern garantierte erneut feste Zinsbezüge von 4,5 Prozent. Dem Fusionsvertrag wurde allerdings nur unter zwei Bedingungen zugestimmt: Vom 1. Januar 1905 war der bayerische Staat berechtigt, das Eigentum der Gesellschaften zu erwerben, außerdem wurde der Bau bestimmter Strecken angeordnet, damit auch die Menschen in Pirmasens oder im Donnersbergkreis den Wind der neuen, mobilen Zeit schnuppern konnten.
Es folgten weitere wirtschaftlich fette Jahre, die Pfälzische Eisenbahn entwickelte sich zu einem der größten deutschen Privatunternehmen. In ihrem Besitz: 872 Kilometer Strecke, 354 Lokomotiven, über 10.000 Wagen und rund 12.000 Angestellte. 1908 reisten fast 17 Millionen Fahrgäste (1850: 95.000) per Bahn durch die Pfalz, fast elf Millionen Tonnen Güter wurden auf dem Schienenweg transportiert.
Bis 1879 trieben die Ingenieure und Planer energisch den Anschluß an die Fernverbindungen voran. Ab 1879 werden die Maschen des Nahverkehrsnetzes noch enger gezogen. Die Pionierjahre der Pfälzischen Eisenbahnen waren jetzt endgültig vorbei. Ihren Abschluß fand die Entwicklung 1909, als Bayern die Pfälzischen Eisenbahnen gemäß dem Fusionsgesetz
verstaatlichte. Ein Grund für diese Entscheidung war der Konkurrenzdruck durch die bereits verstaatlichten hessischen und preußischen Eisenbahngesellschaften. Nicht lange konnte sich Bayern an der florierenden Bahn erfreuen. 1918 dankte der König nach Ende des 1. Weltkrieges ab. Aus der „Königlichen Bayerischen Eisenbahndirektion“ in Ludwigshafen wurde die „Reichsbahndirektion“. Auch sie bestand nur kurze Zeit: 1937 wurde die Reichsbahndirektion Ludwigshafen aufgelöst, das pfälzische Bahnnetz löcherig, Teile gingen an Karlsruhe und Saarbrücken.
Nachdem das Streckennetz der Ludwigsbahn erst in privater Hand, dann Eigentum des Staates war, ist es heute in den Händen der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Netz mit Sitz in Kaiserslautern.
Aus: Die Rheinpfalz, Siegrid Becker, 10.06.1997
Mannheims Hafen als Tor zur Welt
Als Großherzog Ludwig von Baden im September 1828 der Stadt
Mannheim einen Freihafen am Rhein bewilligte, wollte er den
Handel der Stadt Mannheim nach Möglichkeit fördern. Er schuf
damit die Voraussetzung für ein ungeahntes Wachstum der Stadt am
Rhein und Neckar.
In den folgenden Jahren wurden ein Winterhafen angelegt (1833)
und am Neckar zur Erleichterung des Umschlags eine Kaimauer
errichtet, während 1854 der Hafen Anschluß an die badische
Staatseisenbahn erhielt. Nachdem 1862 mit dem „Friesenheimer
Durchstich“ eine Rheinschleife nördlich Mannheims begradigt und
die Neckarmündung kurz darauf zum neuen Rheinbett verlegt worden
war, konnte das 2.100 Meter lange Mühlaubecken das Herz des
Handelshafens gebaut und 1875 seiner Bestimmung übergeben
werden.
Mit der Fertigstellung des 3.165 Meter langen Rheinkais im Jahre
1895 hatte der Handelshafen zwischen Rhein und Neckar mit den
50.000 Quadratmeter nutzbarer Fläche seine heutige Gestalt
gewonnen. Im selben Jahr vereinbarten die großherzoglichbadische
Landesregierung und die Stadt Mannheim den Bau des 1907
fertiggestellten Industriehafens. Dieser erwies sich als idealer
Standort für Mühlenbetriebe und entwickelte sich so zu einem der
bedeutendsten Mühlenzentren Deutschlands.
Zur gleichen Zeit baute die RheinauGesellschaft im Süden
Mannheims drei Hafenbecken mit Gleis und Verladeanlagen. Dieser
Hafen bot sich für den Umschlag von Kohle an und wurde nach dem
Konkurs der Hafenbetriebsgesellschaft im Jahre 1903 vom Land
übernommen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hafen bei 151 Luftangriffen schwer
getroffen. Daher sahen es Land und Hafenverwaltung als
vordringlichste Aufgabe an, den Hafen möglichst zügig
wiederaufzubauen und je nach wirtschaftlicher Entwicklung
dieser anzupassen. So wurde wegen der wachsenden Bedeutung des
Erdöls für die Energieversorgung und die chemische Industrie 1962
bis 1964 auf der Friesenheimer Insel ein Ölhafen angelegt.
Als sich die wachsende Bedeutung des Containerverkehrs für die
Binnenschiffahrt abzeichnete, wurde 1968 am Südende des
Mühlauhafens ein Containerterminal eröffnet. Heute gehört es zu
den umschlagstärksten aller deutschen Binnenhäfen. 1985
schließlich wurde im Rheinauhafen eine RollonRolloffAnlage
als erste Einrichtung dieser Art an einem frei fließenden Strom
fertiggestellt, die 1991 noch einen eigenen
HafenbahnGleisanschluß erhielt. Um die Hafenanlage auf den Stand
der Technik zu bringen, wurden die noch vorhandenen Schrägufer zu
Senkrechtufern umgebaut, das Schienen und Straßennetz
modernisiert oder durch Rauchmelder in den Lagerhäusern erhöhten
Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen.
Heute ist der Mannheimer Hafen ein bedeutender
Verkehrsknotenpunkt, der in seinem über elf Quadratkilometer
großen Hafenareal beste Standortvoraussetzungen für Industrie,
Handel und Gewerbe bietet. Eine weitere Aufwertung des
Knotenpunktes Mannheim brachte das kombinierte
LadungsVerkehrKLVZentrum im Handelshafen. Es ging im Herbst
1991 in Betrieb und optimiert den direkten Schienenweg besonders
für Trailer von Mannheim nach Mailand und Verona.
Aber auch als Mühlenzentrum konnte sich der Hafen behaupten. Mit
einer Lagerkapazität von mehr als 300.000 Tonnen Getreide, dem
Getreide und Futtermittelumschlag, den Mühlen (darunter eine der
bedeutendsten Ölmühlen in Europa), den Kraftfutterwerken und der
bereits 1862 gegründeten Produktenbörse konnte Mannheim seine
führende Position behaupten.
Quelle: unbekannt
Ein Laufrad eilte der Post davon
Am 12. Juni 1817 wurden neue Horizonte entdeckt, die Menschheit
machte sich auf, noch mobiler zu werden. Ursache dafür war eine
Art Wettfahrt des 32jährigen Forstmeisters Karl Friedrich Freiherr
von Drais auf seinem neu konstruierten Laufrad von Mannheim nach
dem Relaishaus. Diese Umspannstation lag auf halbem Weg zwischen
Mannheim und Schwetzingen an dem ehemaligen „Kurfürstendamm“
zwischen dem Stadtschloß und der Sommerresidenz.
Der LaufradErfinder war zeitgleich mit der von Pferden gezogenen
Postkutsche losgefahren, denn Drais wollte anschaulich beweisen,
wie schnell sich ein einzelner Mensch fortbewegen konnte, wenn er
auf dem Sattel dieser Laufmaschine saß. Schließlich hatten die
Füße keine Last zu tragen und dienten nur der Fortbewegung.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurde im
Individualverkehr ein Fahrzeug, basierend auf technischen
Mitteln, eingesetzt. Das Laufradfahren kam dem Reiten zwar noch
immer recht nahe, aber immerhin war es eine ganz andere Art der
Fortbewegung. Die Art der Fortbewegung hatte Karl Friedrich
Freiherr von Drais von Sauerbronn einer anderen Methode der
Bewegung entliehen. In einem Artikel vom 17. August 1817 in der
„Carlsruher Zeitung“ hieß es dazu: „In einem Reitsitz auf nur 2
zweischühigen, hintereinanderlaufenden Rädern ist die Hauptidee
der Erfindung von dem Schlittschuhfahren genommen“.
Drais hatte zunächst eine vierrädrige „Draisine“ entwickelt, die
später zweirädrige Version nannte er dagegen Laufrad. Dies war in
einer Zeit, in der es teilweise noch die Leibeigenschaft gab,
eine geradezu revolutionäre Erfindung. Plötzlich konnte sich auch
das einfache Bürgertum anders als auf „Schusters Rappen“
fortbewegen.
Der junge Drais hatte 1806 zum ersten Mal in Schwetzingen, wo
sein Onkel Friedrich Georg Heinrich von Drais eine private
„Forstunterrichtsanstalt“ betrieben hatte, im großherzoglichen
Schloß, also der früheren Sommerresidenz der pfälzischen
Kurfürsten, ein Wägelchen gesehen, das „mit Muskelkraft von einem
Lakai getreten“ werden mußte, um „eine Adelsperson auf den
Parkwegen zu transportieren“. An der Achse des Hinterrades des
Vehikels aus England war eine Tretkurbel angebracht, die Drais
jedoch nicht übernehmen wollte. Ihm ging es besonders darum, eine
neue Art der Fortbewegung für alle Schichten der Bevölkerung zu
finden.
Im Jahre 1810 wurde das Oberhofgericht nach Mannheim verlegt.
Forstmeister Drais, inzwischen 25 Jahre alt und ohne feste
Anstellung, zog mit seinem Vater, einem Oberhofrichter nach
Mannheim nach M 1,8 in der besser situierten Oberstadt. Sein
Vater hatte es am Hof in Karlsruhe durchgesetzt, daß sein Sohn,
das Patenkind des alten Großherzoges Karl Friedrich, vom
Forstdienst freigestellt wurde und dennoch seine Dienstbezüge
weiterhin bekam. Daher verfügte der junge Mann über viel Zeit.
Der Erfinder Drais ließ von Wagnermeister Frey, der das Laufrad
baute, eine bedeutende technische Neuerung einbauen. Diese machte
es noch schneller, denn er steckte die eiserne Achsen der Räder
in Radnaben aus Messing. Dadurch wurde die Reibung enorm
reduziert.
Noch heute rätselt man darüber, warum Drais für seine erste
öffentliche Ausfahrt den Weg Richtung Schwetzingen wählte. Zum
einen lag es sicher daran, daß sich der Horizont der Mannheimer
Bürger im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts enorm weitete.
Es gab keine Stadtmauern mehr und weder Wälle noch Gräben
behinderten den Spaziergang in die freie Landschaft. Zum anderen
aber hatte sich Freiherr von Drais in dem schmucken
Residenzstädtchen vor den Toren der Stadt in seiner Jugend und
Ausbildungszeit stets wohl gefühlt. Damit lag Schwetzingen in
seinem Blickfeld und zudem auch für das neue Laufrad in
erreichbarer Ferne. Dorthin hatte Drais schon mehrere
Versuchsfahrten unternommen ehe er sich auf die Wettfahrt mit der
Postkutsche einließ.
Die beiderseits von Pappeln und Obstbäumen gesäumte „Chaussee
nach Schwetzingen“ hatte bereits um 1752 Kurfürst Carl Theodor
anlegen lassen. Dabei handelte es sich um eine herrschaftliche
Straße, denn sie galt als besonders gut ausgebaut und war mit
einer Pflasterung versehen. Die Bauarbeiten waren nicht sehr
einfach, denn im Bereich der späteren Schwetzingerstadt mußten
nach und nach Sümpfe trockengelegt werden.
In der „Carlsruher Zeitung“ war über die Wettfahrt zu lesen, daß
Drais „von Mannheim bis an das Schwetzinger Relaishaus und wieder
zurück, also gegen vier Poststunden Weges in einer kleinen Stunde
Zeit gefahren ist“. Die einfache Strecke hatte rund 7,5 Kilometer
betragen. Also brauchte Freiherr von Drais für die 15 Kilometer
lange Gesamtstrecke knapp eine Stunde. Damit hatte er eine
Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 bis 18 km/h erreicht. Man
stelle es sich heute in der Zeit der Rennräder, Cityräder oder
Mountainbikes einmal vor: die Draissche Laufmaschine hatte
eisenbereifte Räder, keine Tretpedale oder stoßgedämpften Sattel,
auch von Zahnradübersetzungen und anderen Hilfsmitteln keine
Spur.
Dem großherzoglichbadische Forstmeister Karl Friedrich Freiherr
von Drais sollte seine Erfindung jedoch nicht den erhofften
finanziellen Segen bringen. Er starb 1851 verarmt in Karlsruhe.
Quelle: unbekannt
Mit der Ludwigsbahn fing alles an
Als im April 1845 der Ingenieur Paul Denis die Bauarbeiten für
die „Pfälzische Ludwigsbahn“ von Bexbach zur Rheinschanze (beim
heutigen Ludwigshafen) in Angriff nahm, begann auch für das
linksrheinische Bayern die Erschließung durch die Eisenbahn. Das
Industriezeitalter begann. Denis, gebürtiger Franzose und bei
Baubeginn beurlaubter Baurat der pfälzischen Kreisregierung zu
Speyer, hatte schon für die Fertigstellung der ersten deutschen
Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1835 Sorge
getragen. Jetzt wollte er seine zweite Heimat, die Pfalz, mit
Bahnlinien erschließen.
Die bereits 1838 gegründete Pfälzische Ludwigsbahn hatte für den
Bau der Bahnlinie vom Rhein zu den Kohlegruben in Bexbach vom
bayerischen Staat auf 25 Jahre eine vierprozentige Zinsgarantie
erhalten. Ansonsten hatte sich der Staat beim Eisenbahnbau in der
Grenzprovinz jenseits des Rheines nicht engagiert. Als am 11.
Juni 1847 die erste pfälzische Bahn ihren Betrieb aufnahm, nahm
die neue Gesellschaft vorübergehend ihren Sitz in Speyer und
verlegte ihn bei Fertigstellung der ganzen Linie 1849 ins junge
Ludwigshafen. Der „Pfälzischen Ludwigsbahn Gesellschaft“ folgte
die Gründung weiterer Bahngesellschaften.
Für die am 26. November 1855 fertiggestellte Bahnlinie von
Neustadt ins elsässische Weißenburg wurde die „Pfälzische
Maximiliansbahn“ gegründet, für die Linie von Neustadt nach
Dürkheim eine Bahngesellschaft gleichen Namens. Der Bau der Bahn
durch das westpfälzische Alsenztal ins preußische Bad Münster
wurde von der „Nordbahngesellschaft“ geplant, die sich 1869 mit
den anderen in der Pfalz tätigen Eisenbahnen zur „Pfälzischen
Eisenbahn“ zusammenschloß.
Im Jahre 1881 bedienten die als eine der besten deutschen
Eisenbahngesellschaften geltenden „Pfälzischen Eisenbahnen“ 632
Kilometer Bahnstrecke im Personen und Güterverkehr. Bahndirektor
war zu diesem Zeitpunkt Albert von Jäger, der bereits unter Paul
von Denis als Stellvertreter tätig war. Auf ihn folgte Jacob von
Lavale, der auch Chef der Pfälzischen Eisenbahn war, als im Jahre
1908 diese auf den bayerischen Staat übergingen. Insgesamt 907
Kilometer Bahnlinien waren zu diesem Zeitpunkt in der Pfalz in
Betrieb. Betriebsorganisation, Fahrplan und die Abstimmung mit
benachbarten Bahngesellschaften waren die Aufgabe der privaten
Bahngesellschaft, die das Wirtschaftsergebnis als wesentliche
Meßlatte ihrer Entscheidungen hatte.
Nach dem Fusionsgesetz vom 1. Januar 1905 konnte der bayerische
Staat das Besitztum der drei pfälzischen Eisenbahnen gegen
Erstattung der Baukosten erwerben. Die Verhandlungen über das
Ablöseangebot für die Aktionäre zog sich über viele Jahre hin,
bis dann zum 1. Januar 1909 die Pfälzischen Bahnen gegen eine
Erstattung von rund 300 Millionen Mark an den Staat übergingen.
Mit dem Staatsvertrag vom 1. April 1920 wurden die bisherigen
Ländereisenbahnen in der Reichsbahngesellschaft zusammengefaßt,
die in Reichsverwaltung geführt wurde. Aufgrund des
Ermächtigungsgesetzes vom 8. Dezember 1923 wurde die Reichsbahn
als wirtschaftliches Sondervermögen des Reiches geschaffen, wobei
jedoch erst im Sommer 1924 die Umwandlung in ein autonomes
Unternehmen erfolgte. In den ersten Jahren gelang es noch,
Betriebsüberschüsse zu erwirtschaften, doch bald machte der
aufkommende Lastwagenverkehr der Bahn im Güterverkehr schwer zu
schaffen. Organisatorisch war die Bahn formell bis 1937
selbständig, doch im Rahmen der Einführung des Führerprinzips
übernahm der Reichsverkehrsminister die Funktion des
Generaldirektors.
Die Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde auch für die
Eisenbahnen zum Neubeginn, nachdem die ehemalige Deutsche
Reichsbahn in den Besatzungszonen in vier selbständige Teile
zerfallen war. Die deutschen Eisenbahnen in der französischen
Besatzungszone blieben bis 1947 ohne deutsche Spitze, als durch
Staatsvertrag der Länder Baden, RheinlandPfalz und
WürttembergHohenzollern die Betriebsvereinigung der
Südwestdeutschen Eisenbahnen gegründet wurde, deren
Generaldirektion ihren Sitz in Speyer hatte. Als dann zum 31.
Dezember 1951 die Deutsche Bundesbahn gegründet wurde, bedeutete
dies auch das Ende der pfälzischen Eisenbahngeschichte.
Quelle: Die Rheinpfalz, Werner Schreiner, 18.1.1996
Der elegante Schwung von Mannheim
Sie war Mannheims erste feste Brücke. Sie war auch die erste
feste Brücke, die über den Neckar geschlagen wurde. Und als die
Kettenbrücke am 15. November 1845 dem Verkehr übergeben wurde, da
war doch tatsächlich ganz Mannheim auf den Beinen. Alle wollten
das Wunderwerk betrachten, wollten in dieser historischen Stunde
dabeisein und mitfeiern.
Auch die Umlandgemeinden feierten damals mit. Denn mehr als 30
Jahre hatte es seit der ersten Anregung gedauert, bis die
Erkenntnis da war, daß jetzt dringend gehandelt werden muß. Ging
es doch um einen dauerhaften Ersatz für die alte Schiffsbrücke,
die in der Fluchtlinie zwischen den Quadraten K 2 und K 3 den
hier hundert Meter breiten Fluß überquerte. Bei jedem Hochwasser
und jedem Eisgang mußte diese schwankende Bohlentrasse abgefahren
werden und noch häufiger repariert werden.
Insgeheim hatten die Mannheimer zwar gehofft, daß mit dem Bau der
MainNeckarBahn die dazu unweigerlich notwendige Neckarbrücke
auf Staatskosten errichtet würde. Dies trat auch ein nur eben
an der falschen Stelle. Für damalige Begriffe weit im Osten, bei
Ladenburg, entstand die Brücke und führte die von Frankfurt
kommende Bahnlinie über Friedrichsfeld entweder nach Mannheim
oder Heidelberg. „Mannem hinne“, rief dort auf dem Bahnsteig der
Stationsvorsteher mit weithin hallender Stimme.
Nun mußte sich die von Oberbürgermeister Ludwig Jolly geleitete
Stadt ihrer eigenen Kraft besinnen. Finanziell stand es nicht
eben rosig um sie. Doch nicht zuletzt die 1842 erfolgte Neuanlage
des Hauptfriedhofs über dem Neckar und noch mehr der zunehmende
Warenverkehr machten die baldige Verwirklichung der
Brückenbaupläne ratsam.
In den Stadtgeschichtlichen Sammlungen des ReißMuseums sind noch
mehrere originale Kupferstiche und Lithographien aus dieser Zeit
zu sehen, die den imponierenden Bau zum Gegenstand haben. Mit
seinen zwei auf Flußpfeilern stehenden, zinnenbekrönten
Portaltürmen und den elegant durchgeschwungenen Ketten nimmt er
sich höchst eindrucksvoll aus. Die Konstruktion, die technisch an
eine Hängebrücke erinnert, stellte für die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine großartige Ingenieurleistung dar.
Ihr Konstrukteur und Erbauer, IngenieurKapitän Wendelstadt, der
in Diensten des Königs von Hannover stand, hatte bei Hameln schon
zuvor eine Kettenbrücke über die Weser gebaut, die nur 108.000
Gulden gekostet hatte. Friedrich Daniel Bassermann war eigens
hingereist und hatte diesen für ihn neuartigen Flußübergang
besichtigt und danach seinen Gemeinderatskollegen den Planer
empfohlen. Wendelstadt legte 1839 für die Neckarbrücke einen
Kostenvorentwurf von 189.000 Gulden vor.
Die Kettenbrücke, mit deren Bau im Frühjahr 1842 begonnen wurde,
kostete wegen verschiedener Änderungen im Endeffekt zwar 372.000
Gulden, was etwa 642.000 Goldmark oder nach heutigem Geld etwa
sechs Millionen Mark entsprach, doch hielt sie bis 1891 den
zunehmenden Belastungen stand. Das Automobil und der steigende
Frachtverkehr machten dann endgültig eine Nachfolgerin, die
Friedrichsbrücke, nötig. Sie erinnerte mit ihren Portalpylonen
und Gitterverspannungen an die elegante Linienführung der alten
Kettenbrücke. Nach ihrer kriegsbedingten Sprengung 1945 folgte im
August 1950 die bislang letzte Version, die Kurpfalzbrücke.
Nach: MM, Hans Weckesser, 18.11.1995
Mit dem „Eselsbähnle“ über den Rhein
Die alte Geschichte ist bekannt und wird rechts und links des
Rheines immer wieder gerne erzählt: Eine biedere Frau vom Lande,
die regelmäßig das „Eselsbähnle“ zwischen HockenheimTalhaus und
Speyer benutzt, schreitet eines Tages mit mächtig ausholenden
Schritten neben dem Zug her und will ihn gerade überholen. Das
sieht der Zugführer, der seine Stammgäste längst alle persönlich
kennt, und ruft: „Frau, warum steigen Sie denn nicht bei uns
ein?“ Die aber antwortet keuchend: „Heut kann ich nicht mit Euch
fahren, denn ich habe es eilig. Ich muß zum Doktor nach Speyer!“
Der Speyerer Joseph Kahn schrieb dazu bereits 1914 in einer
Festschrift: „Diese Geschichte kommt mir immer wieder in den
Sinn, so oft ich unsere ‚badische Droschke‘, so hat der Volkswitz
die SpeierHeidelberger Bahn längst getauft, mit Gebimmel und
Gebammel keuchend von der Rheinstation nach der Schiffbrücke sich
fortbewegen sehe und der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an,
wenn dieses Schauspiel aus längst verklungenen Zeiten an mir
vorüberzieht.“
Er stellt weiter fest, daß man die „Misere dieses schneckenhaften
Bahnbetriebs längst allgemein empfunden und seit Großvaters Tagen
dringend Abhilfe verlangt“ habe. Doch alle Bemühungen würden an
dem starren System der Bahnbehörden scheitern, die stets
antworten würden: „Es bleibt Alles, wie beim Anbeginn der
Schöpfung, die Schiffbrücke läßt einen neuzeitlichen Verkehr
nicht zu, denn sie kann eine neuzeitliche schwere Lokomotive
nicht tragen“.
Daß letztendlich das Speyerer Brezelfest Hilfe in der Not
gebracht habe, weiß Kahn in seinen Erinnerungen ebenfalls zu
berichten: „Bereits beim ersten Feste im Jahre 1910, und in noch
gesteigertem Maße bei den nachfolgenden Festen, erwiesen badische
Droschke und Schiffbrücke sich viel zu armselig und winzig, um
den Verkehrsbedürfnissen auch nur im entferntesten genügen zu
können. Da kamen sie von der rechten Rheinseite angerückt in
endlosen Schaaren, die Männlein und Weiblein, die Mädchen und
Knaben … aus Hütten und Palästen, zu Fuß und zu Wagen, mit
Stahlrossen und Automobilen und soweit sie die Menge fassen
konnte mit der badischen Droschke.
Tief senkten unter der schweren Last die Pontons ihre Köpfe ins
Wasser, als wollten sie ausdrücken: Wir schämen uns, daß wir im
zwanzigsten Jahrhundert ein so altmodisches Verkehrsgebilde wie
die Speyerer Schiffbrücke noch tragen müssen! Nur mit Hilfe einer
beträchtlichen Wasser und Luftflotte konnte der Verkehr
schließlich bewältigt werden. Da setzte unter der Parole ‚los von
der Schiffbrücke!‘ von Neuem eine Bewegung ein, die mächtig
anwuchs und ihren Ausdruck gefunden hat in dem Brückenbauverein,
dessen Gründung im Bunde mit Heidelberg jüngst erfolgt ist.“
Als „Beweis“ für seine These, daß die Schiffsbrücke historischen
Ursprungs ist, zitierte Joseph Kahn aus der „Pälzisch
Weltgeschicht“ von Paul Münch. Dort baute Julius Cäsar die
Schiffsbrücke bereits 55 v. Chr. mit seinen Legionen. Dies ist
folgendermaßen beschrieben: „Un is gerennt ganz ungeheier, un war
uf eemol schun in Speier, hot dort e Schiffbrick ufgeschla‘, in
Zeit vun binne zwee, drei Da’…Die Schiffbrick awer steht noch
heit, als Denkmal vund e alte Zeit. Nadeerlich is se a denno:
krumm, schepp und wacklich un verbo.“
Nachdem sich Joseph Kahn davon überzeugt hatte, daß die alte und
für ihn historisch wertvolle Schiffsbrücke nicht verschrottet
wird, sondern in ganzer Pracht und Herrlichkeit im Historischen
Museum der Pfalz in Speyer untergebracht wird, blickte er
wohlgemut dem Brückenbauobjekt entgegen, das, wie er versicherte,
bereits vom bayerischen Finanzministerium genehmigt worden sei.
Anläßlich einer Festveranstaltung zur „Verherrlichung der
100jährigen Wiedervereinigung mit Bayern“ im Jahre 1916 solle, so
schreibt Kahn zwei Jahre vorher, die neue und feste Rheinbrücke
eingeweiht werden, damit „den steten Klagen über die
stiefmütterliche Behandlung der Pfalz radikal ein Ende bereitet
sei“.
Im letzten Abschnitt seines Beitrages bittet der Autor: „Wenn
dann … neues Leben über die neue feste Brücke flutet und Speier
zur Weltstadt sich erhebt, mit einem Oberbürgermeister und drei
Bürgermeister an der Spitze, alsdann ist in seinen Jahrbüchern
auch festzuhalten, daß die eigentliche Triebkraft für diesen
Wandel der Dinge einzig und allein das Bretzelfest mit seinem
Massenverkehr geliefert hat.“
Es sei noch nachgetragen, daß die geplante Brückeneinweihung 1916
dem 1. Weltkrieg zum Opfer fiel. Seit 1956 aber können die
badischen Besucher Speyer und somit auch das traditionelle
Brezelfest über eine feste Brücke erreichen. Das „Eselsbähnle“
aber fährt längst nicht mehr. Nur noch ältere Zeitgenossen können
sich daran erinnern wo die Trasse verlief. Lediglich einige alte
Bahnwärterhäuschen, der alte Lokschuppen und der frühere Bahnhof
„Lusshof“ geben Zeugnis davon, daß Hockenheim früher einmal eine
eigene Bahnverbindung nach Speyer hatte. (og)