Gerichtsbräuche vor über dreihundert Jahren

Wieviel Menschen nehmen unbedacht das Wort von der „guten alten Zeit“ in den Mund, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was in früheren Zeiten nun wirklich „besser“ war. Genau genommen war gar nichts besser, denn bereits damals machten sich die Menschen einander das Leben schwer. Und von Übelständen war auch in Hockenheim kein Jahrhundert frei. Weiterlesen

Raufereien waren an der Tagesordnung

Die Straßen waren unsicher. Gewalt und Diebstahl hatten zugenommen. „Damit das im Lande sich häufende ruchlose Raub- und Diebsmäßige Gesindel nicht weiter überhand nehme“, ließ auch der pfälzische Kurfürst Zuchthäuser einrichten. Er beabsichtigte auf diese Weise, wie es in einem Edikt von 1747 heißt, „bessere Sicherheit und Bequemlichkeit sämtlicher Einwohner“ herzustellen. Weiterlesen

Apotheke als Drogerie und Süßwarenhandlung

Der Begriff Apotheke entstammt der griechischen Sprache und kann mit Speicher oder Vorratskammer übersetzt werden. Die Idee, ein Depot für Drogen, Gewürze, Spezereien  aber auch Arzneimittel  einzurichten, entstammt dem arabischen Raum. Im Abendland entstanden im 9. Jahrhundert Kloster und Hospitalapotheken. Seit dem 13. Jahrhundert bildeten sich die Vorformen der heutigen öffentlichen Apotheken aus.
Der Speyerer Stadtrat bestimmte am 12. Juli 1553 in einer Ordnung der Handwerke und des Handels: „Apotecker haben feil allerhand Specerey/ auch zucker eyngebeißt Confect/ und gemeinlich alles was inn ein Apotecken und zur Artzney gehörig ist/und nit weiters.“ Die Apotheke wurde hier also eher als eine Einrichtung des Handel betrachtet, die auch dem Gesundheitswesen diente; sie war Drogerie und Süßwarenhandlung, aber mehr zu verkaufen war den Apothekern verboten  wohl um zu verhindern, dass aus der Apotheke ein Kramladen wurde.
Im Jahr 1578 erließ der Rat eine Apothekenordnung, in der die Bedeutung für das Gesundheitswesen deutlich zum Ausdruck kam und die recht modern erscheint. Die Apotheker mussten schwören, dass ihr Gewerbe nur von ihnen selbst oder ihren vereidigten Gesellen ausgeübt wurde. Lehrjungen und Gesellen war es allerdings verboten, Medikamente selbständig herzustellen oder auszugeben. Der Apotheker war verpflichtet, alles vorrätig zu halten, was in eine „redtliche Apoteck“ gehörte, und die Vorräte richtig zu lagern, so dass sie nicht vorzeitig verderben konnten. Er musste sie in jedem Quartal auf ihre Brauchbarkeit überprüfen, und ihm war bei schwerer Strafe verboten, alte Heilmittel unter neue zu mischen.
Den Patienten durfte nur die ihnen vom Arzt verordnete Arznei verkauft werden und kein anderes Mittel, auch wenn es die gleiche Wirkung hatte. Die Rezepte durften nur genau nach Vorschrift frisch hergestellt und nur nach Rücksprache mit dem Arzt geändert werden. Jedes Medikament wurde mit dem Namen des Patienten, Herstellungsdatum und Preis versehen.
Wollte der Apotheker größere Mengen eines Arzneimittels auf Vorrat anfertigen, dann musste ein vereidigter Arzt die Zutaten kontrollieren, die Zubereitung überwachen und das fertige Mittel mit dem Herstellungsdatum versehen. Der Rat konnte die Apotheken jederzeit kontrollieren lassen. Gifte und andere gefährliche Stoffe durften nur an Ärzte und an andere Personen nur gegen Rezept abgegeben werden. Diese Substanzen durften nur so aufbewahrt werden, dass sie nicht mit anderen verwechselt oder vermischt werden konnten. Der Apotheker konnte dem Patienten den Preis für ein Medikament stunden, den Armen musste er es für höchstens die Hälfte des Preises überlassen. Weiterhin durfte kein Arzt am Verkauf der Medikamente beteiligt werden.
Eine umfangreiche Ordnung aus dem Jahr 1614 regelt unter anderem, dass die Apotheken in jedem Herbst nach der Frankfurter Messe, einer hauptsächlichen Bezugsquelle der Speyerer Apotheker für seltene Substanzen, von Ärzten und einer Kommission des Rates visitiert wurden um sicherzustellen, dass ausreichende Vorräte in guter Qualität vorhanden waren. Die Visitatoren konnten alles, was ihnen untauglich erschien, sofort wegwerfen, wozu der Apotheker eigens einen Zuber bereitstellen musste. Weiterhin konnten die Ärzte jederzeit eine Visitation durchführen, wenn sie den Verdacht hatten, dass Medikamente falsch oder aus verdorbenen Zutaten bereitet wurden.
In der beigefügten Preisordnung sind die Substanzen aufgeführt, denen man damals eine heilende Wirkung zuschrieb. Die Kamille ist immer noch als Heilmittel bekannt, dagegen finden Endivie und Brunnenkresse heute eher als Salat Verwendung. Auch andere damalige Heilmittel wie Lorbeerblätter, Liebstöckel, Petersilie, Majoran oder Salbei sind uns aus der Küche vertraut. Ziemlich exotisch erscheinen allerdings Zutaten wie: “ Eines Menschen Hirnschahl gebrant und bereit …; Geschabener oder gefeilter wilder Schweinszan …; getrucknete oder gebrante Regenwurm …; Mumich (Mumie) …; Menschenschmaltz…”

Obstbäume wurden bei Nacht gefällt

Reilingens nördlichstes Baugebiet ist der „Holzrott“ mit den Straßen In der Holzrott, Adolph-Ritzhaupt-Straße und dem Jargeauring. Während die beiden letzten an den ersten Ehrenbürger der Gemeinde und die französische Partnergemeinde an der Loire erinnern, verweist die erstgenannte Straße nochmals auf das frühere Gewann „Holzrott“.
Bis 1819 stand hier ein Eichen und Forlenwald, den sich Hockenheim und Reilingen miteinander teilten. Obwohl zwei Drittel des Waldes den nördlichen Nachbarn gehörte, war der Boden klar in Reilinger Besitz. Der Wald erstreckte sich auf rund 32 Hektar beiderseits der heutigen L 599 bis hin zum Kraichbach. Noch 1779 hatte das Churfürstliche Hofgericht Hockenheim das Recht bestätigt, seinen Anteil „durch einen Schützen begehen zu lassen, aber die Strafen sind vom
Gericht in Reilingen zu decredieren“. Kurze Zeit später wurde das Recht dahingehend erweitert, auch Feldfrevler aus Reilingen zu bestrafen und die Strafen einzuziehen. Um den Besitz und die Rechte zu dokumentieren, setzte Hockenheim zahlreiche Grenzsteine.
Der schwehlende Streit wurde dann 1818 akut, denn beide Gemeinden wollten ihren Holzrottwald fällen und in Ackerland umwandeln. Hockenheim ging dabei sogar noch ein Stück weiter und beantragte beim Großherzoglichen Amt in Schwetzingen, den eigenen Waldteil auch in die Gemarkung „einzuverleiben“. Im Juni 1818 versuchte der Oberamtmann aus Schwetzingen eine Einigung herbeizuführen und ludt die Kontrahenten zu einem Ortstermin in den Holzrottwald ein. Trotz intensiver Bemühungen kam es zu keinem Ergebnis. In Reilinger Gerichts(Gemeinderats)protokollen ist zu lesen, daß man werde „nie einwilligen, weil es gerade wäre, als wollte man ihnen das Herz nehmen“.
Die Angelegenheit wurde dem Directorium des Neckarkreises zur Entscheidung vorgelegt. Trotz der Fürsprache durch den Oberamtmann in Schwetzingen wurde der Hockenheimer Antrag von der Mannheimer Behörde abgelehnt. Gegen diese Entscheidung erhob Hockenheim dann 1819 Widerspruch beim „Großherzoglichen Höchstpreißlichen Ministerium des Innern“ in Karlsruhe. Aber auch hier versagte man „einer Losreißung aus der Gemarkung Reilingen und Einverleibung in die Gemarkung Hockenheim“ die Genehmigung.
In der Zwischenzeit waren mehr als 80 Jahre vergangen, doch an den Stammtischen beider Gemeinden blieb der Holzrottstreit lebendig. Und nicht selten sorgte der Streit um dieses Thema für Schlägereien auf den Kerwen in Hockenheim und Reilingen. Über Nacht wurde die Angelegenheit aber plötzlich wieder aktuell. Mit einem „Geheimkommando“ rückte Reilingens Bürgermeister Bernhard Eichhorn in einer Nacht des Jahres 1901 aus und ließ alle Bäume rechts und links der Straße nach Hockenheim bis zur Gemarkungsgrenze fällen. Die Obstbäume entlang der Straße mußten von der Gemeinde Reilingen unterhalten und geerntet werden, der Ertrag aber mußte nach Hockenheim abgeliefert werden.
Im Rathaus der jungen Stadt war man empört und erhob vor der Vierten Civilkammer des Civilgerichts Mannheim Klage gegen die Nachbargemeinde. Das Gericht verurteilte Reilingen zum Schadensersatz. Für die gefällten acht Obstbäume mußten 549 Mark an die Stadtkasse Hockenheim als Entschädigung bezahlt werden. Zur Schadenfreude der Reilinger mußte aber Hockenheim 84 Prozent der Kosten des Rechtsstreites übernehmen.
Noch heute ist die Stadt Hockenheim Eigentümer des Zwei-Drittel-Anteils und zahlt dafür Grundsteuer nach Reilingen. An den Stammtischen wird immer wieder mal dieses Thema aufgegriffen, denn „die Reilinger hatten“, so steht es im aktuellen Heimatbuch zu lesen,  „stets das Gefühl, daß sie in der Holzrottsache übervorteilt und hereingelegt wurden.“

Gericht belegt Schwarzfischer mit milder Strafe

Die Altlußheimer, von altersher mit dem Fischfang eng verbunden,
wehrten sich noch im 17. und 18. Jahrhundert mit Eingaben und mit
Schwarzfischerei gegen die Beschneidung der freien Fischwaid.
Während früher Jagd und Fischfang „Allmendgut“ waren und von
jedermann frei ausgeübt werden konnten, ging nach und nach nichts
mehr ohne herrschaftliche Konzession.

Entsprechende Hoheitsrechte reklamierten bereits Könige und
Landesherren ab dem frühen Mittelalter. In speziellen
Fischereiordnungen legten die Pfalzgrafen beziehungsweise
Kurfürsten alles, was mit der Fischereigerechtigkeit
zusammenhing, fest. So wurde bestimmt, daß an Sonn und Festtagen
nicht gefischt werden durfte, welche Strafe für
Vertragsverletzungen anzusetzen war bis hin zu
Pflichtversäumnissen der Zünfte und ihrer Genossen.

Über Streitigkeiten unter den Fischern und Pflichtverletzungen
gegenüber der Obrigkeit befand ein besonderes Fischereigericht,
die „Rheinruge“. Im kurpfälzischen Einzugsbereich kamen im 18.
Jahrhundert die Fischer aus bis zu 18 Orten zwischen Altlußheim,
Speyer und Hamm in Mannheim unter freiem Himmel nahe der
Rheinbrücke zusammen. Das Erscheinen aller Fischer war Pflicht,
auch für die Fischer aus dem fürstbischöflichspeyerischen Gebiet
südlich von Altlußheim und für die „Lossemer“ selbst, die ja
Exklave ein Besitz des Klosters Maulbronn und später des Hauses
Württemberg waren.

Angeführt wurden die Fischer von ihren Zunftmeistern oder
Rheingrafen, die neben dem Hofkammeramt, dem Haushofmeister, dem
Küchenschreiber und dem Zollschreiber am Vorstandstisch saßen.
Die Fischer hingegen standen um diesen Tisch herum und bildeten
den sogenannten „Umstand“. Die Fischer mußten als Zunftbeitrag 30
Kreuzer bezahlen, Ausländer, das waren alle Nichtpfälzer (also
auch die Altlußheimer), mußten hingegen zwei Gulden entrichten.
Eine Witwe, die das Gewerbe des Mannes fortführte, zahlte jeweils
die Hälfte.

Die Altlußheimer fischten damals auf den verschlungenen
Rheinarmen, in den Altwässer wie der „Silz“ oder dem
„Salmengraben“. Dabei hatten sie die Pflicht, Fische nach
Heidelberg und entsprechendes Entgelt nach Maulbronn zu liefern.
Ein Umstand, den die Altlußheimer stets mit allerlei Tricks zu
umgehen versuchten. Sie gaben die Fische lieber dorthin, wo es
auch etwas zu verdienen gab.

Im Jahre 1700 stellte sich der ertappte Fischer Heinrich Freimann
laut Niederschrift in alten Protokollen unwissend und meinte, daß
mit der Ersteigerung der Rheinwässer es den Fischern freistehe,
ihre „Ernt an End und Orten, wo wohlgefällig“ zu verkaufen.
Dieser Meinung war die kurfürstliche Hofkammer in Heidelberg aber
ganz und gar nicht und forderte daher sehr nachdrücklich den
„Markt allkier mit Fischen zu halten, damit an Fischen kein
Mangel erscheine“.

Doch nicht nur die Hofkammer ermahnte die Altlußheimer Fischer.
1707 schrieb der Zehntmeister des Klosters Maulbronn einen
ungewöhnlich geharnischten Brief an Schultheiß und Gericht
(Gemeinderat) zu Altlußheim. Darin wurden sie aufgefordert,
„sämmtlichen Fischern zu bedeuten, daß, wenn sie den Winter über
keine Fische anhero bringen wollen, man selbigen den Sommer über
den Verkauf auch nit gestatten werde“. Die Lage spitzte sich zu
und wurde vor die „Rheinruge“ getragen.

In der Verhandlung trugen die Fischer vor, daß das Dorf jahrelang
unter durchziehenden Truppen und französischen Verbänden zu
leiden gehabt hätte. Außerdem hätten die Generalität und die
Offizierskorps einen Großteil des Fischfangs durch
Fouragierkommandos abholen lassen. Die Drangsal der Besatzer sei
gar so weit gegangen, daß man sie mitunter von Haus und Hof
vertrieben habe. „Kein Fischschwanz nicht haben wir behalten
dürffen“, so die Aussage vor dem Fischereigericht. Beim Rückzug
der Franzosen seien gar 37 Nachen beschlagnahmt worden. Die
Einwohner des Dorfes seien dadurch vollends verarmt.

Das Fischereigericht hatte mit den Altlußheimer Fischern ein
Einsehen und verlangte daher von den verarmten Genossen nur den
Pachtzins für zwei Jahre, nicht jedoch ein Ersatz für die
entgangenen Naturallieferungen. Die Klagen über das verbotene
Fischen mit Fischreusen an Son und Festtagen wurde gänzlich
niedergeschlagen.

Trotzdem hatten die Altlußheimer Pech: Bereits am anderen Tag
wurden die Fangplätze vom Kurfürstlichen Rentamt neu verpachtet.
Wegen den unsicheren Zeitverhältnissen boten die Fischer aber
recht wenig und so gingen die Fanggründe für billiges Geld an
andere Fischer.

Als 1797 das linke Rheinufer von den französischen Truppen erneut
besetzt und kurz darauf abgetreten werden mußte, fand auch das
Jahrhunderte alte Fischereiwesen am Rhein bei Speyer ein Ende.
Die Zünfte wurden aufgelöst, ebenso fanden keine Sitzungen der
„Rheinruge“ mehr statt  zumal es mit der kurpfälzischen
Herrschaft auch bald zu Ende gehen sollte.

Die Altlußheimer Fischer wären aber keine Altlußheimer gewesen,
wenn sie nicht doch einen Weg gefunden hätten, frischen Fisch zu
fangen. Man mußte halt nur bei „entsprechender Zeit“ die Netze
auswerfen und sich beim Einholen der Fischreußen nicht erwischen
lassen . . . (og)

                                      

Mord am Hockenheimer Forsthüter Auer

Wenn von Wilderergeschichten die Rede ist, taucht fast immer das
bekannte Bild des gamsbarttragenden Wildschützen auf, der seinem
romantisch verklärten Treiben vor dem Alpenpanorama nachgeht.
Doch auch in der Schwetzinger Hardt war die Wilderei einmal zu
Hause. Nicht als exotische Randerscheinung, sondern als immer
wiederkehrende Tatsache, die recht häufig Jagdhüter, Förster und
die Polizei beschäftigte.
In einem alten Gerichtsprotokoll ist noch heute zu lesen: „Am
Radbuckel wurde am 7. August 1871 morgens vier Uhr der
Hockenheimer Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, in der
Erfüllung seines Berufes durch Mörderhand erschossen.“ Beifügt
ist dieser amtlichen Feststellung eine Notiz des
großherzoglichbadischen Landgendarmen Heinrich Neuner: „Wir
haben heute die traurige Aufgabe einen Mord festzustellen, der im
Wald zwischen Hockenheim und Schwetzingen verübt wurde. Der
Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, von Hockenheim, wurde
gestern Nachmittag halb 2 Uhr in der Abtheilung „Radbuckel“ todt
auf dem Gesichte liegend aufgefunden. Neben ihm lag ein brauner
Filzhut und ein Gewehrhahn mit einem Schaftfutter von der Waffe
des Thäters. Auer hatte einen Schuß in die Herzgegend und einen
Schlag auf den Hinterkopf erhalten“.
Auer war seit 1858 in den Diensten der Gemeinde Hockenheim und
erhielt ein Jahresgehalt von 300 Gulden. In der Heidelberger
Straße bewohnte er mit seiner Frau Margaretha und seinen Kindern
Martha und Martin ein bescheidenes Häuschen. Zudem betrieb er
nebenher noch eine kleine Landwirtschaft für den täglichen
Bedarf. Nach dem dem Tod begann für die Familie eine schwierige
Zeit, denn eine Hinterbliebenenrente gab es damals noch nicht.
Aus Anlaß der Ermordung des beliebten Forsthüters wurde im
Kirchenbuch der evangelischen Kirche folgender Eintrag vermerkt:
„Auer war ein pflichtgetreuer Bediensteter, Mann und Vater, wie
es nur wenige giebt, und zeichnete sich während seines Lebens
durch seine Rechtlichkeit und sein solides Wesen aus. Mit
rastlosem Fleiße und einem seltenen Muthe suchte er seine Pflicht
zu erfüllen“.
Forst und Wildfrevel war zur damaligen Zeit ein weit
verbreitetes Delikt. Das Großherzogliche MinisterialForstbureau
formulierte drastisch: „In ganzen Norden Badens ist hiernach der
Forstfrevel in jeder Beziehung weitaus am frequentesten. Dies
erklärt sich teils durch die verhältnismäßig größere Anzahl von
mit Nahrungssorgen schwer belasteten Familien, vorzugsweise aber
durch die den Mannheimer Proletariern nicht selten eigene Scheu
vor anstrengender Arbeit bei teilweiser Entsittlichung der
niedersten Volksklasse“.
Die Nachricht über den Mord verbreitete sich wie ein Lauffeuer
durch das Dorf. Ganze Volksscharen pilgerten hinaus in den Wald.
Die Landpolizei arbeitete fieberhaft an dem Fall und alle
Ermittlungen konzentrierten sich auf den am Tatort aufgefunden
Hut. Um den Mordfall aufzuklären und die Wilderei um Hockenheim
einzudämmen, setzte der Gemeinderat eine Prämie aus: „100 M. dem
Finder des Gewehres, womit der Forsthüter Auer ermordet wurde; 50
M. dem, der im hiesigen Walde oder Felde einen Wilderer, mit
einem Jagdgewehre versehen, mit Erfolg zu rechtskräftigen
Bestrafung anzeigt; 20 M. dem, der einen Wilddieb dahier auf dem
Stellen von Schlingen betrifft und zur Strafe bringt“.
Die Fahndungsarbeit der Polizei hatte tatsächlich Erfolg. Knapp
drei Wochen später stand in der Zeitung folgende Meldung: „Der
verheiratete Taglöhner Daniel Kreiner aus Walldorf, der schon am

  1. August nebst einigen Anderen verhaftet wurde, hat sich als
    Eigenthümer des bei dem ermordeten Waldhüter Auer gefundenen
    Hutes herausgestellt. Daß man nicht gleich den Kreiner, obwohl
    verdächtig, als Eigenthümer des Hutes bezeichnen konnte, hat
    seinen Grund wohl darin, daß er denselben nur zum Wildern trug,
    also mit seinem Gewehr im Walde vielleicht versteckt hatte; sonst
    trug er denselben nicht.“
    Den Mord an Waldhüter Auer nahm das Schwetzinger Bezirksamt zum
    Anlaß, die Einstellung eines zweiten Forsthüters in Hockenheim zu
    fordern, um so der Wilderei und dem Waldfrevel besser begegnen zu
    können. Diese Forderung wurde vom Hockenheimer Gemeinderat strikt
    abgelehnt. In seiner Sitzung am 14. September 1871 monierte er
    die finanzielle Belastung: „… erachten es aber auch als
    besondere Pflicht, bei den jährlich sich mindernden Einnahmen die
    jährlich sich mehrenden Ausgaben auf das Nothwendigste zu
    reduzieren, um so die meistens aus unbemittelteren Leuten
    bestehende hiesige Gemeinde vor Gemeindeumlagen zu schützen und
    dadurch den Wohlstand zu heben und beschließen einstimmig auf die
    Besetzung einer zweiten Waldhüterstelle nicht eingehen zu
    dürfen“.
    Das Wildern schien damals in weiten Bevölkerungskreisen als
    Kavaliersdelikt betrachtet worden zu sein. So konnte die Ehefrau
    des Wilderers Daniel Kreiner lange vor dem Mord an Auer ihren
    Bekannten unbekümmert erzählen, daß ihr Mann gerade weg sei, um
    nach den Schlingen zu sehen, die er gestellt habe und daß er beim
    Wildern als einen Hut trage.
    Im Oktober 1871 kam es zur Verhandlung vor dem Badischen
    Schwurgericht in Mannheim. Über den Indizienprozeß gegen den 37
    Jahre alten Taglöhner Daniel Kreiner wegen feigen Todschlags,
    Schlingenstellens und Berufsbeleidigung wurde in der „Mannheimer
    Zeitung“ ausführlich berichtet. Der Prozeß mit über 60 Zeugen war
    auf drei Tage terminiert, Kreiner wurde durch den Rechtsanwalt
    Rosenberger verteidigt.
    Der Tathergang wurde rekonstruiert: „Am Morgen des 7. August
    abhin, früh um 4 Uhr, begab sich der Forst und Jagdhüter Stephan
    Auer von Hockenheim, ohne Flinte, nur mit einem Stocke versehen
    und mit seiner Dienstmütze bekleidet, in die Abteilung Radbuckel
    des Hockenheimer Waldes, um Streufrevlern aufzupassen. Um 6 Uhr
    des Morgens wollte er seiner ausgesprochenen Absicht nach auf
    seinem Rückweg in der Waldabtheilung Eichelgärthen das Aufladen
    von Holz überwachen und dann um 8 Uhr wieder zu Hause sein. Am
    Nachmittag des folgenden Tages wurde er todt aufgefunden mit
    durchschossender Brust und eingeschlagenem Schädel. Bei der
    Leiche lag ein alter rothbrauner Filzhut und ein starker
    Gewehrhahn, sowie zwei Knöpfe und der durchschossene Rock des
    todten Mannes. Das ärztliche Gutachten ging dahin, daß der in das
    Herz eingedrungene Schrothschuß, der absolut tödtlich gewesen,
    von fremder Hand absichtlich und nicht etwa in Folge zufälligen
    Losgehens des Gewehres während einer etwa stattgehabten Rauferei
    zugefügt worden sei, daß dann Auer sofort in die Knie gesunken
    und, bereits mit dem Tod kämpfend, von dem Angreifer durch rasch
    aufeinander folgende, mit furchtbarer Gewalt geführte Hiebe mit
    einem Gewehrkolben vollends getödtet worden sei. Als
    muthmaßliche Täter wurden mehrere Walldörfer Einwohner, die als
    unverbesserliche Wilderer bekannt sind, verhaftet, jedoch bald
    wieder freigelassen mit Ausnahme des heutigen Angeklagten. Gegen
    diesen, eine außerordentlich häufig schon wegen Forst und
    Jagdfrevels bestrafte, als unverbesserlicher Wilderer bekannte
    und gefürchtete Persönlichkeit, häuften sich die Beweismomente,
    daß er den Auer um’s Leben gebracht habe, in einer Weise, daß
    dessen Verweisung vor’s Mannheimer Schwurgericht erfolgte, obwohl
    er selbst seine Schuld beharrlich läugnete“.
    Mehrere Indizien sprachen für die Schuld von Kreiner: So war er
    zur Tatzeit unweit vom Tatort im Wald gesehen worden. Außerdem
    gehörten ihm der Gewehrhahn und der Hut. Dazu hieß es in der
    Berichterstattung: „Darnach erscheint der Anklage die Vermuthung
    gerechtfertigt, daß der Waldhüter beim Zusammentreffen mit
    Kreiner diesem den Hut entrissen habe, um ein Beweismittel gegen
    ihn zu haben, und dann von jenem getödtet worden sei.“
    Obwohl Kreiner weiter beharrlich leugnete, verdichteten sich die
    Beweise.
    Nach drei Verhandlungstagen und abschließender Beratung lautete
    das Urteil der Geschworenen auf „schuldig“ mit Ausschluß
    mildernder Umstände. Kreiner wurde zu 15 Jahren Zuchthaus und auf
    Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf weitere zehn Jahre
    verurteilt. Einige Tage nach der Verurteilung gestand Kreiner im
    Zuchthaus in Bruchsal seine Schuld ein. Er sollte die
    Schwetzinger Hardt, in die es ihn immer wieder getrieben hatte,
    nicht wiedersehen. Im Herbst 1883 starb der Wilderer Daniel
    Kreiner in der Zelle 163 des Bruchsaler Zuchthauses an den Folgen
    einer nicht ausgeheilten Diphtherie. (og)

In die Pfalz "verbannt"

Speyer um 1900Weiß-blaue Erinnerungen aus vergangenen Tage, als keiner so richtig gerne in die Pfalz wollte /Aus dem Tagebuch des königlich-bayerischen Generals Heinrich Meyer

„Wen der liebe Gott will strafen,
den schickt er nach Ludwigshafen;
wen er gar vergessen hat,
den schickt er in die Kreishauptstadt.
Doch schickt er ihn nach Germersheim,
so geh‘ er lieber in den Rhein!“

Das vielzitierte Klagelied ehedem ins pfälzische „Exil“ versetzter altbayerischer Beamten und Offiziere hörte sich fürs erste zwar bewegend an, doch erfahrungsgemäß rückten die vermeintlich Verbannten meist rasch von ihrer Lamentatio ab und bekräftigten hernach, auch wenn sie längst an Lech, Isar, Inn und Donau zurückgekehrt waren, recht erinnerungsselig, dass es sich in dem weinfrohen linskrheinischen Regierungsbezirk sehr wohl gut leben ließ. Dafür gibt’s vielerlei Belege, und ein besonders unterhaltsamer blieb das Tagebuch des bayerischen Generals Heinrich Meyer, der, wenn auch 1857 in München geboren, die Pfalz nach zwölf Speyerer Jugend- und siebzehn Dienstjahren in verschiedenen pfälzischen Garnisonen zuletzt „mit Fug und Recht als mein Heimatland“ bezeichnete.
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Das „Hochgericht“ wurde feierlich eingeweiht

Als der kurpfälzische Galgen, in der Amtssprache „Hochgericht“
genannt, im Osten der heutigen Mannheimer Neckarstadt errichtet
wurde, ging man entsprechend feierlich ans Werk. Auf dem
Marktplatz versammelten sich vier Kompanien der Bürgerschaft mit
fliegenden Fahnen. Den aufgekommenen Streit zwischen den Maurern
und den Zimmerleuten, wer nun an der Spitze des Festzuges gehen
solle, wurde von Stadtdirektor Lippe gerade noch geschlichtet. Am
Rabenstein, jenseits des Neckars gelegen, wurde das Hochgericht
nach dreitägiger Arbeit am 29. Juli 1724 vollendet, mit einem
„schön verzierten Kranz“ umschlungen und mit lustiger Musik
gefeiert.

Ein Jäger des Grafen von Hillesheim, der wegen Diebstahl
verurteilt worden war, mußte hier als erster sein Leben lassen.
Ihm folgten viele unglückliche Menschen nach. Die sozialen
Verhältnisse in der Kurpfalz zwangen damals viele, sich einer
Diebesbande anzuschließen, um wenigstens zu überleben.

Als Residenz war Mannheim auch der Mittelpunkt der Exekutionen.
Von allen Seiten schleppte man die Verurteilten herbei, darunter
auch zahlreiche Juden, die besonders hart unter den
gesellschaftlichen Verhältnissen der Feudalzeit zu leiden hatten.
Bereits nach 13 Jahren war der Galgen abgenützt. So wurde unter
den gleichen Feierlichkeiten ein neuer erbaut. Hierbei kam es zu
Schlägereien unter den Maurern, wobei einige „auf dem Platze“
blieben. Als 1749 wieder ein neues Zehntgericht „notwendig“
wurde, wiederholten sich die Tumulte und Totschläge.

Für die Zeit zwischen 1742 und 1796 sind 62 Hinrichtungen
nachgewiesen, für das Jahr 1749 allein 15. In diesen Zahlen nicht
enthalten sind die Verurteilungen zum „Ausstehen von
Todesängsten“, wobei der Verurteilte alle Vorbereitungen zur
Hinrichtung über sich ergehen lassen mußte. Erst im allerletzten
Moment wurde ihm der Strick abgenommen. Gewöhnlich wurden die
Gepeinigten dann, mit einem Brandmal gezeichnet, des Landes
verwiesen.

Auf den Karten des 18. Jahrhunderts, die die kurpfälzische
Residenzstadt Mannheim betreffen, ist ein aus drei Säulen mit
Querbalken bestehender Galgen abgebildet. Die Existenz des
Hochgerichts gehört zu der weniger beachteten Seite der
Mannheimer Glanzzeit im 18. Jahrhundert. Kein Gedenkstein, keine
Tafel erinnert an die Vergangenheit dieses Ortes. (og)