Friedrich Hölderlins Ode auf Heidelberg

Heidelberg als legendärer Sehnsuchtsort der Dichter

Dieses Bild nimmt vor 215 Jahren gültige Formen an – in einem Gedicht von Friedrich Hölderlin. 1801 veröffentlicht er seine berühmte Ode auf Heidelberg. In zwei Strophen setzt der geniale Lyriker der „schicksalskundigen Burg“ ein ewiges Denkmal. Zwei der prominentesten Namen der deutschen Literatur sind mit dem Heidelberger Schloss verbunden: 1775 besuchte Johann Wolfgang von Goethe Heidelberg und einige Jahre später, 1788, Friedrich Hölderlin. Beide hielten sich mehrfach in der Stadt auf, bewunderten das Schloss. Und beide Dichter haben mit ihren Werken den Ruhm Heidelbergs mit begründet. Weiterlesen

In virtueller Pracht neu erstanden

Digitale Rekonstruktion lässt das Heidelberger Schloss wieder auferstehen
Bereits in den 1890-er Jahren war es beschlossene Sache, das 1689/90 zerstörte Heidelberger Schloss nicht mehr aufzubauen: Eine von der badischen Regierung eingesetzte Kommission hatte anstelle der völligen oder teil­weisen Wiederherstellung die Erhaltung des aktuellen Zustandes empfohlen. Man ließ die Ruine im Wesentlichen Ruine sein – und somit den romantischen Gefühlen der Besucher ihren Lauf. Wer sich heute nun für das unzerstörte Schloss interessiert, greift zu einem Buch, das aber weit mehr ist als nur ein Buch: „Schloss Heidelberg. Archi­tektur und Baugeschichte“. Dieses Standardwerk stammt vom Architekturhistori­ker Julian Hanschke aus Karlsruhe und bietet eine Fülle von historischen und aktuellen Ansichten, Bauplänen und aufwendigen digi­talen Rekonstruktionen.
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Ein Kleinod im Heidelberger Schloss

Das Deutsche Apotheken-Museum hat im Ottheinrichsbau seine Heimat
Mit seinen historischen Einrichtungen und dem lebendigen Programm ist es ein besonderer Magnet auf dem Schloss – und wie groß seine Anziehungskraft ist, wissen die wenigsten. Rund 710.000 Besucher haben sich im letzten Jahr die Arzneimittelsammlung, die Tiegel, Mörser, Waagen und andere Raritäten der Pharmaziegeschichte angeschaut. Sie verschaffen dem Museum in Schloss Heidelberg damit einen Platz in der absoluten Spitzengruppe der deutschen Museen. Weiterlesen

"Wir sind alle ruhig und stolz!"

auswanderer1932Aus dem Tagebuch von Miriam Sondheimer
Wir haben die Auswanderung nach allen möglichen und unmöglichen Ländern betrieben. Es war fast alles Schwindel. Unsere Amerikanummer 19 823 hatte noch lange keine Aussicht, dran zu kommen. (…) Und dann kommt der 22. Oktober 1940. Wir sind noch im Bett. Nur Mutti ist auf. Es ist halb acht Uhr. Plötzlich höre ich unbekannte Männerstimmen bei uns im Flur und dann verstehe ich, was sie vorlesen: “Sie haben innerhalb einer Stunde am Bahnhof zu sein. Pro Person sind 50 Kilo Gepäck erlaubt. Verpflegung für 4 Tage.” Weiterlesen

Auf dem Weg nach Gurs

Deportation kurpfälzischer Juden / Tagebuchaufzeichnungen
Den 22. Oktober 1940 werde ich nie vergessen. In aller Frühe bekam ich schon telefonische Anrufe von Mannheim durch jüdische Freunde: „Wir werden alle abtransportiert nach den Pyrenäen.“ Das Herz stand mir fast still. Dann erwachte gleich die Frage: Was tun? Sehr schnell konnte ich schon feststellen, daß an dem Befehl nichts mehr zu ändern war. Ich telegrafierte an Probst Grüber in Berlin, meinem Mitkämpfer und Freund, ob er in Berlin etwas erreichen könne. Weiterlesen

Stift Neuburg – Romantikerklause im Neckartal

Abtei und Kirche „Stift Neuburg“ in Ziegelhausen bei Heidelberg sind seit dem Einzug der Benediktiner-Mönche 1926 wieder das Ziel vieler pfälzischer Katholiken geworden. Einzigartig ist ja die Lage des Stiftes im Neckartal, einzigartig seine Bedeutung für die Dichtung und Kunst der Romantik, unerschöpflich seine neu erschlossenen Quellen des religiösen Lebens, die in Exerzitien, Einkehrtagen Studientagungen und im vollendeten Vollzug des göttlichen Dienstes wieder wirksam wurden. Weiterlesen

Archäologischer Sensation auf der Spur?

Im Bereich der ehemaligen Burg Wersau bei Reilingen erste Spuren einer möglichen Besiedlung in der Bronze- oder Jungsteinzeit entdeckt / Eine flächendecke Besiedlung wäre einmalig in der ganzen Region / Dr. Folke Damminger stellt in Heidelberg Ergebnisse der archäologischen Grabungen seit 2010 vor
Der Bereich rund um die ehemalige Burg Wersau bei Reilingen ist noch für manche Überraschungen gut, vielleicht sogar auch für die eine oder andere historisch-archäologische Sensation. Dies ist jedenfalls das Ergebnis eines wissenschaftlichen Vortragsabends im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg, zu dem die Deutsche Burgenvereinigung den Mittelalterarchäologen Dr. Folke Damminger vom Regierungspräsidium Karlsruhe eingeladen hatte. Weiterlesen

"Reale" Fächer im Stundenplan

Das Karl-Friedrich-Gymnasium in Heidelberg
Knapp zehn Jahre nach dem Tod des Humanisten Erasmus von Rotterdam und im Todesjahr des Reformators Martin Luther wurde mit kurfürstlichem Gründungsdekret das „Pädagogium“ in Heidelberg gegründet. Kurfürst Friedrich II. verfügte, dass die „Schwabenburse“  in der Judengasse (heute Dreikönigstraße) die Lehrstätte sein sollte. Nachdem 1561 bereits 60 Schüler und drei Lehrer verzeichnet wurden, wurden die Räumlichkeiten zu eng und so erfolgte 1565 der Umzug in das ehemalige Franziskanerkloster am Karlsplatz. Das Bildungs- und Erziehungsprogramm sollte den Geist des Humanismus und der Reformation ausstrahlen. Die klassischen Schriften der griechischen und römischen Antike, vor allem aber die Bibel (das Alte Testament wurde noch immer in Hebräisch veröffentlicht) selbst lesen zu können, sollte die Basis der damaligen Menschenbildung sein.
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Wo Ella einst fast hängen blieb

Nicht jeder kommt rein: „Es kommt auf den Menschen an, nicht nur darauf, ob er den Eintritt bezahlen kann, oder auf sein Aussehen“, sagt Timy, der eigentlich Bernd Fraats heißt, und seit 1978 im „Cave 54“, Deutschlands ältestem Studenten-Jazzclub in der Heidelberger Altstadt, arbeitet. Wie ein Torwächter sitzt er, mittlerweile als Geschäftsführer, hinter einer Luke. Wer betrunken oder randalierend erscheint, hat keine Chance. Und auch bei einer Ingrid Steeger blieb er unerbittlich, weil sei keinen Eintritt bezahlen wollte. Weiterlesen

Die Raugräfinnen von Heidelberg

Zu den bekanntesten Kirchen in der Heidelberger Altstadt gehört auch die Peterskirche. Hier begegnet man einem prächtigen Grabmal, das für zwei Frauen errichtet wurde, die im Leben der berühmten Liselotte von der Pfalz eine bedeutende Rolle spielten. Die beiden Damen sind ihre Halbschwestern, die Raugräfinnen Amalie Elisabeth und Louise von Degenfeld. Beide erhielten von Liselotte, eigentlich Elisabeth Charlotte Herzogin von Orléans, unzählige Briefe aus Frankreich, denn als Schwägerin des Sonnenkönigs Ludwig XIV. lebte Versailles.sie seit ihrer Heirat am Hofe von Versailles.
„Unter den Kirchen ist die älteste jene zu St. Peter, ursprünglich Kapelle zur heiligen Jungfrau in der Einöde“, ist in einem bereits 1834 erschienenen Fremdenführer über die Peterskirche zu lesen, die für den Autor K.C. von Leonhard „sehenswerth bleibt, um der Denksteine willen, denen man zahllose im innern und auf dem umgebenden Gottesacker findet.“
In der ersten urkundlichen Erwähnung Heidelbergs (1196) in einer Urkunde des Klosters Schönau wird ein „Leutpriester“ genannt, der „zu Sancta Petri“ Gottesdienste für das einfache Volk hielt. Daß die Peterskirche im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen erfuhr, daß der Gottesacker (Friedhof), der sie umgab, dem Eisenbahntunnel weichen mußte, der in unserer Zeit zu einem Straßentunnel umgebaut wurde, sei nur am Rande erwähnt.
Im Mittelpunkt soll vielmehr das Marmordenkmal an der Stirnwand des Chores stehen, das einmal den beiden Raugräfinnen, den Halbschwestern der Liselotte von der Pfalz gewidmet ist, zum anderen ihrem Großneffen Friedrich Wilhelm Christoph von Degenfeld-Schomburg, der bereits elfjährig gestorben war. Eigentlich wurde das Denkmal von dessen Eltern errichtet, aber gleichzeitig auch dazu genutzt, die in der Peterskirche begrabenen Großtanten des Jungen zu würdigen.
Zu dem recht unbekannten Titel einer „Raugräfin“ kamen Louise und Amalie Elisabeth durch ihre Mutter. Sie hatte mit Kurfürst Carl Ludwig bereits während seiner Ehe mit der Mutter von Liselotte von der Pfalz, Charlotte, ein Verhältnis. Der Regent war also, wie man damals zu sagen pflegte, „zur linken Hand“ verheiratet. Nach seiner Trennung von Kurfürstin Charlotte suchte er für seine zweite Frau, die Freiin von Degenfeld, einen passenden Titel. Carl Ludwig entschied sich für den Titel eines längst ausgestorbenen Adelsgeschlecht der Raugrafen.
Liselotte selbst hatte ein ganz besonders herzliches Verhältnis zu ihren beiden Halbschwestern. So schrieb die Herzogin von Orléans aus Paris am 15. Dezember 1708 an die Raugräfin Amalie Elisabeth folgende Zeilen: „Liebe Amelie, wir sind einander zu nahe, umb uns, wie wir auch sein mögen, nicht von weitem oder nahe lieb zu haben. Es ist kein mensch in der welt perfect und ohne fehler, eines muß des anderen seine entschuldigen, aber wo gute gemüter sein, als wie bei Louise, ihr und die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, ich, da kompt man als wohl zu recht, das geblüt leßt sich fühlen.“
Nur wenige Tage vor ihrem Tod schrieb Liselotte von der Pfalz im Dezember 1722 ihrer Halbschwester Louise, ihr waren die meisten Briefe die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, überhaupt gewidmet: „Herzallerliebste Louise, die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, werden Euch wohl gar nicht gefallen. Ich werde täglich elender, möchte wohl ein schlimm end nehmen, aber ich bin gottlob zu allem bereit, bitte nur den Allmächtigen, mir geduld zu verleihen in meinen großen Schmerzen, so ich nach und tag ausstehen muß, sowohl durch meine erschreckliche schwachheit, als auch sonsten mein elender leben.“
Daß die beiden Raugräfinnen nicht in der Heiliggeistkirche, der Grablege der kurfürstlichen Familie, beigesetzt wurden sondern in der Peterskirche, lag daran, daß die beiden Töchter aus der morganatischen (nicht standesgemäßen) Ehe des Kurfürsten Carl Ludwig durch den damals in Düsseldorf befindlichen Hof gesellschaftlich nicht anerkannt waren.
Die beiden Raugräfinnen Amalie Elisabeth, sie starb 1709, und Louise von Degenfeld, sie starb 1733 in Frankfurt, wurden, was auch in alten Dokumenten nachzulesen ist, unterhalb des Marmordenkmals im Kirchenboden in einer Gruft bestattet. Bis heute fanden aber noch keine ar chäologischen Ausgrabungen statt, die diese Grablege auch belegen könnten. So zeugen allein das Marmordenkmal und die Grabplatte der Amalie Elisabeth, die jetzt in einer Seitenwand eingelassen ist, von der letzten Ruhestätte der beiden Raugräfinnen.                              og

Madame am Hofe des Sonnenkönigs

Noch heute ist die Liselotte von der Pfalz überall in der weiten Kurpfalz ein Begriff und vor allem durch ihre über 50.000 Briefe nach deren Veröffentlichung populär geworden. Selbst in Frankreich kennt man Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz, spätere Herzogin von Orléans, unter „La Palatine  Duchesse D’Orléans“.
Als Tochter des Kurfürsten Carl Ludwig erblickte sie im Heidelberger Schloß das Licht der Welt. Ihr Vater war mit der kurfürstlichen Familie erst 1649 aus dem Exil in Holland in seine Herrschaft an Rhein und Neckar zurückgekehrt, wohin er mit seinen Eltern, dem unglücklichen „Winterkönig“ Friedrich V. und Prinzessin Elisabeth Stuart, hatte fliehen müssen.
Zurückgekehrt nach Heidelberg heiratete Carl Ludwig 1650 Charlotte, die Tochter des Landgrafen von Hessen-Kassel. Die Ehe stand von Anfang an unter einem unglücklichen Stern. Zwar wurde am 27. Mai 1652 ihre Tochter Elisabeth Charlotte geboren, aber bereits wenig später wandte sich der Kurfürst der jungen Hofdame Louise von Degenfeld zu. Nach fünf Jahren „Ehe über die linke Hand“ heiratete Carl Ludwig 1657 seine große Liebe nach seiner umstrittenen, selbst erklärten Scheidung von seiner Frau.
Louise von Degenfeld schenkte ihm 14 Kinder, die nach einem längst ausgestorbenen pfälzischen Adelsgeschlecht die Titel Raugrafen und Raugräfinnen erhielten. Damit die kleine Liselotte nicht den ständigen Streitereien ihrer leiblichen Eltern ausgesetzt war, schickte sie ihr Vater im Juni 1659 zu seiner Schwester Sophie nach Hannover, die dort mit Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg vermählt war. Bei ihrer „ma tante Sophie“ blieb die pfälzische Prinzessin vier Jahre lang. Mit ihr unternahm sie mehrere Reisen nach Den Haag und übersiedelte mit ihr 1662 auf die Iburg bei Osnabrück. Ob der innigen Verbindung stürzte ihr Tod 1714 Liselotte in tiefe Verzweiflung.
Im Juli 1663 kehrte Liselotte auf Wunsch ihres Vaters in das heimatliche Schloß nach Heidelberg zurück, wo sie die folgenden acht Jahre im Kreise ihrer Halbgeschwister verbrachte.
Im Jahre 1671 wurde die 19jährige Liselotte aus politischem Kalkül ihres Vaters mit dem Bruder des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., dem Herzog von Orléans, verheiratet. Am 20. Oktober 1671 verließ sie mit ihrem Gefolge das Heidelberger Schloß und die heimatliche Kurpfalz, die sie nie wieder sehen sollte.
Nach ihrer Heirat lebte sie als Herzogin von Orléans im Schloß von Versailles in einer gänzlich anderen Welt als im ländlich geprägten Heidelberg. In Frankreich erlebte Elisabeth Charlotte die Welt voller Glanz und Pracht eines absolutistischen Hofes. Sie erhielt den offiziellen Titel „Madame“, der ihres Mannes war „Monsieur“. Aus ihrer Ehe, die sie als heilige Pflicht betrachtete, gingen drei Kinder hervor, von denen zwei überlebten. Durch ihren Sohn und ihre Tochter wurde sie zur Stammutter vieler europäischer Könige und Fürsten. Nachfahren Liselottes sind beispielsweise König Juan Charlos von Spanien, König Albert von Belgien, der Graf von Paris, Otto von Habsburg, die Prinzen von Bayern sowie die Nachfahren der Könige von Italien, Portugal, Bulgarien und Sachsen  um nur die direkten verwandschaftlichen Verbindungslinien zu nennen.
Als eifrige Briefeschreiberin wurde Liselotte zu eine der berühmtesten Chronistinnen ihrer Zeit. Rund 60.000 Briefe sollen es gewesen sein, von denen die meisten verloren gegangen sind. Aber die noch erhaltenen mehr als 4.000 Briefe zeigen, daß Liselotte mit einer scharfen Beobachtungsgabe, aber auch mit Witz und Ironie ausgestattet war. In zuweilen kräftiger und deutlicher Sprache berichtete sie über das Leben am Hof von Versailles. Sie schrieb über den König und die Mitglieder
des Hofes, über Tagespolitik, Religion und Konfession, Theater und „Amusements“, über Skandale und Intrigen, aber auch über Krankheiten, Ärzte, Medizin und Tod, sowie über alltägliche Dinge wie Essen und Trinken  kurzum, über alles, was das Leben am glänzendsten Hof Europas mit sich brachte.
Immer wieder tauchen in ihren Briefen aber auch die Erinnerungen an ihre pfälzische Heimat auf, der sie zeitlebens mit ihrem Herzen verbunden blieb. Hilflos mußte sie von ferne mit ansehen, wie ihre geliebte „Churpfalz“, die Residenzstadt Heidelberg und das Schloß der Familie über dem Neckar im Pfälzischen Erbfolgekrieg, den Ludwig XIV. wegen der Erbansprüche Liselottes gegenüber ihrem kinderlos verstorbenen Bruder ihres Vaters in ihrem Namen führte, 1693 zerstört
wurden.
Liselotte überlebte viele ihrer engsten Verwandten („mey bagage“) und die meisten ihrer Widersacher, wie auch den König (gestorben 1715) und ihren Mann, der schon 1701 gestorben war. In ihren letzten Lebensjahren weilte sie oft im Schloß von St. Cloud. Dort starb sie auch am 8. Dezember 1722. Zwei Tage später wurde ihr Leichnam in die Königsgruft
nach St. Denis überführt.
Saint-Simon, ein kritischer zeitgenössischer Beobachter am französischen Hof, schrieb über sie einmal: „Madame war eine Prinzessin nach altem  Stil. Sie hielt auf Ehre, Tugend, Rang, Rang Größe und war unerbittlich in Hinsicht auf Schicklichkeit. Sie war nicht ohne Geist, und alles, was sie sah, sah sie sehr richtig. Eine gute und treue Freundin, zuverlässig, wahrhaftig, aufrichtig, leicht einnehmbar und verletzlich und sehr schwer eines Besseren zu überzeugen; grob, gefährlich wegen ihrer Vorliebe für Auftritte in der Öffentlichkeit, sehr deutsch in all ihren Lebensgewohnheiten, dabei freimütig, ohne Rücksicht auf Bequemlichkeiten für sich und andere, mäßig, schroff und voll eigener, wunderlicher Grillen“.                         og

Alt Heidelberg du feine …

„Alt Heidelberg du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine,
Keine andere kommt dir gleich!“
(J. V. v. Scheffel)
Wem schlägt nicht das Herz höher beim Worte „Heidelberg“, wen zieht’s nicht hin mit allen Mächten der Sehnsucht zu der Königin deutscher Musenstädte, die residiert in der schönsten der schönen Landschaften Germaniens? Von Jahr zu Jahr huldigen ihr Hunderttausende aus aller Herren Länder in unversieglicher Begeisterung. Heidelberg ist das Mekka der Schönheitssucher in Gottes weitem Garten. Berg und Tal, Wald und Feld, Strom und Bach, Paläste und heimelige Häuslein, stolze Plätze, schmale, lauschige Gassen, unvergleichliche Denkmäler der Vergangenheit und neuzeitliche, bedeutungsvolle Schöpfungen, überwältigende Romantik und zarteste Lyrik, hohe Kunst und hehre Wissenschaft, geistvoller Ernst und ausgelassenste Fröhlichkeit, traute Schenken, würziger Wein und schäumendes Bier, herzliebe Mädel, lustige Kumpane sind hier vereinigt zu einem köstlichen Gemisch.
„Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.“
(Scheffel)
Schaue an der Brüstung der Molkenkur auf dies wunderbare Stück Erde. Zwischen zwei dichtbewaldeten Bergkuppen ruht ein lachendes Tal. Drin wälzt der Neckar seine grüne Flut. Auf dem leichten Wellengekräusel hüpft das Spiegelbild einer einzigartigen Stadt. Am linken Ufer reiht sich, eng und schmal, zwischen Fluß und Berg, das Dächergewirr der Altstadt in langer, langer Strecke aneinander. Machtvoll streben Halle und Turm der Heiliggeistkirche in formenschön Spätgotik darüber hinweg. Am andern Ufer folgen dem Wasserlaufe, hart an den Fuß des Heiligenberges geschmiegt, prächtige Villen, vornehme Wohngebäude. Über den Neckar schreiten die gleichmäßigen steinernen Bogen der alten Brücke, die Goethe eine der schönsten nannte. Aus dem in die Altstadt hineindringenden Blättermeer des Schloßberges ragt in den blauen Aether gigantisch auf die deutsche Alhambra: das majestätische Heidelberger Schloß.
Nur schwer scheidet der Blick und schweift nach Westen, dahin, wo das Tal geweitet, wo in der breit gelagerten Rheinebene des Neckars geschlängelter Lauf in der Ferne verloren geht. Einem überquellenden Füllhorne gleich ergießen sich neue Stadtteile vereint durch die Friedrichsbrücke aus dem engen Flußtale hinaus in die Ebene und entlang der Bergstraße. Ganz draußen am Rheinstrom schimmern aus sonnig zarten Schleiern die Riesenschlote der Rheinau, flimmern die ernsten Umrisse des Kaiserdomes zu Speyer, leuchten die violetten Kuppen der Hardt.
Reich, wie die Schönheiten der Natur, sind die denkwürdigen Erinnerungen Heidelbergs. Im 12. Jahrhundert errichtete ein unbekannt Gebliebener die erste Burg auf dem Jettenbühl und ein Vorwerk auf dem Gaisberg. Im Schutze der Burg vergrößerte und entwickelte sich die spärliche Ansiedelung im Tal zu einem ordentlichen Gemeinwesen, das dem Bistum Worms gehört haben muß, denn 1225 gab Bischof Heinrich von Worms die Feste Heidelberg mitsamt der Ortschaft dem Pfalzgrafen Ludwig I. von Bayern als Leben, der sie zu seiner Residenz erkor.
Anfangs des 14. Jahrhunderts wurde die Pfalz von Bayern getrennt. Der erste Kurfürst der Kurpfalz, Ruprecht I., wählte Heidelberg wiederum zur Residenz. Dieser geistvolle Herrscher gründete 1386 die Universität, die nach Prag und Wien die älteste deutsche Hochschule war und bald zu hoher Berühmtheit gelangte.
Glanzvolle Tage rauschten über Alt -Heidelberg dahin. Zur Zeit der Renaissance wetteiferten Kurfürsten und Bürgerschaft in der Entfaltung fleißiger Bautätigkeit. 1550 – 1610 entstanden unter den Kurfürsten Friedrich II., Otto Heinrich und Friedrich IV. die wunderbaren Renaissancepaläste: der gläserne Saalbau, der Ott -Heinrichsbau und der Friedrichsbau. Um 1610 stand das Schloß in vollstem Glanz inmitten feenhafter Luxusgärten, die der „Winterkönig“, Friedrich V., seiner Gemahlin zu Ehren hatte anlegen lassen. Die pfälzische Residenz zählte ungefähr 6.000 Einwohner und war das Muster einer schmucken, mittelalterlichen Stadt mit prächtigen öffentlichen und privaten Bauten.
Da nahten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Tilly, der schon nahezu die ganze Pfalz erobert hatte, trat 1622 mit Feuer und Schwert auf. Trotz tapferer Gegenwehr war nach einigen Monaten Belagerung Stadt und Schloß in seiner Macht. Die protestantischen Universitätslehrer wurden vertrieben, die berühmte Universitätsbibliothek wanderte zur größten Betrübnis der Heidelberger nach Rom.
Nur zehn Jahre lang besaßen die Kaiserlichen Heidelberg, dann eroberten die Schweden Schloß und Stadt. Zwei Jahre später, 1635, gelang den Kaiserlichen die Rückeroberung. Des Winterkönigs Sohn Karl Ludwig, der 1649 zur Regierung gelangte, richtete die Universität wieder ein und suchte nach besten Kräften Wunden, die der Krieg geschlagen, zu heilen. Aber noch hatte die Stadt das schlimmste nicht überstanden: den Befehl Ludwigs XIV.: “Brûlez le Palatinat!“ An den wunderbar ornamentierten Fassaden des Schlosses schlugen 1689 die Flammen empor. Kräftige Minen zerrissen das Mauerwerk. Der rote Hahn hüpfte von Haus zu Haus. Heidelberg und die Pfalz waren eine Wüste. Ludwig XIV. aber ließ ein feierliches Tedeum halten und eine Denkmünze prägte er: „Heidelberga deleta“, sein Bild und “Ludovicus Magnus, rex Christianissimus“!
An der Schwelle des 17. Jahrhunderte zog wohltätiger Friede durch die Lande, den die Bürgerschaft, immerwährender Religionszwiste wegen, jedoch nicht vollkommen genießen konnte. Zwar wurde die Stadt nach dem alten Lageplan wieder aufgebaut, Herrscher besserten an den Schloßüberresten dies und das aber der Glanz der Kurfürstenresidenz war und blieb verblichen. Der katholische Kurfürst Karl Philipp verlegte, des Streites der protestantischen Bürgerschaft müde, 1720 den Hof und gesamte Regierung nach Mannheim. Die Universität, die unter mißlichen Verhältnissen schwer gelitten hatte, sank fast zur Bedeutungslosigkeit herab.
Der gute Wille des nächsten Kurfürsten Karl Theodor, der Stadt zu helfen, Handel und Wandel zu heben, Industrie einzuführen, hatte geringen Erfolg. Seine Absicht, dem von ihm wiederhergestellten Teile des Schlosses dann und wo zu residieren, durchkreuzten des Himmels Mächte. Ein Blitzstrahl schlug 1764 zu Trümmern, was Ludwigs XIV. General Melac übrig gelassen und die Kurfürsten nach dessen Schreckenstaten wieder geschaffen hatten. Vernichtet waren die Hoffnungen der Heidelberger. Zähneknirschende Unzufriedenheit, Sorge, revolutionäre Gesinnung schritten durch die freudenleeren Straßen der vom Schicksal den Staub gepeitschten Stadt. Jeder neunzehnte Pfälzer soll damals ein Bettler gewesen sein.
Da trat das 19. Jahrhundert durch die verlotterten Tore, gefolgt von der segenspendenden Glücksgöttin. Heidelberg und die rechtsrheinische Kurpfalz fielen 1803 an Baden, dessen Herrscher Karl Friedrich schon im gleichen Jahre der verwahrlosten Universität durch fürstliche Dotation neues Leben gab. Und neues Leben sproß allüberall auf. Die Hochschule gewann bald den ehemaligen Ruhm, weit über Deutschland, zurück. Ueber 170 Dozenten und mehr als 2500 Studenten gehören gegenwärtig der „Ruperto Carola“ an.
Ansichten und Neigungen ändern sich. Fand man in launigen Zopfzeit die gleichmäßige Ebene und zierlich zugestutzte Gartenkunstwerke lieblich und schön, so hatten die Romantiker mehr Sinn für die Natur in ihrer reinen Ursprünglichkeit. Heidelberg mit den grünumrankten Burgtrümmern galt jetzt als Ideal landschaftlicher Schönheit. Tausende und Abertausende suchten dieses Ideal. Seit es Eisenbahnen und Dampfboote gibt, seit das Reisen Mode geworden, wälzt sich jahraus, jahrein ein ungeheurer Fremdenstrom zur Stadt am Neckar und am Rheine. Nahezu 200 000 Reisende werden alljährlich in den Fremdenlisten aufgezeichnet. Viele lassen sich zu dauerndem Aufenthalt nieder.
Eine weitere Anziehungskraft erhält Heidelberg durch seine von der Bad  Heidelberg A. G. neu erbohrte, stark radiumhaltige Thermalsolquelle. Die in Verbindung damit zu schaffenden Einrichtungen bringen die Stadt in die Reihe der hervorragenden Kur – und Badeorte Deutschlands. Heidelberg hat heute über 70.000 Einwohner. Diese kraftvolle Entwicklung des Gemeinwesens ist aber nicht allein der Universität und dem Fremdenverkehr zu verdanken. Ein gut Teil dazu hat die Industrie beigetragen. Die großgewerblichen Bauten liegen aber vor dem Bahnhofsviertel an der Bergheimerstraße und beeinträchtigen so den Charakter Heidelbergs als vornehme Fremdenstadt durchaus nicht.
Imposante neuzeitliche Bauten, zahlreiche großstädtische Kaufläden haben das Anheimelnde der Altstadt nicht zu verwischen vermocht. Jeder Stadtteil hat seine eigenen Reize. Still, vornehm, beschaulich ist’s in der Sofienstraße und in den Anlagen, heiter und genußvoll am Neckar entlang, kleinstädtisch in den schmalen Gäßlein Alt Heidelbergs, prachtvoll im Rohrbacher und besonders im Neuenheimer Villenviertel, romantisch an den Bergstraßen beiderseits des Flusses.
Geistige Genüsse bietet Heidelberg in Hülle und Fülle. In erster Reihe gewährt sie die Universität mit ihren wissenschaftlichen und populären Veranstaltungen. Die riesengroße Universitätsbibliothek, die archäologische Sammlung, die Anatomie, die städtische Kunst  und Altertümersammlung, die Gemäldeausstellung des Kunstvereins, die Landessternwarte, die zoologische Sammlung, der botanische Garten verdienen hier erwähnt zu werden.
Berühmt ist das Musikleben Heidelbergs. Die Konzerte des Bachvereins unter Dr. Wolfrums Leitung hatten Weltruf. Eines guten Ansehens erfreut sich auch das Stadttheater. An Unterhaltung und Vergnügen mangelt es nicht. Wenn die ersten Frühlingsboten, Schlüsselblumen und Veilchen, sprießen, wenn der Mandeln Blüte der Berge Rand in jungfräuliches Weiß hüllt, an Lätare, zieht die Jugend in hell Scharen in unendlich langer Kette mit blumen  und bändergeschmückten, brezel- und äpfelbesteckten Sommerstäben, mit mächtigen Strohmännern, durch die Straßen. Dann schallt’s aus tausend Kehlen unermüdlich: „Strih, strah, stroh, der Summerdag ist do.”
Das Sommersemester beschert eine Reihe pompöser studentischer Feste mit Wagenkorso und Schloßbeleuchtung, Neckarfahrt und prunkhaftem Bankett. Jetzt ist die Zeit der Kongresse und Versammlungen. Es ist die Zeit der Regatten der Ruderklubs, der Schwimmwettkämpfe im Hallenbad und im Neckar. Alltäglich spielt das städtische Orchester im Schloßpark und im Stadtgarten. Und auf den Herbst voller Farbenpracht und prickelnden Bergsträßlerweine locken zuguterletzt des Winters Freuden droben auf den Rodelbahnen des Königsstuhls, zu denen die Drahtseilbahn bequem hinaufbefördert.
Das Herrlichste aber sind und bleiben die Schloßbeleuchtungen. Tausende und Abertausende streben diesen zu. Von Mannheim bringt Extrazug um Extrazug immer neue Schaulustige. Der langen Neuenheimer Landstraße ganze Breite ist besetzt, Kopf an Kopf. Die Nacht ist dunkel. Kleine Fünklein weisen nach dem Himmelsgewölbe, leuchtende Pünktchen lassen ahnen, wo Berge schlummern, leise Ruderschläge deuten hin auf die Nähe des Wassers. Sonst Stille ringsum. Die Zeit ist da. Donner rollt vom Königsstuhl zum Heiligenberg. Die Köpfe recken sieh.
Drüben lodert ein feuriger Brand. Von der Bergwand steigt’s herauf, blutigrot. Jetzt steht’s vor uns: das Schloß mit seinen Mauern und Zinne Türmen und Bastionen, mit seinen unheilbaren Wunden, und dennoch in unendlicher Pracht, in gewaltiger Erhabenheit. Alles ist dunkel. Nur das Schloß ist da, feenhaft, wundersam. Und wer die, Flammen träumerisch verglühen, dann ist’s, als ob ein verwehter Funke zu uns herübergeflogen. Die alte Brücke brennt. In Glut getaucht enthüllt sie ihre edlen Formen. Im dunklen Schoß des Neckars aber rasselt’s und prasselt’s. Ein Heer von Feuerkugeln steigt auf und sinkt in die Flut. Von fernher kommt ein Schiff. Aus dem Geheul des Pulvers treten harmonische Klänge immer deutlicher hervor. Das singt und klingt:
„Gaudeamus igitur
Juvenes dum sumus“,
und tausend hochgestimmte Herzen klingen und singen nach.
Quelle: Aus dem Badischens Verkehrsbuch 1898

Die Reformation hält Einzug

Nur die wenigsten Besucher Heidelbergs wissen, daß sich unter dem
Pflaster des Universitätsplatzes die Überreste eines Klosters
befinden, das für die Religionsgeschichte von besonderer
Bedeutung ist. Es handelt sich dabei um das Kloster der
AugustinerEremiten. Mehr als einhundert Jahre vor der
Universität an der westlichen Stadtmauer errichtet, gewährte es
der jungen Ruperto Carola Unterkunft, bis die Gebäude der
Artistenfakultät in der östlichen Nachbarschaft vollendet waren.
Bekannt wurde das Kloster durch die Heidelberger Disputation vom 26. April 1518.

Die AugustinerMönche mußten im regelmäßigen Abstand von drei
Jahren eine Versammlung des Generalkapitels abhalten. So traf man
sich 1518 in der kurpfälzischen Residenz. Disputationen waren
regelmäßiger Höhepunkt dieses Treffens. Mit der Leitung der
Veranstaltung wurde der Wittenberger Professor für biblische
Theologie, Martin Luther, beauftragt. Am 31. Oktober 1517 hatte
er seine kritischen Ablaßthesen veröffentlicht und die
Beseitigung von unbestreitbaren Mißständen gefordert.

Der Ordensobere, Generalvikar Johann von Staupitz, gab Martin
Luther in Heidelberg die Gelegenheit, seine Theologie einer
gelehrten Öffentlichkeit vorzustellen und zu verteidigen. Die
Universität stellte die „Schola Artistarum“ (östlich der heutigen
Augustinergasse) zur Verfügung. Kein Wunder also, daß dort nicht
nur die aus ganz Deutschland angereisten Augustinermönche Platz
genommen hatten, sondern auch die Doktoren der theologischen und
die Magister der philosophischen Fakultät. Studenten, Kleriker,
Bürger, Höflinge und Adelige mischten sich ebenfalls unter die
neugierigen Zuhörer.

Bereits die Vorstellung der ersten Thesen führten zu Unruhe unter
den Zuhörern. Der Heidelberger Theologieprofessor Georg Schwarz,
ein steter Kritiker Luthers, rief diesem zu: „Wenn das die Bauern
hören, werden sie Euch steinigen“. Andere Zuhörer wurden von
Luther nachhaltig beeindruckt und machten die evangelische
Botschaft in der neuen Weise den Menschen verständlich. Allen
voran der Dominikanermönch Martin Bucer, der als späterer Pfarrer
in Straßburg zu einem der einflußreichsten Reformatoren wurde.
Nachdem auf dem Wormser Reichstag 1521 über Martin Luther und
alle seine Anhänger die Reichsacht verhängt worden war, bildeten
sich zwei Religionsgruppen, die noch heute das öffentliche Leben
prägen: die Katholischen und die Evangelischen.

Die Kurpfalz selbst blieb bis 1556 katholisch. Kurfürst Ludwig V.
aber ließ eine „behutsame evangelische Predigt“ zu, was die
evangelische Bewegung am kurpfälzischen Hof, in der Stadt und auf
dem Lande sich langsam aber sicher fortentwickeln ließ.
Erster Prediger an der Heiliggeistkirche wurde 1520 Wenzel Strauß
aus Alzey, der „nostra evangelica tuba“ (Trompete des
Evangeliums) genannt wurde. Zu seinem Nachfolger wurde 1526 der
aus dem kurpfälzischen Bacharach am Rhein stammende Heinrich
Stoll bestellt. Die Predigerpfründe an Heiliggeist wußte er mit
großer Besonnenheit und ein wenig Glück festzuhalten, ohne seine
Überzeugung preisgeben zu müssen. 1531 wurde er sogar noch
Professor der Theologie an der Heidelberger Universität. Heinrich
Stoll galt als brillanter Redner und Kenner der evangelischen
Lehre. 1556 wurde er zum ersten lutherischen
Generalsuperintendenten der Kurpfalz.

Kurfürst Friedrich II. der Weise, der Nachfolger von Ludwig V.,
stand der evangelischen Botschaft persönlich sehr nahe. Als
Statthalter der Oberpfalz hatte er schon 1538 dem Drängen der
Landstände nach Freigabe des evangelischen Bekenntnisses
nachgegeben. Am 3. Januar 1546, dem Sonntag nach Neujahr, fand in
der Heiliggeistkirche der erste öffentliche evangelische
Abendmahlsgottesdienst in der Kurpfalz statt, am 10. Januar auch
in der Peterskirche. Ein kurfürstliches Edikt erlaubte das
vollständige Abendmahl (also auch den Empfang des Kelches),
Gottesdienste in deutscher Sprache und die Priesterehe. Die Messe
nach dem katholischen Ritus mußte nicht mehr gelesen werden, war
aber auch nicht verboten.

Eine Ordnung für Heiliggeist und alle anderen Stiftskirchen in
der Kurpfalz wurde nach dem Vorbild der Neuburger Kirchenordnung
Ottheinrichs ausgearbeitet und am 13. April, kurz vor Ostern,
für Heidelberg erlassen. Am Palmsonntag wurde mit 200 Gläubigen
der Gottesdienst gefeiert und alle empfingen Wein und Brot. Im
April 1546 trat dann die Kirchenordnung in der ganzen Kurpfalz in
Kraft. Eine Polizeiordnung vom 17. Juni 1546 stellte
Gotteslästern und Lästern der Heiligen unter Strafe und gebot den
Gottesdienstbesuch und schränkte den Fleischgenuß ein.
Im Schmalkaldischen Krieg unterwarf Kaiser Karl V. die
protestantischen Fürsten und Städte. So wurde 1549 wieder die
Fronleichnamsprozession abgehalten, doch Laienkelch und
Priesterehe blieben erlaubt. Der Versuch, die Kurpfalz lutherisch
zu reformieren, war zunächst gescheitert.

Erst Ende 1553 wurde in Heidelberg wieder eine Kirche für den
evangelischen Gottesdienst freigegeben. Kurfürst Friedrich II.
erlebte die nach dem Augsburger Religionsfrieden nun auch
reichsrechtlich erlaubten reformatorischen Maßnahmen in seinem
Herrschaftsbereich nicht mehr. Sein Nachfolger und Neffe
Ottheinrich aus dem Wittelsbacher Zweig PfalzNeuburg erließ
bereits am 16. April 1556 ein entsprechende Verordnung zum Verbot
von heiligen Messen und aller katholischen Zeremonien. Die
Prediger wurden aufgefordert, biblische Texte auszulegen, das
vollständige Abendmahl wurde obligatorisch und in den Kirchen
erklangen deutsche Lieder. Aus den Gotteshäusern mußten alle
Bilder und Nebenaltäre entfernt werden  lediglich die
Grabdenkmäler in der Heiliggeistkirche blieben davon ausdrücklich
ausgenommen. Nach dem Tod von Generalsuperintendent Heinrich
Stoll trat am 1. Mai 1558 einer der begabtesten Schüler des
Humanisten und Kirchenlehrers Melanchton, Dr. Tilemann Heshusen
sein Amt als Pfarrer von Heiliggeist, Theologieprofessor und
oberster Geistlicher der Kurpfalz an.

Im Heidelberger Herrschaftsgebiet lebten Theologen und
Philosophen der unterschiedlichsten Meinungen und Nationen
friedlich beisammen. Ein Streit mit dem kompromißlosen und
intoleranten Heshusen um das Verständnis des Abendmahls bahnte
unter dem Nachfolger Ottheinrichs, Kurfürst Friedrich III., einen
religiösen Wechsel in der Kurpfalz an. Die Lehre des Calvinismus
fand immer mehr Anhänger.

Quelle: unbekannt

Ein Präsident aus Heidelberg

Friedrich Ebert als pragmatischer Reformer ein Präsident aller Deutschen
Wir schreiben das Jahr 1871: Ist ist noch nicht so lange her, dass im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles der preußische König  Wilhelm I. zum Kaiser des Deutschen Reiches von Fürst Bismarck, dem späteren Reichskanzler ausgerufen wurde. Nur wenige Tage später, am 4. Februar 1871, wurde in Heidelberg im Hause der Familie Ebert ein Knabe geboren, der auf den Namen Friedrich getauft wurde. Die Zeitungen in der Stadt am Neckar berichteten an diesem Tag wieder einmal ausführlich von den Auswirkungen des deutsch-französischen Krieges. Auf der Lokalseite beschäftigte man sich intensiv mit dem gefährlichen Eisgang auf dem zugefrorenen Neckar, der die Alte Brücke so langsam bedrohte.
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Ein Kurpfälzer als Begründer der experimentellen Psychologie

Einem echten Kurpfälzer ist es zu verdanken, daß das weltweit
erste psychologische Lehrbuch veröffentlicht wurde. Es war Dr.
Wilhelm Wundt, der an der damals südlichen Peripherie Mannheims
in Neckarau geboren wurde und seine akademische Karriere in
Heidelberg begann, aber an der Universität Leipzig sein „Institut
für experimentelle Psychologie“ gründete. Das Leipziger Institut
entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Mekka für führende
Köpfe dieser neuen Disziplin.

Indes ist über Wilhelm Wundt, der aus der Verbindung von
Physiologie und Philosophie die neue Disziplin der Psychologie
schuf, im Gegensatz etwa zu Sigmund Freud, dem Begründer der
Psychoanalyse, nur wenig bekannt in der Öffentlichkeit.

Zwei große Strömungen  die Naturwissenschaften und die
Philosophie  hat Wundt zusammengeführt und daraus die
Experimentalpsychologie entwickelt. Die drei Wundtschen Kriterien
für das Experiment, Willkürlichkeit, Wiederholbarkeit und
Variierbarkeit, werden noch heute in jedem psychologischen
Lehrbuch zitiert.

Fast 20 Jahre lang war Wilhelm Wundt der Heidelberger Universität
und der Stadtgeschichte verbunden. 1856 hatte er an der Ruperto
Carola zum Dr. med. promoviert und wurde bereits ein Jahr später
als Privatdozent für Physiologie habilitiert. Nach einer
fünfjährigen Assistenzzeit bei dem berühmten Naturforscher
Hermann von Helmholtz wurde er 1864 Professor für Anthropologie
und medizinische Psychologie in Heidelberg und nach einem kurzen
Ausflug in die Politik als Abgeordneter im Badischen Landtag,
1874 Professor für Induktive Philosophie in Zürich. Ein Jahr
später erhielt er dann ein Ruf der Leipziger Universität. Dort
setzte sich die Wandlung vom Physiologen zum Psychologen Wundt
stürmisch fort.

Was weiß man aber von dem Menschen Wilhelm Wundt in der Kurpfalz?
Während des Sommersemesters 1857, kurz nach seiner Habilitierung,
erlitt Wundt eine schwere Lungenerkrankung, unterbrach seine
Lehrtätigkeit und bewarb sich 1858 als Assistent von Hermann von
Helmholtz. Dieser sagte zu. Bis 1863, also in fünf Jahren
Assistentenzeit, hatte Wundt trotz vieler Konditionen, die
Helmholtz ihm aufgebürdet hatte, 50 Artikel und mehr als 2.000
Buchseiten auf seinen Spezialgebieten der physiologischen
Psychologie und der Völkerpsychologie publiziert.

Unter anderem hatte ihm sein Chef für 300 Gulden Jahressalär (das
Existenzminimum für einen Privatdozenten) neben zwei bis drei
Stunden Unterricht in der Woche, auch die Vivisektionen und die
Vorbereitungen aufwendiger Experimente sowie die Vorbereitung
sämtlicher Vorlesungsversuche und den Unterricht in
mikroskopischer Anatomie auferlegt. Das Mikroskopieren
verursachte schließlich auch einen sogenannten Astigmatismus,
eine krankhafte Veränderung der Hornhautkrümmung, der in Leipzig
dann zu seiner vollständigen Erblindung führte.

Zwar hätte Helmholtz‘ Untersuchungen über die Akustik und Wundts
Arbeiten über die physiologische Psychologie eine Zusammenarbeit
nahegelegt, doch tauschten sich die beiden Wissenschaftler
überhaupt nicht aus. Der Grund hierfür ist in der
Sozialgeschichte der Universität und Stadt zu suchen. Noch 1863
empfahl Helmholtz in einem Gutachten seinen Assistenten für die
Stelle eines außerordentlichen Professors und hob dabei seine
hervorragenden Kenntnisse hervor. Seine Befähigung, eine
wissenschaftliche Verbindung der Physiologie der Sinnesorgane und
der Psychologie zu schaffen, bezeichnete er als „das gänzlich
Neue“.

Um so erstaunlicher ist, daß er 1868 in einem Brief moniert,
Wundt würde „in der Politik herumdümpeln und in Arbeiterkreisen
verkehren“, und dies nur, um zu Geld zu kommen. Die politische
Situation in Heidelberg erhellt den Hintergrund des Verdikts.
Helmholtz fand es merkwürdig, daß ein junger Wissenschaftler,
statt an seiner Karriere zu basteln, in die Politik gehen wollte.

In Baden existierte damals die Tradition der liberalen
Intellektuellen, die aktiv in Kommunal und Staatspolitik
eingriffen. Diese Tradition war Helmholtz suspekt. Er selbst war
nicht zuletzt durch die Heirat mit der Tochter des Hauses von
Mohl rasch, möglicherweise wider Willen, in die „verknöcherte
Ordinarienwelt“ integriert worden. Die jungen Privatdozenten und
Professoren, die sich in einem Kreis um Henriette Feuerbach
zusammenfanden, erkannten hingegen die sozialen Probleme der
Bevölkerung und sahen sich bemüßigt zu handeln.

In seinen Vorlesungen über die Menschen und Tierseele, die
Wilhelm Wundt 1864 verfaßte, legte er seine ethnischen Grundlagen
des politischen Engagements fest: Der vierte Stand, also die
Arbeiter und Handwerker, sollte durch Bildung sowie Hilfe zur
Selbsthilfe emanzipiert werden. 1863 hatten deshalb verschiedene
junge Dozenten und Professoren in Heidelberg den
Arbeiterbildungsverein gegründet. Den Arbeitern und Handwerkern
wurde Fortbildung in Rechnen, Schreiben und Englisch angeboten.
Dazu kam ein Freizeitprogramm mit Laientheater und Chor sowie
ziemlich ermüdenden Vorträgen aus Dozentenkreisen. Wundt führte
den Vorsitz und kam rasch in Kontakt mit anderen Zirkeln der
Arbeiterbewegung.

1866 wurde er dann von einem Wahlmännergremium in die Zweite
badische Kammer nach Karlsruhe entsandt. Bereits seit 1863 hatte
er an entscheidenden Reformgesetzen mitgearbeitet. Er setzte sich
unter anderem für neue Schulgesetze, die Gewerbefreiheit und die
Gleichstellung der Juden ein. Ein Gesetz paukte der
Nationalliberale Wundt mit seinen Parteifreunden gar selbst
durch: Die Gleichstellung der akademischen Bürger mit den
„Normalsterblichen“ vor dem Gesetz  und nebenbei auch die
Bestrafung jeden Duellhandels.

Der Krieg zwischen Preußen und Österreich im Jahre 1866, in den
auch Baden hineingezogen wurde, veränderte die politische
Stellung der Heidelberger Intellektuellen. Rasch wandelten sich
die Heidelberger Professoren von Verteidigern des alten Habsburg
zu glühenden Verehrern Bismarcks. Wundt hatte jedoch seine
Stellungnahme in der renommierten „Allgemeinen Augsburger
Zeitung“ dezidiert gegen den „undemokratischen Bismarck“
formuliert  und bezog bald politische Prügel, bis er schließlich
wegen Differenzen mit der Regierung in Karlsruhe sein Mandat
niederlegte.

Das wissenschaftliche Geschäft Wundt gedieh trotzdem. Von 1858
bis 1862 waren sechs Aufsätze über die Theorie der
Sinnewahrnehmung erschienen, die 1862 als Bücher vorlagen. 1863
folgten die zwei Bände über die Menschen und Tierseele. Das
Lehrbuch der Physiologie des Menschen kam in erster Auflage 1865
heraus und das damals weit verbreitete Handbuch der medizinischen
Physik 1867. Helmholtz hat von all diesen Tätigkeiten wenig
erfahren. Wundt lehrte weiterhin die Studenten, die Mikroskope zu
benutzen und bereitete die Experimente vor. 1865 kündigte er dann
seinen Vertrag mit Helmholtz.

Im deutschfranzösischen Krieg 1870 und 1871 arbeiteten die
beiden dann wieder zusammen. Es wurden sogenannte
Hilfslazarettzüge zusammengestellt, die Verwundete von den
Frontlinien nach Heidelberg brachten. Helmholtz, Wundt und andere
fuhren nach Straßburg und brachten französische und deutsche
Soldaten mit, die in einer Reihe von Krankenstationen, darunter
auch der Marstall und das Freimaurerhaus, versorgt wurden. Beide
veranstalteten wiederholt Kolloquien über die effiziente
Behandlung von Kriegsverletzung, und für beide war es die letzte
Berührung mit der medizinischen Praxis.

Als Wundt am 3. August 1870 am Bahnhof auf einen Lazarettzug
wartete, traf die Nachricht der Gefangennahme Napoleons III. in
Heidelberg ein. Wundt zog daraufhin mit einem Trommler durch die
finsteren Gassen der Altstadt und verkündete den Sieg. Das
brachte ihm eine Rüge wegen Ruhestörung ein. Nur ein Jahr später
feierten indessen die Bürger Heidelbergs den Sedantag mit nicht
endenwollendem Patriotismus bis in die späte Nacht.

Wundt wurde 1874 nach Zürich berufen und etablierte sich dann in
Leipzig. 1902 bezog er dann seinen Altersruhesitz in der Plöck.
Dort im Haus Nr. 50, das er auch in vielen Sommermonaten
bewohnte, lebte er dann bis zu seinem Tod. Das Haus wurde
gemeinsam mit dem Nachbarhaus später abgerissen. Nur noch eine
Inschrift an der Betonfassade, die überdies meist von
Müllcontainern umstellt ist, zeugt von der Zeit, die der
Begründer der experimentellen Psychologie in Heidelberg verbracht
hat.

Aus: RNZ, 27.10.1995, Gustav-Adolf Ungerer

Politische Faktoren bestimmten das Schicksal der Heidelberger Klöster

Das Schicksal der Heidelberger Stifte (die Stiftsherren einer
meist größeren Kirche lebten voneinander weitgehend unabhängig in
eigenen Wohnungen) und Klöster (die Mönche leben in einer
Wohngemeinschaft innerhalb des Klosters in einer in sich
geschlossenen Anlage) wurde vor allem durch politische Faktoren
bestimmt. Zunächst litt das kirchliche Leben unter der
intoleranten Religionspolitik der Kurfürsten, die nach der Devise
„cuius regio eius religio“ die Untertanen zwangen, sich zur
Religion des jeweiligen Herrschers zu bekennen (bis etwa 1650).
Zweitens litt man unter dem Wechsel der Fronten während des
Dreißigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges.
Schließlich wurde das kirchliche Leben durch die einseitige
Förderung bestimmter Konfessionen nach 1650 durch Kurfürst Karl
Ludwig und der katholischen Linie von PfalzNeuburg
eingeschränkt.

Unter Kurfürst Friedrich IV. wurde das ehemalige Benediktiner
und schließlich Nonnenkloster Neuburg oberhalb des Neckars bei
Heidelberg seiner Gemahlin Juliane als Witwensitz überschrieben.
Später wird es als Lusthaus im Sinne von Landhaus bezeichnet.
1622 wurde es von kurpfälzischen Truppen gegen Tilly verteidigt.
1648 fielen die Reste von Kloster Neuburg wieder der reformierten
Kirche zu. Unter Kurfürst Karl Ludwig wurden die Klosterbauten
erneuert, 1672 der Kirche ein Turm hinzugefügt und die
Wehrhaftigkeit wiederhergestellt.

Es diente nun als Fräuleinstift, das für die Töchter des
kurpfälzischen Adels bestimmt war. Das ehemalige Kollegiatsstift
wandelte sich bald in eine „Versorgungsanstalt“ für
unverheiratete Frauen. Das Stift Neuburg behielt aber durchweg
seinen religiösen Charakter. Die Sitten waren damals streng: So
durften die Stiftsfräuleins nur in der Begleitung zweier alter
reitenden kurpfälzischen Gardisten zu Spaziergängen aufbrechen.
Es sollte so darauf geachtet werden, daß in den betreffenden
Gegenden keine Studenten den Stiftsfräuleins „gefährlich werden
können“.
Im Gründungsjahr (1672) bewohnten zwölf Damen und drei
Vorsteherinnen das Stift. Auch „Lutherische“ durften in das Stift
der Reformierten aufgenommen werden, sofern sie „Religionsgezänk“
vermieden.

Als die katholische Neuburger Linie des Hauses Wittelsbach die
Kurfürsten stellte, erhoben Benediktiner und Jesuiten Anspruch
auf das Kloster. Nach der Vertreibung der Reformierten wurde die
Stiftskirche am 11. Mai 1698 für den katholischen Gottesdienst
eingeweiht. Das Lusthaus fand um 1700 eine Verwendung als
Armenhaus.

Die Heiliggeistkirche (Baubeginn 1398) inmitten der alten Stadt
Heidelberg gelegen, war die Stiftskirche des ehemaligen
Kollegiatstiftes. Nach der Reformation und dem vorübergehenden
Sieg des Luthertums unter Kurfürst Ludwig VI. erreichten die
Reformierten 1583 die Rückgabe der Heiliggeistkirche. Die
berühmte „Bibliotheca Palatina“ war auf den breit angelegten
Emporen der Kirche untergebracht. Diese wertvolle Büchersammlung
mußte aber 1623, nach der Einnahme Heidelbergs durch Tilly, dem
Vatikan übergeben werden, wo sie noch heute eingelagert ist.

Im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekrieges wurde bei der zweiten
Einnahme der Stadt durch die Franzosen (1693) die gesamte Stadt
ein Opfer der Flammen. Auch der Dachstuhl und Turmhelm der
Stiftskirche wurde zerstört und die Gräber geplündert. Bereits
fünf Jahre später wurde das Dach wiederhergestellt, zusätzlich
erhielt es einen Dachreiter. Der Turm wurde mit einem achteckigen
Dachaufbau und einer Welschen Haube versehen.

1605 wurde der Chor den Katholiken und das Schiff den
Reformierten zugesprochen. Beide Bauteile wurden deshalb 1606
durch eine Mauer voneinander getrennt und erhielten gesonderte
Eingänge. 1719 wurde diese Scheidemauer wieder abgetragen, ein
Jahr später jedoch auf Intervention der Reformierten hin, wieder
errichtet. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse verlegte Kurfürst
Karl Philipp seine Residenz endgültig nach Mannheim, zumal das
Heidelberger Schloß, wie auch die Stadt, im Pfälzischen
Erbfolgekrieg zerstört worden war.

Die Scheidemauer wurde 1886 anläßlich eines Jubiläums nur
vorübergehend entfernt. 1894 war der Chor den Altkatholiken
zugewiesen worden und als diese zu einem Umzug in die
Erlöserkirche bereit waren, konnte man schließlich im Jahre 1936
die Scheidemauer endgültig beseitigen.

Die Kirche St. Georg wiederum war Teil eines Kollegiats der
Zisterzienser, in dem Studenten ihre Wohnungen hatten.
Vorübergehend wurde es als Geschützhaus benutzt, 1685 vollständig
restauriert, aber bereits 1693 durch Brand wieder sehr stark
beschädigt.

Das Franziskanerkloster auf dem heutigen Karlsplatz war bis 1565
eine Lateinschule. Nach der Zerstörung im PfälzischOrléanschen
Erbfolgekrieg wurden 1698 Kirche und Kloster wieder aufgebaut und
im Jahr 1804 jedoch gänzlich abgerissen. Der Dachreiter befindet
sich noch heute auf der evangelischen Kirche in Ziegelhausen.

An das ehemalige Dominikanerkloster erinnert heute nur noch eine
Mauer. Die Kirche stand an der Stelle, wo 1863 der Friedrichsbau,
im Volksmund „Anatomie“ genannt, errichtet wurde.

Das Augustinerkloster war 1552 aufgelöst worden, die Kirche wurde
als theologischer Hörsaal genutzt. Die Gesamtanlage wurde 1693
ebenfalls ein Raub der Flammen.

Das Kapuzinerkloster, gegenüber dem heutigen Kurpfälzischen
Museum an der Heidelberger Hauptstraße gelegen, diente den
Bürgern der Stadt 1693 als Hauptzufluchtsort, wurde später von
den Franziskanern erworben und Mitte des 19. Jahrhunderts
abgerissen.

In Heidelberg gab es aber noch weitere Klöster zur Zeit der
Kurfürsten: Die Karmeliter, das Schwarznonnenkloster der
Augustinerinnen und das Weißnonnenkloster der Dominikanerinnen.

Doch noch einmal zurück zum Stift Neuburg oberhalb des Neckars:
Das ganze Anwesen war 1799 der Universität überlassen worden und
wurde 1804 schließlich an eine Privatperson verkauft. 1825 erwarb
ein „Schwiegerneffe“ Goethes das Kloster. Es wurde ein
gastfreundliches Haus für Künstler der deutschen Romantik.
Alexander von Bernus war der letzte profane Besitzer bevor 1927
die Benediktiner das Anwesen wieder erwarben. 1928 zur Abtei
erhoben, ist es das einzige heute noch bestehende Kloster in
Heidelberg.

Aus: Schwetzinger Zeitung, ra, 20.10.1994

"Der Doten Dantz" war sein berühmtestes Buch

Das Heidelberger Memento mori des Heinrich Knoblochtzer / Gründer der ersten Druckerei kam von Straßburg an den Neckar
Durch die Universität ist Heidelberg zu einer Stadt des Buches geworden: Schon bald nach der Gründung der Hochschule im Jahre 1386 fanden sich hier Buchbinder ein. Und wenige Jahrzehnte nach der Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gutenberg betrieb Heinrich Knoblochtzer in Heidelberg die erste Druckerei. Er stammte aus Ettenheim und hatte sich 1486 an der Universität immatrikuliert, offenbar in der Absicht, für die Hochschule Bücher drucken zu dürfen. Weiterlesen

Am "Faulen Pelz" gab's keine Faulpelze

Wie ein altes Heidelberger Stadtviertel zu seinem Namen kam / Erinnerung an die Lohgerber in der einstigen Bergstadt
In der folgenden stadttopographischen Betrachtung wird von einem Straßennamen berichtet, der wohl einmalig sein dürfte. Es ist die Bezeichnung „Fauler Pelz“ für zwei Straßen in Heidelberg. Oder kennt jemand einen solchen Straßennamen in einer anderen Stadt? Um niemanden zu nahe zu treten, soll gleich zu Beginn festgestellt werden, daß der Name „Fauler Pelz“ nichts mit der dort liegenden Haftanstalt zu tun hat. Die letztere wird zwar im Volksmund so genannt, weil es nicht so eindeutig klingt wie „Haftanstalt“ oder gar „Gefängnis“. An dem besagten „Faulen Pelz“ lebten keine Faulpelze. Im Gegenteil, hier wohnten und wirkten fleißige Handwerker, nämlich Gerber. Weiterlesen

Selbst Goethe war vom Zauber der Alten Brücke gefangen

Die herrschaftliche Pose des steinernen Kurfürsten Carl Theodor
an der Alten Brücke in Heidelberg sticht schon von der Ferne ins
Auge. Gebieterisch ragt die vorgestreckte Hand mit dem
Kommandostab hervor, kühn wirkt das leicht vorgestellte Bein,
erhaben erscheint die aufrechte Haltung. Das mit wallender
Perücke geschmückte Haupt ist würdevoll gen Brückentor und Stadt
gerichtet  so, als wolle die Statue den Heidelberger mitteilen:
„Seht, wer der Bauherr eurer Brücke ist“. Und dennoch: Die
wenigsten Bürger nennen das  neben dem Schloß und der
HeiligGeistKirche  wohl schönste Bauwerk der Stadt bei dem
Namen, der einst zu Ehren des stolzen Landesfürsten gewählt
wurde, nämlich „Carl-Theodor-Brücke“.

Einer Entschließung des Kurfürsten aus dem Jahr 1785 ist es zu
verdanken, daß sich heute dieses Bauwerk von formvollendeter
spätbarocker Schönheit über den Neckar spannt. Carl Theodor war
es, der nach der Zerstörung einer Holzbrücke im Eishochwasserjahr
1784 befahl, an der gleichen Stelle auf die „noch brauchbaren
Pfeiler an der Steingaß bis an das einseitige Bergufer eine ganz
steinerne Brücke völlig aus guten gesunden Quardern“ zu errichten
und bereitete damit den langen Diskussionen um eine Verlegung der
Brücke (oder einem erneuten Holzbau) ein Ende.

Einiges Aufsehen erregte damals die Entscheidung des
Landesfürsten, trotz der Angebote hochrangiger Fachleute einen in
untergeordneter Stellung arbeitenden Bauinspektor namens Mathias
Mayer mit dem Projekt zu beauftragen. Mayer trat den Gutachten
renommierter Sachverständiger entgegen, die behaupteten, die
alten Steinpfeiler der zerstörten Holzbrücke könnten nicht mehr
weiterverwendet werden.

Der Kurfürst schenkte den Plänen Mayers sein Vertrauen, und er
fuhr mit dieser Entscheidung mehr als gut. Mayer verwirklichte
mit dem Bau der Alten Brücke ein Kunstwerk, sagen heute die
Kunsthistoriker. Die Gliederung in Dreierrhythmen (drei
aufsteigende, drei absteigende, drei gerade Bögen) verleihen
diesem Denkmal am Endpunkt der Entwicklung des klassischen
Brückenbaus eine grazile Leichtigkeit, einen eleganten Schwung.
Von hohem Reiz ist das Erscheinungsbild der Brücke in der
Landschaft. Das Bauwerk scheint mit der Umgebung der Berge, mit
dem Neckar und der Stadt in einer Farbkomposition, ja einem
ganzen Gemälde zu verschmelzen. Und dieser Eindruck verstärkt
sich beim Blick vom Philosophenweg über das Tal.

Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, der vom 1781
fertiggestellten Karlstor flußabwärts blickte, schrieb 1797 ins
Tagebuch: „Die Brücke zeigt sich von hier aus in einer Schönheit,
wie vielleicht keine Brücke der Welt. Durch die Bogen sieht man
den Neckar nach den flachen Rheingegenden fließen und über ihr
die lichtblauen Gebirge jenseits des Rheins in der Ferne. An der
rechten Seite schließt ein bewachsener Fels mit röthlichen Seiten,
der sich mit der Region der Weinberge verbindet, die Aussicht.“

Auch Gottfried Keller ließ die Schönheit der Brücke nicht
unbeeindruckt. Für den Studenten entwickelte sich die Brücke zum
Leidensweg zur Geliebten, die seine Zuneigung nicht erwiderte.
Und Clemens Brentano erzählt vom „Dialogus“ der
Brückenstandbilder Athene (Minerva) und Carl Theodor. Die Alte
Brücke hat also auch in der Literaturgeschichte ihren Platz gefunden.

Ihren festen Standort am Austritt des Neckars aus dem Odenwald
besitzt die Brücke  womit jetzt nicht die Alte Brücke, sondern
deren Urahne gemeint ist  schon im Mittelalter. Im Jahr 1284
wurde ein Bauwerk an dieser Stelle erstmals erwähnt. Heidelberg
selbst taucht in einer Urkunde des Jahres 1196 zum ersten Mal
auf. Offenbar wurde die Brücke im 13. Jahrhundert gebaut, um
einen Neckarübergang für das Zisterzienserkloster Schönau zu
schaffen.

Gleich sieben von acht Brücken, allesamt aus Holz, fielen in den
500 Jahren zwischen 1284 und 1784 dem reißenden Neckarhochwasser
zum Opfer oder wurden durch Eisgang zerstört. Lediglich die
siebte Überführung stürzte aus einem anderen Grund zusammen:
Diese Brücke, die noch den Turm mit dem legendären „Heidelberger
Affen“ am nördlichen Ufer besaß, der dem Betrachter mit dem Griff
zum Hintern einen „kurpfälzischen Gruß“ widmete, wurde 1689 im
OrléanschenPfälzischen Erbfolgekrieg vernichtet.

Die unmittelbare Vorgängerin der Alten Brücke war die
Nepomukbrücke mit der Statue des heiligen Johannes von Nepomuk.
Am 27. Februar 1784 türmten sich vor dem Bauwerk mehrere
übereinanderliegende Eisschichten. Das Hochwasser brachte
Bewegung ins Eis, und die Brücke wurde mit den Fluten
fortgerissen. Der reißende Strom überschwemmte dann die Altstadt,
sogar ein großes Schiff wurde nach alten Berichten bis zur
Hauptstraße hochgetrieben. Die Nepomukfigur konnte gerettet
werden  sie hat heute in einer Uferanlage neben der Alten Brücke
ihren Platz.

Die feierliche Aufstellung einer anderen Statue, nämlich der des
Kurfürsten Carl Theodors, steht am 9. April 1788 gewissermaßen
für die offizielle Einweihung der Alten Brücke. Der Kurfürst war
von Brücke und Statue so angetan, daß er gleich empfahl, auf der
anderen Seite ein Gegenbildnis zu setzen. Es folgte so 1790 die
Aufstellung der Minerva, die als Göttin der Weisheit und
unzähliger Künste gilt. Beide Standbilder wurden vom
kurpfälzischen Hofbildhauer Conrad Linck geschaffen.

Im 18. und 19. Jahrhundert drohte der Alten Brücke zweimal die
Gefahr der Zerstörung: Dem Ansturm der französischen
Revolutionstruppen konnte 1799 das österreichische Ulanenregiment
Fürst Schwarzenberg aber trotzen. 1849, während der badischen
Revolution, wurde die Sprengung der Brücke durch eine Mine gerade
noch vereitelt.

Fast 100 Jahre später, am 29. März 1945, fiel ein Teil der Brücke
dann doch: Auf Befehl der Nazis wurde wenige Tage vor Kriegsende
ein großes Stück des Bauwerkes weggesprengt, um den Amerikanern
den Einzug in Heidelberg zu verwehren. Es war ein völlig
sinnloses Unternehmen, denn wenige Stunden nach der Sprengung
marschierten die Amerikaner bereits durch die Gassen der
Altstadt. Eine Spendenaktion unter der Bevölkerung ermöglichte
aber schon 1946/47 den Wiederaufbau.

Eine wichtige Rolle in der Geschichte des Bauwerkes spielt
natürlich auch das schmucke Brückentor, das viel älter als die
Alte Brücke ist. In einer Urform erscheint das doppeltürmige Tor
schon 1526 auf Sebastian Münsters kleinen Holzschnitt zum
„Calendarium Hebraicum“. Das im Gegensatz zu den Holzbrücken nie
zerstörte Tor diente nach dem Bau der Steinbrücke zeitweilig als
Gefängnis, heute gibt es dort eine Wohnung mit einem bekannten
Künstlertreff.

Die Alte Brücke ist heute ein nicht mehr wegzudenkendes Stück
Heidelberg und damit auch untrennbar mit der wechselvollen
Geschichte der Kurpfalz verbunden.

Aus: BNN, 9.4.1988, Klaus Willimek

Unvergleichliches Heidelberg

Alt Heidelberg du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine,
Keine andere kommt dir gleich
(J. V. v. Scheffel.)
Wem schlägt nicht das Herz höher beim Worte “Heidelberg”, wen zieht’s nicht hin mit allen Mächten der Sehnsucht zu der Königin deutscher Musenstädte, die residiert in der schönsten der schönen Landschaften Germaniens? Von Jahr zu Jahr huldigen ihr Hunderttausende aus aller Herren Länder in unversieglicher Begeisterung. Heidelberg ist das Mekka der Schönheitssucher in Gottes weitem Garten. Berg und Tal, Wald und Feld, Strom und Bach, Paläste und heimelige Häuslein, stolze Plätze, schmale, lauschige Gassen, unvergleichliche Denkmäler der Vergangenheit und neuzeitliche, bedeutungsvolle Schöpfungen, überwältigende Romantik und zarteste Lyrik, hohe Kunst und hehre Wissenschaft, geistvoller Ernst und ausgelassenste Fröhlichkeit, traute Schenken, würziger Wein und schäumendes Bier, herzliebe Mädel, lustige Kumpane sind hier vereinigt zu einem köstlichen Gemisch.
“Stadt fröhlicher Gesellen,
An Weisheit schwer und Wein,
Klar ziehn des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.”
(Scheffel.)
Schaue an der Brüstung der Molkenkur auf dies wunderbare Stück Erde. Zwischen zwei dichtbewaldeten Bergkuppen ruht ein lachendes Tal. Drin wälzt der Neckar seine grüne Flut. Auf dem leichten Wellengekräusel hüpft das Spiegelbild einer einzigartigen Stadt. Am linken Ufer reiht sich, eng und schmal, zwischen Fluß und Berg, das Dächergewirr der Altstadt in langer, langer Strecke aneinander. Machtvoll streben Halle und Turm der Heiliggeistkirche in formenschön Spätgotik darüber hinweg. Am andern Ufer folgen dem Wasserlaufe, hart an den Fuß des Heiligenberges geschmiegt, prächtige Villen, vornehme Wohngebäude. Über den Neckar schreiten die gleichmäßigen steinernen Bogen der alten Brücke, die Goethe eine der schönsten nannte. Aus dem in die Altstadt hineindringenden Blättermeer des Schloßberges ragt in den blauen Aether gigantisch auf die deutsche Alhambra: das majestätische Heidelberger Schloß. Nur schwer scheidet der Blick und schweift nach Westen, dahin, wo das Tal geweitet, wo in der breit gelagerten Rheinebene des Neckars geschlängelter Lauf in der Ferne verloren geht. Einem überquellenden Füllhorne gleich ergießen sich neue Stadtteile  vereint durch die Friedrichsbrücke  aus dem engen Flußtale hinaus in die Ebene und entlang der Bergstraße. Ganz draußen am Rheinstrom schimmern aus sonnig zarten Schleiern die Riesenschlote der Rheinau, flimmern die ernsten Umrisse des Kaiserdomes zu Speyer, leuchten die violetten Kuppen der Hardt.
Reich, wie die Schönheiten der Natur, sind die denkwürdigen Erinnerungen Heidelbergs. Im 12. Jahrhundert errichtete ein unbekannt Gebliebener die erste Burg auf dem Jettenbühl und ein Vorwerk auf dem Gaisberg. Im Schutze der Burg vergrößerte und entwickelte sich die spärliche Ansiedelung im Tal zu einem ordentlichen Gemeinwesen, das dem Bistum Worms gehört haben muß, denn 1225 gab Bischof Heinrich von Worms die Feste Heidelberg mitsamt der Ortschaft dem Pfalzgrafen Ludwig I. von Bayern als Leben, der sie zu seiner Residenz erkor.
Anfangs des 14. Jahrhunderts wurde die Pfalz von Bayern getrennt. Der erste Kurfürst der Kurpfalz, Ruprecht I., wählte Heidelberg wiederum zur Residenz. Dieser geistvolle Herrscher gründete 1386 die Universität, die nach Prag und Wien die älteste deutsche Hochschule war und bald zu hoher Berühmtheit gelangte.
Glanzvolle Tage rauschten über AltHeidelberg dahin. Zur Zeit der Renaissance wetteiferten Kurfürsten und Bürgerschaft in der Entfaltung fleißiger Bautätigkeit. 15501610 entstanden unter den Kurfürsten Friedrich II., Otto Heinrich und Friedrich IV. die wunderbaren Renaissancepaläste: der gläserne Saalbau, der OttHeinrichsbau und der Friedrichsbau.
Um 1610 stand das Schloß in vollstem Glanz inmitten feenhafter Luxusgärten, die der „Winterkönig“, Friedrich V., seiner Gemahlin zu Ehren hatte anlegen lassen. Die pfälzische Residenz zählte ungefähr 6000 Einwohner und war das Muster einer schmucken, mittelalterlichen Stadt mit prächtigen öffentlichen und privaten Bauten.
Da nahten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Tilly, der schon nahezu die ganze Pfalz erobert hatte, trat 1622 mit Feuer und Schwert auf. Trotz tapferer Gegenwehr war nach einigen Monaten Belagerung Stadt und Schloß in seiner Macht. Die protestantischen Universitätslehrer wurden vertrieben, die berühmte Universitätsbibliothek wanderte zur größten Betrübnis der Heidelberger nach Rom.
Nur zehn Jahre lang besaßen die Kaiserlichen Heidelberg, dann eroberten die Schweden Schloß und Stadt. Zwei Jahre später, 1635, gelang den Kaiserlichen die Rückeroberung. Des Winterkönigs Sohn Karl Ludwig, der 1649 zur Regierung gelangte, richtete die Universität wieder ein und suchte nach besten Kräften Wunden, die der Krieg geschlagen, zu heilen. Aber noch hatte die Stadt das schlimmste nicht überstanden: den Befehl Ludwigs XIV.: “Brûlez le Palatinat!“ An den wunderbar ornamentierten Fassaden des Schlosses schlugen 1689 die Flammen empor. Kräftige Minen zerrissen das Mauerwerk. Der rote Hahn hüpfte von Haus zu Haus. Heidelberg und die Pfalz waren eine Wüste. Ludwig XIV. aber ließ ein feierliches Tedeum halten und eine Denkmünze prägte er: „Heidelberga deleta“, sein Bild und “Ludovicus Magnus, rex Christianissimus“!
An der Schwelle des 17. Jahrhunderte zog wohltätiger Friede durch die Lande, den die Bürgerschaft, immerwährender Religionszwiste wegen, jedoch nicht vollkommen genießen konnte. Zwar wurde die Stadt nach dem alten Lageplan wieder aufgebaut, Herrscher besserten an den Schloßüberresten dies und das aber der Glanz der Kurfürstenresidenz war und blieb verblichen. Der katholische Kurfürst Karl Philipp verlegte, des Streites der protestantischen Bürgerschaft müde, 1720 den Hof und gesamte Regierung nach Mannheim. Die Universität, die unter mißlichen Verhältnissen schwer gelitten hatte, sank fast zur Bedeutungslosigkeit herab. Der gute Wille des nächsten Kurfürsten Karl Theodor, der Stadt zu helfen, Handel und Wandel zu heben, Industrie einzuführen, hatte geringen Erfolg. Seine Absicht, dem von ihm wiederhergestellten Teile des Schlosses dann und wo zu residieren, durchkreuzten des Himmels Mächte. Ein Blitzstrahl schlug 1764 zu Trümmern, was Ludwigs XIV. General Melac übrig gelassen und die Kurfürsten nach dessen Schreckenstaten wieder geschaffen hatten.
Vernichtet waren die Hoffnungen der Heidelberger. Zähneknirschende Unzufriedenheit, Sorge, revolutionäre Gesinnung schritten durch die freudenleeren Straßen der vom Schicksal den Staub gepeitschten Stadt. Jeder neunzehnte Pfälzer soll damals ein Bettler gewesen sein. Da trat das 19. Jahrhundert durch die verlotterten Tore, gefolgt von der segenspendenden Glücksgöttin. Heidelberg und die rechtsrheinische Kurpfalz fielen 1803 an Baden, dessen Herrscher Karl Friedrich schon im gleichen Jahre der verwahrlosten Universität durch fürstliche Dotation neues Leben gab. Und neues Leben sproß allüberall auf. Die Hochschule gewann bald den ehemaligen Ruhm, weit über Deutschland, zurück. Die berühmtesten Gelehrten des 20. Jahrhunde saßen und sitzen heute noch auf den Lehrstühlen. Das Institut für experimentelle Krebsforschung ist einzig in seiner Art. Ueber 170 Dozenten und mehr als 2500 Studenten gehören gegenwärtig der „Ruperto Carola“ an.
Ansichten und Neigungen ändern sich. Fand man in launigen Zopfzeit die gleichmäßige Ebene und zierlich zugestutzte Gartenkunstwerke lieblich und schön, so hatten die Romantiker mehr Sinn für die Natur in ihrer reinen Ursprünglichkeit. Heidelberg mit den grünumrankten Burgtrümmern galt jetzt als Ideal landschaftlicher Schönheit. Tausende und Abertausende suchten dieses Ideal. Seit es Eisenbahnen und Dampfboote gibt, seit das Reisen Mode geworden, wälzt sich jahraus, jahrein ein ungeheurer Fremdenstrom zur Stadt am Neckar und am Rheine. Nahezu 200 000 Reisende werden alljährlich in den Fremdenlisten aufgezeichnet. Viele lassen sich zu dauerndem Aufenthalt nieder. Eine weitere Anziehungskraft erhält Heidelberg durch seine von der BadHeidelberg A. G. neu erbohrte, stark radiumhaltige Thermalsolquelle. Die in Verbindung damit zu schaffenden Einrichtungen bringen die Stadt in die Reihe der hervorragenden Kur und Badeorte Deutschlands. Heidelberg hat heute über 70000 Einwohner. Diese kraftvolle Entwicklung des Gemeinwesens ist aber nicht allein der Universität und dem Fremdenverkehr zu verdanken. Ein gut Teil dazu hat die Industrie beigetragen. Die großgewerblichen Bauten liegen aber vor dem Bahnhofsviertel an der Bergheimerstraße und beeinträchtigen so den Charakter Heidelbergs als vornehme Fremdenstadt durchaus nicht. Imposante neuzeitliche Bauten, zahlreiche großstädtische Kaufläden haben das Anheimelnde der Altstadt nicht zu verwischen vermocht. Jeder Stadtteil hat seine eigenen Reize. Still, vornehm, beschaulich ist’s in der Sofienstraße und in den Anlagen, heiter und genußvoll am Neckar entlang, kleinstädtisch in den schmalen Gäßlein AltHeidelbergs, prachtvoll im Rohrbacher und besonders im Neuenheimer Villenviertel, romantisch an den Bergstraßen beiderseits des Flusses.
Geistige Genüsse bietet Heidelberg in Hülle und Fülle. In erster Reihe gewährt sie die Universität mit ihren wissenschaftlichen und populären Veranstaltungen. Die riesengroße Universitätsbibliothek, die archäologische Sammlung, die Anatomie, die städtische Kunst und Altertümersammlung, die Gemäldeausstellung des Kunstvereins, die Landessternwarte, die zoologische Sammlung, der botanische Garten verdienen hier erwähnt zu werden. Berühmt ist das Musikleben Heidelbergs. Die Konzerte des Bachvereins unter Dr. Wolfrums Leitung hatten Weltruf. Eines guten Ansehens erfreut sich auch das Stadttheater. An Unterhaltung und Vergnügen mangelt es nicht. Wenn die ersten Frühlingsboten, Schlüsselblumen und Veilchen, sprießen, wenn der Mandeln Blüte der Berge Rand in jungfräuliches Weiß hüllt, an Lätare, zieht die Jugend in hell Scharen in unendlich langer Kette mit blumen und bändergeschmückten, brezel und äpfelbesteckten Sommerstäben, mit mächtigen Strohmännern, durch die Straßen, Dann schallt’s aus tausend Kehlen unermüdlich: „Strih, strah, stroh, der Summerdag ist do.”
Das Sommersemester beschert eine Reihe pompöser studentischer Feste mit Wagenkorso und Schloßbeleuchtung, Neckarfahrt und prunkhaftem Bankett. Jetzt ist die Zeit der Kongresse und Versammlungen. Es ist die Zeit der Regatten der Ruderklubs, der Schwimmwettkämpfe im Hallenbad und im Neckar. Alltäglich spielt das städtische Orchester im Schloßpark und im Stadtgarten. Und auf den Herbst voller Farbenpracht und prickelnden Bergsträßlerweine locken zuguterletzt des Winters Freuden droben auf den Rodelbahnen des Königsstuhls, zu denen die Drahtseilbahn bequem hinaufbefördert.
Das Herrlichste aber sind und bleiben die Schloßbeleuchtungen. Tausende und Abertausende streben diesen zu. Von Mannheim bringt Extrazug um Extrazug immer neue Schaulustige. Der langen Neuenheimer Landstraße ganze Breite ist besetzt, Kopf an Kopf. Die Nacht ist dunkel. Kleine Fünklein weisen nach dem Himmelsgewölbe, leuchtende Pünktchen lassen ahnen, wo Berge schlummern, leise Ruderschläge deuten hin auf die Nähe des Wassers. Sonst Stille ringsum. Die Zeit ist da. Donner rollt vom Königsstuhl zum Heiligenberg. Die Köpfe recken sieh. Drüben lodert ein feuriger Brand. Von der Bergwand steigt’s herauf, blutigrot.
Jetzt steht’s vor uns: das Schloß mit seinen Mauern und Zinne Türmen und Bastionen, mit seinen unheilbaren Wunden, und dennoch in unendlicher Pracht, in gewaltiger Erhabenheit. Alles ist dunkel. Nur das Schloß ist da, feenhaft, wundersam. Und wer die, Flammen träumerisch verglühen, dann ist’s, als ob ein verwehter Funke zu uns herübergeflogen. Die alte Brücke brennt. In Glut getaucht enthüllt sie ihre edlen Formen. Im dunklen Schoß des Neckars aber rasselt’s und prasselt’s. Ein Heer von Feuerkugeln steigt auf und sinkt in die Flut. Von fernher kommt ein Schiff. Aus dem Geheul des Pulvers treten harmonische Klänge immer deutlicher hervor. Das singt und klingt:
“Gaudeamus igitur
Juvenes dum sumus”,
und tausend hochgestimmte Herzen klingen und singen nach.
Aus dem Badischens Verkehrsbuch 1898