Ein Pritschenschuss und seine Folgen / Schützenfest 1529 in Speyer
Bei dem Nachschießen während des großen Schützesfestes zum Ende des Reichstags von 1529 soll sich folgendes Ereignis zugetragen haben: So oft die Scheibe gefehlt ward, so oft kam der Pritschenmeister hervor und bestrafte den Fehlschuß, genannt Pritschenschuß, durch einen sanften Schlag mit seiner Pritsche (Pletsche). Als Buße erhielt der Pritschenmeister zwei Brezeln oder zwei Kreuzer.
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Geschichten & Erzählungen
"Wir sind alle ruhig und stolz!"
Aus dem Tagebuch von Miriam Sondheimer
Wir haben die Auswanderung nach allen möglichen und unmöglichen Ländern betrieben. Es war fast alles Schwindel. Unsere Amerikanummer 19 823 hatte noch lange keine Aussicht, dran zu kommen. (…) Und dann kommt der 22. Oktober 1940. Wir sind noch im Bett. Nur Mutti ist auf. Es ist halb acht Uhr. Plötzlich höre ich unbekannte Männerstimmen bei uns im Flur und dann verstehe ich, was sie vorlesen: “Sie haben innerhalb einer Stunde am Bahnhof zu sein. Pro Person sind 50 Kilo Gepäck erlaubt. Verpflegung für 4 Tage.” Weiterlesen
Auf dem Weg nach Gurs
Deportation kurpfälzischer Juden / Tagebuchaufzeichnungen
Den 22. Oktober 1940 werde ich nie vergessen. In aller Frühe bekam ich schon telefonische Anrufe von Mannheim durch jüdische Freunde: „Wir werden alle abtransportiert nach den Pyrenäen.“ Das Herz stand mir fast still. Dann erwachte gleich die Frage: Was tun? Sehr schnell konnte ich schon feststellen, daß an dem Befehl nichts mehr zu ändern war. Ich telegrafierte an Probst Grüber in Berlin, meinem Mitkämpfer und Freund, ob er in Berlin etwas erreichen könne. Weiterlesen
Der Servatiusbrunnen
Als der heilige Servatius die Mitte des 4. Jahrhunderts in der Gegend von Speyer war, wurde er eines Tages auf seiner apostolischen Wanderung von brennendem Durst befallen. Vergebens schaute der Gottesmann nach einem kühlenden Brunnen oder rieselnden Bächlein aus. Da faßte er gläubiges Vertrauen und machte mit dem Finger ein Kreuzzeichen auf den Boden. Sogleich sprudelte eine lebendige Quelle hervor, welche von da an nie mehr versiegte und nachmals Servatiusbrunnen und Tafelsbrunnen genannt wurde.
Das sprechende Marienbild
Im Dom zu Speyer sieht man von der Tür bis zum Chor vier runde, eherne Platten in geringer Entfernung voneinander dem Boden eingefügt, auf welchen die Worte zu lesen sind: O sanctissima! O piissima! Dulcis virgo Maria! – zu deutsch: Allerheiligste, Allerfrömmste, Süße Jungfrau Maria! – Die letzte Platte ist von dem auf dem Altar der Kirche prangenden Marienbild nicht weit entfernt. Weiterlesen
Ein Weiberbraten vom Speyrer Bürgermeister
„Denselben werden jährlich auf den Ersten Sonntag nach Heil. Drey König Tag 14 Pfund Ochsen- und 14 Pfund Schweinefleisch gewährt.“ So steht es bei uns in einem Zinsbuch des Speyerer Gutleuthauses von 1714! Die Frauen von Berghausen (Römerberg-Berghausen) hatten am im Januar 1706 auf ihrem Weg von Berghausen zum Markt nach Speyer einen Brand im Gutleuthaus gelöscht, wofür ihnen seitdem ein Fleischlegat („Weiberbraten“) gereicht wurde. Das Fest wird bis heute, alle fünf Jahre, gefeiert!
Die Überfahrt der Mönche
Im Jahr 15 30 ist zu Speyer in der Stillen Nacht ein Fischer am Rhein von einem Mönch aufgeweckt worden, welcher ihn bat, ihn mit seinen fünf Gesellen überzusetzen, was dann auch geschehen ist. Aber der Mönch hat den Fischer mitten auf dem Wasser erbärmlich geschlagen und ist mit seinen Gesellen verschwunden. Der Fischer aber blieb wie tot liegen. Etliche behaupten, es seien mehr Mönche gewesen, und als sie von den Fischern befragt worden seien, wohin sie denn wollten, hätten sie geantwortet: »Nach Augsburg – auf den Reichstag!«
Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe
Kaiser Rudolf von Habsburg saß im Schlosse zu Germersheim beim Schachspiel. Länger als sonst dauerte heute das Spiel und besorgt trat der Leibarzt an den Kaiser heran. Müde richtete sich Rudolf auf und wollte von seinem Arzt wissen, wie lange er noch zu leben habe. Die Wahrheit sollte er ihm sagen, so verlangte der Kaiser, und der treue Arzt mußte seinem Herrn gestehen, daß vielleicht heute noch sein Lebenslicht erlöschen würde. Weiterlesen
Nächtliche Erscheinung in Speyer
Es war im Oktober des Jahres 1813. Um Mitternacht saß zu Speyer ein Schiffer am Rhein und lehnte an einer alten Linde. Die Domuhr schlug gerade zwölf. Da stand vor ihm eine hohe, verhüllte Gestalt und begehrte rheinüber. Als er den Kahn löste, stieg eine Reihe solcher Gestalten ein, und pfeilschnell waren sie drüben. Die Aussteigenden versprachen, bei der Rückkehr zu lohnen, und verschwanden in der Ferne wie Wolken. Weiterlesen
Der Roßsprung bei Speyer
Einmal ritten zwei Ritter zum Tor der Stadt Speyer hinaus, die Köpfe warm von einem Gelage, dem sie beigewohnt hatten. Da sagte der eine, Fritz von Rinkenberg, in plötzlicher Aufwallung jugendlicher Ungeduld: »Ist es doch, als wären unsere Rosse schon tagelang auf den Beinen! Das mag ich nicht leiden! Wohlan, wir wollen, um die trägen Tiere fühlen zu lassen, daß sie Ritter tragen, um nicht selbst einzuschlafen, ein Wettrennen beginnen. Was gilt’s, mein Rappe ist schneller als dein Schimmel? Sieh, diese Kette, der Preis meines Sieges beim letzten Wormser Turnier, ist dem, wenn du mir vorkommst.« Weiterlesen
Die Glocken zu Speyer
Die Glocken zu Speyer zeigten es in alter Zeit jedes mal an, wenn die Sterbestunde eines Kaisers gekommen war. Derselbe durfte noch so ferne weilen, so fingen sie doch zu läuten an, ohne daß jemand daran rührte. Nun kam einst der von allen verlassene Kaiser Heinrich IV. als bettelnder Greis nach Speyer und fand in dem letzten ärmlichen Häuschen der Vorstadt Aufnahme. Noch in gleicher Nacht hauchte er auf harter Lagerstatt sein Leben aus. Weiterlesen
Heiligabend im Wald
Für unsere Familie war es lange üblich, zu Weihnachten den Tieren im Wald Futter zu bringen. So auch am Heiligabend 1952. Am frühen Nachmittag spannte mein Vater unsere beiden Pferde vor die Kutsche. Mein Bruder und ich luden Kartoffeln, Maiskolben, Eicheln, Kastanien sowie Heu auf den Wagen. Etwas Proviant vom vorangegangenen Schlachtfest und heiße Getränke in zwei warm verpackten Thermosflaschen gab uns die Mutter mit.
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Die Razzia und das "große Fressen"
Hunger! Ja, er tut weh! – Wir hatten ihn kennengelernt im Winter 1946/47 als Ostflüchtlinge im bombenzerstörten Mannheim. Wir, das waren wir fünf Geschwister im Alter von 11 bis 18 Jahren und unsere Mutter. Nein, eigentlich wir fünf alleine, denn unserer Mutter hatte all das Leid des Krieges das Gemüt krank gemacht. Auch die Kälte dieses Winters war schrecklich gewesen: eisige Temperaturen noch bis in den März hinein, dabei kaum etwas zum Heizen, Stromsperren. Die Kälte hat es leicht, in einen Hungrigen hineinzukriechen. – Also, solch einen Winter wollten wir nicht noch einmal erleben. Weiterlesen
Das Osterlamm ist bis heute erhalten geblieben
Wenn ich in der Zeit, in der das Osterfest schon ganz nahe gerückt ist, zum Bäcker gehe, da beschleicht mich jedesmal ein eigenartiges, ja fast wehmütiges Gefühl, wenn ich im Laden die für mich immer noch wunderschön anzuschauenden gebackenen Osterlämmer sehe. Sie sind eines von den wenigen Bräuchen, die sich seit meiner Kindheit bis in die heutige Zeit erhalten haben. Weiterlesen
O Tannenbaum, o Tannenbaum …
„O Tannenbaum, o Tannenbaum“ – ein beliebtes Volkslied – erinnert mich besonders an meine Kindheit, die ich bei meinen Großeltern in Speyer verbrachte. Am Weihnachtsabend versammelte sich die gesamte Familie in der kleinen, bescheidenen Wohnung, wo aber immer ein mit Kerzen, Naschwerk, Glaskugeln und Lametta festlich geschmückter Tannenbaum stand. Weiterlesen
Der Eremit mit dem falschen Wanderstab
Schon manchem Wanderer ist in einem Weinberg auf der Forster Gemarkung „Kirchenstück“ ein hübscher barocker Bildstock aufgefallen. Wer sich damit beschäftigt hat, kommt unumwunden mit dem Heiligen Cyriakus in Kontakt. Er gilt als einer der wichtigsten Weinheiligen der Pfalz. Traditionell bringen ihm am 8. August die Weinbauern der Pfalz während einer Wallfahrt zur Stätte seines Wirkens, der Cyriakuskapelle bei Lindenberg, die ersten reifen Trauben zum Opfer dar. Weiterlesen
Der Eremit mit dem falschen Wanderstab
Schon manchem Wanderer ist in einem Weinberg auf der Forster Gemarkung „Kirchenstück“ ein hübscher barocker Bildstock aufgefallen. Wer sich damit beschäftigt hat, kommt unumwunden mit dem Heiligen Cyriakus in Kontakt. Er gilt als einer der wichtigsten Weinheiligen der Pfalz. Traditionell bringen ihm am 8. August die Weinbauern der Pfalz während einer Wallfahrt zur Stätte seines Wirkens, der Cyriakuskapelle bei Lindenberg, die ersten reifen Trauben zum Opfer dar. Schon die römischen Winzer opferten ihre ersten reifen Trauben dem Weingott Bacchus. Heute gehen die Volkskundler davon aus, daß die frühen christlichen Winzer der gallo-romanischen Pfalz diese Tradition fortsetzten und ihren Heiligen opferten.
Immerhin ist Speyer seit der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts ständig der Sitz eines Bischofs. Cyriakus lebte, so die Legende, als Einsiedler in der Nähe der erwähnten Kapelle. Sie ersetzte ab 1550 im Halsgraben der zerstörten Lindenburg einen älteren Vorgängerbau. Die Überlieferung berichtet, daß das Glöckchen der älteren Kapelle von Cyriakus stets solange geputzt wurde, bis es silbern glänzte. Und zum Dank habe es dann regelmäßig von alleine geläutet, wenn der Einsiedler von seinen weiten Wanderungen zurückkehrte. Die Pfälzer Winzer und Bauern liebten und verehrten den Mann sehr. Er fand überall offene Tore, Hände und Herzen. Er war schließlich auch eine besondere Gestalt in seiner verwitterten Kutte mit seinem langen silbernen Bart und seiner im Mondlicht glänzenden Glatze.
Am meisten soll es ihn nach Deidesheim gezogen haben, wo die alte Verbindung nach Lambrecht zutage tritt, die über die Waldweiderechte der Talgemeinde und den jährlich dafür fälligen Tributbock bestand. Die Legende berichtet weiter, daß Cyriakus auf dem Heimweg von einer langen Wanderung eine Einkehr suchte. Seine Beine waren so müde, daß er einen Wanderstab benutzte. Nachdem er am Ende eines Weinberges unterhalb des Wachenheimer Schloßberges bei der Wachtenburg etwas geruht hatte, nahm er nach dem Aufstehen noch etwas verschlafen vom Kammert-Wingert einen Lännerichbalken fort, der mit Weidenruten an die Stiffel gebunden war. Ganz in der Meinung, sich wieder auf seinen Wanderstock zu stützen, nahte er sich dem Wachenheimer Südtor, der Kirchpforte. Verdutzt blieb er stehen, denn das Tor tat sich nicht wie gewohnt von alleine auf. Er konnte rufen, klopfen, schreien, das gewaltige Tor blieb verschlossen.
Da kam, hundemüde, verschwitzt und staubbedeckt, den breiten Karst mit dem leeren Krug geschultert, ein alter Wachenheimer Winzer aus dem Feld heim. Der alten Überlieferung nach hatte der gute Mann nach getanem Tagwerk „Dorscht, Hunger, Schloof und einen Ekel vor de Erwet“.Er erblickte den heiligen Mann, der vergeblich versuchte, in die Stadt zu gelangen. Der Winzer war zugleich hellwach und seine Augen verzogen sich zu einem verschmitzten Lächeln. Woher er denn den Wingertsbalken habe, den er als Wanderstecken benutzte? Und da fiel es Cyriakus wie Schuppen von den Augen: Entwendet hatte er ihn, abgerissen vom Kammert-Wingert eines Winzers, zu dessen Schaden und zum Schaden des Weines.
Ohne auf seine Müdigkeit zu achten, ging der Eremit zurück an den Ort seiner Missetat und band den Balken wieder sorgfältig dort an, wo er ihn im Halbschlaf weggerissen hatte. Schnell waren die biegsamen Weidenruten, die er geschnitten hatte, wieder geknüpft und fast der alte Zustand wieder hergestellt. Cyriakus schleppte sich zurück an die Kirchpforte, die sofort aufsprang, als er wie immer noch fast hundert Schritte davor entfernt war. Wenn Heilige etwas wünschen, so ahnen sie den göttlichen Willen.
Der Heimatdichter Leopold Reitz beschrieb 1937 diese Szene des Heiligen Cyriakus folgendermaßen: „Ich möchte an einem schönen Herbsttag sterben. Gegen Abend, wenn der himmlische Weinherr seinen Knecht mit der Hippe in die Lese schickt. Dann will ich ihm mit Heiterkeit und Milde mein Herz hinhalten wie eine goldene Traube. Dann wird ein Bauer vorüberkommen, sein Käppchen abnehmen und sagen: Schade, er hat uns viel geholfen.“ Die Legende wird auf dem besagten Bildstock wieder lebendig. Betrachtet man die Steintafeln näher, sieht man unten rechts den Heiligen Cyriakus, der sich müde ausruht. Links entdeckt man den Kammert-Wingert, oben links wartet der Einsiedler auf Einlaß in die Stadt und rechts oben ist die alte Cyriakus-Kapelle aus dem 13. Jahrhundert oberhalb von Lindenberg zu erkennen. Der Bildstock dokumentiert aber zugleich auch den Erwerb eines Weinberges in der Lage „Kirchenstück“ durch Wilhelm Spindler im Jahre 1656.
Sowohl der Bildstock als auch die Kaufurkunde sind noch im Familienbesitz des noch heute bestehenden Weingutes. Was aber macht das „Forster Kirchenstück“ zu einem solch wertvollen und geschichtsträchtigen Weinberg? In alten Dokumenten ist zu lesen, daß er der wohl einzigste Wingert der Welt ist, an dem ein ganzes Regiment Soldaten im Parademarsch vorbeidefilierte. Dies geschah 1652, als das Königreich Spanien seine Besatzung nach Ende des Dreißigjährigen Krieges aus Frankenthal abzog. Unter dem Kommando des Oberst Julio Antonio Frangipani, er war ein Liebhaber der Weine vom „Forster Kirchenstück“, geschah dann das Unglaubliche: Die 800 Mann der Fußtruppen präsentierten ihre Musketen, 200 Reiter zogen die Säbel blank. Frangipani ließ sein Pferd niederknien und salutierte selbst mit dem Degen. Und dann erst der Vorbeimarsch der Spanier – das ist wiederum eine andere Legende der Kurpfälzer Geschichte(n).
Sankt Wendelin und die Bruderschaft von Reilingen
Der Heilige Wendelin zählt zu den ersten Missionaren im Frankenreich des sechsten Jahrhunderts. Er lebte zur Zeit des Trierer Bischofs Magnerich (um 570) als Mönch oder Einsiedler in den Vogesen. Spuren oder gar sichere Quellen über seine Tätigkeit in unserem Raum gibt es nicht. Glaubt man alten Überlieferungen, soll der Missionar um 617 gestorben
sein. Sein Grab befindet sich seit dem elften Jahrhundert im saarländischen Sankt Wendel.
Der Mönch Wendelin sein Name bedeutet im Alhochdeutschen „Wanderer oder Pilger“ wurde schnell zu einem bedeutenden Kapellen und Wallfahrtsheiligen. Vor allem im alemannischfränkischen Raum stieg er zum Volksheiligen auf und galt sehr früh als Patron der Landleute sowie für Flur und Vieh. Deswegen wird Wendelin stets dargestellt als Hirte
mit Stab und Tasche. Ein Gemälde im erzbischöflichen Museum von Utrecht zeigt ihn vor einer Klause sitzend umgeben von Lämmer, Rinder und Schweinen, im Hintergrund die Türme von Tholey oder Sankt Wendel. Grund für diese Darstellung ist die aus dem 14. Jahrhundert stammende legendäre Vita, die Wendelin zu einem iroschottischen Königssohn und Abt von Tholey machte.
Standesgemäß erzogen, verließ er seine Heimat im ärmlichen Pilgerkleid, um die heiligen Stätten in Rom aufzusuchen. Auf seinem Weg zurück kam er auch durch die Vogesen, wo er in der Stille der Wälder eine Klause gründete. Als Schweine und Kuhhirt verdiente er sich sein täglich Brot. Als er eines Tages kein Wasser mehr für die Tiere fand, stieß er, so die
Legende, voll Gottvertrauen mit dem Stab in die Erde, wo sich plötzlich eine Quelle auftat. Noch heute trägt diese Stelle den Namen Wendelinsbrunnen und wird von Menschen fleißig besucht, da das Wasser Krankheiten von Mensch und Tier abwenden soll.
Jahre später lebte Wendelin dann als Einsiedlerbruder des Klosters Tholey. Da er viel von Tieren verstand, kamen die Bauern zu ihm, wenn sie wegen ihres Viehs in Nöten waren oder Viehseuchen drohten. Bereits zu Lebzeiten wurde er ob seiner Wundertaten als Heiliger verehrt. Die Mönche des Kloster Tholey wählten ihn schließlich zum Abt, ein Amt, das
er noch 20 Jahre innehatte.
Nach seinem Tod wurde Wendelin in seiner alten Klause begraben, die schnell zu einem Pilgerziel wurde. Die Kapelle wurde durch fromme Schenkungen erweitert, um sie herum entstanden Pilgerhäuser. Immer mehr Menschen siedelten sich an, sodaß der Ort im 14. Jahrhundert mit den Stadtrechten und dem Namen Sankt Wendel ausgestattet wurde.
Längst galt Wendelin auch in der Kurpfalz als Schutzheiliger. Wie in vielen Orten entstand auch in Reilingen eine Bruderschaft zum Heiligen Wendelin. Die am 10. Juni 1451 gegründete Bruderschaft zählte zu den bedeutendsten ihrer Art. Wieder einmal wurde die besondere Stellung des kleinen Dorfes an der Kraich in der Nähe der Burg Wersau besonders
hervorgehoben, wie ein Kirchenbucheintrag von diesem Tag bezeugt. Auffallend ist nämlich, daß einzig allein in der Reilinger Bruderschaft das gesamte kurfürstliche Herrscherhaus aufgeführt wurde: „Hiernach volgen Bruder und Schwester, so sich in die löbliche Bruderschaft sant Wendels zu Reutlingen (Reilingen) verbrudert haben … des durchlauchtigsten, hochgeborenen fürsten und herrn, herrn pfaltzgraven Philippen, pfaltzgraven bey Reyn samt Margret, Philipps Gemahlin …“.
Aufgeführt sind weiter Pfalzgraf Ludwig und seine Frau Sybilla sowie die Pfalzgräfinnen Elisabeth, Markgräfin von Baden, Amalia, Herzogin in Bayern, und Helena, Herzogin zu Meckelberg. Es folgen dann die Namen der Pfarrer „zu Lossen (Lußheim), hockenheym, Rutlingen (Reilingen) und Ketsch“. Unter den insgesamt 40 Namen der Mitglieder der Bruderschaft sind abschließend auch sechs Familien aus Hockenheim, drei aus Reilingen, drei aus Lußheim und je eine aus
Insultheim und Bruchsal aufgeführt.
Dieser Eintrag ist auch der letzte in den Reilinger Kirchenbücher. Aus anderen Quellen ist nur noch zu erfahren, daß „Jost messerschmiydt, pferrer zu hockenheym“ für die Wendelinsbruderschaft „ein ied monat eine heiligmess in der Capellen zu Wersau“ zu lesen hatte. Diese Gottesdienste galten in der kurfürstlichen Familie als Pflich und Pilgertermin und mußten von wenigstem einem Familienmitglied wahrgenommen werden. Später schien man dies nicht mehr so ernst zu nehmen, denn ein späterer Vermerk berichtet, daß der „Keller zu Wersawe an herrenstatt“ an den Gottesdiensten teilnahm.
Wie lange nun diese Bruderschaft bestand, welche Aufgaben und Ziele sie hatte, liegt im Dunkel der Geschichte verborgen und bedarf noch einer gründlichen Aufarbeitung. og
Die Raugräfinnen von Heidelberg
Zu den bekanntesten Kirchen in der Heidelberger Altstadt gehört auch die Peterskirche. Hier begegnet man einem prächtigen Grabmal, das für zwei Frauen errichtet wurde, die im Leben der berühmten Liselotte von der Pfalz eine bedeutende Rolle spielten. Die beiden Damen sind ihre Halbschwestern, die Raugräfinnen Amalie Elisabeth und Louise von Degenfeld. Beide erhielten von Liselotte, eigentlich Elisabeth Charlotte Herzogin von Orléans, unzählige Briefe aus Frankreich, denn als Schwägerin des Sonnenkönigs Ludwig XIV. lebte Versailles.sie seit ihrer Heirat am Hofe von Versailles.
„Unter den Kirchen ist die älteste jene zu St. Peter, ursprünglich Kapelle zur heiligen Jungfrau in der Einöde“, ist in einem bereits 1834 erschienenen Fremdenführer über die Peterskirche zu lesen, die für den Autor K.C. von Leonhard „sehenswerth bleibt, um der Denksteine willen, denen man zahllose im innern und auf dem umgebenden Gottesacker findet.“
In der ersten urkundlichen Erwähnung Heidelbergs (1196) in einer Urkunde des Klosters Schönau wird ein „Leutpriester“ genannt, der „zu Sancta Petri“ Gottesdienste für das einfache Volk hielt. Daß die Peterskirche im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen erfuhr, daß der Gottesacker (Friedhof), der sie umgab, dem Eisenbahntunnel weichen mußte, der in unserer Zeit zu einem Straßentunnel umgebaut wurde, sei nur am Rande erwähnt.
Im Mittelpunkt soll vielmehr das Marmordenkmal an der Stirnwand des Chores stehen, das einmal den beiden Raugräfinnen, den Halbschwestern der Liselotte von der Pfalz gewidmet ist, zum anderen ihrem Großneffen Friedrich Wilhelm Christoph von Degenfeld-Schomburg, der bereits elfjährig gestorben war. Eigentlich wurde das Denkmal von dessen Eltern errichtet, aber gleichzeitig auch dazu genutzt, die in der Peterskirche begrabenen Großtanten des Jungen zu würdigen.
Zu dem recht unbekannten Titel einer „Raugräfin“ kamen Louise und Amalie Elisabeth durch ihre Mutter. Sie hatte mit Kurfürst Carl Ludwig bereits während seiner Ehe mit der Mutter von Liselotte von der Pfalz, Charlotte, ein Verhältnis. Der Regent war also, wie man damals zu sagen pflegte, „zur linken Hand“ verheiratet. Nach seiner Trennung von Kurfürstin Charlotte suchte er für seine zweite Frau, die Freiin von Degenfeld, einen passenden Titel. Carl Ludwig entschied sich für den Titel eines längst ausgestorbenen Adelsgeschlecht der Raugrafen.
Liselotte selbst hatte ein ganz besonders herzliches Verhältnis zu ihren beiden Halbschwestern. So schrieb die Herzogin von Orléans aus Paris am 15. Dezember 1708 an die Raugräfin Amalie Elisabeth folgende Zeilen: „Liebe Amelie, wir sind einander zu nahe, umb uns, wie wir auch sein mögen, nicht von weitem oder nahe lieb zu haben. Es ist kein mensch in der welt perfect und ohne fehler, eines muß des anderen seine entschuldigen, aber wo gute gemüter sein, als wie bei Louise, ihr und die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, ich, da kompt man als wohl zu recht, das geblüt leßt sich fühlen.“
Nur wenige Tage vor ihrem Tod schrieb Liselotte von der Pfalz im Dezember 1722 ihrer Halbschwester Louise, ihr waren die meisten Briefe die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, überhaupt gewidmet: „Herzallerliebste Louise, die zeitung, so ich Euch heut von meiner gesundheit zu sagen habe, werden Euch wohl gar nicht gefallen. Ich werde täglich elender, möchte wohl ein schlimm end nehmen, aber ich bin gottlob zu allem bereit, bitte nur den Allmächtigen, mir geduld zu verleihen in meinen großen Schmerzen, so ich nach und tag ausstehen muß, sowohl durch meine erschreckliche schwachheit, als auch sonsten mein elender leben.“
Daß die beiden Raugräfinnen nicht in der Heiliggeistkirche, der Grablege der kurfürstlichen Familie, beigesetzt wurden sondern in der Peterskirche, lag daran, daß die beiden Töchter aus der morganatischen (nicht standesgemäßen) Ehe des Kurfürsten Carl Ludwig durch den damals in Düsseldorf befindlichen Hof gesellschaftlich nicht anerkannt waren.
Die beiden Raugräfinnen Amalie Elisabeth, sie starb 1709, und Louise von Degenfeld, sie starb 1733 in Frankfurt, wurden, was auch in alten Dokumenten nachzulesen ist, unterhalb des Marmordenkmals im Kirchenboden in einer Gruft bestattet. Bis heute fanden aber noch keine ar chäologischen Ausgrabungen statt, die diese Grablege auch belegen könnten. So zeugen allein das Marmordenkmal und die Grabplatte der Amalie Elisabeth, die jetzt in einer Seitenwand eingelassen ist, von der letzten Ruhestätte der beiden Raugräfinnen. og
Knochenarbeit in der Wersauer Schloßmühle
Wir schreiben das Jahr 1777: Caspar Zahn betreibt zusammen mit seiner Frau Barbara, verwitwete Fessler, und deren Sohn Heinrich Fessler die Schloßmühle in Reilingen, die sie von der Kurfürstlichen Domänenverwaltung des Kirchheimer Zehnt gepachtet haben. Es ist 5.30 Uhr als Müller Zahn die Verankerung des gewaltigen Wasserrades löst und die
Antriebswelle für den Schrot und Mahlgang in Bewegung setzt.
Normalerweise läuft die Schloßmühle nahe der Ruine des Wersauer Schlosses zu dieser Zeit bei Tag und Nacht, aber in dieser Nacht waren die Mahlsteine neu geschärft worden. Überall liegen noch Werkzeuge wie Mühlpicke, Bille und Kraushammer um die Schrot und Mahlgänge herum. Heinrich Fessler füllt den Trichter über dem Schrotgang. Der 100 Kilogramm schwere Weizensack scheint morgens um halb sechs fast doppelt so schwer zu wiegen, als Müller Fessler ihn die kleine hölzerne Treppe hochträgt, die bei jedem Schritt ächzt und stöhnt. Mit einem Rauschen gleiten die Weizenkörner in den Trichter. Schnell werden noch die Mahlsteine für das Mahlgut eingestellt und schon beginnt die Mühle zu klappern.
Inzwischen ist der Mühlbauer, ein Bauer aus Reilingen, eingetroffen. Er ist für das Aus und Einfahren des Mehles bzw. des Getreides zu den umliegenden Ortschaften zuständig. Um halb sieben ist der Leiterwagen bereits beladen, und die zwei schweren Kaltblüter der Schloßmühle werden vorgespannt. Der Mühlbauer macht sich auf den Weg nach Schwetzingen, um im kurfürstlichen Schloß das gemahlene Mehl abzuliefern und um auf dem Rückweg in Oftersheim und Hockenheim noch zu mahlendes Getreide aufzuladen.
Caspar Zahn holt eilig seine Sense und den Holzkarren, um Futter für die Kühe an der nahegelegenen Wiese entlang der Kraichbach zu mähen. Auf dem kleinen Holzsteg über die Bach, die sich vor der Mühle teilt, um das Wasser der Mühle zuzuführen, kommt ihm Johann Jacob Riedel entgegen und fragt nach, wann er sein Getreide nun mahlen könne? Schnell ist ein Termin für 11 Uhr vereinbart. Auch Tobias Kölble steht bald neben Zahn und möchte mahlen. Auch er bekommt einen Termin vom stets freundlichen Müllermeister.
Es ist bereits 7 Uhr durch, als Zahn das Vieh im Stall hinter der Schloßmühle füttern kann. Kühe, Schweine, Ziegen und vier Pferde zählen zur Landwirtschaft. Ein Dutzend Gänse, einige Enten und jede Menge Hühner tummeln sich auf dem Mühlenhof. Die Mühle läuft in der Zwischenzeit auf Hochtouren, und Zahn muß seinem Stiefsohn unbedingt bei der Arbeit helfen. Ununterbrochen wird der Trichter des Mahlwerkes gefüllt, geschrotet und gemahlen.
Barbara Zahn hat in der Zwischenzeit die Stallarbeit beendet und bringt den Müllern das erste Vesper in die Mühle. Als es vom Reilinger Kirchturm 11 Uhr schlägt, steht pünktlich der Bauer Riedel mit dem Pferdefuhrwerk vor der Tür. Die Säcke werden abgeladen, gewogen und schon kann es losgehen. Da die Müller zu zweit in der Mühle sind, schickt Caspar Zahn den Riedelbauer in den Stall, um nach dem Rechten zu sehen, wieder Futter nachzulegen und, wenn noch Zeit bleibt, etwas Holz für den Herd zu hacken. Riedel darf dafür zum Mittagessen bleiben.
Nach etwa zwei Stunden ist es soweit: die sechs Zentner Weizen von Bauer Riedel sind gemahlen. Riedel bezahlt seine Schulden durch „Mildern“, dies bedeutet, daß etwa 1/14 vom zu mahlenden Weizen vom Müller als Lohn einbehalten wird.
Es ist nun höchste Zeit für Zahn, um nach den Bienen zu sehen, denn die Bienenzucht wurde schon immer von den Müllern der Schloßmühle betrieben. Auch in der Landwirtschaft muß dies und jenes noch erledigt werden. Außerdem müßte dringenst noch ein neuer Eisenreifen auf das hölzerne Ersatzrad des Leiterwagens vom Schmied aufgezogen werden. Per
Hand wird das wuchtige Rad in die Schmiede nach Reilingen gerollt. In der Zwischenzeit ist es Spätnachmittag geworden und damit etwas Zeit zum Ausspannen. Deshalb läßt sich Caspar Zahn etwas mehr Zeit als sonst und kehrt auf dem Rückweg zur Schloßmühle noch schnell in die überfüllte Gaststube des „Löwen“ ein. Es ist die Zeit der Stammtische der Bauern und Handwerker. Es wird heftig debattiert und auf die neuen Steuerpläne der kurfürstlichen Regierung gescholten.
Zu Hause ist Heinrich Fessler allein bei der Arbeit, und jetzt ist auch noch Tobias Kölble eingetroffen. Da Zahn nicht in der Mühle ist, muß der Bauer selbst mit Hand anlegen. Die Dämmerung bricht herein und taucht die Mühle in das gespenstische Licht der kerzenbestückten Sturmlaternen. Müllermeister Zahn, zwischenzeitlich vom Stammtisch zurückgekehrt, steht
bis zum Bauch im Mühlgraben, um den Rechen zu reinigen, der vor dem Wasserrad grobe Teile im Wasser abhält.
Draußen ist es längst dunkel geworden und die beiden Müller fragen sich immer wieder, wo denn nur der Mühlenbauer geblieben sei? Immerhin stellt das Aus und Einfahren des Mehles und des Getreides eine Knochenarbeit dar. Der Lohnbauer muß die oft über 100 Kilogramm schweren Säcke zuerst vom Speicher des Kunden holen und dann das Mehl im Gegenzug wieder hinauftragen. Dafür gibt es da und dort ein Vesper und etwas zu trinken. Meist reicht man Wein oder
Bier und es ist auch am heutigen Tag so. Gegen 22 Uhr klappern plötzlich die Hufeisen auf dem gepflasterten Mühlenhof und wie aus dem nichts steht das beladene Fuhrwerk auf dem Hof der Schloßmühle. Der Mühlenbauer schläft selig auf den Säcken seinen Rausch aus. Nur gut, daß die Pferde den Weg fast alleine finden.
Die Schloßmühle läuft auch in dieser Nacht durch auf vollen Touren. Zum einen wird die Tageseinfuhr verarbeitet, zum anderen kommen nachts Landwirte zum Mahlen. In dieser Nacht legt sich Zahn etwas aufs Ohr, und Fessler mahlt durch. Kurz vor Mitternacht kommt der Müllermeister zurück, in der Hand einen großen Krug mit frischem Most. Doch ganz auf
den Beinen können sich die zwei nicht halten, so daß beide in den frühen Morgenstunden im Mahlstüble friedlich vor sich hinschlummern.
Plötzlich: Es klingelt! Der Schrotgang ist leer. Beide, insbesonders Heinrich Fessler, schrecken auf und sind sofort hellwach. Es muß schnellstens Weizen nachgeschüttet werden, damit sich die schweren Mahlsteine nicht gegenseitig zerreiben. Jeder Schrot und Mahlgang hat eine Glocke, die meldet, wenn das Mahlgut durchgelaufen ist und die Steine aufeinanderlaufen. Die Brandgefahr ist durch Funkenflug in einem solchen Fall besonders hoch. Doch bald ziehen sich die beiden wieder in
die warme Mahlstube zurück. Ehe Heinrich Fessler wieder einnickt, hört man ihn murmeln: „Jetzt fehlt nur noch, daß die Kuh kalbt …“ (og)
Die den Besen verlor
Schon bei unseren Vorfahren galt die Nacht zum 1. Mai als die Walpurgisnacht, in der sich die Hexen zum Tanze trafen. Hie und da in der Kurpfalz lebt seit einigen Jahren die alte Tradition des Mummenschanzes wieder auf. Fast in Vergessenheit geraten ist auch eine Sage rund um das Heidelberger Schloß, die der Volksbrauch der Walpurgisnacht zuschlägt.
So soll einst in dieser Nacht eine noch junge Hexe mit Namen Vitzlibutzlia auf ihrem Besen rund um den Königstuhl unterwegs gewesen sein, um sich zusammen mit einer Hexenschar im Odenwald am Hexentanzplatz zu treffen. Neugierig schaute sie hinunter auf die alte Stadt und das gewaltige Schloß der pfälzischen Kurfürsten. Die Hexe schien richtig gedankenverloren gewesen sein, denn sie verlor einfach ihren Besen, der polternd in den Schloßhof fiel. Sie selbst landete
unsanft in den Bäumen. Über sich selbst schimpfend machte sich Vitzlibutzlia zu Fuß auf den Weg zum Schloßeingang, um wieder ihren Besen zu holen. Die kleine Pforte im großen Tor, im Volksmund als „Nadelöhr“ bekannt, trug damals wie heute einen dicken großen Eisenring, „harter Anklopfer“ genannt. Die Hexe war so erregt, daß sie damit so heftig klopfte, daß selbst die Schloßwache erschrocken zusammenfuhr.
Beim Anblick der Hexe dachte man natürlich nicht darain, sie in das kurfürstliche Schloß einzulassen. Vitzlibutzlia schien vor Wut zu explodieren und biß so heftig in den Klopfring, daß noch heute die Spuren davon zu sehen sind. Als Ersatz für den Besen nahm sie dann einen alten Rechen, der an einer Ecke der Schloßmauer stand. Auf ihm ritt die Hexe dann unter dem Spott der Schloßwache und unter dem Gelächter der anderen Hexen zum Tanzplatz im Odenwald.
Betrachtet man den „Hexenbiß“ im Ring eher nüchtern, kann man auch zu dem Ergebnis kommen, daß dieser bereits beim Schmieden vor einigen hundert Jahren entstanden sein kann. Egal, ob nun der Biß einer Hexe oder eine abgebrochene Stabzunge die Geschichte um den geheimnisumwitterten Klopfring fesselt noch heute die Schloßbesucher aus aller Welt.
Dies gilt natürlich auch für die Sage vom Rittersprung auf dem Schloßaltan. Als vor langer Zeit im Friedrichsbau des Schlosses ein Feuer ausgebrochen war, setzte einer der anwesenden Ritter alles daran, die Gäste in Sicherheit zu bringen. Als er endlich dem Feuer entrinnen wollte, war es zu spät: er war von den Flammen rundum eingeschlossen. In seiner Not sprang er von hoch oben aus dem Fenster. Im Himmel hatte man sein Tun beobachtet und dankte ihm damit, den Sprung auf den Schloßaltan unverletzt zu überstehen. Die Wucht beim Auftreffen war so groß, daß der Fuß tief in die Sandsteinplatte eindrang ohne daß diese platzte. So ist noch immer der Eindruck des ritterlichen Fusses zu sehen, der vor allem von den Schloßbesuchern aus Übersee und Fernost aus allen Perspektiven fotografiert wird.
Für den unromantischen Betrachter ist dies alles eine Naturerscheinung im Sandstein. Aber diese Version möchte keiner droben auf dem Schloßaltan hören. Lieber träumt man ein wenig und läßt seine Phantasie spielen.
Und eine Stimme sprach: "Wag's"
Gleich hinter Neulußheim und Reilingen beginnt in Richtung Süden das große Waldgebiet der Lußhardt. Quasi als südliche Nachbarn liegen dort die Gemeinden der Stadt Waghäusel, der nördlichsten Großgemeinde des Landkreises Karlsruhe. Ihr Entstehen verdankt die Stadt dem Zusammenschluß der drei ehemals selbständigen Gemeinden Kirrlach, Waghäusel und Wiesental.
Die geschichtlichen Ursprünge der einzelnen Stadtteile reichen zurück bis weit ins 13. Jahrhundert. So wurde Kirrlach erstmals 1234 urkundlich in einem Vertrag des Domkapitels Speyer erwähnt. Fundgegenstände wie Tongefäße und Münzen lassen jedoch darauf schließen, daß auf Kirrlacher Gemarkung im 2. Jahrhundert n. Chr. ein römischer Gutshof bestanden haben muß. In der Nähe davon führte eine Römerstraße vorbei, deren Reste noch heute sichtbar sind. Die Entfaltung der Orte wurde durch Hungersnöte, Epidemien, Zerstörungen und ständige Kriegseinwirkungen immer wieder gestört.
Die fürstbischöflichspeyerische Festung in Philippsburg, die eigentlich ein Schutzwall für das ganze Umland sein sollte, brachte die Region aber immer wieder in Bedrängnis durch Belagerungen und Einquartierungen. Der „Badischen Spargelstraße“ folgend kommt man in den zweiten Stadtteil, nach Wiesental. Der Ort wurde 1297 vom damaligen Speyerer
Bischof Friedrich von Bolanden gegründet. Auch im Raum Wiesental hinterließen bereits die Römer ihre Spuren. Gerätschaften aller Art und die Überreste eines Kastells sind recht eindrucksvolle Zeugen dieser frühen Epoche.
Vom Namen her am bekanntesten aber ist der Wallfahrtsort Waghäusel, dritter Ort im Städtebund. Der Ursprung der Siedlung geht auf die Kapelle „Zum Waghus“ zurück. Die Überlieferung berichtet, daß um das Jahr 1435 beim Wagbach ein Schäfer im Lußhardtwald ein etwa zwei Spannen hohes steinernes Marienbildnis gefunden habe. Freudig nahm der Schäfer seinen Fund als kostbaren Schatz mit nach Hause. Aber am nächsten Morgen war das Bildnis verschwunden. Er fand es dort wieder, wo er es entdeckt hatte. Nachdem sich dieser Vorfall einige Male wiederholte, errichtete der fromme Schäfer in einem großen Eichenhain eine Nische, in der er das Bild zur Verehrung durch Vorüberziehende aufstellte.
Eines Tages führte der Wagbach reißendes Hochwasser. Als der Schäfer sich nicht traute, seine auf dem gegenüberliegenden Ufer grasenden Schafe mit einem Nachen in Sicherheit zu bringen, rief ihm eine geheimnisvolle Stimme aus der Mariennische im Eichenstamm zu : „Wag’s, wag’s!“ Darauf setzte der Schäfer über und verlor keines der ihm
anvertrauten Tiere. Durch dieses Wunder und weitere Gnadenerweise verbreitete sich der Ruf des Bildnisses schnell.
Um 1470 ließ der Speyerer Fürstbischof Mathias von Rammung an dem Platz eine Kapelle mit dem Namen „Zum Waghus“ bauen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließen sich in Waghäusel Kapuziner nieder und es entstand 1616 das heute noch existierende Kloster mit Wallfahrtskirche.
1724 errichtete der Rastatter Baumeister Michael Ludwig Rohrer für Fürstbischof Hugo von Schönborn ein Jagd und Lustschloß. Diese 16-eckige Eremitage diente den hohen Herren nach der Säkularisation bis 1810 als Wohnhaus und wird ob ihres Baustils noch heute in Fachkreises als Kleinod gehandelt.
Mit dem gesamten rechtsrheinischen Gebiet Speyers fiel das Schlößchen an die Badische Domäne und wurde 1837 an die Badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation (die heutige Südzucker AG) veräußert, die dort noch bis vor Kurzem eine bedeutende Zuckerfabrik unterhielt.
Der Ort wurde aber auch bekannt durch die „Schlacht bei Waghäusel“ im Jahr 1849, als dort am 21. Juni die Badische Revolutionsarmee unter General Mieroslawsk von den Preußen besiegt wurde. (og)
Obstbäume wurden bei Nacht gefällt
Reilingens nördlichstes Baugebiet ist der „Holzrott“ mit den Straßen In der Holzrott, Adolph-Ritzhaupt-Straße und dem Jargeauring. Während die beiden letzten an den ersten Ehrenbürger der Gemeinde und die französische Partnergemeinde an der Loire erinnern, verweist die erstgenannte Straße nochmals auf das frühere Gewann „Holzrott“.
Bis 1819 stand hier ein Eichen und Forlenwald, den sich Hockenheim und Reilingen miteinander teilten. Obwohl zwei Drittel des Waldes den nördlichen Nachbarn gehörte, war der Boden klar in Reilinger Besitz. Der Wald erstreckte sich auf rund 32 Hektar beiderseits der heutigen L 599 bis hin zum Kraichbach. Noch 1779 hatte das Churfürstliche Hofgericht Hockenheim das Recht bestätigt, seinen Anteil „durch einen Schützen begehen zu lassen, aber die Strafen sind vom
Gericht in Reilingen zu decredieren“. Kurze Zeit später wurde das Recht dahingehend erweitert, auch Feldfrevler aus Reilingen zu bestrafen und die Strafen einzuziehen. Um den Besitz und die Rechte zu dokumentieren, setzte Hockenheim zahlreiche Grenzsteine.
Der schwehlende Streit wurde dann 1818 akut, denn beide Gemeinden wollten ihren Holzrottwald fällen und in Ackerland umwandeln. Hockenheim ging dabei sogar noch ein Stück weiter und beantragte beim Großherzoglichen Amt in Schwetzingen, den eigenen Waldteil auch in die Gemarkung „einzuverleiben“. Im Juni 1818 versuchte der Oberamtmann aus Schwetzingen eine Einigung herbeizuführen und ludt die Kontrahenten zu einem Ortstermin in den Holzrottwald ein. Trotz intensiver Bemühungen kam es zu keinem Ergebnis. In Reilinger Gerichts(Gemeinderats)protokollen ist zu lesen, daß man werde „nie einwilligen, weil es gerade wäre, als wollte man ihnen das Herz nehmen“.
Die Angelegenheit wurde dem Directorium des Neckarkreises zur Entscheidung vorgelegt. Trotz der Fürsprache durch den Oberamtmann in Schwetzingen wurde der Hockenheimer Antrag von der Mannheimer Behörde abgelehnt. Gegen diese Entscheidung erhob Hockenheim dann 1819 Widerspruch beim „Großherzoglichen Höchstpreißlichen Ministerium des Innern“ in Karlsruhe. Aber auch hier versagte man „einer Losreißung aus der Gemarkung Reilingen und Einverleibung in die Gemarkung Hockenheim“ die Genehmigung.
In der Zwischenzeit waren mehr als 80 Jahre vergangen, doch an den Stammtischen beider Gemeinden blieb der Holzrottstreit lebendig. Und nicht selten sorgte der Streit um dieses Thema für Schlägereien auf den Kerwen in Hockenheim und Reilingen. Über Nacht wurde die Angelegenheit aber plötzlich wieder aktuell. Mit einem „Geheimkommando“ rückte Reilingens Bürgermeister Bernhard Eichhorn in einer Nacht des Jahres 1901 aus und ließ alle Bäume rechts und links der Straße nach Hockenheim bis zur Gemarkungsgrenze fällen. Die Obstbäume entlang der Straße mußten von der Gemeinde Reilingen unterhalten und geerntet werden, der Ertrag aber mußte nach Hockenheim abgeliefert werden.
Im Rathaus der jungen Stadt war man empört und erhob vor der Vierten Civilkammer des Civilgerichts Mannheim Klage gegen die Nachbargemeinde. Das Gericht verurteilte Reilingen zum Schadensersatz. Für die gefällten acht Obstbäume mußten 549 Mark an die Stadtkasse Hockenheim als Entschädigung bezahlt werden. Zur Schadenfreude der Reilinger mußte aber Hockenheim 84 Prozent der Kosten des Rechtsstreites übernehmen.
Noch heute ist die Stadt Hockenheim Eigentümer des Zwei-Drittel-Anteils und zahlt dafür Grundsteuer nach Reilingen. An den Stammtischen wird immer wieder mal dieses Thema aufgegriffen, denn „die Reilinger hatten“, so steht es im aktuellen Heimatbuch zu lesen, „stets das Gefühl, daß sie in der Holzrottsache übervorteilt und hereingelegt wurden.“
Mord am Hockenheimer Forsthüter Auer
Wenn von Wilderergeschichten die Rede ist, taucht fast immer das
bekannte Bild des gamsbarttragenden Wildschützen auf, der seinem
romantisch verklärten Treiben vor dem Alpenpanorama nachgeht.
Doch auch in der Schwetzinger Hardt war die Wilderei einmal zu
Hause. Nicht als exotische Randerscheinung, sondern als immer
wiederkehrende Tatsache, die recht häufig Jagdhüter, Förster und
die Polizei beschäftigte.
In einem alten Gerichtsprotokoll ist noch heute zu lesen: „Am
Radbuckel wurde am 7. August 1871 morgens vier Uhr der
Hockenheimer Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, in der
Erfüllung seines Berufes durch Mörderhand erschossen.“ Beifügt
ist dieser amtlichen Feststellung eine Notiz des
großherzoglichbadischen Landgendarmen Heinrich Neuner: „Wir
haben heute die traurige Aufgabe einen Mord festzustellen, der im
Wald zwischen Hockenheim und Schwetzingen verübt wurde. Der
Forsthüter Stephan Auer, 43 Jahre alt, von Hockenheim, wurde
gestern Nachmittag halb 2 Uhr in der Abtheilung „Radbuckel“ todt
auf dem Gesichte liegend aufgefunden. Neben ihm lag ein brauner
Filzhut und ein Gewehrhahn mit einem Schaftfutter von der Waffe
des Thäters. Auer hatte einen Schuß in die Herzgegend und einen
Schlag auf den Hinterkopf erhalten“.
Auer war seit 1858 in den Diensten der Gemeinde Hockenheim und
erhielt ein Jahresgehalt von 300 Gulden. In der Heidelberger
Straße bewohnte er mit seiner Frau Margaretha und seinen Kindern
Martha und Martin ein bescheidenes Häuschen. Zudem betrieb er
nebenher noch eine kleine Landwirtschaft für den täglichen
Bedarf. Nach dem dem Tod begann für die Familie eine schwierige
Zeit, denn eine Hinterbliebenenrente gab es damals noch nicht.
Aus Anlaß der Ermordung des beliebten Forsthüters wurde im
Kirchenbuch der evangelischen Kirche folgender Eintrag vermerkt:
„Auer war ein pflichtgetreuer Bediensteter, Mann und Vater, wie
es nur wenige giebt, und zeichnete sich während seines Lebens
durch seine Rechtlichkeit und sein solides Wesen aus. Mit
rastlosem Fleiße und einem seltenen Muthe suchte er seine Pflicht
zu erfüllen“.
Forst und Wildfrevel war zur damaligen Zeit ein weit
verbreitetes Delikt. Das Großherzogliche MinisterialForstbureau
formulierte drastisch: „In ganzen Norden Badens ist hiernach der
Forstfrevel in jeder Beziehung weitaus am frequentesten. Dies
erklärt sich teils durch die verhältnismäßig größere Anzahl von
mit Nahrungssorgen schwer belasteten Familien, vorzugsweise aber
durch die den Mannheimer Proletariern nicht selten eigene Scheu
vor anstrengender Arbeit bei teilweiser Entsittlichung der
niedersten Volksklasse“.
Die Nachricht über den Mord verbreitete sich wie ein Lauffeuer
durch das Dorf. Ganze Volksscharen pilgerten hinaus in den Wald.
Die Landpolizei arbeitete fieberhaft an dem Fall und alle
Ermittlungen konzentrierten sich auf den am Tatort aufgefunden
Hut. Um den Mordfall aufzuklären und die Wilderei um Hockenheim
einzudämmen, setzte der Gemeinderat eine Prämie aus: „100 M. dem
Finder des Gewehres, womit der Forsthüter Auer ermordet wurde; 50
M. dem, der im hiesigen Walde oder Felde einen Wilderer, mit
einem Jagdgewehre versehen, mit Erfolg zu rechtskräftigen
Bestrafung anzeigt; 20 M. dem, der einen Wilddieb dahier auf dem
Stellen von Schlingen betrifft und zur Strafe bringt“.
Die Fahndungsarbeit der Polizei hatte tatsächlich Erfolg. Knapp
drei Wochen später stand in der Zeitung folgende Meldung: „Der
verheiratete Taglöhner Daniel Kreiner aus Walldorf, der schon am
- August nebst einigen Anderen verhaftet wurde, hat sich als
Eigenthümer des bei dem ermordeten Waldhüter Auer gefundenen
Hutes herausgestellt. Daß man nicht gleich den Kreiner, obwohl
verdächtig, als Eigenthümer des Hutes bezeichnen konnte, hat
seinen Grund wohl darin, daß er denselben nur zum Wildern trug,
also mit seinem Gewehr im Walde vielleicht versteckt hatte; sonst
trug er denselben nicht.“
Den Mord an Waldhüter Auer nahm das Schwetzinger Bezirksamt zum
Anlaß, die Einstellung eines zweiten Forsthüters in Hockenheim zu
fordern, um so der Wilderei und dem Waldfrevel besser begegnen zu
können. Diese Forderung wurde vom Hockenheimer Gemeinderat strikt
abgelehnt. In seiner Sitzung am 14. September 1871 monierte er
die finanzielle Belastung: „… erachten es aber auch als
besondere Pflicht, bei den jährlich sich mindernden Einnahmen die
jährlich sich mehrenden Ausgaben auf das Nothwendigste zu
reduzieren, um so die meistens aus unbemittelteren Leuten
bestehende hiesige Gemeinde vor Gemeindeumlagen zu schützen und
dadurch den Wohlstand zu heben und beschließen einstimmig auf die
Besetzung einer zweiten Waldhüterstelle nicht eingehen zu
dürfen“.
Das Wildern schien damals in weiten Bevölkerungskreisen als
Kavaliersdelikt betrachtet worden zu sein. So konnte die Ehefrau
des Wilderers Daniel Kreiner lange vor dem Mord an Auer ihren
Bekannten unbekümmert erzählen, daß ihr Mann gerade weg sei, um
nach den Schlingen zu sehen, die er gestellt habe und daß er beim
Wildern als einen Hut trage.
Im Oktober 1871 kam es zur Verhandlung vor dem Badischen
Schwurgericht in Mannheim. Über den Indizienprozeß gegen den 37
Jahre alten Taglöhner Daniel Kreiner wegen feigen Todschlags,
Schlingenstellens und Berufsbeleidigung wurde in der „Mannheimer
Zeitung“ ausführlich berichtet. Der Prozeß mit über 60 Zeugen war
auf drei Tage terminiert, Kreiner wurde durch den Rechtsanwalt
Rosenberger verteidigt.
Der Tathergang wurde rekonstruiert: „Am Morgen des 7. August
abhin, früh um 4 Uhr, begab sich der Forst und Jagdhüter Stephan
Auer von Hockenheim, ohne Flinte, nur mit einem Stocke versehen
und mit seiner Dienstmütze bekleidet, in die Abteilung Radbuckel
des Hockenheimer Waldes, um Streufrevlern aufzupassen. Um 6 Uhr
des Morgens wollte er seiner ausgesprochenen Absicht nach auf
seinem Rückweg in der Waldabtheilung Eichelgärthen das Aufladen
von Holz überwachen und dann um 8 Uhr wieder zu Hause sein. Am
Nachmittag des folgenden Tages wurde er todt aufgefunden mit
durchschossender Brust und eingeschlagenem Schädel. Bei der
Leiche lag ein alter rothbrauner Filzhut und ein starker
Gewehrhahn, sowie zwei Knöpfe und der durchschossene Rock des
todten Mannes. Das ärztliche Gutachten ging dahin, daß der in das
Herz eingedrungene Schrothschuß, der absolut tödtlich gewesen,
von fremder Hand absichtlich und nicht etwa in Folge zufälligen
Losgehens des Gewehres während einer etwa stattgehabten Rauferei
zugefügt worden sei, daß dann Auer sofort in die Knie gesunken
und, bereits mit dem Tod kämpfend, von dem Angreifer durch rasch
aufeinander folgende, mit furchtbarer Gewalt geführte Hiebe mit
einem Gewehrkolben vollends getödtet worden sei. Als
muthmaßliche Täter wurden mehrere Walldörfer Einwohner, die als
unverbesserliche Wilderer bekannt sind, verhaftet, jedoch bald
wieder freigelassen mit Ausnahme des heutigen Angeklagten. Gegen
diesen, eine außerordentlich häufig schon wegen Forst und
Jagdfrevels bestrafte, als unverbesserlicher Wilderer bekannte
und gefürchtete Persönlichkeit, häuften sich die Beweismomente,
daß er den Auer um’s Leben gebracht habe, in einer Weise, daß
dessen Verweisung vor’s Mannheimer Schwurgericht erfolgte, obwohl
er selbst seine Schuld beharrlich läugnete“.
Mehrere Indizien sprachen für die Schuld von Kreiner: So war er
zur Tatzeit unweit vom Tatort im Wald gesehen worden. Außerdem
gehörten ihm der Gewehrhahn und der Hut. Dazu hieß es in der
Berichterstattung: „Darnach erscheint der Anklage die Vermuthung
gerechtfertigt, daß der Waldhüter beim Zusammentreffen mit
Kreiner diesem den Hut entrissen habe, um ein Beweismittel gegen
ihn zu haben, und dann von jenem getödtet worden sei.“
Obwohl Kreiner weiter beharrlich leugnete, verdichteten sich die
Beweise.
Nach drei Verhandlungstagen und abschließender Beratung lautete
das Urteil der Geschworenen auf „schuldig“ mit Ausschluß
mildernder Umstände. Kreiner wurde zu 15 Jahren Zuchthaus und auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf weitere zehn Jahre
verurteilt. Einige Tage nach der Verurteilung gestand Kreiner im
Zuchthaus in Bruchsal seine Schuld ein. Er sollte die
Schwetzinger Hardt, in die es ihn immer wieder getrieben hatte,
nicht wiedersehen. Im Herbst 1883 starb der Wilderer Daniel
Kreiner in der Zelle 163 des Bruchsaler Zuchthauses an den Folgen
einer nicht ausgeheilten Diphtherie. (og)
Essen für die Honoratioren
Am 21. und 22. März 1897 wurde überall im Deutschen Reich der 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. gefeiert. Obwohl der preußische Monarch bereits 1888 verstorben war, blieb es für die Bevölkerung ein bedeutsamer Gedenktag. Immerhin war es Wilhelm I. gewesen, der nach der Reichsgründung 1871 zum ersten deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Weiterlesen
