Mit der Erwerbung des Gatterer-Apparates für das Landesarchiv Speyer kehrt ein Stück Kulturgut an den Oberrhein zurück, dem hinsichtlich seiner historischen Bedeutung für diesen Landstrich kaum etwas an die Seite gestellt werden kann
Bereits aus der Zeit vor dem Tod Christoph Wilhelm Jakob Gatterers (1838) gibt es Hinweise auf Pläne zum Verkauf der Sammlung. Allem Anschein nach ist noch zu seinen Lebzeiten oder unmittelbar nach seinem Tod ein Teil davon an den mit ihm befreundeten Grafen Carl von Graimberg veräußert worden, der seine Sammlung testamentarisch der Stadt Heidelberg vermachte. Ein Teil der heutigen Urkundenbestände im Heidelberger Stadtarchiv könnte demzufolge ursprünglich aus dem Besitz Gatterers stammen, doch sind zur endgültigen Klärung dieser Frage noch weitere Forschungen nötig.
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Speyer
Wie die Eisenbahn in die Pfalz kam
Der 10. Juni 1847 war ein großer Tag: Überall in den Städten der Rheinebene wurde gefeiert und gejubelt, denn an diesem Tag nahm die erste pfälzische Eisenbahn ihren Betrieb auf und dampfte erstmals auf der Strecke von Ludwigshafen nach Schifferstadt und von dort nach Neustadt oder Speyer. Bereits in aller Herrgottsfrühe, um 7 Uhr morgens, hatten sich Beamte, Stadträte, Geistliche und andere Ehrengäste am Bahnhof in Speyer versammelt, um bei der feierlichen Eröffnungsfahrt dabei zu sein. Das Musikkorps spielte, Böllerschüsse ertönten, Reden wurden gehalten. Als der Zug, gezogen von der Dampflok „Haardt“, in Ludwigshafen eintraf, bot sich den Festgästen ein ähnliches Bild: Die Hafengeschütze feuerten Salut, Schiffe und Hafengebäude waren mit bunten Flaggen geschmückt.
Um 10 Uhr ging es weiter nach Neustadt, auch dort wurde der Zug feierlich empfangen. Der Regierungspräsident hatte eine Rede über die Bedeutung der neueröffneten Strecke vorbereitet und erklärte schließlich die Bahn im Namen Seiner Majestät, König Ludwig I. von Bayern, für eröffnet.Um 13 Uhr dampfte der Zug zurück nach Speyer. Überall an der Strecke grüßten Schulklassen mit Fähnchen. In Speyer kehrten die hungrigen Zugreisenden im „Wittelsbacher Hof“ zu einem Mittagessen ein und konnten so gestärkt abends beim Festball noch eine gute Figur beim Tanzen abgeben. Drei Tage wurde noch gefeiert, die Hälfte der Einnahmen des Eröffnungstages wurde großzügig der Armenfürsorge gespendet.
Finanziert und realisiert hatte das Bauprojekt die eigens zu diesem Zweck gegründete Aktiengesellschaft „Pfälzische Ludwigsbahn“ mit Sitz in Speyer. Ihrem Direktor, dem Ingenieur Paul von Denis, muß damals ein Stein vom Herzen gefallen sein: Die zermürbenden Diskussionen um Trassenführung und Finanzierung waren vorbei, jetzt konnte ein neues Zeitalter beginnen und die ganze Pfalz ans Schienennetz angeschlossen werden. Paul von Denis hatte sich bereits durch den Bau der ersten deutschen Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth 1835 einen Namen gemacht.
Bereits um 1830 wurden Pläne zum Bau einer Eisenbahn durch die bayerische Pfalz entworfen. Erfolgreiche Unternehmer wie Ludwig von Gienanth aus Hochstein, Philipp Lichtenberger aus Speyer oder Johann Heinrich Scharpf von der Rheinschanze machten der bayerischen Regierung nach Jahren der fruchtlosen Diskussion schließlich Druck. Den Strategen in München bereitete insbesondere die Nähe zum ehemaligen Kriegsgegner Frankreich Bauchweh. Depeschen eilten zwischen Berlin (das Saarland war seit dem Wiener Kongreß unter preußischer Herrschaft), Paris (das Elsaß gehörte seit der Französischen Revolution zu Frankreich) und München hin und her. Es wurde verhandelt, begutachtet und abgewogen.
Am 26. Dezember 1837 hatte sich Ludwig I., kein großer Anhänger der Eisenbahnidee, zu einem Entschluß durchgerungen. Seine Majestät der König verfügte hoheitsvoll den Bau zweier Eisenbahnen ausgehend von der Rheinschanze, dem späteren Ludwigshafen. Zum einen sollte die Strecke ins saarländische Bexbach führen, zum anderen ins elsässische Lauterburg. Wichtiger Passus der Anordnung: „Das Privilegium zur Errichtung einer jeden dieser Bahnen soll auf eine bestimmte Zeitdauer und zwar höchstens von 99 Jahren beschränkt … werden.“
Der damals neugegründeten Aktiengesellschaft gewährte der Staat schließlich anno 1841 einen jährlichen Zinsertrag von vier Prozent aus dem Bau und Einrichtungskapital begrenzt auf 25 Jahre. Heftige Diskussionen über die Streckenführung folgten. Am 7. Februar 1841 entschieden sich die rund 250 Bahnaktionäre für eine Trassenführung von Ludwigshafen über Neustadt durchs Neustadter Tal ins Saarland. Die Pläne einer Lauterburger Strecke verschwanden sang und klanglos in den Schubladen.
Lediglich Speyer sollte über den neuen Verkehrsknoten Schifferstadt an die Ludwigsbahn angebunden werden. Von der geplanten Bahnlinie erhofften sich die Gründer einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Pfalz. Schneller und preiswerter
wollten die Pfälzischen Papiermühlen, die Schuhhersteller, Brennereien, Webereien, Glashütten und Zigarrenfabrikanten ihre Ware mit der Bahn nach Ludwigshafen und Mannheim transportieren und von dort aus in die Schweiz, die Niederlande, die Länder des deutschen Bundes und später auch nach Frankreich.
Die Gienanth-Werke konnten zukünftig auf der Schiene Eisenerz transportieren. Außerdem wurden durch diese Ost-West-Verbindung die saarländischen Kohlegruben an den Umschlagplatz Mannheim angebunden. Saarländische Kohle konnte fortan mit der aus dem Ruhrgebiet konkurrieren. Aber auch die rund 40 pfälzischen Steinkohlegruben profitierten von der Bahn. Und nicht zuletzt begrüßten die steinkohleverarbeitenden Betriebe in der Pfalz die schnellere Belieferung mit dem „schwarzen Gold“. Ein weiteres Argument der Pfälzer war die damalige Holzknappheit. Nicht jede Familie konnte sich Holz zum Feuern leisten, die Bahn bot die Möglichkeit, den Brennstoff Steinkohle direkt in die Orte der Pfalz zu liefern.
Im April 1845 konnten die ungeduldigen pfälzischen Bahnpioniere zum ersten Spatenstich ansetzen. 1847 wurden die ersten Strecken nach Speyer und Neustadt eingeweiht. Die Fahrzeit von Neustadt nach Haßloch betrug damals 19 Minuten, von Schifferstadt nach Speyer 20 und von Speyer nach Ludwigshafen 50 Minuten. In Ludwigshafen brachte eine Kutsche den Reisenden dann nach Mannheim, wo er Anschluß nach Basel, Frankfurt, Straßburg oder Mainz hatte.
Große Probleme brachte die Trassenlegung durch das Neustadter Tal: Zwölf Tunnels mußten zwischen Neustadt und Kaiserslautern gesprengt werden. Erst im August 1849 konnte die ganze Linie bis ins Saarland eröffnet werden. Der Ausbau des Pfälzer Schienennetzes und die Vernetzung mit angrenzenden Bahnen beispielsweise in Hessen oder Baden folgten in den folgenden Jahren Schlag auf Schlag. 1853 ging eine Linie LudwigshafenWorms in Betrieb, 1852 wurde mit dem Bau der Maximiliansbahn begonnen, die Neustadt mit Weißenburg verbinden sollte.
Eine zweite Aktiengesellschaft, die „Pfälzische Maximiliansbahn“, wurde ins Leben gerufen. Erfolgreiche Verhandlungen mit Frankreich über Zollabfertigung und Beförderungstarife machten es schließlich möglich, daß am 26. November 1855 die ersten Fahrgäste von Neustadt über Landau ins Elsaß fahren konnten.
Zwei weitere Aktiengesellschaften wurden in den folgenden Jahren aus der Taufe gehoben: 1862 gründete sich die „Neustadt-Dürkheimer Bahn AG“, die Strecke konnte schließlich 1965 (!) eingeweiht werden. Die vierte Aktiengesellschaft „Pfälzer Nordbahnen“ erschließt insbesondere die Nord- und Westpfalz. 1868 rollten die ersten Loks von Landstuhl nach Kusel, 1871 nahm die Alsenzbahn von Hochspeyer nach Münster am Stein ihren Betrieb auf.
Damit auch wirtschaftlich schwächere Regionen mit den Vorzügen des Schienenverkehrs gesegnet werden konnten, entschlossen sich die Aktiengesellschaften 1869 zu einer Fusion die Dürkheimer Bahn war bereits Teil der Nordbahnen. Geleitet von einer gemeinsamen Verwaltung sollte Bau und Betrieb weiterhin auf eigene Rechnung laufen. Bayern garantierte erneut feste Zinsbezüge von 4,5 Prozent. Dem Fusionsvertrag wurde allerdings nur unter zwei Bedingungen zugestimmt: Vom 1. Januar 1905 war der bayerische Staat berechtigt, das Eigentum der Gesellschaften zu erwerben, außerdem wurde der Bau bestimmter Strecken angeordnet, damit auch die Menschen in Pirmasens oder im Donnersbergkreis den Wind der neuen, mobilen Zeit schnuppern konnten.
Es folgten weitere wirtschaftlich fette Jahre, die Pfälzische Eisenbahn entwickelte sich zu einem der größten deutschen Privatunternehmen. In ihrem Besitz: 872 Kilometer Strecke, 354 Lokomotiven, über 10.000 Wagen und rund 12.000 Angestellte. 1908 reisten fast 17 Millionen Fahrgäste (1850: 95.000) per Bahn durch die Pfalz, fast elf Millionen Tonnen Güter wurden auf dem Schienenweg transportiert.
Bis 1879 trieben die Ingenieure und Planer energisch den Anschluß an die Fernverbindungen voran. Ab 1879 werden die Maschen des Nahverkehrsnetzes noch enger gezogen. Die Pionierjahre der Pfälzischen Eisenbahnen waren jetzt endgültig vorbei. Ihren Abschluß fand die Entwicklung 1909, als Bayern die Pfälzischen Eisenbahnen gemäß dem Fusionsgesetz
verstaatlichte. Ein Grund für diese Entscheidung war der Konkurrenzdruck durch die bereits verstaatlichten hessischen und preußischen Eisenbahngesellschaften. Nicht lange konnte sich Bayern an der florierenden Bahn erfreuen. 1918 dankte der König nach Ende des 1. Weltkrieges ab. Aus der „Königlichen Bayerischen Eisenbahndirektion“ in Ludwigshafen wurde die „Reichsbahndirektion“. Auch sie bestand nur kurze Zeit: 1937 wurde die Reichsbahndirektion Ludwigshafen aufgelöst, das pfälzische Bahnnetz löcherig, Teile gingen an Karlsruhe und Saarbrücken.
Nachdem das Streckennetz der Ludwigsbahn erst in privater Hand, dann Eigentum des Staates war, ist es heute in den Händen der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Netz mit Sitz in Kaiserslautern.
Aus: Die Rheinpfalz, Siegrid Becker, 10.06.1997
Wiesental geprägt von Krieg und großer Not
Wiesental, heute ein Stadtteil der Stadt Waghäusel, blickt 1997 auf eine lange und vor allem sehr wechselhafte 700jährige Geschichte zurück. Kriege, große Not und Armut prägten die Geschichte. Was mehr als 20 Kriege und Belagerungen nicht zerstörten, zerstörten Vandalismus und Naturkatastrophen. Unsägliches Leid aber brachten auch acht Pest- und
Ruhrepedemien in die Bruhraingemeinde, die gar nicht so idyllisch in einem Wiesental liegt, wie der Namen den Anschein erweckt. Selbst die heutige Geschichtsforschung weiß noch nicht so genau, woher der Ortsname eigentlich stammt. Weiterlesen
Unter dem Kaiserdom ruhen die toten Salier
Speyerer Dom als Grabeskirche der deutschen Herrscher
Es gibt nur wenige Bauwerke, die Glanz und Größe der Geschichte so vereinen wie der Kaiserdom in Speyer. Rechnet man zu der eigentlichen Bauzeit noch einmal alle Umbauten hinzu, wurde fast 900 Jahre an der monumentalen Kirche am Rhein gebaut. Und für fast 300 Jahre war sie zugleich Grabeskirche der deutschen Herrscher.
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Die beschwerliche Reise nach Canossa
Im Dezember 1076 wurden die Speyerer unfreiwillige Zeugen einer
der bekanntesten Reisen in der Geschichte. Der 26jährige
Salierkönig Heinrich IV. brach vom Dom aus nach Canossa auf, um
bei Papst Gregor VII. Abbitte zu leisten. Es wurde ein bitterer
Bußgang für den ehrgeizigen König, der zum geflügelten Wort
werden sollte. Hoch zu Roß und nur mit einem kleinen Troß im
Gefolge zog der König nach Süden, Richtung Italien. Grund für
diese Reise war ein erbitterter Machtkampf zwischen Kirche und
weltlicher Macht im Mittelalter.
Durch den Investiturstreit, einem Konflikt über die Ernennung von
geistlichen Würdenträgern durch Laien, brach ein offener Konflikt
zwischen weltlicher und kirchlicher Macht aus. Vor allem über die
Besetzung des Mailänder Erzbistums und der Politik gegenüber den
Reichsbischöfen geriet Kaiser Heinrich mit Papst Gregor in
Streit. Er ließ 1076 durch eine Synode in Worms den Papst
absetzen, worauf Gregor ihn bannte und Heinrichs Untertanen vom
Treueeid entband. Dies war die erste Absetzung eines deutschen
Herrschers durch einen Papst.
Bisher hatten der mittelalterliche Staat und die Kirche eine
Einheit gebildet, die vom deutschen König und dem Papst
garantiert wurde. Doch Heinrich IV. und Gregor VII. brachen mit
dieser Tradition, denn der Salierfürst hatte ein sehr weltliches
Machtverständnis. Als der Papst den weltlichen Fürsten das Recht
über die Ernennung von Bischöfen aberkennen wollte, sperrte sich
Heinrich. Er ging in die Offensive und stellte die Autorität des
höchsten Kirchenfürsten in Frage.
Der Streit mit dem Papst spaltete auch die deutschen Fürsten. Den
einen war der machthungrige Heinrich ohnehin ein Dorn im Auge,
andere standen zu ihm. Gregor VII. hatte mit dem Kirchenbann zu
seiner schärfsten Waffe gegriffen. Wen der Bann traf, war aus der
Kirche ausgestoßen, exkommuniziert und vogelfrei. Der Papst
setzte ferner ein Ultimatum in Kraft, wonach ein neuer König
gewählt werden sollte. Die Mehrheit der Fürsten und Bischöfe
wandten sich nun vom König ab. In Trebur beschlossen sie seine
Absetzung, falls er sich nicht mit der Kirche aussöhnte. Jetzt
ging es um Heinrichs Kopf, denn die Mehrheit der anderen Fürsten
war bereit, einen neuen König zu wählen.
In die Enge getrieben blieb ihm letztlich nur noch eine
Möglichkeit: Er mußte den Papst umstimmen, der auf dem Weg von
Rom nach Deutschland war, um die neue Königswahl voranzutreiben.
So machte sich Heinrich im Dezember 1076 von Speyer gen Süden
auf. Heinrich reiste mit kleinem Gefolge und hatte keine Soldaten
bei sich. Ihn begleiteten seine Frau Bertha und sein Sohn, der
Thronfolger Konrad, sowie einige Bischöfe und ein paar
Bedienstete mit dem Gepäck.
Die Reise ging über Straßburg nach Besancon, wo die Gesellschaft
bei dem königstreuen Grafen Wilhelm von Burgund das
Weihnachtsfest feierte. Dieser Riesenumweg auf dem Weg nach
Italien war notwendig, da der schwäbische und der bayerische
Herzog die Alpenübergänge für Heinrich gesperrt hatte. So blieb
dem König nur der Weg über Frankreich. Er überquerte den Jura und
gelangte durch die Schweizer Alpen nach Italien. Ein
zeitgenössischer Geschichtsschreiber berichtete, wie die
Reitpferde beim Überschreiten der verschneiten Paßstraße am Mont
Cenis in Schluchten stürzten. Ortskundige Führer hätten die
Reisenden über die gefährlichen Grate geleitet und die Damen des
Gefolges auf Rinderhäuten über die Schneefelder gezogen.
Gregor war inzwischen Richtung Deutschland aufgebrochen. In
seinem Gefolge befanden sich zwei Bischöfe und vier Mitglieder
der Kurie. Weihnachten verbrachte die Reisegruppe in Florenz.
Nach der Überquerung des vereisten Pos erreichte der Papst
Mantua. Hier wartete er auf die Gesandtschaft deutscher Fürsten,
die ihn nach Augsburg bringen sollten. Doch die Gesandtschaft kam
nicht. Gregor wurde nervös, als ihm Gerüchte zu Ohren kamen,
Heinrich sei im Anmarsch und wolle seine Anhänger in Oberitalien
zum Kampf gegen den Papst aufrufen. Doch dem war nicht so.
Heinrich wollte keine militärische Konfliktlösung.
Dennoch, der Papst ging lieber auf Nummer sicher. Er suchte
Schutz in der Burg seiner treuen und mächtigen Verbündeten,
Mathilde, Marktgräfin von Tuscien. Diese Burg lag auf einem Hügel
bei der Ortschaft Canossa, am Fuß des Apennin.
Unterdessen schickte Heinrich Boten aus, die mit dem Papst erste
Verhandlungen über die Bannlösung aufnehmen sollten. Der König
und sein Gefolge nahmen Quartier in der Burg Bianello, etwa zehn
Kilometer von Canossa entfernt und ebenfalls im Besitz der
Marktgräfin Mathilde. Zunächst pendelten Boten zwischen den
beiden Burgen hin und her. Doch die Verhandlungen über die
Aufhebung des Kirchenbanns gerieten ins Stocken. Als sie zu
scheitern drohten, dachte Heinrich über seine Abreise nach.
Da bot sich der Abt Hugo von Cluny, Heinrichs Taufpate, als
Vermittler an. Er arrangierte ein Treffen zwischen Heinrich und
Mathilde, an dem er auch selbst teilnahm, in der Burgkapelle
Montezane, auf halbem Wege zwischen Canossa und Bianello gelegen.
Mit einem Kniefall bat Heinrich die Gräfin, die übrigens auch
seine Cousine war, um Vermittlung.
Doch Gregor wollte nicht einlenken. Der Papst war fest
entschlossen, in Augsburg einem Schiedsgericht über Heinrich
vorzustehen und den deutschen Thronstreit selbst zu regeln. Die
Unterhändler verhandelten trotzdem weiter. Sie boten Gregor ein
neues königliches Treueversprechen und eine angemessene Buße an.
Was nun folgte, ging in die Geschichte ein:
Am Mittwoch, dem 25. Januar 1077, erschien Heinrich vor der Burg
Canossa. Er trug zum Zeichen seiner Buße ein grobgewebtes Gewand.
Trotz des Schnees ging er barfuß. Wie es das Bußritual
vorschrieb, klopfte er an das Burgtor und begehrte Einlaß.
Das Datum war klug gewählt, denn der 25. Januar war ein
kirchlicher Gedenktag. An diesem Tag soll Saulus zum Paulus
bekehrt worden sein. Damit brachte Heinrich den Papst in eine
Zwickmühle. Als Priester konnte er sich nicht von Heinrich
abwenden, der nach dem Vorbild von Saulus um Gnade flehte. Dieser
Schachzug paßte nicht in das machtpolitische Kalkül des
Kirchenfürsten. Doch an diesem Januartag geschah nichts. Für
Heinrich blieb das Burgtor geschlossen. Der König wartete eine
angemessene Frist und ritt in sein Quartier zurück. Den Rest des
Tages verbrachte er, wie vorgeschrieben, mit Beten und Fasten.
Am nächsten Tag ritt Heinrich erneut nach Canossa. Im Büßergewand
und barfüßig stand er wieder vor der Burg und begehrte Einlaß.
Abermals blieb Gregor hart. Er ließ den Salierfürst in der
eisigen Kälte stehen. Währenddessen setzten die Unterhändler ein
Schriftstück auf, das Bedingungen zur Bannlösung beinhaltete.
Am Freitag, dem 27. Januar, erschien Heinrich zum dritten Mal vor
der Burg. Die Ablehnungsfront begann zu brökeln. Gregors Berater
fingen an, dem Papst „ungewöhnliche Härte, ja sogar Grausamkeit
einer gleichsam tyrannischen Wildheit“ vorzuwerfen.
Doch noch blieb Gregor hart. Heinrich wurde kein Einlaß gewährt.
Der König kehrte wieder nach Bianello zurück, fastete und betete
weiter.
Heinrich ließ nicht locker. Am nächsten Tag, dem 28. Januar,
stand er zum vierten Mal vor dem Burgtor. Diesmal wurde seine
Mühe belohnt. Gregor ließ das Tor öffnen. Heinrich warf sich ihm
zu Füßen und bekannte sich schuldig. Der Priester in Gregor hatte
über den Machtpolitiker gesiegt. Der Papst entließ den König aus
dem Kirchenbann. In der Burgkirche wurde Heinrich ein in
lateinischer Sprache abgefaßtes Dokument überreicht. Der König
war des Lesens mächtig und konnte sich sofort ein Bild von der
Vereinbarung machen.
In Form eines urkundlichen Versprechens gelobte er dem Papst, den
Konflikt mit den Fürsten in einer angemessenen Zeit beizulegen und
sich Gregors Urteil zu unterwerfen. Außerdem mußte er dem Papst
für seine Reise nach Deutschland freies Geleit zusichern. Die
Vereinbarung wurde von zwei Bischöfen im Namen des Königs
beschworen.
Danach las Gregor die Messe und spendete dem reumütigen Heinrich
das Abendmahl. Durch diese klerikale Handlungen war der König
wieder in der Gemeinschaft der Kirche aufgenommen worden.
Schließlich nahmen die beiden Kontrahenten ein gemeinsames
Mittagessen ein. Die Aussöhnung zwischen König und Papst war
gelungen vorerst.
Doch die Harmonie sollte nicht lange währen. Heinrich hatte zwar
das Bündnis zwischen dem Papst und seinen deutschen Gegnern
beendet, doch hatte er mit seiner Unterwerfung unter den Papst
auch das Ende des Gottesgnadentums in Kauf genommen. Die Gegner
Heinrichs kümmerten sich wenig um die Versöhnung von Canossa und
wählten Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig. Der Papst hielt sich
zunächst aus dem Konflikt heraus. Heinrich konnte sich mit
Waffengewalt behaupten.
Auf der Fastensynode 1080 schlug sich Gregor wieder auf die Seite
von Heinrichs Gegnern. Erneut sprach er den Bann über den Salier
aus. Doch diese Waffe hatte sich abgenutzt. Im Oktober kam es zur
Entscheidungsschlacht in Merseburg. Heinrichs Heer wurde zwar
geschlagen, aber trotzdem errang der König den Sieg. Rudolf von
Schwaben starb auf dem Schlachtfeld und hatte seine rechte Hand,
mit der er einst Heinrich die Treue geschworen hatte, verloren.
Anhänger und Gegner sahen dies als Gottesurteil an. Es dauerte
bis zum August 1081, bis sich wieder eine Opposition bildete und
einen neuen Gegenkönig wählte, Hermann von Salm.
Unterdessen war Heinrich nach Rom gezogen, um sich zum Kaiser
krönen zu lassen. Gregor mußte nach Süditalien fliehen und starb
im Mai 1085 in der Verbannung in Salerno. Doch Heinrichs Triumph
währte nicht lange, denn eine deutschitalienische Koalition
wählte seinen Sohn Konrad zum Gegenkönig. Heinrich ließ den
eigenen Sohn ächten und ernannte seinen Zweitgeborenen Heinrich
V. zum König.
Doch die Aussöhnung mit der Kirche mißlang, weil Heinrich in der
Investiturfrage nicht nachgab. 1104 erhob sich auch Heinrich V.
gegen ihn. Er nahm seinen Vater gefangen und zwang ihn, im
Dezember 1105 abzudanken. Im Februar 1106 gelang dem Kaiser die
Flucht nach Lüttich. Von dort aus wollte er die Macht wieder
zurückerobern, doch da starb er immer noch exkommuniziert.
Es dauerte fünf Jahre, bis er, posthum vom Bann gelöst, in der
Gruft des Speyerer Doms seine letzte Ruhestätte fand.
Aus: Die Rheinpfalz, Michael Schmid, April 1996
Reform der Feier- und Festtagsordnung
Bischof Franz Christoph von Hutten sorgt im Jahr 1770 mit seiner Entscheidung für „Unruhe“ im Bistum Speyer
Die Reformfreudigkeit deutscher Fürsten in der Zeit vor der Französischen Revolution ist in erster Linie auf die Bewegung der Aufklärung zurückzuführen. Diese Aufgeschlossenheit ist nicht nur bei weltlichen, sondern auch bei geistlichen Territorien in ganz Europa wahrzunehmen. Sie wollten die „brüchig gewordenen Werte der Vergangenheit in ihrem Wahrheitsgehalt analysieren“ und neue Maßstäbe setzen. Die Reformfreudigkeit ist auch bei dem Speyerer Bischof Franz Christoph von Hutten festzustellen. Während seiner Regierungszeit von 1743 bis 1770 hat er eine Vielzahl von Reformgesetzen im weltlichen und kirchlichen Bereich erlassen. Allein über 400 Verordnungen für den kirchlichen Bereich sind überliefert. Weiterlesen
Das Magdalenenkloster überm Hasenpfuhl vor Speyer
„St. Magdalena ist das älteste Frauenkloster in der Stadt Speyer.
Es liegt nördlich des Domes in der Speyerer Vorstadt überm
Hasenpfuhl, welcher ist ein alter Rheinarm, der die Vorstadt von
der Speyerer Altstadt und dem Domhügel trennt. An ihm befand sich
im Mittelalter der Speyerer Stapelplatz“. Dieser Hinweis auf das
Kloster St. Magdalena und seine topographische Darstellung ist in
einem RheinReiseführer nachzulesen, der um die Jahrhundertwende
in Mainz gedruckt worden war.
Die Geschichte des Speyerer DominikanerinnenKlosters reicht
zurück bis ins frühe 13. Jahrhundert. Es ist eine wechselvolle
Geschichte des Nonnenklosters, das ursprünglich dem kleinen Orden
der Reuerinnen (Büßerinnen) angehörte. Erstmals belegt ist das
Kloster St. Maria Magdalena im Jahre 1232. Der Name der
Klosterpatronin St. Magdalena wurde dann beim Wechsel zu den
Dominikanerinnen 1304 beibehalten.
In den Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof und der freien
Reichsstadt unterstützten die Nonnen immer wieder die Speyerer
Bürger, was dem Kloster durch eine stattliche Anzahl von
Schenkungen vergolten wurde. Die ständig wachsende Bedeutung des
klösterlichen Lebens überm Hasenpfuhl im ausgehenden Mittelalter
fällt mit dem glanzvollsten Abschnitt der Stadtgeschichte
zusammen.
Das Kloster schloß sich 1462 der ordensinternen Reformbewegung an
und erlebte eine große geistige Blüte. Kurz vor der
„Protestation“ auf dem Reichstag von 1529 und vor der Verlegung
des Reichskammergerichtes befinden sich Stadt und Kloster auf
einem
Höhepunkt. Damals gab es neben den vielen Stiftskirchen,
den Pfarrkirchen, den öffentlichen und privaten Kapellen in der
Reichsstadt auch fünf „Mannsklöster“.
Die Nonnen von St. Magdalena überstanden die Reformation und die
Zerstörung der Freien Reichsstadt 1689 im FranzösischPfälzischen
Erbfolgekrieg. Die teilweise Flucht der Ordensschwestern 1792 und
1793, auch die Säkularisation mit der Versteigerung des
Klosterbesitzes 1802, konnte den Fortbestand des Klosters nicht
unterbrechen. Einige der Nonnen kauften die Klostergebäude zurück
und wohnten darin, bis durch Urkunde vom 1. Dezember 1826 König
Ludwig I. von Bayern die Wiedererrichtung des Klosters überm
Hasenpfuhl genehmigte.
Ein wichtiges Datum im 19. Jahrhundert ist die Gründung eines
Erziehungshauses. Die 1816 gegründete „Lehranstalt für Kinder
weiblichen Geschlechts“ (beider Konfessionen) und die 1829
eröffnete, öffentlich geförderte Mädchenschule fanden in der
Stadt großen Anklang. Schon bald wurde die pädagogische Tätigkeit
der Nonnen unter der Anleitung der Priorinnen des Klosters zu
einem Schwerpunkt klösterlichen Wirkens.
Heute ist St. Magdalena bekannt als Mutterhaus einer
Kongregation, die sich vor allem im Schulbereich und in der
LateinamerikaMission engagiert. Zur Kongregation gehören 86
Schwestern in Deutschland und 78 Schwestern in Lateinamerika
(Stand 1996). Angesehen ist das Kloster aber auch als
Wirkungsstätte der seligen Edith Stein.
Einige Besonderheiten weist das Kloster im Schatten des Domes
allerdings auf: Als einziges der einst zahlreichen
mittelalterlichen Klöster der Rheinpfalz besteht St. Magdalena
bis zum heutigen Tag als klösterliche Gemeinschaft fort. Bewahrt
wurde nicht nur die Kontinuität der Schwesterngemeinschaft,
sondern auch das Klosterarchiv das einzige ungestört erhaltene
mittelalterliche Klosterarchiv aus der Pfalz. Ungestört heißt, es
ist von Abgabe und Umordnungsaktionen, wie sie vor allem im 19.
Jahrhundert vorkamen, verschont geblieben.
Zu den Schätzen des Klosterarchivs gehören Schutzbriefe von
Päpsten und Kaisern, Prozeßurkunden und Schenkungen. Besonders
reichlich sind Urkunden zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters.
Die Besitzungen und Einkünfte kamen aus der ganzen Region: von
Frankenthal, Dannstadt und Deidesheim im Norden, Kandel und Landau
im Süden. Auch rechtsrheinisch gab es Besitzungen, so in Walldorf
und Dielheim. Besonders groß waren die Schenkungen aus der Stadt
Speyer.
Die älteste noch erhaltene Urkunde ist datiert im Oktober 1232.
Ein Speyerer Bürger namens Walter Bart schenkte dem Kloster
Einkünfte aus Walldorf (Baden). Unter den vier Siegeln befindet
sich auch das älteste Exemplar des Speyerer Stadtsiegels das
bis ins 18. Jahrhundert geführt wurde. Das in der Speyerer
Stadtgeschichte beschriebene Stadtsiegel mit dem Speyerer Dom in
Nordansicht und der Madonna mit Kind wurde also schon vor dem
Jahr 1263 verwendet früher, als alle Historiker bisher
angenommen hatten. Die Übereignung der Einkünfte aus Zehnten,
Wiesen, Zinsen und allen Beträgen, erfolgte mit Zustimmung der
Ehefrau Edelinde und der Kinder. Diese Urkunde enthält eine
interessante Klausel: Bei einem Wegzug aus Speyer würden die
Nonnen neben den anderen Schenkungen des Speyerer Bürgers Bart
auch das Klostergrundstück verlieren.
An den weitgehend unbekannten Archivalien, die seit dem späten
Mittelalter „überm Hasenpfuhl vor Speyer“ innerhalb der
klösterlichen Klausur sorgfältig gepflegt und gehütet worden
sind, läßt sich das Auf und Ab im Wohlstand des Klosters St.
Magdalena verfolgen und belegen. Sie erhellen aber auch eine
reiche mittelalterliche Klosterlandschaft, die im Südwesten
Deutschlands, außer in diesem glücklichen Fall, längst
verschwunden ist.
Aus: Die Rheinpfalz, 20.1.1996, Rudolf Joeckle
Abriss, Neubau und Probleme mit dem Kandel
Der domkapitularische Bauhof in Speyer im 18. Jahrhundert
Im 18. Jahrhundert befand sich der Bauhof des Speyerer Domkapitels auf dem Gelände, auf dem heute das Historische Museum der Pfalz steht. Zuvor lag der Bauhof beim Schlegelhof (heute Domplatz 6, Prot. Landeskirchenarchiv). Er wurde, gleich den anderen Gebäuden, beim Stadtbrand von 1689 eingeäschert. Beim Wiederaufbau der Stadt verlegte das Domkapitel seinen Bauhof an die Große Pfaffengasse. 1774 verfasste der damalige domkapitularische Archivar Joh. Michael Anton Loebel (1712 – 1786) folgende geschichtliche Zusammenstellung über den Bauhof: Weiterlesen
Messen und Märkte in Speyer
Seit dem frühen Mittelalter, vor allem aber seit dem 11. und 12.
Jahrhundert , wurden anläßlich kirchlicher Festtage an wichtigen
Verkehrsknotenpunkten nach dem Gottesdienst Märkte abgehalten.
Speyer war schon sehr früh ein bedeutendes Handelszentrum,
bestimmt seit dem frühen 7. Jahrhundert, wird doch bereits 614
ein Bischof urkundlich genannt. Zudem existierte vor dem
bischöflichen Bezirk spätestens in der Karolingerzeit ein Markt
und Handelsplatz, dessen ehemalige Lage mit dem östlichen Bereich
der heutigen Maximilianstraße, der Speyerer Hauptstraße,
identisch war. Daß Speyer sehr früh mit einem Marktrecht bedacht
werden mußte, läßt sich daraus schließen, daß der Bischofssitz
eine nicht unwesentliche Menge an Versorgungsgütern für das
tägliche Leben und Wirken benötigte.
Die Messebeschicker standen unter dem Schutz des Königs und der
Kirche. Den Marktplätzen, beziehungsweise den Messeorten, wurden
Messeprivilegien verliehen. Die urkundlich früheste gesicherte
Messe war die dem Warenaustausch dienende Handelsmesse von Saint
Denis (629). Allmählich blühten in ganz Europa die Märkte und die
Messen auf. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhielt
1240 als erste Stadt Frankfurt am Main ein Messeprivileg. Leipzig
folgte 1268 und bekam ein solches Privileg zur Abhaltung einer
Herbstmesse ausgestellt.
Zurück zu Speyer: Es ist heute nicht sicher, ob die Herbstmesse
tatsächlich die älteste von allen Messen in der Domstadt ist. Die
Frühjahrsmesse wird zwar erst im 16. Jahrhundert genannt, aber
die Historiker gehen davon aus, daß diese Messe viel älter sein
dürfte.
Die Einführung der Herbstmesse im Jahre 1245 war für die
Wirtschaftskraft von Speyer von großer Bedeutung. Abgehalten
wurde sie alljährlich am Fest der Apostel Simon und Judas (28.
Oktober) und dauerte 15 Tage. Der Stadtrat der Reichsstadt Speyer
informierte im August 1245 alle Städte im ganzen Reich über diese
neue Messe und erließ den Kaufleuten, die zur Herbstmesse kamen,
den „halben Zoll“. Den Kaufleuten in Utrecht, Trier, Köln und
Worms versprach der Rat noch weitergehendere finanzielle Vorteile
als zusätzlichen Anreiz, damit auch sie an der ersten Herbstmesse
teilnehmen würden. Der Rat konnte somit ein größeres
Einzugsgebiet in seine Planungen einkalkulieren.
Am 20. Mai 1330 stellte Kaiser Ludwig der Bayer, als er in Speyer
weilte, dem Rat eine Urkunde aus, in der die Herbstmesse um fast
zwei Monate in den Sommer hinein verlegt wurde. Außerdem
wurde die Messe auf drei Wochen verlängert. Da aber zur gleichen
Zeit in der Region Messen abgehalten wurden, verlegte man den
Handelsmarkt mit Genehmigung Kaiser Friedrichs III. erneut. Nun
begann sie an Michaelis (29. September) und wurde daher
„MichaelisMesse“ genannt. Später, weil diese Regelung sich
wiederum nicht bewährt hatte, verkürzte der Rat die Messe auf
zwei Wochen und legte 1569 den Termin vom 6. bis 20. Oktober
eines Jahres fest.
Diese Zeit deutet bereits auf den Niedergang der wirtschaftlichen
und politischen Bedeutung vieler Städte hin. Auch die Freie
Reichsstadt am Rhein verlor immer mehr an Bedeutung, verlagerte
sich doch die Macht und Wirtschaftsszene immer mehr an die
Küstenregionen Europas. Ausschlaggebend waren für diese
Entwicklungsprozesse auch die Entdeckungsreisen in die „Neue
Welt“. Bezeichnend für den Niedergang Speyers war auch die
Tatsache, daß der letzte Reichstag hier 1570 stattfand.
Nun kamen wie überliefert ist Händler zunehmend erst nach der
Messeeröffnung, einige Kaufleute brachen ihre Stände früher als
vorgesehen ab, angemeldete Beschicker fuhren erst gar nicht in
die Domstadt. Wenig begeistert waren hierüber nicht nur die
Käufer, sondern auch der Rat der Stadt. Also beschloß man wieder
eine Verkürzung und eine Verlegung des Geschehens. Die Messe
sollte künftig von Montag vor Allerheiligen bis zum Samstag
danach dauern. Damit fand die Herbstmesse aber zeitgleich mit der
AllerheiligenMesse im benachbarten Worms und dem
SauerkrautMarkt im kurpfälzischen St. Leon statt.
Der Pfälzische Erbfolgekrieg hatte im besonderen der Pfalz den
Garaus gemacht. Die Bürger von Speyer und Worms gingen ab 1700
wieder daran, ihre völlig zerstörten Städte aufzubauen. 1706
einigten sie sich darauf, daß die beiden Herbstmessen
nacheinander abgehalten werden sollen. Somit konnten Wormser und
Speyerer Kaufleute an beiden Messen teilnehmen.
Das Jahr 1811 Speyer war damals französisch brachte einen
erneuten Einschnitt in die Tradition der Herbstmesse. Gemeinsam
mit der Frühjahrsmesse wurde das HerbstPendant auf drei Tage
verkürzt und in einen Jahrmarkt umgewandelt. Die Tradition der
Waren und Handelsmesse fand damit ein Ende.
Im 19. Jahrhundert wurde die Herbstmesse als Jahrmarkt wieder
ausgebaut, sie wurde wieder zunehmend umfangreicher beschickt,
was zur Folge hatte, daß Schieß, Kunstbuden oder Karussells auf
dem Königsplatz aufgebaut werden mußten, die Verkaufsbuden aber
vorbehaltlich in der Hauptstraße aufgeschlagen wurden. Obwohl die
Geschäftsleute gegen eine erneute Verlängerung der Herbstmesse
eingestellt waren, blieb der Rat der Stadt bei seiner
entsprechenden Entscheidung.
Auch ein Antrag der Protestantischen Kirchen, die Messe schon
wieder zu verlegen, da sie an den herbstlichen Feiertagen die
„Leut von den Gottesdiensten abhalte“ und den Jugendlichen
„Versuchungen böte“, wurde vom Rat verworfen.
Trotz aller Terminverschiebungen, trotz zahlreicher Regengüsse,
kalter Tage, Einsprüchen, Bedenken oder Konkurrenzmessen hat die
Speyerer Herbstmesse nun über 750 Jahre lang durchgestanden und
ist zu einem Bestandteil des Lebens links und rechts des Rheines
geworden.
Aus: Kurpfälzer Anzeiger, 26.10.1994, og
Über das Eis zum anderen Ufer
Glitzernde Eismassen statt fließendes Wasser verbanden im Februar
1929 die Menschen rechts und links des Rheines. Der große Strom
war zum „Stehen“ gekommen, meldeten damals die Zeitungen, als die
ersten Eisschollen sich in der Höhe von Frankenthal verfestigten.
Das Thermometer zeigte minus 15 Grad und bei Binden war der Rhein
bereits auf über 20 Kilometern zugefroren. Am 15. Februar 1929
war dann der Rhein endgültig von Speyer bis Bingen „zu Eise
erstarrt“, wie die Schlagzeile im „Generalanzeiger“ lautete.
„Langsam aber zähe, wie es nur der gefürchtete Gegner tun kann,
trieben die mächtigen Eisschollen in den letzten Tagen vorwärts,
setzten sich an den Ufern, Buhnen und Seitenarmen fest,
verbarrikadierten sie die Häfen und würgten den Verkehr ab“,
meldete das Blatt und wertete das Geschehen als einen
„heimlichen, fast unwirklichen Vorgang“. Eine weiße Eiswüste
lagerte über dem Strom, hieß damals, und erinnert wurde auch an
den 12. Februar 1895 und an die 60er Jahre des vorigen
Jahrhunderts, als der Strom ebenfalls zugefroren war.
Das „Jahrhundertspektakel“ lockte damals unzählige Menschenmassen
an die Ufer. Ganze Schulen pilgerten zum Rhein, darunter auch die
Hockenheimer Schülerinnen und Schüler der drei Volksschulen.
Ferdinand Auer und Jakob Riedel hatten als erste sich den Weg
über den Rhein gebahnt. Sie waren vom Ufer in Höhe des Lusshofes
aus bis zum „Hammer“ auf speyerischer Seite hinübergepilgert und
dort erst einmal einen Glühwein getrunken. Weniger Glück hatte
Hermann Kleber, der sich ebenfalls aufs Eis begeben hatte,
einbrach und von zwei zufällig vorbeikommenden Zimmerleute aus
Altlußheim gerettet werden mußte.
Durch die Eisversetzung war der Rhein um 1,6 Meter gestiegen.
Doch sah man damals die Gefahr durch die starken
Temperaturschwankungen. Ein plötzlich einsetzendes Tauwetter
hätte verheerende Folgen haben können. Erinnerungen wurden damals
an das Tauwetter 1879/80 wach, als sich die zusammengeballten
Eismassen lösten, den Flußlauf sperrten und durch den dadurch
steigenden Wasserspiegel für weite Überschwemmungen bis hin zum
Insultheimer Hof sorgten.
Zunächst aber faszinierte der zugefrorene Rhein, auf dem zwischen
Speyer und Mannheim 162 Schiffe festsaßen. Eisläufer nutzten die
spiegelnde Fläche, denn nach Speyer hinüber hatte sich ein
ausgesprochener Gehweg eingerichtet. Auch ein Brezelverkäufer aus
der Domstadt hatte seinen Stand neben einer Würstchenbude
aufgeschlagen.
Am Sonntag, 17. Februar, hatten ganze Völkerscharen zwischen
Speyer und Mannheim den zugefrorenen Rhein in Beschlag genommen.
Die Polizei war dem Massenbetrieb längst nicht mehr gewachsen.
Die Gastwirte am Rhein machten Bombengeschäfte. Ein Bierauto der
Brauerei Storchen aus Speyer wagte sich mit seinen 42 Zentnern
ebenfalls über das Eis, um den Eisvorrat kostengünstig
aufzufrischen.
Am 20. Februar aber war alles schon wieder vorbei: Bei stetig
steigenden Temperaturen wurden die ersten Warnmeldungen
veröffentlicht, die Menschen fingen an, das immer dünner werdende
Eis zu meiden. Die Sachverständigen begannen sich zu streiten, ob
das Eis gesprengt oder durch einen Eisbrecher gebrochen werden
sollte. Sonntags dann, am 24. Februar, begannen dann die
Sprengungen der Badischen Pioniere aus Schwetzingen, obwohl
dadurch der Fischbestand geschädigt wurde. Tausende säumten
wiederum das Ufer, als die Sprengungen wie schweres Geschützfeuer
einsetzten.
Quelle: unbekannt
Wie Speyer zur Bezirkshauptstadt wurde
Erinnerungen an den ersten Regierungspräsidenten des bayerischen Rheinkreises, Ritter Franz Xaver von Zwackh zu Holzhausen
Dass Speyer Mitte Mai 1816 Sitz der eben konstituierten „Königlich bayerischen Landesadministration am linken Rheinufer“ werden sollte, war noch vier Wochen zuvor keineswegs endgültig entschieden: Wäre etwa Worms im Zug der territorialen Neuordnung, die nach dem ersten Pariser Friedensschluss die Grenzen zwischen Frankreich und den deutschen Ländern im wesentlichen so wieder herstellte, wie sie 1792 bestanden hatten, unter Wittelbachs Szepter gekommen, dann hätte die Nibelungenstadt wohl die größere Chance gehabt, bayrischer Verwaltungsmittelpunkt zu werden.
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Der Speyerer Judenhof als architektonisches Kleinod
Über Jahrzehnte hinweg dämmerte in Speyer zwischen Hinterhäusern ein verfallenes und mit Unkraut bewachsenes Areal dahin. Lediglich ein paar Mauerreste erinnerten daran, daß hier einmal die Synagoge der alten Reichsstadt stand, die bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgetragen worden war. Den Einwohnern der Stadt schien vergessen, welches architektonisches Kleinod hier tief im Boden verborgen liegt. Weiterlesen
In die Pfalz "verbannt"
Weiß-blaue Erinnerungen aus vergangenen Tage, als keiner so richtig gerne in die Pfalz wollte /Aus dem Tagebuch des königlich-bayerischen Generals Heinrich Meyer
„Wen der liebe Gott will strafen,
den schickt er nach Ludwigshafen;
wen er gar vergessen hat,
den schickt er in die Kreishauptstadt.
Doch schickt er ihn nach Germersheim,
so geh‘ er lieber in den Rhein!“
Das vielzitierte Klagelied ehedem ins pfälzische „Exil“ versetzter altbayerischer Beamten und Offiziere hörte sich fürs erste zwar bewegend an, doch erfahrungsgemäß rückten die vermeintlich Verbannten meist rasch von ihrer Lamentatio ab und bekräftigten hernach, auch wenn sie längst an Lech, Isar, Inn und Donau zurückgekehrt waren, recht erinnerungsselig, dass es sich in dem weinfrohen linskrheinischen Regierungsbezirk sehr wohl gut leben ließ. Dafür gibt’s vielerlei Belege, und ein besonders unterhaltsamer blieb das Tagebuch des bayerischen Generals Heinrich Meyer, der, wenn auch 1857 in München geboren, die Pfalz nach zwölf Speyerer Jugend- und siebzehn Dienstjahren in verschiedenen pfälzischen Garnisonen zuletzt „mit Fug und Recht als mein Heimatland“ bezeichnete.
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Das Speierer Armbrustschießen von 1529
Bereits im 16. Jahrhundert ging es in Speyer um die Brezel.
Anläßlich des dritten Brezelfestes faßte Emil Heuser 1913
Berichte über das Armbrustschießen aus dem Jahre 1529 zusammen:
Im Vorfrühling 1529 hatten die Bäcker der Freien Reichsstadt
Speier alle Hände voll zu tun, namentlich die Brezelbäcker; denn
viel fremdes Volk weilte in Speier, und es war noch Fastenzeit.
Ein Reichstag wurde wieder einmal in Speiers Mauern gehalten, und
Fürsten aus allen Gauen Deutschlands, weltliche und geistliche,
mußten sich deshalb in Speier einfinden.
Als einer der ersten war der hohe Fürst, der bei der Tagung den
Vorsitz zu führen hatte, in die Stadt eingeritten. Es war der
Bruder des Kaisers, König Ferdinand von Ungarn und Böhmen. Der
Kaiser es war Karl V. weilte meist in seinem Kronlande
Spanien oder in Italien und konnte sich um Deutschland nicht viel
kümmern. Er hatte darum die Regierungsgeschäfte für Deutschland
einem besonderen Statthalter übertragen, dem Pfalzgrafen
Friedrich (dem späteren Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz).
Dieser junge Wittelsbacher war ein Freund der Jagd und daher auch
der edlen Schießkunst. Die Anwesenheit der vielen Fremden von
Rang und Würde gab es ihm ein, zum Schluß des Reichstags ein
großes Armbrustschießen zu veranstalten und dazu die deutschen
Schützen einzuladen. Weit über 200 Schützen stellten sich in
Speier ein und natürlich taten auch die schießfreudigen Speierer
mit. Das Beste des Schießens stellte ein lebender Ochse dar, der
mit einer Decke von Tuch behängt war und einen Wert von 32 fl
hatte. Im übrigen waren Geldpreise ausgesetzt.
Das Armbrustschießen verlief in fröhlicher Weise. Leute zum
Zuschauen drängten sich beständig auf dem Schießplatz, und die
Brezelverkäufer machten gute Geschäfte. Das Volk weidete sich
daran, wie die hohen Herren mit den gemeinen Schützen aus dem
Bürgerstand um die Preise rangen. So oft die Scheibe gefehlt
ward, so oft kam der Pritschenmeister hervor und ahndete den
Fehlschuß, genannt Pritschenschuß, durch einen sanften Schlag mit
seiner Pritsche. Zugleich heischte er zwei Brezeln als Buße
oder an deren Stelle zwei Kreutzer.
Als das Schießen beendigt und die Preise verteilt waren, wurde
noch ein Nachschießen für die Durchgefallenen angesagt. Als auch
das Nachschießen vorüber war, ereignete sich etwas Besonderes.
Ein wohlhabender, aber als geizig bekannter Bewohner der
Judengasse namens David stand in der vordersten Reihe der
Zuschauer. Ihm näherte sich der Pritschenmeister, den der
Pfalzgraf eigens für das Schießen hatte von Heidelberg kommen
lassen. Der betuchte David war unter allen in der Menge dazu
ausersehen, dem Pritschenmeister einen Tribut zu zahlen. Daß er
dazu nicht gutwillig bereit sein werde, wußten die Schützen im
voraus, und auch der Pritschenmeister war darauf vorbereitet.
Der Pritschenmeister bot dem Auserwählten zunächst sein
selbstverfaßtes Pritschenlied an und begehrte dafür einen Gulden.
Doch dem profitlichen Handelsmann war sein Gulden lieber, er
lehnte ab. Nun begann der Pritschenmeister das Gedicht laut
vorzutragen. Weiter als „… wer abkommen wäre mit
Pritschenschuß, hat baß mit zwo Brezeln zu zahlen die Buß!“ kam
er jedoch nicht. Wie der Handelsmann von den Brezeln hörte,
hoffte er auf gute Art davon zu kommen. Er unterbrach den
Pritschenmeister und rief nach dem Brezeljörg, um sich mit ein
paar Brezeln abzufinden. Doch die Brezelbuße galt nur für die
schlechten Schützen, nicht für das Opfer des derben Scherzes. Die
Schatzung ging höher als ein ganzer Korb voll Brezeln wert war.
Von zwei Gehilfen des Pritschenmeisters wurde der Mann
urplötzlich ergriffen und zum Schießberg geführt. Dort sprach man
ihm das Urteil, das lautete, daß er als Ziel dienen oder sich mit
zehn Gulden loskaufen müsse. Einige Schützen stellten sich nun im
Schießabstand vor der lebenden Scheibe auf, taten als wenn sie
die Armbrust schußfertig machten. Dann legte einer der Schützen
den Bolzen auf die Stechel und schlug an. Im nächsten Augenblick
schon war das Opfer des Scherzes nachgiebig geworden.
Der Mann versprach zu zahlen, jedoch nur so viel, als Pfalzgraf
Friedrich bestimmen werde. Lachend kam darauf der Pfalzgraf
herbei und bestimmte als Buße einen Gulden. Den zahlte der
Handelsmann mit saurer Miene dem Prischenmeister. Dieser
überreichte ihm dafür das Flugblatt mit dem Gedicht.
Nach dem Feste taten sich Speierer Bürger, die am
Armbrustschießen beteiligt gewesen waren, zusammen und gründeten
eine Schützengesellschaft, die nämliche, die noch heute besteht
und sich vor kurzem eine neue Schießstätte bei der Waldeslust
geschaffen hat.“
Quelle: unbekannt
Kennen Sie die Brezelchristine und den Brezelferdinand?
Als „Schutzpatrone“ des traditionellen Brezelfestes in Speyer
gelten seit jeher die Brezelchristine und der Brezelferdinand. Wer
oder was aber versteckt sich hinter beiden Begriffen? Schon 1914
schrieb dazu Dr. Richard Mandler in der BrezelfestFestschrift:
„Alte Speyerer erinnern sich mit Vergnügen an eine ganze Reihe
Originale, die eine komische oder auch tragikkomische Rolle im
öffentlichen Straßenleben spielten. Meist waren das Spitäler, die
einen Sparren zu viel oder zwei zu wenig hatten; war das nicht
der Fall, dann dichtete man ihnen einen an, der an Größe und
Absonderlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Mit der Zeit
schwätzte sich der Volksmund einen Kranz von Schnurren und
Legenden um diese Originale zusammen, in dem man Dichtung und
Wahrheit nicht mehr unterscheiden konnte.
So ist es auch den Schutzpatronen der Speyerer Brezelbubenzunft
ergangen, der Brezelchristine und dem Brezelferdinand. Die Lust
zum Fabulieren ging schließlich so weit, daß die beiden Gestalten
mit ihren Brezelkörben zu nebelhaften Geistern verklärt am
Brezelfesthimmel herumschwebten.
Besonders die Brezelchristine ist so zu Ehren gekommen, von denen
sie sich in ihrem armseligen Leben sicher nichts hat träumen
lassen. Man hat sie kurzerhand zu einer Art Schutzheiligen des
Festes erhaben, gegen deren Bedeutung der Ahnherr der
Brezelbuben, der Brezelferdinand, nicht mehr viel zu bestellen
hat, wenngleich auch er in der Speyerer Brezeltradition seinen
Platz immer noch zu behaupten weiß.
Außerdem ist er am Domportal, linker Hand, in Stein gehauen und
lebt so als Denkmal fort. Zwischen Engeln und Heiligen kauert er
da und hält eine Brezel in der Rechten. Mit der Linken greift er
sich an den Hals und dazu macht er ein Gesicht, als wollte er
sagen: ‚Herrjeh, ich hab jo gar ken Krage an!‘ Barfuß ist er
auch; vielleicht hat sich der Bildhauer gedacht, daß ein
Brezelbub seine Schuhe ausziehen muß, wenn er geweihten Boden
betritt.
Aber er noch auf Erden wandelte hieß er Ferdinand Hellmuth und
war ein ordentlicher, braver Familienvater, der seinen ‚Stall
voll‘ Kinder treu und redlich aus dem ernährte, was sein
Brezelkorb abwarf. Er wohnte in der Mönchsgasse hinter der
früheren Herberge ‚Zum roten Löwen‘ und verfügte als waschechter
Speyerer über eine Urwüchsigkeit, die ihn bekannt und beliebt
machte.
Und nun aber auch auf die Christine zurückzukommen: sie ist
ebenso historisch wie der Ferdinand. Alte Speyerer, die auf Sitte
und Wohlanständigkeit bedacht sind und sie noch gekannt haben,
zeigen sich von ihrem Lebenswandel nicht sehr erbaut. Richtig ist
daran jedenfalls, daß sie in ihren alten Tagen noch von galanten
Jugendeseleien schwärmte, die sie begangen haben wollte, als sie
noch jung, schön und knusperig gewesen. Das mußte aber schon sehr
lange her gewesen sein.
Geboren wurde sie in der Perle der Pfalz, in Neustadt, und zwar
am 2. März 1840. Sie scheint schon frühzeitig nach Speyer geraten
zu sein und soll sich erst mit dem Verkauf von Würstchen ihren
Lebensunterhalt verdient haben. Ihr Name war Christine Kuhn,
genannt Ginster. Sie wohnte in den verschiedensten Vierteln der
Stadt, zuletzt in der Herdgasse und starb, noch ledigen Standes,
am 11. Februar 1906.
Ihren Stammplatz als Brezelverkäuferin hatte sie, in der letzten
Zeit wenigstens, am Eingang der ‚Sonne‘. Zur Berühmtheit wurde
sie aber erst richtig, als ihr schon längst kein Zahn mehr weh
tat, nämlich durch das Brezelfest, das 1910 zum erstenmal
begangen wurde. In den Festzügen wirkte sie regelmäßig mit, indem
sie als ausgestopfte Puppe hoch auf einem Festwagen thronte.
Auch in diesem Jahre wird sie beim Brezelfest zugegen sein, aber
nicht ausgestopft, sondern lebendig. Der Festausschuß hat sie zum
Leben erweckt. Vielleicht wacht auch der Ferdinand wieder auf und
ruft im Chor mit allen Brezelbuben und frauen: ‚Frische Brezle,
meine Herre, frische Brezle!'“
Quelle: unbekannt
Mauern, in denen sich Weltgeschichte ereignete
Ein Blick in die Geschichte von Speyer
Vor allem dem Besucher, der sich von der badischen, der gegenüberliegenden Rheinseite der Stadt Speyer nähert, bietet sich ein grandioser Anblick: Schon von Ferne taucht der mächtige Kaiserdom am Horizont auf, längst bevor sonst etwas von der Stadt zu sehen ist. Im elften Jahrhundert, bis zum Bau der großen Abteikirche von Cluny, war dieser Dom das größte Gotteshaus der Christenheit. In seiner Krypta ruhen acht deutsche Kaiser und Könige. 1990 feierte Speyer sein 2.000-jähriges Bestehen. Die Geschichte der Stadt ist eng mit der fast 1.000-jährigen Geschichte des Doms verbunden und der Dom ist auch heute noch das Herz der Stadt. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt, daß Speyer mehr ist als der Dom und schon gar nicht der Ausspruch mancher Spötter gilt: „Wenn Speyer nicht die toten Kaiser hätte, dann wäre kein Leben in der Stadt.“ Weiterlesen
Der "Ölberg" am Speyerer Dom
Scheinbar klein und verlassen liegt für Besucher der alten Reichsstadt Speyer neben dem Dom ein Baudenkmal, das einst zu den beeindruckendsten Schöpfungen gotischer Baukunst auf deutschem Boden gezählt wurde – der „Speyerer Ölberg“. Die Geschichte des Denkmals reicht zurück bis in das Jahr 1509. Weiterlesen
