Mit der Erwerbung des Gatterer-Apparates für das Landesarchiv Speyer kehrt ein Stück Kulturgut an den Oberrhein zurück, dem hinsichtlich seiner historischen Bedeutung für diesen Landstrich kaum etwas an die Seite gestellt werden kann
Bereits aus der Zeit vor dem Tod Christoph Wilhelm Jakob Gatterers (1838) gibt es Hinweise auf Pläne zum Verkauf der Sammlung. Allem Anschein nach ist noch zu seinen Lebzeiten oder unmittelbar nach seinem Tod ein Teil davon an den mit ihm befreundeten Grafen Carl von Graimberg veräußert worden, der seine Sammlung testamentarisch der Stadt Heidelberg vermachte. Ein Teil der heutigen Urkundenbestände im Heidelberger Stadtarchiv könnte demzufolge ursprünglich aus dem Besitz Gatterers stammen, doch sind zur endgültigen Klärung dieser Frage noch weitere Forschungen nötig.
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Kurpfalz
Das weiße Gold der Kurfürsten
Am 20. Januar 1745 wurde Max III. Joseph im Alter von 18 Jahren am Todestag seines Vaters Karl Albrecht im Schloß Nymphenburg in München zum neuen bayerischen Kurfürsten ausgerufen. Der junge Regent trat ein schwieriges Erbe an, denn Bayern hatte schwer unter dem österreichischen Erbfolgekrieg zu leiden. Eine gewaltige Schuldenlast von über 30
Millionen Gulden lastete auf dem Kurstaat. Kein Wunder also, daß die Sanierung der Staatsfinanzen zu den wichtigsten Aufgaben des jungen Kurfürsten gehörte.
Der Regent gründete im ganzen Land Textilmanufakturen zur Belebung der ausgebluteten Wirtschaft. Dem Vorbild anderer Staaten folgend, wollte sich Max III. Joseph auch dem „weißen Gold“ bedienen, um die Staatskasse wieder zu füllen. Ausschlaggebend für diesen Schritt war vor allem seine Heirat mit der sächsischen Prinzessin Maria Anna Sophie. Sie war eine Enkelin des porzellanbegeisterten August des Starken. Während dessen Regentschaft hatte Friedrich Boettger 1710, er wollte Gold für seinen Landesherrn herstellen, durch Zufall das Arkanum, also das Wissen um die Zusammensetzung und Herstellung von Prozellan, entdeckt. So gründete der bayerische Kurfürst am 1. November 1747 eine „Churfürstliche
PorcelaineFabrique“, die er im Münchner Vorstadtschlößchen Neudeck am Auer Mühlbach ansiedelte. Diese Lage hatte auch den Vorteil, daß über die nahe Isar genügend Holz für die Brennöfen zur Porzellanherstellung herantransportiert werden konnte. Im Mai 1761 mußte die immer größer werdende Porzellanmanufaktur umziehen. Sie bekam das Gelände jener Pavillons am nördlichen Schloßrondell in Nymphenburg zugewiesen, wo sie sich noch heute befindet.
Nach dem Tode des Kurfürsten Max III. im Jahre 1777 trat der pfälzische Kurfürst Carl Theodor nach den Wittelsbacher Hausverträgen das Erbe in München an. Dieser hatte 1755, acht Jahre nach der Münchner Gründung, in Frankenthal das Privileg für eine PorzellanManufaktur an den Straßburger Paul Anton Hannong erteilt, bevor er 1762 selbst in den Besitz der Manufaktur kam. Kunsthistoriker bescheinigen den figürlichen Porzellane aus Frankenthal, zu den hervorragendsten Arbeit des 18. Jahrhunderts zu gehören.
Die Verbindung nach Frankenthal ließ Carl Theodor indes nie ganz abreißen. 1797 befahl er den Bildhauer Johann Peter Melchior von der Pfalz nach Bayern. Drei Jahre später erließ der pfalzbayerische Kurfürst Carl Theodor ein Dekret, die Manufakturen in Frankenthal und Nymphenburg zu vereinen. Melchior, der auch wegen der französischen Besetzung der Pfalz gerne dem Ruf nach München gefolgt war, wurde als „PorcellanfabrickInspector“ zu einem der erfolgreichsten Porzellanplastiker in ganz Europa.
Zu den bekanntesten Modellmeistern der Frankenthaler Manufaktur gehörte Franz Konrad Linck. Der einer alten Speyerer Bildhauerfamilie entstammende Porzellankünstler war 1762 durch Carl Theodor an die Manufaktur berufen worden. Zuvor hatte er eine umfassende Bildhauerausbildung in Speyer, Würzburg, Wien und Berlin absolviert. Bereits nach einem Jahr in Frankenthal wurde Linck zum „churfürstlichen Hofstatuarius“ ernannt. In dieser Eigenschaft schuf er Großplastiken vor
allem für den Schwetzinger Schloßgarten, aber auch für die Residenzstädte Mannheim und Heidelberg.
Gericht belegt Schwarzfischer mit milder Strafe
Die Altlußheimer, von altersher mit dem Fischfang eng verbunden,
wehrten sich noch im 17. und 18. Jahrhundert mit Eingaben und mit
Schwarzfischerei gegen die Beschneidung der freien Fischwaid.
Während früher Jagd und Fischfang „Allmendgut“ waren und von
jedermann frei ausgeübt werden konnten, ging nach und nach nichts
mehr ohne herrschaftliche Konzession.
Entsprechende Hoheitsrechte reklamierten bereits Könige und
Landesherren ab dem frühen Mittelalter. In speziellen
Fischereiordnungen legten die Pfalzgrafen beziehungsweise
Kurfürsten alles, was mit der Fischereigerechtigkeit
zusammenhing, fest. So wurde bestimmt, daß an Sonn und Festtagen
nicht gefischt werden durfte, welche Strafe für
Vertragsverletzungen anzusetzen war bis hin zu
Pflichtversäumnissen der Zünfte und ihrer Genossen.
Über Streitigkeiten unter den Fischern und Pflichtverletzungen
gegenüber der Obrigkeit befand ein besonderes Fischereigericht,
die „Rheinruge“. Im kurpfälzischen Einzugsbereich kamen im 18.
Jahrhundert die Fischer aus bis zu 18 Orten zwischen Altlußheim,
Speyer und Hamm in Mannheim unter freiem Himmel nahe der
Rheinbrücke zusammen. Das Erscheinen aller Fischer war Pflicht,
auch für die Fischer aus dem fürstbischöflichspeyerischen Gebiet
südlich von Altlußheim und für die „Lossemer“ selbst, die ja
Exklave ein Besitz des Klosters Maulbronn und später des Hauses
Württemberg waren.
Angeführt wurden die Fischer von ihren Zunftmeistern oder
Rheingrafen, die neben dem Hofkammeramt, dem Haushofmeister, dem
Küchenschreiber und dem Zollschreiber am Vorstandstisch saßen.
Die Fischer hingegen standen um diesen Tisch herum und bildeten
den sogenannten „Umstand“. Die Fischer mußten als Zunftbeitrag 30
Kreuzer bezahlen, Ausländer, das waren alle Nichtpfälzer (also
auch die Altlußheimer), mußten hingegen zwei Gulden entrichten.
Eine Witwe, die das Gewerbe des Mannes fortführte, zahlte jeweils
die Hälfte.
Die Altlußheimer fischten damals auf den verschlungenen
Rheinarmen, in den Altwässer wie der „Silz“ oder dem
„Salmengraben“. Dabei hatten sie die Pflicht, Fische nach
Heidelberg und entsprechendes Entgelt nach Maulbronn zu liefern.
Ein Umstand, den die Altlußheimer stets mit allerlei Tricks zu
umgehen versuchten. Sie gaben die Fische lieber dorthin, wo es
auch etwas zu verdienen gab.
Im Jahre 1700 stellte sich der ertappte Fischer Heinrich Freimann
laut Niederschrift in alten Protokollen unwissend und meinte, daß
mit der Ersteigerung der Rheinwässer es den Fischern freistehe,
ihre „Ernt an End und Orten, wo wohlgefällig“ zu verkaufen.
Dieser Meinung war die kurfürstliche Hofkammer in Heidelberg aber
ganz und gar nicht und forderte daher sehr nachdrücklich den
„Markt allkier mit Fischen zu halten, damit an Fischen kein
Mangel erscheine“.
Doch nicht nur die Hofkammer ermahnte die Altlußheimer Fischer.
1707 schrieb der Zehntmeister des Klosters Maulbronn einen
ungewöhnlich geharnischten Brief an Schultheiß und Gericht
(Gemeinderat) zu Altlußheim. Darin wurden sie aufgefordert,
„sämmtlichen Fischern zu bedeuten, daß, wenn sie den Winter über
keine Fische anhero bringen wollen, man selbigen den Sommer über
den Verkauf auch nit gestatten werde“. Die Lage spitzte sich zu
und wurde vor die „Rheinruge“ getragen.
In der Verhandlung trugen die Fischer vor, daß das Dorf jahrelang
unter durchziehenden Truppen und französischen Verbänden zu
leiden gehabt hätte. Außerdem hätten die Generalität und die
Offizierskorps einen Großteil des Fischfangs durch
Fouragierkommandos abholen lassen. Die Drangsal der Besatzer sei
gar so weit gegangen, daß man sie mitunter von Haus und Hof
vertrieben habe. „Kein Fischschwanz nicht haben wir behalten
dürffen“, so die Aussage vor dem Fischereigericht. Beim Rückzug
der Franzosen seien gar 37 Nachen beschlagnahmt worden. Die
Einwohner des Dorfes seien dadurch vollends verarmt.
Das Fischereigericht hatte mit den Altlußheimer Fischern ein
Einsehen und verlangte daher von den verarmten Genossen nur den
Pachtzins für zwei Jahre, nicht jedoch ein Ersatz für die
entgangenen Naturallieferungen. Die Klagen über das verbotene
Fischen mit Fischreusen an Son und Festtagen wurde gänzlich
niedergeschlagen.
Trotzdem hatten die Altlußheimer Pech: Bereits am anderen Tag
wurden die Fangplätze vom Kurfürstlichen Rentamt neu verpachtet.
Wegen den unsicheren Zeitverhältnissen boten die Fischer aber
recht wenig und so gingen die Fanggründe für billiges Geld an
andere Fischer.
Als 1797 das linke Rheinufer von den französischen Truppen erneut
besetzt und kurz darauf abgetreten werden mußte, fand auch das
Jahrhunderte alte Fischereiwesen am Rhein bei Speyer ein Ende.
Die Zünfte wurden aufgelöst, ebenso fanden keine Sitzungen der
„Rheinruge“ mehr statt zumal es mit der kurpfälzischen
Herrschaft auch bald zu Ende gehen sollte.
Die Altlußheimer Fischer wären aber keine Altlußheimer gewesen,
wenn sie nicht doch einen Weg gefunden hätten, frischen Fisch zu
fangen. Man mußte halt nur bei „entsprechender Zeit“ die Netze
auswerfen und sich beim Einholen der Fischreußen nicht erwischen
lassen . . . (og)
Das Tischleindeckdich des Kurfürsten
Wenn Kurfürst Carl Theodor zu Tische saß, stand immer einer hinten dran. Majestät geruhte zu dürsten, der Lakai reichte ihm den Kelch und Hochwohlgeboren leerte ihn in einem Zug. Große Schlucke, das gehörte in jenen fernen höfischen Tagen zum guten Ton, und das Glas rückte man besser außer Reichweite der Tafelgesellschaft. Denn hatten die Mitesser in der fürstlichen Runde erstmal einen in der (pardon!) Krone, wären fallsüchtige, mit blutrotem Burgunder gefüllte Gläser auf dem Tisch fatal gewesen. Ein Fleck auf der Prunktoilette war nämlich in jener vorchemischen Reinigungszeit der textile SuperGAU, das sündhaft teure Gewand war im Eimer. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Es war also ein Gebot der Vorsicht, keine Gläser auf den Tisch, sondern eilfertige Diener hinten dranzustellen. Weiterlesen
Mit der Burg Wersau fing alles an
Betrachtet man die 710jährige Geschichte der
Spargelgemeinde Reilingen, fällt auf, daß das Schicksal
des Dorfes und auch der ganzen Umgebung von der Burg
Wersau, dem früheren Herrschaftssitz, geprägt wurde. Schon
1286, als „Villa Reitling“ zum ersten Mal urkundlich im
Lorscher Codex erwähnt wurde, lag die Gemarkung im
Grenzgebiet der beiden alten Königsforste Lußhardt und
Schwetzinger Hardt. Die Lußhardt, also die Wälder, die
sich bis zum fränkischen Königshof in Bruchsal
erstreckten, war bereits 1056 durch König Heinrich III.
dem Bistum Speyer geschenkt worden. Nur sieben Jahre
später erweiterte Heinrich IV. den bischöflichen
Waldbesitz und die heutige Schwetzinger Hardt.
Aus alten Dokumenten weiß man heute, daß bereits die
Könige an der Kraichbach eine Burg besaßen, die
„Walsrhawe“ genannt wurde. Daraus entwickelte sich in den
Jahren der Begriff Burg Wersau. Diese stand an der Stelle
der heutigen Schloßmühle und lebt als Namen im
benachbarten barocken Wersauer Hof weiter.
Die gut befestigte Burganlage hatte damals die Aufgabe,
die umliegenden Wälder und die Verkehrswege zu sichern.
Zum Herrschaftsbereich gehörten die Dörfer Reilingen und
Hockenheim sowie für kurze Zeit auch Oftersheim und St.
Leon. Da es an genauen Unterlagen aus dieser Zeit fehlt,
gehen die Historiker heute davon aus, daß die Dörfer und
die Burg mit der Schenkung der Wälder an die Speyerer
Bischöfe kamen. Das Bistum setzte dann dort zur Verwaltung
ein Ministerialengeschlecht, die Schenken von Wersau, ein.
Als erster von ihnen wurde bereits um 1155 ein Dietrich
als Schenk des Hochstifts noch ohne den Bezug zu Wersau
genannt. 1198 wird Eberhard, der Sohn des Schenken von
Hockenheim, erwähnt und erst 1236 gab es dann einen
Schenk von Wersau. Von dieser Zeit an werden die Schenken
in den Urkunden immer unter dem Namen ihrer Burg genannt
und galten als Speyerer Dienstleute.
Im Dunkel der Geschichte wechselte der Besitz an Burg
Wersau an die Schenken, denn 1286 ist zu lesen, daß
Eberhard von Wersau die Hälfte seiner Burg an den Bischof
von Speyer wieder verkaufte. Da dieser das Geld nicht zur
Verfügung hatte, gab er seinen Erwerb als Pfand an den
Pfalzgrafen Ludwig II. weiter, der bereits die
andere Burghälfte von Markward von Krobsberg und den
Brüdern von Erligheim (alles Verwandte der Wersauer
Schenken) gekauft hatte. Als Zubehör zur Burganlage wurden
auch die Dörfer Reilingen und Hockenheim wieder genannt.
Obwohl sie als Lehen des Bistums Speyer galt, diente die
Herrschaft Wersau den Pfalzgrafen immer wieder als
Pfandobjekt und wurde zur Verschreibung als Witwengut
genutzt. Die Pfandnehmer wechselten meist sehr rasch und
aus einem Wittumsbrief (Witwenbrief) ist 1386 zu lesen,
daß die Schwetzinger Hardt von der Herrschaft Wersau
abgetrennt wurde. Unter anderem gehörte der Besitz auch
Königin Elisabeth, der Gemahlin Rupprechts III., als
Witwengut (eine Art Alters und Lebensversicherung zur
damaligen Zeit).
In der pfälzischen Landesteilung kam die Burg mit all
ihrem Besitz an die Linie PfalzMosbach der Wittelsbacher.
Herzog Otto verschrieb Wersau 1429 seiner Gemahlin Johanna
von Bayern, die die Burg und die Dörfer später Stephan von
PfalzSimmernZweibrücken verpfändete. Erst nach der
Schlacht von Seckenheim kam die Herrschaft Wersau
endgültig in den Besitz der immer mächtiger werdenden
pfälzischen Kurfürsten.
Nach wechselvoller Geschichte standen am Ende des
30jährigen Krieges von Wersau nur noch einige Mauern,
Kellergewölbe, Stallungen und ein baufälliger Turm mit
alten Glocken. Die Ruine wurde nochmals notdürftig
instandgesetzt und diente über längere Zeit hinweg den
Kurfürsten als Jagdschloß. Vor allem im Herbst herrschte
auf und um Wersau ein buntes Treiben, denn die
kurfürstlichen Hirschjagden galten als gesellschaftliches
Ereignis. Während die männlichen Einwohner Reilingens und
Hockenheims als Treiber zum Dienst verpflichtet waren,
mußten die Frauen der Dörfer bis zu 600 Mahlzeiten für die
Jagdgesellschaften herrichten.
Das Schloß war, nimmt man einen Plan aus der Zeit um 1680
zu Hilfe, eine ovale Anlage, deren maroden Außenmauern
durch Strebepfeiler gestützt wurden. Im
PfälzischOrleanischen Erbfolgekrieg wurde das Schloß 1689
zerstört und auch die beim Schloß eingerichtete Mühle
brannte bis auf die Grundmauern ab. Die Gebäudereste ließ
man verfallen und 1764 erhielt Reilingen einen Teil des
Gemäuers als Steinbruch zurück. Aus diesen Steinen baute
man eine Friedhofsmauer. Mit dem pfälzischen Oberamt
Heidelberg wurde Reilingen 1802/03 durch das Kurfürstentum
Baden, dem späteren Großherzogtum, in Besitz genommen und
bereits 1803 dem beugebildeten Amt Schwetzingen zugeteilt.
Von der ganzen herrschaftlichen Anlage ist heute fast
nichts mehr zu sehen. Lediglich ein Gewölbekeller und ein
alter Tiefbrunnen erinnern an die Burg. Besonders spannend
ist es aber, einmal mit einem Flugzeug über die ehemalige
Burg Wersau zu fliegen. Je nach Stand der Sonne kann man
den früheren Verlauf der Burganlage erahnen, was auch
Fotos der Luftbildarchäologie bestätigen. Das Schloßgut
umfaßte 1686 eine bebaubare Fläche von 154 Morgen
Ackerland und 30 Morgen Wiesen in der Ketschau.
Erst im 18. Jahrhundert wurde für die Landwirtschaft und
Schäferei östlich vom Schloß der Wersauer Hof errichtet,
der zunächst unter kurpfälzischer Verwaltung stand. Später
wurde das Hofgut von Schwetzingen aus verwaltet und
lediglich ein herrschaftlicher Wiesenknecht war noch in
Reilingen eingesetzt. Nach der Auflösung des
Herrschaftsbesitzes war der Wersauer Hof zunächst in
bäuerlichem Eigentum. Um die Jahrhundertwende übernahmen
dann die Freiherren von Wamboldt das Hofgut, das
schließlich 1927 an die evangelische Pflege Schönau
verkauft wurde. In deren Besitz ist die barocke Hofanlage
noch heute.
Mit der wechselvollen Geschichte der Burganlage ist eng
die Entwicklung der Dörfer Reilingen und Hockenheim
verknüpft, aber auch das kulturhistorisch bedeutsame
Ereignis der Übergabe der päpstlichen Bulle auf der Burg
Wersau an den Kurfürsten, dem damit die Errichtung der
Universität Heidelberg genehmigt wurde. (og)
Die delikaten Geheimnisse der Elisabeth Auguste
Kurfürst Carl Theodor war nicht zu zähmen. Tageintagaus äugte er
nach den hübschen Töchtern seiner Untertanen und zeugte mit ihnen
so munkelte man damals über hundert uneheliche Kinder. Seine
angetraute Gattin saß derweil sittsam, fromm und „todttraurig“
daheim im Mannheimer Schloß und grämte sich ob der Eskapaden
„Euer Hochwohlgeboren“.
Diese Beschreibung ihres Ehelebens tischte Elisabeth Auguste als
ältere Dame bei ihren berühmten Diners regelmäßig ihren illustren
Gästen auf. Kein Wort davon ist wahr. In jungen Jahren nämlich
stand die Kurfürstin ihrem Gatten an Lebenslust an nichts nach.
In punkto Charme, Charisma und Amouren schlug Elisabeth Auguste
ihren „CT“ sogar um Längen. Und in Sachen Klugheit …
Wir schreiben den 17. Januar 1742. Das Mannheimer Schloß ist
taghell illuminiert, die barocke Stadt mit Blumengebinden
geschmückt und das neugebaute Opernhaus rüstet zu einem großen
Festabend. Der Grund für all den Jubel: Der 18jährige Kurfürst
Carl Theodor hat soeben seine um vier Jahre ältere und höchst
attraktive Cousine Elisabeth Auguste geheiratet.
Es war eine Heirat aus Staatsraison natürlich. Kaum ein
größerer Gegensatz läßt sich denken als der zwischen dem
schüchternen, melancholischen Carl Theodor und seiner
extravertierten, durchaus frivolen und leichtlebigen Braut.
Glaubt man den feurigen Liebesbriefen der jungen Kurfürstin fing
die junge Frau schon unmittelbar nach der Hochzeit ein
leidenschaftliches Verhältnis mit ihrem Schwager Clemens von
Bayern an. Er sollte nicht ihr einziger Liebhaber bleiben. In den
Jahren um den Beginn des Siebenjährigen Krieges schien Elisabeth
Auguste so offen mit ihren verschiedenen Liebhabern Umgang
gepflogen zu haben, daß es viele Beobachter geradezu „revoltant“
fanden.
Die zahlreichen Amouren stehen für die eine Seite der
schillernden Persönlichkeit der Fürstin. Die andere bestand aus
der Fähigkeit zu Entscheiden und zu Führen oder wie man heute
sagen würde: aus ManagementWissen.
Beispiel Eins: In den ersten zehn Ehejahren traf Carl Theodor
keine politische, kulturelle oder wirtschaftliche Entscheidung
ohne sie zuvor ausgiebig mit Elisabeth Auguste besprochen zu
haben.
Beispiel Zwei: Das Städtchen Oggersheim. Es war 1768, da
übersiedelte die Kurfürstin allein und endgültig ins dortige
Schlößchen. Kaum in Oggersheim angekommen, begann Elisabeth
Auguste auch schon zu planen und zu bauen. Mit unermüdlichem
Eifer und einer hübschen Stange Geld verwandelte sie Schloß und
Garten in Schmuckstücke, die illustre Gäste aus allen deutschen
Fürstentümern anzogen.
„Der Garten besteht aus drei aneinander hängenden Partien“,
berichtet ein Reiseführer aus dem Jahre 1770. „Der Lustgarten ist
von einem bemalten chinesischen Pavillon geziert, an welchem ein
langer mit doppelten Alleen besetzter Kanal anstößt. Im
Obstgarten prangt ein schönes OrangerieGebäude. Das marmorne
Badhaus liegt mitten in einem Lustwäldchen und hat die Aussicht
auf die Gold und Silberfasane“.
Kaum entsprach ihr Zuhause ihren ästhetischen Ansprüchen, sann
Elisabeth Auguste schon auf den nächsten Coup: eine standesgemäße
Kirche. Die berühmtesten Baumeister und Künstler, allen voran
Peter Verschaffelt, wurden herbeizitiert und die Oggersheimer
Bürger durften sich dank ihrer rührigen Fürstin über einen zuvor
nie gekannten Wohlstand freuen.
Kunsthistoriker schätzen die Oggersheimer Wallfahrtskirche als
eine der ganz wenigen gelungenen Symbiosen zwischen Spätbarock
und Klassizismus ein. Das Schloß und die Kirche würden heute wohl
ganze Busladungen voll Touristen nach Oggersheim locken wenn
die französische Revolution nicht gewesen wäre. Im Januar 1794
brannten die Sansculotten das Oggersheimer Schloß bis auf die
Grundmauern nieder. Ein Schock, von dem sich Elisabeth Auguste
nie erholte. Im August 1794 starb sie im Exil in Weinheim.
Quelle: unbekannt
Ein Ausflug in die Kurpfalz
Nicht nur Mannheim oder Heidelberg selbst, auch ihre Umgebung ist
attraktiv und hat einiges zu bieten. Nur wenige Auto oder
Bahnminuten von den Schlössern entfernt, finden sich Burgen,
Dome, Schlösser, liebenswerte Städte, Rebhügel und Wälder.
Im Norden der heutigen Industriestadt Mannheim liegt die
Altrheininsel Biedensand, ein großes Naturschutzgebiet. Inmitten
eines breiten Schilfgürtels stößt man auf einen malerischen
Flachsee, das „Welsche Loch“. Seinen Namen erhielt dieser Weiher
nach dem Schiffer Welsch, der als erster wagte, die seinerzeit
ausgekolkte Rheinkehre mit ihrer reißenden Strömung zu
durchfahren. Hier haben bestandsgefährdete Wasser und Sumpfvögel
ihre Brutstätten. Vielen durchziehenden Vogelarten ist der See
ein willkommener Rastplatz. Gelbe Teichrose, Wasserkanne und
Wassernuß machen den heutigen Altrheinarm zur botanischen
Schatzkammer.
Auch im Süden der Mannheimer Gemarkung sind durch Tullas
Rheinregulierung zahlreiche Altrheinarme entstanden, die zusammen
mit mehreren Baggerseen den „Grünen Süden“ bilden. Ein
Freizeitparadies für Paddler, Windsurfer, Badenixen,
Sonnenanbeter und Angler. Auf den Hochwasserdämmen finden
Radfahrer ein ideales Wegenetz fern vom Autoverkehr. Wer mag,
kann die 40 Kilometer von Altrip über Neuhofen, Waldsee,
Otterstadt, Speyer bis Mechtersheim auch zu Fuß zurücklegen.
Vom Heidelberger Schloß blickt man herab in die Gassen der
malerischen Altstadt, die sich eng und verwinkelt am Neckarufer
hinzieht. Das in vielen Windungen zwischen den Hängen des
Odenwaldes eingegrabene Neckartal gehört zu den landschaftlichen
Kostbarkeiten der Kurpfalz und darüber hinaus.
Zur Baumblüte fährt man am besten an die Bergstraße. Hier beginnt
der Frühling früher als anderswo. Man feiert den Frühlingsanfang
entlang der burgengesäumten „strata montana“ mit
Sommertagsfesten. Im milden Klima gedeihen auch Pflanzen aus
wärmeren Zonen: Zypressen, Feigen, Pomeranzen und Zitronenbäume
kann man beispielsweise im Weinheimer Schloßgarten bewundern.
Sehenswert ist auch der Exotenwald bei Weinheim mit seinen alten
Baumriesen.
Unweit der Bergstraße liegt am Neckar die Römerstadt Ladenburg.
Aus einer keltischen Siedlung und einem römischen Kastell
hervorgegangen, war es lange Zeit Zentrum des Lobdengaus. Später
wurde Ladenburg Sitz der Wormser Bischöfe. Aus dieser Zeit ist
der Wormser Bischofshof erhalten geblieben. Zahlreiche
Fachwerkhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert und die Reste der
Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert mit Hexenturm und Martinstor
verleihen der kleinen Stadt ihren besonderen Reiz. Sehenswert ist
auch die Galluskirche aus dem 13. Jahrhundert mit ihrer
frühromanischen Hallenkrypta.
Im Norden der Kurpfalz liegt Lorsch. Hier befindet sich ein
Kleinod karolingischer Baukunst: Die Torhalle der 764 gegründeten
benediktinischen Reichsabtei. Vom vergangenen Glanz weltlicher
und geistlicher Herren künden auch die mächtigen Dombauten in
Worms und Speyer.
Wer zur nahen Weinstraße und zum Pfälzer Wald aufbricht, sein Weg
führt zunächst durch die Obst und Weingärten der Vorderpfalz,
aber auch weite Gemüsefelder sind typisch für das Land links des
Rheines, dessen Dörfchen die schönsten Fachwerkhäuser im
rheinfränkischen Stil schmücken. An den sonnigen Hügeln der
Haardt finden nicht nur zahlreiche Rebsorten wie Riesling,
Silvaner, Scheurebe und Kerner sondern auch Edelkastanien ideale
klimatische Bedingungen. Mit einem Glas neuem Wein schmecken die
gerösteten „Käschte“ im Herbst besonders gut.
Mit seinen engen, kaum besiedelten Tälern, den einsamen
Forsthäusern, Höhenwanderwegen, Burgruinen und Aussichtspunkten
mit Blick auf die Rheinebene ist der Pfälzer Wald ein
vorzügliches Wandergebiet. Wer mit Kindern unterwegs ist und
deshalb keine großen Touren unternehmen kann, dem bieten sich der
Hochwildpark Kurpfalz bei Wachenheim oder der Holiday Park bei
Hassloch als Ausflugsziel an.
Den Ausflugstag kann dann ein handfestes Vesper mit
hausgeschlachteten Wurstspezialitäten mit einem Glas Wein krönen.
Vor allem im Odenwald laden viele uriggemütliche Wirtschaften
zum Verweilen ein. Gern sitzt man dort in geselliger Runde
beisammen und so vergehen schnell die Stunden. Da wird dann
selbst die Rückfahrt noch zu einem Erlebnis: Millionen von
Lichter funkeln im Dunkel der Nacht in der weiten Rheinebene.
Eine große Vielzahl an Ausflugszielen bietet die Kurpfalz dem
Besucher. Nur eines aber bleibt ihm nicht erspart: Die Qual der
Wahl!
Quelle: unbekannt
Reform der Feier- und Festtagsordnung
Bischof Franz Christoph von Hutten sorgt im Jahr 1770 mit seiner Entscheidung für „Unruhe“ im Bistum Speyer
Die Reformfreudigkeit deutscher Fürsten in der Zeit vor der Französischen Revolution ist in erster Linie auf die Bewegung der Aufklärung zurückzuführen. Diese Aufgeschlossenheit ist nicht nur bei weltlichen, sondern auch bei geistlichen Territorien in ganz Europa wahrzunehmen. Sie wollten die „brüchig gewordenen Werte der Vergangenheit in ihrem Wahrheitsgehalt analysieren“ und neue Maßstäbe setzen. Die Reformfreudigkeit ist auch bei dem Speyerer Bischof Franz Christoph von Hutten festzustellen. Während seiner Regierungszeit von 1743 bis 1770 hat er eine Vielzahl von Reformgesetzen im weltlichen und kirchlichen Bereich erlassen. Allein über 400 Verordnungen für den kirchlichen Bereich sind überliefert. Weiterlesen
Die Kurpfalz als Kriegsschauplatz
Ungarn kämpften in der Kurpfalz gegen Frankreich / 60.000 Ungarn der k.u.k.-Monarchie in der Oberrhein-Armee
Ab 1792 griff der französische Revolutionskrieg auch auf das Gebiet der grenznahen Kurpfalz über. Eine scheinbar nicht mehr abreißen wollende Folge kriegerischer Auseinandersetzungen vernichtete Hab und Gut der friedlich lebenden Menschen. Viele deutsche Staaten beteiligten sich mit Truppen am Widerstand. Unter der militärischen Führung Österreichs wurde mit Hilfe der Preußen, Bayern, Hessen, Sachsen und vieler anderer Kleinstaaten die Oberrhein-Armee gebildet, um die revolutionäre Begeisterung mitsamt ihrer kriegerischen Auswirkungen von den deutschen Landen fern zu halten. Allein die Habsburger boten fast 450.000 Soldaten auf, darunter auch etwa 60.000 Ungarn der k.u.k.-Monarchie.
Die Ungarn kämpften fast überall in der Kurpfalz: Sie standen bei Mannheim und wurden aber auch in Weißenburg, Frankenthal, Flomersheim und vor allem an den Stellungen entlang des Rehbaches eingesetzt. Der Marsch der ungarischen Husaren an den Oberrhein führte durch Galizien, Schlesien, Mähren und Böhmen. Im Kriegstagebuch des Obristen Vecsey, dessen 4. Husaren-Regiment in der Kurpfalz viele Gefechte zu durchstehen hatte, ist vermerkt, daß die Ungarn beim Durchzug überall mit Freude empfangen und „auf gar herzlichstes ohne Taler“ bewirtet wurden. Kein Wunder, war die Angst vor den marodierenden Franzosen durch riesengroß. Es sollte bis zum Sommer 1794 dauern, daß endlich die deutsche Abwehrfront vom Rhein durch die Pfalz bis hin nach Saarlouis wirksam wurde. Die vor dem Pfälzerwald liegende Stellung „Schänzel“ verlor aber nach schweren Niederlagen der Preußen in der Vorderpfalz ihre Wirkung als Ost-West-Riegel und mußte aufgegeben werden. Damit hatte man zugleich die gesamte Südpfalz verloren.
Im Laufe der Zeit bildeten sich Einzelinteressen bei den Koalitionsstaaten heraus: Am 9. April 1795 schlossen die Preußen mit Frankreich einen Separatfrieden, wenig später folgten auch die Bayern, Hessen-Kassel und die sächsischen Herzogtümer. Der Rest der Reichstruppen mußte nun mit den Österreichern allein die Rheinfront halten. Die Ungarn lagen in der Nähe von Schifferstadt und hatten den Auftrag, die Rehbach-Linie zu halten. Der schon seit einiger Zeit befestigte Rehbach war immer wieder das Ziel von Angriffen der französischen Revolutionstruppen. Aus einzelnen Berichten der „Rehhütter Chronik“ ist zu entnehmen, daß es an der Rehhütter Mühle, den beiden Zollhäusern und am Bachlauf selbst immer wieder zu Verwüstungen gekommen war.
Als die linksrheinische Seite nicht mehr gehalten werden konnte, wurden die ungarischen Husaren in Sandhofen nördlich von Mannheim einquartiert. Hier gab der Oberleutnant Jozef Szentes, der um das Wohlergehen seiner Landsleute besorgt war, 1794 ein Büchlein in ungarischer Sprache heraus. Unter dem Titel „Litania“ wurden aufbauende und tröstende Worte an die Soldaten aller Konfessionen gerichtet und deckte zugleich alle Bereiche des Glaubenslebens ab. Zusammen mit den k.u.k-Truppen rückten die Ungarn erst Monate später aus Sandhofen ab. Nicht wenige Husaren blieben nach dem befohlenen Rückzug in der Kurpfalz, wo sie trotz aller kriegerischen Auseinandersetzungen die Liebe gefunden hatten.
Vivats aus der Kurpfalz
In der jüngeren deutschen Geschichte wurde der 18. Januar 1871 zu
einem einschneidenden Ereignis: An diesem Tag wurde im
Spiegelsaal des französischen Prunkschlosses Versailles das
Deutsche Kaiserreich proklamiert. Drei blutige Kriege, unter
anderem der zu diesem Zeitpunkt noch tobende DeutschFranzösische
Krieg, waren nötig, um die nur lose verbundenen Staaten
Deutschlands zusammenzuführen. Es war Reichskanzler Fürst Otto
von Bismarck, dem es vorbehalten war, den preußischen König zum
ersten Kaiser des Deutschen Reiches auszurufen.
Doch damit das „Vivat“ auf den neuen Kaiser Wilhelm I. erschallen
konnte, mußten viele Menschen ihr Leben lassen. Der Krieg von
1870/71 bildete zugleich einen traurigen Höhepunkt in der
sogenannten Erbfeindschaft der Nachbarländer. Auch aus der
Kurpfalz zogen viele Männer aus, „um freudig ihr Blut zu
vergießen und mit Gottes Hilfe glorreich zu siegen“, wie es in
einem Aufruf jener Tage hieß.
Schon seit längerem zeichnete sich der Krieg zwischen den beiden
Nachbarn rechts und links des Rheines ab. „Dieser Krieg mit
Frankreich wird kommen“, prophezeite Reichskanzler Bismarck
bereits 1868. Der Anlaß ergab sich, als Spanien einen neuen König
brauchte und dafür einen entfernten Verwandten des Preußenkönigs
Wilhelm ins Auge faßte. Weil aber die französische Regierung
diesen Plänen heftig widersprach, trat der Hohenzollernprinz von
der Kandidatur zurück. Trotzdem verlangte der französische
Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, eine Garantieerklärung,
daß Preußen für immer auf die Anwartschaft verzichte. Der so
bedrängte Monarch lehnte ab, ließ den in seinen Urlaubsort Bad
Ems nachgereisten Diplomaten stehen und telegraphierte den
Sachverhalt in der berühmten „Emser Depesche“ nach Berlin.
Bismarck straffte den Text, um den Wortlaut zu verschärfen, und
übergab die redigierte Fassung an die Presse. Wilhelms Abweisung
klang nun so schroff, daß Frankreich sich brüskiert fühlen mußte.
Innerhalb weniger Tage, am 19. Juli 1870, ging die
Kriegserklärung Frankreichs in Berlin ein. Ein Krieg, der zehn
Monate dauern sollte, hatte begonnen.
Der Aufmarsch der Truppen aus allen Gauen des noch nicht geeinten
Deutschlands verlief schnell und reibungslos. Die preußischen
Planer hatten auf die neue Technik gesetzt, auf die Eisenbahn und
den Telegraphen. Die Truppen sammelten sich in drei Hauptarmeen,
eines dieser drei Heerlager war übrigens bei Altlußheim. Es war
die Armee des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, die dort
mit Fähren über den Rhein setzte. Von überall kamen die
Heerscharen mit der Eisenbahn angereist. Von den Bahnhöfen in
Mannheim und Heidelberg, aber auch Schwetzingen und Hockenheim
marschierten die Truppen durch die Gemeinden in Richtung
Altlußheim. Überall schlossen sich Kriegsdienstleistende und
Freiwillige an.
„Wir leben in großen Tagen. Vor wenigen Wochen mußten wir dem
frechen Angriff des alten Feindes der Deutschen entgegentreten in
banger Sorge um Haus und Herd, um die Ehre unserer Frauen und um
das höchste Gut, die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes.“ So
lautete der propagandistische Text eines Aufrufs Anfang
September. Wieviele dieser „tapferen Helden“, der „treuesten
Söhne unseres deutschen Vaterlandes hingesunken sind auf die
blutige Erde“, ist zumindest für die Kurpfalz unklar.
Sicher ist allerdings, wie hoch die Kriegskosten für die
einzelnen Gemeinden ausfielen. So mußte beispielsweise das damals
964SeelenDorf Brühl 5.000 Gulden aufbringen. Dies war fast
genau so viel, wie wenige Jahre zuvor beim Bau des Rathauses
zu bezahlen waren. Eine nicht ganz einfache Sache für die kleine
Gemeinde im Süden Mannheims. Es mußte eigens ein Kredit
aufgenommen werden, um die Abgabe an die großherzogliche Kasse zu
entrichten.
Großherzog Friedrich I. von Baden war bei der Proklamation des
Kaiserreiches in Versailles zum Sprecher der deutschen Fürsten
ernannt worden. Er stimmte die begeisterten Hochrufe der
Versammlung von Fürsten und Offizieren an. Der deutsche Kaiser
wurde, zehn Tage vor der Übergabe von Paris, mitten im Krieg, an
einem preußischen Gedenktag im früheren Sitz des französischen
Sonnenkönigs gefeiert. Dies kam einer Verhöhnung des Feindes
gleich, die den Graben noch tiefer machte.
Der Friedensschluß vier Monate später bot weiteren Zündstoff und
belastete die deutschfranzösischen Beziehungen auf Jahrzehnte
hinaus. Elsaß und Teile Lothringens fielen ans neue Deutsche
Reich. Außerdem wurden Reperationszahlungen von fünf Millionen
Franken festgelegt, die Deutschland, auch den Gemeinden der
Kurpfalz, kurzzeitig einen Aufschwung, die sogenannten
Gründerjahre, bescherten.
Die Beziehungen zum westlichen Nachbarn waren lange auf Dauer
geschädigt. Es sollte fast 80 Jahre dauern bis sich das
Verhältnis wieder normalisierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurden Freundschaften und partnerschaftliche Beziehungen von
vielen kurpfälzischen Orten mit französischen Städten und
Gemeinden begründet. Sie wurden die Grundlage zur heutigen
deutschfranzösischen Freundschaft. So sind aus den Feinden von
früher heute echte Freunde geworden, die eng miteinander in einem
gemeinsamen Europa leben.
Aus: SZ vom 18.1.1996 nach rs
Kummer und Not zur Jahreswende 1945/46
Ein Jahr ging zu Ende, das einmal in die Geschichte eingehen
würde: Trauer um Millionen von Gefallenen und Toten durch die
Kriegseinwirkungen, Angst um die unzähligen Verschollenen, Sorge
ums tägliche Überleben. Die Angst um das Verhungern wird
gemildert durch das Glück, überhaupt überlebt zu haben.
Wiedersehensfreude und die Hoffnung auf eine bessere Welt prägten
die Gefühle am Jahreswechsel 1945/46 überall in der Kurpfalz.
Nur wenige Zeitungen erschienen zum ersten Silvester nach Ende
des 2. Weltkrieges und auf den wenigen Seiten war immer wieder zu
lesen, daß sich die Menschen „vom Ungeist des Nationalsozialismus
und Militarismus“ zu trennen hätten. In der Rhein-Neckar-Zeitung
forderte der spätere Bundespräsident Theodor Heuss die Leser auf,
daß das „neue Jahr das Volk an der Arbeit sehen“ möge und „die
Grundlagen für eine bessere Zukunft zu schaffen“.
Im „Schwetzinger Morgen“ war von den Wünschen der Bürger zu
lesen: „Gar soviele erhoffen sich endlich Klarheit über das
Schicksal der vielen Vermißten und wünschen ihnen und den bereits
als gefangen ermittelten Soldaten eine baldige, gesunde Heimkehr.
Andere gehen in Richtung des Aufbaues oder der Bedachung halb
zerstörter Häuser. Dazu kommen noch zahlreiche Gedanken und
Hoffnungen bezüglich der Sicherung einer beruflichen Existenz.“
Trotzdem schließt der Verfasser damit, daß „Tränen, Kummer und
Not wohl noch lange unsere ständigen Begleiter sein werden“.
Wer sich nicht dank eigenem Land oder Vieh selbst versorgen
konnte, gute Beziehungen, etwas zum Tauschen oder
Organisationstalent hatte, für den blieb Schmalhans noch lange
Küchenmeister. Daß es bald wenigstens ein bißchen mehr zu essen
geben könnte, ließen Berichte über die Entwicklung der
zugewiesenen Lebensmittelmengen hoffen. So verdoppelte sich etwa
die einem Normalverbraucher über 18 Jahren zustehende Brotmenge
von 5.600 auf 11.450 Gramm im Monat. Die Fleischration
vergrößerte sich auf 440 Gramm ebenfalls pro Monat.
Lebensmittel waren denn auch am begehrtesten auf dem blühenden
Schwarzmarkt. Und mancher machte auch mit heißer Ware gute
Geschäfte solange ihn die Ordnungshüter nicht schnappten. Ein
Erfolg des Hockenheimer Landpolizeiposten wurde beispielsweise
Ende Januar 1946 vermeldet. So wurde ein Mann aus der Nähe von
Sinsheim geschnappt, der mit einem Fahrrad und zwei beladenen
Handwagen unterwegs war. In der Nähe des damaligen Bahnhofs
Talhaus versuchte er, allerlei an den Mann und die Frau zu
bringen. Die Polizisten stellten vier geschlachtete Gänse, drei
Hühner, zehn Pfund Zucker, ein Pfund Butter, über 400 Zigaretten,
224 Fingerringe, 36 Schlüsselketten und 12 Paar Damenstrümpfe
sicher. Ein Tag später hingen überall in der Stadt warnende
Flugblätter an den Wänden: „Wer gestohlene Sachen kauft, macht
sich der Hehlerei schuldig!“
Als „Sünde an der Heimat“ wurde in einer anderen Ausgabe des
„Schwetzinger Morgens“ der Holzdiebstahl aus dem nahen Hardtwald
und aus öffentlichen Anlagen angeprangert. Dies galt vor allem
für die Menschen, die immer wieder in den Schwetzinger
Schloßgarten eindrangen und dort „an völlig gesunden Bäumen auf
grobe Art Äste entfernten“.
Als vorbildlich gelobt wurde dagegen eine fürsorgliche Aktion der
örtlichen Gastwirte, deren Gäste nicht wie sonst üblich ein
Brikett oder einen Holzscheit mitzubringen brauchten. Sie
besorgten sich gemeinsam Brennholz über das Forstamt im
Hardtwald, damit dem Gast „nicht nur ein gutes Glas Bier oder gar
Glas Wein, sondern auch ein warmes Lokal zur Verfügung steht“.
Ablenkung von den Sorgen bereiteten zu jener Zeit unter anderem
Filme, Konzerte und Theateraufführungen. So freuten sich in
Schwetzingen die Menschen über eine Aufführung von Bernhard Shaws
„Candida“ durch eine Theatertruppe der US-Armee und in Hockenheim
führte ein Laientheater in der „Rose“ zur Fastnachtszeit den
Schwank „Die spanische Fliege“ auf. In Reilingen kam der Erlös
eines nach Dreikönig gezeigten Lustspieles den Kriegsgefangenen
und deren Familien zugute. Nicht nur wegen des guten Zwecks
sprach dieses ein breites Publikum im Saal des „Engels“ an,
sondern wohl auch wegen des Titels „Arm wie eine Kirchenmaus“.
Geschmuggelter Wein und falsche Leberwurst
Nicht nur an den Festtagen biegen sich bei den meisten Menschen
der heutigen Zeit die Tische unter der Last der Leckereien. Die
Not leidender Menschen wenn auch manchmal mitten unter uns
scheint weit entfernt zu sein, man will leben. Im strengen Winter
1946 mit Temperaturen von unter minus 15 Grad, die die Kraichbach
und auch das Wasser im Waschlavoir in der ungeheizten Wohnung
zufrieren ließen, und Schneehöhen, von denen Kinder heute nur
noch erstaunt hören, konnten die meisten Menschen selbst von
einem einfachen Mahl nur träumen. Selbst Fastnacht wurde wenn
überhaupt nur bescheiden gefeiert.
Georg Zahn aus Hockenheim hatte ebenso wie zwei seiner Kameraden
das Glück, schon aus der amerikanischen Gefangenschaft
heimgekehrt zu sein. Darauf wollten die jungen Männer natürlich
am liebsten mit einem Glas Wein anstoßen. Wo aber sollte man zu
dieser Zeit in Hockenheim Wein herbekommen? Dank der im
Kriegsgefangenenlager geschlossenen Freundschaft zu einem Winzer
aus Rauenberg sollte es kein Problem sein, an den Wein zu kommen.
Wohl aber der Transport, denn wie die Lebensmittel in den Läden
war auch der Wein von der US-Militärregierung in Weinheim
beschlagnahmt worden.
Die drei Hockenheimer wären keine Hockenheimer gewesen, hätten
sie nicht eine Möglichkeit gefunden, doch noch an den Wein zu
kommen. „Wir haben unserem Freund Arm und Kopf verbunden und ihn
auf eine Trage gelegt“, wußte Oskar Haas die Geschichte immer
wieder lebendig zu erzählen. Da von einem Arzt „Seuchengefahr“
attestiert worden war, gelang es dem Trio, an einen
MilitärSanitätswagen zu kommen, der damals für die
Zivilbevölkerung eingesetzt worden war.
So kam man unbehelligt von den vielen Straßenkontrollen über
Reilingen, Walldorf und Wiesloch nach Rauenberg. Spät in der
Nacht wurden drei Kisten „1941er Mannaberg Riesling“ verladen und
unter dem „Kranken“ versteckt, der nun auf umgekehrtem Weg seine
Reise in das Hockenheimer Krankenhaus antreten sollte. Wiederum
kam man ohne Probleme durch die Sperren, denn vor Krankheiten
oder gar Seuchen hatten die GIs an den Kontrollen eine panische
Angst: „Ein kurzer Blick auf das Arztschreiben genügte und wir
wurden sofort weitergeschickt“. In Hockenheim angekommen, wurden
die Flaschen sofort geöffnet und zur Freude vieler Stammgäste im
„Grünen Baum“ ausgeschenkt.
Das Faible eines reichen bayerischen Molkereibesitzers für den
Wein aus dem Kraichgau, den er während seiner Studienzeit in
Heidelberg kennengelernt hatte, kam dem Reilinger Heinrich Krämer
zugute. Krämer hatte nach seiner Flucht aus einem
Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Innsbruck für einige Zeit
in der Molkerei in Memmingen gearbeitet. Heimgekehrt nach
Reilingen, nahm er Kontakt auf mit einem Winzer in Malsch. Immer
wieder habe er die Reise nach Memmingen angetreten, erinnerte
sich Krämer und erzählte von den überfüllten Zügen: „Die Menschen
hingen wie Trauben sogar draußen auf den Trittbrettern und ich
stand mit 20 Flaschen Wein im Rucksack auf der untersten Stufe.
Den ganzen Weg hatte ich mehr Angst, abzustürzen, als von der
Polizei kontrolliert zu werden“. Für jede Flasche gab es ein
Pfund Butter, die dann teilweise wieder in Mehl oder andere Güter
des täglichen Bedarfs eingetauscht wurde.
Aus nichts etwas einigermaßen Schmackhaftes zu zaubern das war
die Kochkunst dieser mageren Jahre. Die Not machte auch in
Hockenheim erfinderisch und so reichte man unter der Hand ein
„Geheimrezept“ weiter, wie man ohne Leber oder Fleisch eine
ErsatzLeberwurst herstellen konnte. Dabei schwörte jeder Ort in
der Kurpfalz auf „sein“ Rezept. Es gab zahlreiche Varianten für
falsche Leberwurst, am beliebtesten in der Region um Hockenheim
aber war die „Leberwurst“, die aus einer Mehlschwitze mit Wasser
und etwas Milch hergestellt wurde. In diese Masse wurde Hefe
gegeben und mit Salz, Pfeffer und vor allem viel Majoran gewürzt.
Und das Essen wurde dann zu einer Delikatesse, wenn es dazu
Sauerkraut gab. (og)
Als der Aderlaß Allheilsmittel war
Die kalte Jahreszeit ist in den ewigen Wechsel der Jahreszeiten
ebenso eingebunden wie die alljährliche Grippewelle oder andere
„verschnupfte“ Zeiten. Die Wartezimmer der Ärzte sind übervoll,
und jeder Patient kennt die Atmosphäre moderner Praxen und
Kliniken aus eigenen Erfahrungen. Wie muß man sich aber nun die
ärztliche Versorgung der Kurpfälzer zu Zeiten eines Carl Theodors
vorstellen? Wie war es um die ärztliche Versorgung und die
Hygiene des 18. Jahrhunderts bestellt?
Zunächst muß man wissen, daß die Medizin zur damaligen Zeit erst
zur Naturwissenschaft reifte und gerade dabei war, die
metaphysischen Grundlagen der Antike von der
Experimentalphysiologie ablösen zu lassen. Von besonderer
Bedeutung in dieser Zeit war für die Bevölkerung die Entwicklung
der Pockenschutzimpfung. Bekannt waren auch schon die Zeichen
einer Angina pectoris oder einer Herzmuskelentzündung. Syphilis
wurde als eine Art Volksseuche behandelt und den Hodenkrebs
brachte man mit dem Beruf des Schornsteinfegers in Verbindung.
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung lag je nach Geldbeutel
der Patienten und Art der Krankheit in den Händen von Ärzten,
Badern, Apothekern, Barbieren, Feldscherern und allerlei anderen
Scharlatanen sowie selbsternannten Wunderärzten.
Seit 1680 versuchten verschiedene Wissenschaftler eine
Frischwasserversorgung für Mannheim zu entwickeln. Dies war
besonders schwierig, denn die Stadt an Rhein und Neckar war auf
ehemals morastigem Untergrund errichtet worden. Nach ausgiebigen
Studien alter Untersuchungen wollte der Ingenieur Traitteur auf
eigene Kosten mit Unterstützung der kurfürstlichen Schatulle eine
Frischwasserleitung von Leimen und Rohrbach nach Mannheim
verlegen lassen. Er versprach sich und dem Kurfürsten große
Gewinne, aber die kurfürstliche Bürokratie und die Kriegswirren
der damaligen Zeit vereitelten das Vorhaben.
Der Heidelberger Wissenschaftler Franz Anton Mai (1742 1814)
machte sich durch die Verbreitung allgemeinhygienischer
Grundlagen überall einen Namen. Er beriet die kurfürstliche
Regierung in gesundheitspolitischen Fragen und stellte einen
Katalog von Vorsichtsmaßnahmen und Therapiemöglichkeiten bei Ruhr
auf. Bereits 1730 hatte der regierende Kurfürst seiner
Residenzstadt Mannheim ein erstes Spital gestiftet. Die Patienten
wurden von Jesuiten und Kapuzinern betreut. Wegen der hohen
Sterblichkeit stellte man 1762 einen Arzt ein und die Berufung
eines gelernten Apothekers wurde zur Pflicht gemacht.
Finanzieren mußte sich das Spital mit Hilfe der
Spielkartenstempelsteuer, weshalb praktischerweise der
Krankeneinrichtung eine Kartendruckerei angeschlossen wurde.
Hinzu kam zudem eine Militärtuchfabrik und eine
Waisenerziehungsanstalt der Jesuiten.
Zur gleichen Zeit wurde das „Consilium medicum“ der Kurpfalz ins
Leben gerufen, eine Vorläufereinrichtung der heutigen
Gesundheitsämter. Dort taten sechs Geheimräte
(Verwaltungsbeamten) und vier Ärzte ihren Dienst. Ihre Aufgabe
war es, die Mitglieder der Regierung zu beraten und der
Kurpfuscherei in der Kurpfalz ein Ende zu setzen. Aber wie in
jenen Tagen üblich, beschränkte sich die Einrichtung mehr auf das
höfische Leben und verkam mit den Jahren zu einem
Honoratiorenverein.
1754 wurde im Garnisonslazarett im Quadrat F 6 von Prinz
Friedrich von PfalzZweibrücken ein „Collegium
anatomicumchirurgicum electorale palatinum militare““, also eine
anatomischchirurgische Ausbildungsstätte für Feldscherer
(Sanitäter) und Wundärzte, gestiftet. Wegen der Überlastung des
BorromäusSpitals der Jesuiten erlaubte Kurfürst Carl Theodor
1773 die Gründung eines katholischen Bürgerhospitals. Bereits
seit 1739 unterhielt die deutschreformierte Gemeinde ein Armen
und Krankenhaus, die Lutheraner errichteten 1770 ebenfalls ein
Krankenhaus.
Die ambulante Versorgung der armen Bevölkerung in der
Residenzstadt wurde unter anderem durch einen
Wohltätigkeitsverein unterstützt. Die Bevölkerung der vielen
kurpfälzischen Dörfer verspürten jedoch nichts von dieser
Entwicklung. Allein Schwetzingen kam zunächst in den Genuß von
öffentlichen Ambulanzstellen, vor allem dann, wenn der Hofstaat
während des Sommers im Schloß weilte. Andere Städte und Dörfer
hatten dann Glück mit der medizinischen Versorgung, wenn sich
Klöster oder Ordensgemeinschaften darum kümmerten.
Mannheim selbst war bereits 1766 in sechs Bezirke aufgeteilt
worden, wo ein Arzt sowie mehrere Wundärzte die Bevölkerung
kostenlos versorgten. Der Kurfürst bezahlte die Arzneien aus
seiner Privatschatulle und wies die Hofapotheke an, für einen
entsprechenden Vorrat an „Medicin“ zu sorgen. Im BorromäusSpital
wurde zweimal wöchentlich eine Poliklinik eingerichtet und die
jüdische Gemeinde wurde verpflichtet, die bedürftigen
Gemeindemitglieder ebenfalls kostenlos zu behandeln. 1766 wurde
auf Befehl des Kurfürsten zudem eine Hebammenschule gegründet
nachdem Carl Theodors einziger legitimer Sohn im Kindesalter
nach schwerer Geburt verstorben war. Der Schule wurde ein
„Wöchnerinnen-Asyl“ mit zwölf Betten angeschlossen.
Das größte Problem der damaligen Zeit aber war die Hygiene. In
einer Zeit, in der es gerade bei Hofe besonders schick war, sich
zu parfümieren statt zu waschen, wurde die hygienische Aufklärung
zu einer Herausforderung für die Medizin.
Heute kann man als größte und wichtigste Errungenschaft der
vergangenen Jahrhunderte vor allem die sich entwickelnde Hygiene
sehen, denn auf ihr basierend konnte eine fortschrittliche
Medizin auch in der Kurpfalz entwickelt werden.
Quelle: unbekannt
Martinstag mit alter Tradition
Martini wurde in der Pfalz auch als Fest des neuen Weins gefeiert
Landauf, landab gibt es in der Kurpfalz viele beliebte Traditionen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten aus dem Jahresablauf der Menschen an Rhein und Neckar nicht mehr wegzudenken sind. Zu den populärsten Volksbräuchen zählt vor allem der Martinstag. Seit Generationen ziehen am 11. November die Kinder durch die Straßen oder gehen von Haus zu Haus. Dabei schwenken sie stolz ihre ausgehöhlten Rüben, Kürbis oder Papierlaternen.
Weiterlesen
Der Erdbebenanzeiger von Mannheim
Erdbeben und Erderschütterungen sind in der Rheinebene nicht
unbekannt, entstand die Oberrheinische Tiefebene doch vor
Jahrmillionen durch ein Erdbeben. Der sogenannte „Grabenbruch“
verdankt sein Entstehen somit eine gewaltige Erdschollenbewegung.
Kleine Erdbeben sind auch aus der kurpfälzischen Vergangenheit
bekannt geworden. Bereits die 1763 gegründete Kurpfälzische
Akademie der Wissenschaften befaßte sich in der meteorologischen
Klasse mit solch seltenen und daher um so merkwürdigeren
Phänomenen wie dem Vulkanismus und seinen Begleiterscheinungen.
Doch von den inneren Zusammenhängen von Vulkanausbrüchen und
Erdbeben wußte man damals noch nichts. Man ahnte es allenfalls.
Die weltweit betriebenen, durch den Mannheimer Hofkaplan Johann
Jakob Hemmer in Gang gesetzten Wetterbeobachtungen und
fortlaufenden Aufzeichnungen der Meßwerte sind für die
Witterungsgeschichte des Jahres 1783 „überaus wertvoll“, denn die
Sommermonate boten „allenthalben außerordentlich seltsame
Erscheinungen“. Über der Kurpfalz lag vom 16. Juni bis zum 6.
Oktober 1783 „ein ungewöhnlich starker Nebel von auffälliger
Trockenheit“, wie heute noch in alten Dokumenten zu lesen ist.
Was war geschehen?
Die Sonne habe damals wie rotglühendes Eisen ausgesehen und
konnte an vielen Tagen selbst während der Mittagsstunden mit
ungeschützten Augen betrachtet werden. Seltsame, ungewöhnlich
kräftige Dämmerungserscheinungen am Himmel ängstigten die
Menschen. Schreckensbotschaften über äußerst zahlreiche und
heftige Erdbeben in Tripolis, Kalabrien und Sizilien wurden
verbreitet. Am 18. Mai verspürte man noch in Regensburg die
Ausläufer eines Bebens, ist in einer wissenschaftlichen
Auswertung der „Mannheimer Ephemeriden“, den Aufzeichnungen aller
Wetterfaktoren in weiten Teilen Europas.
Bald erfuhr man mehr: Am 1. Juni setzten auf Island „viele
furchtbare Vulkanausbrüche ein, seit dem 11. Juni warf der Hekla
eine Lavamasse aus, die 9.000 Menschen das Leben kostete. Der
ungewöhnliche „Sommernebel“ des Jahres 1783 war von Norden
gekommen und demnach nichts anderes als Vulkanasche gewesen, die
das Sonnenlicht teilweise ablenkte. Entsprechend streng waren die
Winter 1784 bis 1789. Es gab mehrfach Mißernten und Hungersnot.
In dieser Situation beschäftigte man sich auch in Mannheim mit
der Konstruktion eines ersten brauchbaren Seismometers
(Erdbebenmelders). Ein kurfürstlicher Hofastronom namens König
soll es gewesen sein, der 1784 tatsächlich einen damals
„Sismometer“ genannten Apparat entworfen hatte, den er „aus zwei
verschiedenen Erfindungen zusammenzusetzen gedenket“. Wäre Königs
Erdbewegungsmesser damals „schon verfertiget gewesen, so würde
die am Gestirne gemachte Beobachtung auch durch dieses Instrument
bestätiget seyn“, hieß es in einer Notiz der „Mannheimer Zeitung“
vom 27. November 1784. Die Beobachtung bezog sich auf ein
Erdbeben, das am 17. Oktober des genannten Jahres bei Neapel
verspürt wurde. Da weitere Zeitungsmeldungen oder
wissenschaftliche Abhandlungen fehlen, ist nicht bekannt, ob
Königs Apparat später voll funktionsfähig gewesen ist.
Aus: Mannheimer Morgen, Hans Weckesser, 20.1.1995
Die Prinzessin mit dem allzu feurigen Temperament
Am 15. November 1794 starb 70jährig in einem kleinen Schloß in
der Oberpfalz Maria Franziska Dorothea Christine von
Pfalz-Sulzbach, die Mutter des ersten bayerischen Königs Max
Joseph. Ihre Zweibrücker Heimat war zu dieser Zeit von
französischen Revolutionstruppen besetzt. Ihr Sohn, der
regierende Herzog von Pfalz-Zweibrücken, KarlAugust, hatte sich
ins Rechtsrheinische in Sicherheit gebracht. Auch Maria
Franziskas Schwager, der Kurfürst von der Pfalz und Bayerns, Carl
Theodor, verlor seine Besitztümer im Linksrheinischen durch die
Revolution.
Unberührt von der aktuellen Tagespolitik verbrachte die alte Frau
ihre letzten Lebensjahre, doch unvergessen blieb der Skandal, den
sie, die jüngste Schwester der pfälzischen Kurfürstin Elisabeth
Auguste, genau 35 Jahre zuvor am Mannheimer Hof verursacht hatte.
An Maria Franziska statuierte der kurfürstliche Hof ein Exempel
der damals üblichen Doppelmoral. Denn was bei den Männern in
jenen Kreisen gang und gäbe war und stolz zur Schau getragen
wurde, war bei den Damen ein Skandal, den man krampfhaft zu
vertuschen suchte . . .
1724 wurde Maria Franziska als dritte Enkeltochter des Pfälzer
Kurfürsten Karl Philipp geboren. Die Eltern starben früh. Auf der
Doppelhochzeit ihrer beiden Schwestern in Mannheim lernte die
17jährige den gleichaltrigen, gutaussehenden Pfalzgrafen
Friedrich Michael kennen, den Bruder des regierenden Herzogs
Christian von PfalzZweibrücken. Herzig Christian, aber auch die
Erben der Pfalz und Bayerns, sollten später ohne legitime
Nachkommen sterben.
Es waren also Maria Franziskas Nachkommen, die eine reiche
Hinterlassenschaft antraten. 22 Jahre zählte die Prinzessin, als
sie dem Pfalzgrafen ihr Ja-Wort gab. Da hätten zwei Feuer
gefangen, so erzählte der Hofklatsch; zumindest hatte es den
Anschein! Pfalzgraf Friedrich Michael war Generalissimus im
kurpfälzischen Heer seines Schwagers Carl Theodor und bei den
kaiserlichen Habsburgern. Er war selten daheim, ein fürstlicher
Nichtstuer, bequem und genußsüchtig, mit reichlich wenig
Verstand. Dem „schönen Mann“ aber lag die Damenwelt zu Füßen.
Er hatte aber eine Frau bekommen, die zu ihm paßte. Beide hatten
ein feuriges Temperament, ein weiches Herz und schwache
moralische Grundsätze. Überschäumend vor Lebenslust, vergnügungs
und verschwendungssüchtig tanzte Maria Franziska durch den
kurfürstlichen Hof von Mannheim. Fünf Kinder wurden in der Ehe
geboren, darunter der Erbe von PfalzBayern und spätere
bayerische König, Maximilian Joseph.
Als sich ihr Ehemann in anderen Betten vergnügte, tat sich auch
die Prinzessin keinen Zwang mehr an. Aber Friedrich Michael war
nicht der Mann, der sich Hörner aufsetzen ließ. Ein Hoffräulein
als Dauerwachhund mußte der untreuen Gattin auf Schritt und Tritt
folgen. Doch Maria Franziska schüchterte dies nicht ein. Sie
nutzte die nächste Abwesenheit ihres Mannes zu einem intensiven
Techtelmechtel mit einem Schauspieler des Mannheimer Hoftheaters,
das nicht ohne Folgen blieb. Die Pfalzgräfin wurde schwanger. Und
da ihr Gatte zum Zeugungstermin nicht in ihrer Nähe geweilt
hatte, konnte sie ihm das zu erwartende Kind nicht als seines
unterschieben. Übrigens hatte Friedrich Michael schon bei der
Geburt des fünften Kindes, des kleinen Max Josef, Zweifel gehegt,
ob er wirklich der Vater des Knaben sei.
Es folgte ein kompliziertes Versteckspiel, um Maria Franziskas
Zustand zu vertuschen. Ihre Schwester, die Kurfürstin, nahm
zusammen mit Herzog Christian von Zweibrücken die Sache in die
Hand. Im siebten Schwangerschaftsmonat verkündete man dem
kurfürstlichen Hof, die Prinzessin sei schwer erkrankt, Besuche
seien verboten. Nur wenige informierte Dienstboten und der
Hofarzt durften ihr Zimmer betreten, in denen die Schwangere sich
allerdings nicht mehr aufhielt.
Maria Franziska war nämlich heimlich nach Straßburg gebracht
worden. Dort, im Haus von Dr. Johann Fried, Professor für Medizin
und Hebammenkunst, brachte sie im Januar 1760 ein kleines Mädchen
zur Welt. Nachdem sie sich von der Geburt erholt hatte, kehrte
sie in einer Nacht und Nebelaktion wieder zurück nach Mannheim.
Doch die hochherrschaftliche Verwandtschaft wollte die gefallene
Frau nicht mehr am Hofe dulden. Sie zwang Maria Franziska, sich
„aus gesundheitlichen Gründen“ in ein Kloster in Metz
zurückzuziehen. Als Maria Franziska gegen die Lothringer Klausur
rebellierte, wurde sie in einen noch strengeren Orden nach
Luxemburg verfrachtet.
1767 starb ihr Ehemann. Kurfürst Carl Theodor, der selbst mit
seinen Mätressen und den fünf Kindern öffentlich trotz Ehefrau
ein harmonisches Familienleben pflegte, mißbilligte die rüde
Behandlung seiner Schwägerin. Er bot der 42jährigen ein Schloß in
der Oberpfalz als Witwensitz an. Dort verbrachte sie still und
zurückgezogen die restlichen Lebensjahre.
Nur zu ihren Kindern pflegte sie einen innigen Kontakt. Denn bei
aller Kritik an ihrem Lebenswandel war sie eine gute und
liebevolle Mutter. Als ihr Lieblingssohn Karl August die
Herrschaft in Zweibrücken erbte, führte er die verheimlichte
Halbschwester unter dem Namen Fräulein von Einsiedel am Hofe ein.
Er stattete sie großzügig mit Einkünften aus und vermählte sie
mit dem Obristen seiner Leibgarde, dem Freiherrn von Montigny.
Aus: Rheinpfalz, Wiltrud Ziegler, 12.11.1994
Ketsch als Spielball zwischen Speyer und Kurpfalz
Das Dorf Ketsch war bei seiner ersten Erwähnung um 1150 im Besitz
der Bischöfe von Speyer. Zwischen 1159 und 1329 schenkten es
diese dem Kloster Maulbronn, das es wiederum dem Domkapitel
Speyer verkaufte. Ketsch blieb bis 1803 in dessen Besitz. Dadurch
war der Ort zur Exklave geworden eingeschlossen zwischen Rhein
und den kurpfälzischen Gebieten.
Im Laufe der Herausbildung der Kurpfalz im späten Mittelalter kam
es zu Besitzforderungen der pfalzgräflichen Verwaltung über
Verlandungen, Inselbildungen und Fischgründe. Als die Kurpfalz
1329 die Schirmherrschaft über den von Maulbronn an das
Domkapitel Speyer zurückgefallenen Meierhof Ketsch übernahm,
bezeugten die Pfalzgrafenbrüder Rudolf und Ruprecht, daß sie
vorher keine Besitzrechte dort hatten.
König Ruprecht bestätigte als Pfalzgraf 1408 nochmals die Rechte
des Domkapitels Speyer auf Ketsch und den dortigen Wald.
Gleichzeitig wurde richtiggestellt, daß der Hofmeister und die
kurpfälzischen Amtsleute glaubten, der Wald, die Weide und das
Wasser in der Mark Ketsch gehöre der Kurpfalz. Nach Prüfung alter
Briefe und Kundschaften stellte man aber auf pfalzgräflicher
Seite fest, daß die Bäche und das Wasser dem Stift zu Speyer
zustanden.
In einer Güterbeschreibung der Höfe in Ketsch, die wahrscheinlich
aus dem 15. Jahrhundert stammt, ist ein Salmengrund der Bischöfe
von Speyer am Angelbach angegeben. Darunter war die alte Kraich
zu verstehen, die zu dieser Zeit am Angelwald in den Rhein
mündete. Auch im „Dorssenpfuhl“ im Angelwald hatten die Domherren
das Fischereirecht. Ebenso gehörten die vier „Heckenweiher“ in
der Kreuzwiese den Domherren zu Speyer.
Doch allem Anschein nach muß nach der Schlacht bei Seckenheim im
Jahre 1462 der Einfluß der siegreichen Kurpfalz in diesem Gebiet
größer geworden sein. Friedrich I. übernahm den Schutz über das
Speyerer Hochstift (= weltliche Besitztümer des Bistums Speyer),
womit Einflüsse in Ketsch und Brühl verbunden waren.
Heute erscheint es sonderbar, daß der Rhein zwischen Brühl und
Germersheim bis 1803 fürstbischöflichspeyerisch war und es die
Kurpfalz dennoch zuwege brachte, Vorrechte in Ketsch zu erwirken.
Die Ansprüche auf Anschwemmungen im Rhein brachten Auwälder,
Inseln und Flußstrecken des noch wild dahinfließenden Rheins an
die Kurpfalz. Diese Entwicklung war möglich, weil sich die Grenze
der Kurpfalz seit dem 15. Jahrhundert bis zur Ketschau und zur
westlichen Seite des Karl-Ludwig-Sees vorschob. Der Rheinwald
aber gehörte damals zu Otterstadt.
Bei den Auseinandersetzungen von 1591 zwischen dem Domstift in
Speyer und dem kurpfälzischen Hof in Heidelberg ging es vor allem
um zwei Rheinwörthe um den oberen und unteren Angelwörth, doch
auch um die Obrigkeit im Dorf, zu dem damals noch der Angelwald
zählte. Das Domkapitel wollte nicht mit der Kurpfalz in
Uneinigkeit verfallen und die Streitfrage in gütlicher
Unterhaltung beilegen. Dies brachte im Februar 1591 folgende
Einigung: Der obere und untere Angelwörth sollten beide,
außerhalb des unteren Wörths, wo die Angelbach mündet, mit
Vorbehalt kurfürstlichpfälzische Wildfuhr bleiben. Andererseits
sollten dem Domkapitel die beiden Salmengründe verbleiben und der
Enten oder Vogelfang sowie alle andere Nutzung zustehen.
Aus: Schwetzinger Zeitung, rf, Sonderbeilage Ketscher
Backfischfest 1994
Sie kamen als Fremde und wurden Pfälzer
Das schönste Haus in Lambrecht ist das beispielhaft renovierte „Wallonen-Haus“. Es erinnert den Besucher daran, daß die Pfalz nicht nur ein Auswanderungs, sondern auch ein wichtiges Einwanderungsland gewesen ist. Ein Land, in dem Glaubensflüchtlinge Zuflucht und eine neue Existenz gegründet haben, aber auch ein Land, das nach dem Dreißigjährigen Krieg Ausländer gerufen hatte, um die fast menschenleer gewordene Orte wieder zu besiedeln. Weiterlesen
Die Hugenotten kommen
Hundertzwanzig Jahre nach der Vertreibung der Reformierten durch die spanische Herrschaft erlebte Europa wieder eine Flüchtlingswelle. Sie begann mit der Aufhebung des Ediktes von Nantes. Diesmal waren die Reformierten in Frankreich betroffen, die Hugenotten. Jeder zwölfte Franzose folgte in der Zeit Ludwigs XIV. seiner Glaubensüberzeugung und floh ins Ausland. Brandenburg-Preußen nahm einen erheblichen Teil dieser Asylsuchenden auf. Auch in der damaligen Kurpfalz ließen sich Hugenotten nieder zum wirtschaftlichen und kulturellen Vorteil des Aufnahmelandes. Weiterlesen
Ein Bollwerk rings um die Quadrate
Am 17. März 1606 legte Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz den Grundstein der Stadt und Festung Mannheim, aber bereits 15 Jahre später war schon alles wieder dem Erdboden gleichgemacht. Kein Bauwerk der Stadt, mit Ausnahme des Schlosses, dürfte so gut dokumentiert sein wie die Festung Mannheim, die frühere „Veste uff dem Rhein“. Ein Bauwerk übrigens, das die Feinde Mannheims und der Kurpfalz nicht davon abzuhalten vermochte, die Stadt gleich dreimal (1622, 1688/89 und 1795 ) in Schutt und Asche zu legen. Die wenigen noch vorhandenen Reste der Bastion St. Jakobus stammen aus dem letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Gleich nach dem Frieden von Ryswik beauftragte Kurfürst Johann Wilhelm („Jan Wellem“) 1698 den General Menno van Coehorn, damals der wohl berühmteste holländische Festungsbauer, mit der Planung einer neuen Festung. Weiterlesen
Pfalzgrafschaft bei Rhein
Die Pfalz entstand durch die Verlagerung der wohl im 10.
Jahrhundert entstandenen, fränkischen Pfalzgrafschaft Lothringen
vom Niederrhein (Aachen, Köln, mit Gütern bei Bacharach und
Vogteirechten über Trier und Jülich) über die Mosel zum
Mittel und Oberrhein. 1093 wird Heinrich von Laach, der dritte
Gatte der Witwe Adelheid von Orlamünde des letzten lothringischen
Pfalzgrafen aus dem Haus der Hezeliniden als „comes palatinus
Rheni“ (Pfalzgraf bei Rhein) erstmals genannt.
Mit dieser an wechselnde Familien gelangten Pfalzgrafschaft
belehnte 1155/56 Kaiser Friedrich I. Barbarossa seinen
Stiefbruder Konrad von Staufen und erhob ihn zum Reichsfürsten.
Hinzu kamen Hausgut, Lehnsrechte und Vogteirechte über Speyer,
Worms und Lorsch sowie zunächst auch Trier. 1195 fiel die Pfalz
über Konrads Tochter Agnes vorübergehend an die Welfen. 1214
übertrug sie Kaiser Friedrich II. nach dem kinderlosen Tod des
Welfen Heinrich des Jüngeren an Ludwig I. von Bayern, dessen Sohn
über die welfische Erbtochter Agnes auch die Eigengüter der
Pfalzgrafen erwarb.
Schwerpunkte des Gutes waren Bacharach (12./13. Jahrhundert) und
Alzey (1214 vom König erlangt). Vom Bischof von Speyer nahm der
Pfalzgraf Neustadt, vom Bischof von Worms Heidelberg (1225) zu
Lehen. Weiter erlangte er die Herrschaft über die Klöster Schönau
und Otterberg. 1255 kamen durch Teilung Oberbayern und die Pfalz
an Herzog Ludwig von Bayern, während Niederbayern mit Landshut an
Heinrich XIII. fiel. 1266 wurden die staufischen Güter um
Sulzbach, 1277/89 Kaub mit dem dortigen Rheinzoll erworben.
Ludwig II. war somit angesehenster Reichsfürst und wirkte bereits
1257 als Kurfürst mit.
1329 bestimmte der wittelsbachische Hausvertrag von Pavia die
Trennung der (unteren) Pfalz (bei Rhein) und der Oberpfalz
zwischen Regensburg und Fichtelgebirge, die der älteren
pfälzischen Linie zugesprochen wurden, von Bayern, das an die
jüngere bayerische Hauptlinie kam, wobei die Kurwürde zwischen
der Pfalz und Bayern wechseln sollte. Dies hob aber die Goldene
Bulle 1356 zugunsten der Pfalz wieder auf.
Unter Kurfürst Ruprecht I. gewann die Pfalz, die 1329 die
Pfandschaft der Stadt Mosbach erlangt hatte, unter anderem
Bretten (1349), Simmern (1359), Ingelheim (1375), Kaiserslautern,
Odernheim (1407), Nierstein und Oppenheim sowie 1385 die
Grafschaft Zweibrücken mit Bergzabern, gab aber 1355 Teile der
Oberpfalz für einige Zeit an Böhmen ab.
Ruprecht II. strebte in der sogenannten Rupertinischen
Konstitution die Unteilbarkeit der Pfalz an. Nach dem Tod des
1400 zum König gewählten Ruprecht III. (1410), der die an Böhmen
gegebenen Teile der Oberpfalz zurückgewann und die Grafschaft
Kirchberg am Hunsrück sowie Sponheim (zu einem Fünftel) erlangte
wurde die Pfalz in vier Linien geteilt: Kurpfalz (Heidelberg,
Amberg, Nabburg), die restliche Oberpfalz als Pfalz-Neumarkt,
Pfalz-Simmern (bis 1685) mit der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken
(bis 1799) und Pfalz-Mosbach. Hiervon starb die Linie Oberpfalz
1443 aus und wurde von Pfalz-Mosbach und Pfalz-Simmern beerbt.
1499 erlosch die Linie Pfalz-Mosbach, das an die Kurpfalz fiel.
Unter Friedrich I. (14491476) wurde die Vormacht der Pfalz am
Oberrhein durch den Erwerb der Reichsgrafschaft Lützelstein und
Rappoltstein, der Reichslandvogtei Hagenau, von Bischweiler,
Selz, Kleeburg und Gebieten an Nahe und Bergstraße, sowie der
Grafschaft Löwenstein (1441/64) begründet. Gleichzeitig wurde die
Kurpfalz modern organisiert.
1503/5 gingen im Bayerischen Erbfolgekrieg die Güter im Elsaß an
Habsburg, die Grafschaft Löwenstein an Württemberg und Lauf,
Hersbruck und Altdorf an Nürnberg verloren, doch wurde die neue
Linie PfalzNeuburg 1508 noch mit Gütern BayernLandshuts
ausgestattet.
1556 führte Ottheinrich die Reformation in seinem sehr
zersplitterten Herrschaftsgebiet ein. 1559 starb mit ihm die
regierende Linie Pfalz-Neuburg als alte Linie Kurpfalz aus.
Beerbet wurde sie in Pfalz-Neuburg von Pfalz-Zweibrücken und in
den Kurlanden von Pfalz-Simmern als mittlere Kurlinie. Diese
führte dort sofort den Calvinismus ein.
Infolge der Wahl zum König von Böhmen (1619) verlor Friedrich V.
Land und Kurwürde 1623 an Herzog Maximilian von Bayern, wobei
weitere Güter an Habsburg und Hessen-Darmstadt kamen. Friedrichs
Sohn erhielt 1648 die Pfalz und eine neue achte Kurwürde, während
die Oberpfalz und die alte Kurwürde bei Bayern verblieben.
1685 erlosch die Linie PfalzSimmern (Zweibrücken). Ihr folgte
die aus PfalzZweibrücken hervorgegangene katholische Linie
PfalzNeuburg. Da auch König Ludwig XIV. von Frankreich für die
Frau seines Bruders, Liselotte von der Pfalz, Erbansprüche auf
Simmern, Kaiserslautern, Germersheim und Sponheim erhob, kam es
zum Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688/97) und der damit verbundenen
Verwüstung der Pfalz (1697) durch Frankreich, das Straßburg und
Saarlouis behielt, Lothringen aber verlor. PfalzNeuburg
vermochte sich, mit Ausnahme Germersheim, zu behaupten.
Vorübergehend wurden die alten Kurrechte und die Oberpfalz
zurückgewonnen. Zeitweise gehörte die Pfalz dem Kanton Odenwald
des Ritterkreises Franken an.
1720 wurde die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt und
1743 bis 1748 eine barocke Sommerresidenz in dem 1200 erlangten
Schwetzingen eingerichtet. 1742 erlosch die Linie PfalzNeuburg.
Ihr folgte Carl Theodor aus der Linie PfalzSulzbach, der durch
Tausch die Herrschaften Zwingenberg und Ebernburg erlangte und
zur Finanzierung seiner Hofhaltung die Industrialisierung
förderte. Wegen Udenheim gehörte unter ihm die Pfalz seit 1788
zum Kanton Oberrheinstrom des Ritterkreises Rhein. 1777 fiel
Bayern an Carl Theodor, weshalb er 1778 den Hof von Mannheim nach
München verlegte. Der Versuch, Bayern gegen die habsburgischen
Niederlande an Österreich abzugeben, scheiterte 1778/79 und
1784/85 an Preußen.
Am Ende seines Bestehens umfaßte das niemals geschlossene, in
bunter Gemengelage mit anderen Herrschaften liegende, von
Germersheim bis Bacharach und von Kaiserslautern bis Mosbach
reichende Gebiet der zum kurrheinischen Reichskreis zählenden
Pfalz 8.200 Quadratkilometer (bzw. 76 Quadratmeilen) mit rund
300.000 Einwohnern.
1801 mußte Maximilian I. Joseph aus der 1799 erbenden Linie
Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld die Abtretung der linksrheinischen,
seit 1792 besetzten Gebiete an Frankreich (Departement
Donnersberg) anerkennen. Das rechtsrheinische Gebiet wurde 1803
an Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau und Leiningen verteilt. 1815
kamen die linksrheinischen Teile von Frankreich zurück und fielen
1816 weitgehend und um die Gebiete Sickingens, Nassaus, von der
Leyens, Leinigen etc. erweitert als Ersatz für Salzburg,
Innviertel und Hausruckviertel an Bayern, im übrigen an Hessen
und Preußen.
Der bayerische Teil bildete zunächst die „Königlich bayerischen
Lande am Rhein“, seit 1836 den bayerischen, von Speyer aus
verwalteten Regierungsbezirk Pfalz (seit 1838 Rheinpfalz). Von
Dezember 1918 bis Juni 1930 war die Pfalz als Folge des Ersten
Weltkriegs von Frankreich besetzt. 1920 kamen Teile der Westpfalz
(Homburg, Sankt Ingbert, Blieskastel) zum Saargebiet. Bereits
1940 wurde die Pfalz aus der Verwaltung Bayerns gelöst. 1945
gehörte die Pfalz zur französischen Besatzungszone und wurde 1946
wie Rheinhessen und KoblenzTrier Teil des Landes
Rheinland-Pfalz, wobei sie bis 1968 einen eigenen
Regierungsbezirk bildete und dann im Regierungsbezirk
Rheinhessen-Pfalz aufging.
Quelle: unbekannt
Melanchthon als Ratgeber in Heidelberg
Kirchenreformator, christlicher Humanist, Lehrer Deutschlands, Vorreiter des ökumenischen Dialogs: Philipp Melanchthon, der große Erneuerer, hat auch Heidelbergs Geschichte entscheidend mitgeprägt. Weiterlesen
Die frühen Pfälzer Kurfürsten
„Palatinum“ war ursprünglich der Name eines Berges in Rom, auf dem die Kaiser ihre Burgen und Paläste erbauten. Dieser Begriff wurde schließlich gleichbedeutend als Bezeichnung für eine kaiserliche Wohnung verwendet. Aus ihm entwickelten sich im Deutschen die zwei Lehnworte Palast und Pfalz. Während sich das eine Wort auf die Bedeutung eines Herrschersitzes beschränkte (franz. „palais“), wurde das andere für die Bezeichnung eines besonderen Hofbeamten, „dem
Pfalzgrafen“, verwendet. Dieser hatte u.a. die Funktion des obersten Richters inne. Als „comes palatinus Rheni“ nahmen die lothringischen Pfalzgrafen am Kaiserhof zu Aachen eine Sonderstellung ein. Ihre Hausmacht verlagerte sich immer mehr rheinaufwärts und endete 1156 mit Hermann von Stahleck, dessen Besitzungen am mittleren Rhein (Burg Stahleck bei Bacharach) und in Süddeutschland lagen. Weiterlesen
Notizen zur Geschichte der Kurpfalz beginnend mit dem 12. Jahrhundert
Pfalzgraf Konrad von Staufen erhielt nach dem Wormser Reichstag
von 1155 von seinem Stiefbruder Kaiser Friedrich I. die Kurwürde
(1156) und damit Streubesitz bei der Burg Stahleck (oberhalb von
Bacharach am Rhein), am Stromberg und bei Alzey, sowie mehrere
Dörfer am unteren Neckar und die Alte Burg auf dem Jettenbühl
oberhalb Heidelbergs.
Nach seinem Tod wird Konrad 1195 im reich beschenkten Kloster
Schönau bei Neckarsteinach bestattet. Das Kloster wird später als
Kernbesitz der Kurpfälzer noch Bedeutung erlangen.
Nun wird es historisch insofern interessant, als es zur
Verbindung und damit zur Aussöhnung der Staufer und Welfen kommt.
Nachfolger Konrads wird sein Schwiegersohn Heinrich der Welfe,
ein Sohn des Braunschweiger Heinrich des Löwen, dem die
staufische Erbtochter Agnes zur Versöhnung der feindlichen
Familien schon als Kind versprochen worden war.
Streitigkeiten zwischen den beiden mächtigen Häusern führten
dazu, daß sich der Stauferkaiser Heinrich VI. von diesem
Verlöbnis zunächst distanzierte, denn für die Base Agnes war aus
politischtaktischen Gründen der französische König Philipp II.
vorgesehen. Es war dann fast wie bei Romeo und Julia: Agnes und
ihr Jugendfreund Heinrich der Welfe heirateten indes in aller
Stille auf Burg Stahleck.
Der Kaiser nahm es schließlich hin, was letztlich zur Versöhnung
der Welfen und Staufer führte. Jedoch hielten
Reichsstreitigkeiten Heinrich den Welfen davon ab, sich um die
Pfalz zu kümmern. Er übertrug 1211 dem Sohn Heinrich Welf dem
Jüngeren die Pfalzgrafenwürde. Dieser starb bereits 1214. Damit
waren die Staufer wieder am Zuge. Kaiser Friedrich II., der sehr
transalpin orientiert war, verlieh die Pfalzgrafschaft als
Belohnung für treue Dienste bei seinen Italienzügen dem Herzog
Ludwig von Bayern. Damit wurde die Kurpfalz zum Besitz der
Wittelsbacher, was schließlich bis 1803 währen sollte.
Ludwig der Bayer verlobte in Wahrung der dynastischen Kontinuität
seinem Sohn Otto II. mit Agnes, der Tochter Welfs des Älteren.
Aus dieser Ehe stammte Ludwig der Strenge. Nach dessen Tod wurde
der Besitz unter seinen Söhnen Rudolph und Ludwig aufgeteilt.
Rudolph I. wurde Pfalzgraf bei Rhein, Ludwig IV. Herzog von
Bayern.
Nach Rudolphs Tod übernahm Ludwig die Pfalzgrafenschaft, gab sie
aber 1329 im berühmten, zukunftsweisenden Familienvertrag von
Padua an die Nachkommen seines verstorbenen Bruders zurück und
behielt sich die bayerischen Stammlande vor. Nach etwa 100 Jahren
gemeinsamer Regierung trennte sich die bayerische und pfälzische
Geschichte wieder, um erneut erst 450 Jahre später unter Kurfürst
Carl Theodor zusammengeführt zu werden.
Ruprecht I. (1353-1390) erhielt wegen seiner Kaisertreue
Privilegien. So unter anderem die Zusicherung ständiger Kurwürde
und das Vorrecht, der erste unter den vier pfälzischen Kurfürsten
zu sein. Am kaiserlichen Hof hatte er zudem das oberste Hofamt
inne, denn er wurde zum Erztruchsess bestimmt.
Mit dem letzten Grafen von Zweibrücken machte Ruprecht I. 1358
einen kombinierten Kauf und Lehnsvertrag, der schließlich das
Gebiet mit Zweibrücken, Hornbach und Bergzabern ganz zur Kurpfalz
brachte.
Es sei nur nebenbei vermerkt: Ruprecht I. ist auch der Gründer
der Universität Heidelberg. (PM)
Die Bauersfrau mit den vornehmen Manieren
Sie waren zwar verlobt, aber sie heirateten nie: die hübsche Frankfurter Bankierstochter Anna Elisabeth Schönemann und der angehende Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Als sich 1775 die beiden Familien gegen eine Heirat aussprachen, hatten die beiden Liebenden nicht mehr die Kraft, gegen diese Meinung zu heiraten. Goethe siedelte im November nach Weimar über, auch Lili Schönemanns zweite Verlobung mit dem Straßburger Harry Bernard scheiterte. Weiterlesen
Das „Hochgericht“ wurde feierlich eingeweiht
Als der kurpfälzische Galgen, in der Amtssprache „Hochgericht“
genannt, im Osten der heutigen Mannheimer Neckarstadt errichtet
wurde, ging man entsprechend feierlich ans Werk. Auf dem
Marktplatz versammelten sich vier Kompanien der Bürgerschaft mit
fliegenden Fahnen. Den aufgekommenen Streit zwischen den Maurern
und den Zimmerleuten, wer nun an der Spitze des Festzuges gehen
solle, wurde von Stadtdirektor Lippe gerade noch geschlichtet. Am
Rabenstein, jenseits des Neckars gelegen, wurde das Hochgericht
nach dreitägiger Arbeit am 29. Juli 1724 vollendet, mit einem
„schön verzierten Kranz“ umschlungen und mit lustiger Musik
gefeiert.
Ein Jäger des Grafen von Hillesheim, der wegen Diebstahl
verurteilt worden war, mußte hier als erster sein Leben lassen.
Ihm folgten viele unglückliche Menschen nach. Die sozialen
Verhältnisse in der Kurpfalz zwangen damals viele, sich einer
Diebesbande anzuschließen, um wenigstens zu überleben.
Als Residenz war Mannheim auch der Mittelpunkt der Exekutionen.
Von allen Seiten schleppte man die Verurteilten herbei, darunter
auch zahlreiche Juden, die besonders hart unter den
gesellschaftlichen Verhältnissen der Feudalzeit zu leiden hatten.
Bereits nach 13 Jahren war der Galgen abgenützt. So wurde unter
den gleichen Feierlichkeiten ein neuer erbaut. Hierbei kam es zu
Schlägereien unter den Maurern, wobei einige „auf dem Platze“
blieben. Als 1749 wieder ein neues Zehntgericht „notwendig“
wurde, wiederholten sich die Tumulte und Totschläge.
Für die Zeit zwischen 1742 und 1796 sind 62 Hinrichtungen
nachgewiesen, für das Jahr 1749 allein 15. In diesen Zahlen nicht
enthalten sind die Verurteilungen zum „Ausstehen von
Todesängsten“, wobei der Verurteilte alle Vorbereitungen zur
Hinrichtung über sich ergehen lassen mußte. Erst im allerletzten
Moment wurde ihm der Strick abgenommen. Gewöhnlich wurden die
Gepeinigten dann, mit einem Brandmal gezeichnet, des Landes
verwiesen.
Auf den Karten des 18. Jahrhunderts, die die kurpfälzische
Residenzstadt Mannheim betreffen, ist ein aus drei Säulen mit
Querbalken bestehender Galgen abgebildet. Die Existenz des
Hochgerichts gehört zu der weniger beachteten Seite der
Mannheimer Glanzzeit im 18. Jahrhundert. Kein Gedenkstein, keine
Tafel erinnert an die Vergangenheit dieses Ortes. (og)